„Wir befinden uns gerade in einer Art
Gleichgewicht, und ich würde die Zinsen
gerne so belassen.“
Esther George, US-Notenbankerin, widersetzt sich den
Forderungen von Präsident Donald Trump nach weiteren
Zinssenkungen.
Worte des Tages
Apotheken
Click &
Collect
D
ie Bundesregierung will die
Vor-Ort-Apotheken stärken.
EU-Versandapotheken wie
DocMorris und Shop-Apotheke sol-
len gesetzlich versicherten Patien-
ten keine Rabatte mehr auf Rezepte
geben dürfen und sich damit wie
die inländischen Apotheken an die
Preisbindung halten müssen. Ob
das Vorhaben einer europarechtli-
chen Prüfung standhält, ist fraglich.
Aber wer sich die ambitionierten
Wachstumspläne der börsennotier-
ten Apotheken DocMorris/Zur Rose
und Shop Apotheke mit dem elek-
tronischen Rezept in Richtung Milli-
ardenumsatz anschaut, der muss
sich fragen, ob das entscheidende
Thema zur Stärkung der Vor-Ort-
Apotheke wirklich das Bonusverbot
ist. Oder ob es nicht mehr um die
Frage gehen sollte, wie jede einzel-
ne Pharmazie mit dem E-Rezept das
Beste auch für sich rausholen kann.
Der Versandhandel mit rezept-
pflichtigen Medikamenten liegt ge-
rade mal bei einem Prozent des
deutschen Apothekenmarktes. Mit
dem E-Rezept wird der Anteil ver-
mutlich zweistellig werden. Der
größere Teil des Geschäfts wird
aber auch künftig über die stationä-
ren Apotheken laufen. Denn in den
meisten Fällen wollen die Patienten
doch direkt nach dem Arztbesuch
ihr Rezept einlösen, um die benö-
tigten Medikamente schnell neh-
men zu können. Sind die dann
nicht vorrätig, werden sie in der Re-
gel am selben Tag mit einem Boten-
dienst zur Verfügung gestellt. Sol-
che Services müssen die stationä-
ren Apotheken ausbauen, da
können die Versandapotheken –
wie auch bei der persönlichen Bera-
tung – nicht mithalten.
Und warum nicht über Kooperati-
on statt Konfrontation nachdenken?
Über Click-&-Collect-Modelle, bei
denen über die Versandapotheke
bestellte Medikamente in der Apo-
theke vor Ort abgeholt werden kön-
nen. Das bringt neue Kunden und
sichert ein Stück vom Kuchen.
Denn Convenience ist für viele Ver-
braucher entscheidender als der
Preis. Es ist Zeit, die Initiative zu er-
greifen und nicht drauf zu hoffen,
dass einmal mehr die Politik das
Geschäft sichert.
Statt auf Bonusverbote zu hoffen,
sollten Apotheken eine eigene
Strategie für E-Rezepte entwickeln,
meint Maike Telgheder.
Die Autorin ist Korrespondentin in
Frankfurt.
Sie erreichen sie:
[email protected]
T
opmanager diesseits und jenseits des At-
lantiks diskutieren derzeit eifrig über
die Abkehr vom einseitigen Sharehol-
der-Value-Denken und Gewinnstreben.
Wer die Halbjahresbilanzen der großen
Dax-Konzerne in den letzten Wochen durchblätterte,
konnte leicht den Eindruck gewinnen, dass der Ab-
schied vom „Profit-Mantra“ hierzulande schon längst
eingeleitet ist.
Die Gewinne der zwei Dutzend Industrieunterneh-
men im Dax 30 jedenfalls sind im ersten Halbjahr auf
ungewöhnlich breiter Front eingebrochen. Während
die Umsätze fast durchweg noch zulegten, wiesen
zwei Drittel der Konzerne rückläufige Betriebsgewin-
ne aus. Allein bei sieben der Unternehmen, darunter
Covestro, Daimler und Lufthansa, haben sich die
operativen Erträge auf Basis der IFRS-Abschlüsse
mehr als halbiert. Bei BASF und BMW lagen sie um
über 40 Prozent unter Vorjahr. In der Summe
schrumpften die Betriebsgewinne der Dax-Unterneh-
men damit um 28 Prozent und die Nettogewinne um
rund ein Fünftel. Und die Serie an Gewinnwarnun-
gen von Schwergewichten wie BASF, Daimler und
BMW deutet darauf hin, dass sich an dem Trend
auch im Gesamtjahr nicht allzu viel ändern wird.
Die Ertragsschwäche der Dax-Riesen lässt sich da-
bei kaum über einen Kamm scheren. Sie wird von
vielen speziellen Faktoren mit mehr oder weniger
einmaligem Charakter beeinflusst, darunter Kosten
für Strukturprogramme und die Rückstellungen der
Autohersteller für Diesel- und Kartellverfahren. Ori-
entiert man sich an den bereinigten Ertragskennzah-
len der Unternehmen, sieht das Bild daher ein gan-
zes Stück günstiger aus. Daimler etwa betrachtet den
Aufwand von gut vier Milliarden Euro als einmalige
Belastungen, SAP klammert 2,6 Milliarden Euro an
Kosten aus seinem bereinigten Betriebsgewinn aus,
darunter Integrationskosten für die jüngsten Zukäu-
fe und gut eine Milliarde Euro an aktienbasierten
Vergütungen. Bayer verbucht 1,9 Milliarden Euro an
Restrukturierungskosten, Wertberichtigungen und
Rechtskosten als „Sondereinflüsse“.
Aber ganz abgesehen von der Frage, wie viele die-
ser Kosten wirklich einmaligen Charakter haben und
wie viele letztlich Routine sind bei solchen Großkon-
zernen: Selbst auf adjustierter Basis sind die operati-
ven Erträge immerhin noch um rund acht Prozent
geschrumpft, bei weiter steigenden Umsätzen und
positiven Währungseffekten.
Das alles spricht dafür, dass die Konzerne nicht ge-
rade mit den günstigsten Strukturen auf eine mögli-
che Konjunkturflaute zusteuern. Sie haben in den
guten Jahren die Effizienz zu stark aus den Augen
verloren und sind nun sowohl mit ihren Produkt -
sortimenten als auch ihren Kostenstrukturen anfällig
für vergleichsweise moderate Marktverschiebungen.
Die wirklichen Probleme waren im ersten Halbjahr
letztlich noch nicht schwache Nachfrage oder kon-
krete Folgen der Handelskonflikte, sondern vor al-
lem Überkapazitäten, steigende Kosten und rückläu-
fige Margen. Was wird eigentlich mit den Gewinnen
passieren, muss man sich fragen, sollte es zu einer
echten Rezession kommen?
Der längerfristige Trend sieht nicht wirklich güns-
tig aus für das Gros der Dax-Konzerne. Die operati-
ven Erträge der Unternehmen haben bereits vor
zwei Jahren ihren Zenit überschritten und sind seit-
her rückläufig. Im laufenden Jahr dürften sie in etwa
auf das Niveau von 2010 zurückfallen, wenn sich der
Trend aus dem ersten Halbjahr fortsetzt. Abgesehen
von Ausnahmen wie Adidas, Beiersdorf und Freseni-
us zeigte im Grunde keiner der Großkonzerne in den
letzten Jahren einen konsistent positiven Gewinn-
trend. Und selbst bei Fresenius ist dieser Trend ins
Stocken geraten. Gleiches gilt für die Finanzkraft.
Der aggregierte Free Cashflow der Dax-Industrie-
konzerne dümpelt im Grunde seit Jahren bei insge-
samt um 20 Milliarden Euro vor sich hin, wenn man
die Autokonzerne mit ihrem großen Finanzgeschäft
mit einbezieht, und bei 30 bis 40 Milliarden Euro,
wenn man die Autoriesen außen vor lässt. Solche
Summen an Cash generieren amerikanische IT-Kon-
zerne wie Apple oder Microsoft in gerade mal zwei
Quartalen.
Zudem scheinen sich auch die Cashzuflüsse 2019
deutlich abzuschwächen. Im ersten Halbjahr haben
die Dax-Konzerne operativ gerade noch genug liqui-
de Mittel generiert, um ihre Sachinvestitionen zu fi-
nanzieren. Die Dividenden mussten sie aus vorhan-
denen Reserven überweisen. Auch in dieser Hinsicht
ist die Halbjahresbilanz der Dax-Konzerne ein Warn-
signal, das die enttäuschende Börsenperformance
der letzten zwei Jahre im Nachhinein bestätigt. Im
Grunde kommen die meisten Unternehmen ertrags-
mäßig schon seit einigen Jahren nicht mehr voran
und sind nun erheblich unter Druck geraten. Um auf
einen Wachstumstrend zurückzukehren, brauchen
sie offenbar deutliche Strukturverbesserungen.
Aus Sicht der Anteilseigner kann man den Dax-
Vorständen vor diesem Hintergrund nur zurufen:
Bevor ihr euch von der Idee des Shareholder-Values
verabschiedet, bitte schafft erst mal welchen!
Leitartikel
Geschwächt in
den Abschwung
Dax-Konzerne
haben in den
Boomjahren
Speck angesetzt.
Was wird, wenn
wir nun in eine
Rezession
rutschen? Das
fragt sich
Siegfried
Hofmann.
Die Gewinne der
Industrieunter-
nehmen im
Dax 30 sind im
ersten Halbjahr
auf ungewöhn-
lich breiter
Front einge-
brochen.
Der Autor ist Korrespondent in Frankfurt.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]
Meinung
& Analyse
(^22) WOCHENENDE 23./24./25. AUGUST 2019, NR. 162
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