sein als das von Wirecard.
Wir haben den Vorteil, dass wir keine Zukäufe inte-
grieren müssen, und wir sind von Anfang an mit
Großkunden gestartet. Die meisten Unternehmen
legen mit kleinen Kunden los, und wenn man Tau-
sende Klienten hat, ist die Gefahr größer, dass eini-
ge von ihnen Dinge tun, die man lieber nicht sehen
würde. Wir eröffnen Büros im Ausland meist mit
Leuten, die wir kennen. Wir haben sehr strenge
Kontroll- und Compliancesysteme.
Adyen arbeitet vor allem für große Konzerne aus
der Plattformökonomie wie Netflix und Spotify.
Ist das auch ein Risiko, so abhängig von wenigen
Großkunden zu sein?
Ja, wir sind konzentriert auf die Großkonzerne.
Aber das wird mit der Zeit schwinden. Da wir wei-
terwachsen und neue Kunden gewinnen, wird der
Einfluss dieser Großkunden immer geringer wer-
den. 2014 stammte die Hälfte des Transaktionsvo-
lumens noch von einem einzigen Unternehmen.
Adyen hat eine Banklizenz. Warum?
Wir können Zahlungen so schneller abwickeln. Wir
versuchen, alle Zahlungen am Folgetag zu beglei-
chen. Aber es gibt Zahlungsmethoden, zum Bei-
spiel Kreditkarten, die womöglich länger brauchen.
Wenn Adyen solche Zahlungen am Folgetag be-
gleicht, gehen wir in Vorleistung – und das ent-
spricht einem Kredit. Zudem haben immer mehr
unserer Händlerkunden ein Bankkonto bei Adyen,
was bedeutet, dass wir Zahlungen an sie sofort ver-
rechnen können.
Plant Adyen, auch andere Bankdienstleistungen
anzubieten, zum Beispiel Kredite? Der US-Bezahl-
dienst Paypal zum Beispiel vergibt auch Darlehen
an Onlineshops und wird immer mehr ein Dienst-
leister für Händler, nicht nur für Verbraucher.
Nein, das passt nicht zu uns. Wir planen nicht, Geld
an kleine oder mittelgroße Firmen zu verleihen.
Steigt der Wettbewerbsdruck, weil Paypal in den
Markt drängt?
Nein, ich kann nicht bestätigen, dass wir mehr
Wettbewerb durch Paypal spüren.
Gewinnen Zahlungsdienstleister an Bedeutung
zulasten traditioneller Banken?
Das ist zum Teil richtig. Banken haben Zahlungs-
verkehr immer nur als eine notwendige Dienstleis-
tung betrachtet, nicht als Geschäft, das man in gro-
ßem Stil aufziehen kann und in das man investie-
ren sollte. Sie haben bereits einen Anteil am Zah-
lungsgeschäft verloren, weil Händler ihre Zahlun-
gen über uns abwickeln können.
Welche Rolle können Echtzeitzahlungen künftig
spielen? Europäische Banken hoffen, dass sie ba-
sierend auf Instant Payments ein neues europäi-
sches Zahlungssystem schaffen können.
Echtzeitzahlungen mögen zu einer weiteren Zah-
lungsmethode werden, aber ich denke nicht, dass
sie den Markt dominieren werden. Man kann sich
fragen, ob Verbraucher von Instant Payments wirk-
lich etwas haben. Wer in Echtzeit bezahlt, kann das
Geld nicht zurückbekommen, wenn es irgendwel-
che Probleme gibt. Aus Sicht eines Verbrauchers ist
es sehr vorteilhaft, Onlineeinkäufe per Rechnung
zu zahlen, wie es in Deutschland üblich ist. Für
Händler ist das kompliziert.
Hält Adyen an der Regel fest, dass Mitarbeiter lie-
ber zum Telefon greifen sollen, als eine E-Mail an
Kollegen zu schreiben?
Das ist Teil der DNA von Adyen. Menschen aus 80
Nationen arbeiten für uns. Das ist eine sehr hetero-
gene Gruppe mit unterschiedlichen kulturellen
Werten, für die wir sensibel sein müssen. In man-
chen Kulturen ist man sehr höflich, in anderen
sehr direkt. Am Telefon oder in Videokonferenzen
merkt man unmittelbar, wie sein Gegenüber rea-
giert, und es ist viel einfacher, Missverständnisse
zu vermeiden.
Herr van der Does, vielen Dank für das Interview.
Die Fragen stellte Elisabeth Atzler.
Zahlungsdienstleister
Branche im
Übernahmefieber
W
ie hoch die Erwartungen an Adyen be-
reits sind, hat sich am Donnerstag ge-
zeigt. Der niederländische Zahlungs-
dienstleister steigerte den Gewinn im ersten
Halbjahr 2019 gegenüber dem Vorjahr auf knapp
93 Millionen Euro – ein Plus von rund 90 Pro-
zent. Das Volumen der abgewickelten Transaktio-
nen schoss binnen Jahresfrist um 50 Prozent auf
fast 105 Milliarden Euro nach oben. Trotzdem
gab die Adyen-Aktien bis zum Nachmittag um 3,5
Prozent nach. Manch ein Investor hatte sich of-
fenbar noch bessere Zahlen erhofft.
Den kleinen Rückschlag kann Adyen jedoch
gut verkraften. Das Unternehmen, das Zahlungen
im Auftrag von Händlern abwickelt sowie Zusatz-
dienstleistungen wie Schutz vor Betrug anbietet,
ist längst ein Börsenstar. Seit dem Börsengang im
Juni 2018 hat der Aktienkurs rund 170 Prozent ge-
wonnen, gleich am ersten Handelstag verdoppel-
te sich sich der Börsenwert in etwa.
Adyen wurde 2006 gegründet. Zu den promi-
nenten frühen Investoren zählten Facebook-Chef
Mark Zuckerberg, Twitter-Gründer Jack Dorsey
und Singapurs Staatsfonds Temasek. Der Zah-
lungsdienstleister arbeitet unter anderem für
Ebay, Facebook, Netflix, Spotify und Uber. In
Deutschland gehören Zalando, Flixbus und West-
wing zu den Kunden. Rund 1 000 Mitarbeiter –
Durchschnittsalter 31 – hat Adyen inzwischen, al-
lein rund 140 kamen im ersten Halbjahr dazu.
Der Höhenflug der Adyen-Aktie ist auch ein
Zeichen für den Boom der Branche, deren be-
kannteste Vertreter in Europa Wirecard, World-
pay, Equens Worldline, Ingenico sowie Nets sind.
Dafür gibt es vor allem einen Grund: Verbrau-
cher zahlen weltweit immer weniger mit Bargeld,
wodurch die Volumina von Karten- und Online-
zahlungen rasant steigen. Bei Adyen kamen im
ersten Halbjahr 80 Prozent des Zuwachses beim
Transaktionsvolumen durch bestehende Kun-
den, die also immer mehr bargeldlose Zahlungen
annehmen. Die Branche scheine auf so etwas wie
eine „goldene Zeit“ zuzusteuern, schrieb die Be-
ratungsfirma McKinsey jüngst. An den Banken
dagegen geht dieses Geschäft weitgehend vorbei.
Wie gefragt Zahlungsdienstleister derzeit sind,
wird auch durch das Übernahmefieber in der
Branche deutlich. Jüngstes Beispiel unter deut-
scher Beteiligung: Der US-Finanzinvestor KKR er-
wirbt die Mehrheit am kleineren Anbieter Heidel-
pay. Der schwedische Zahlungsdienstleister Klar-
na sammelte gerade noch einmal frisches Geld
ein und ist mit einer Bewertung von fünf Milliar-
den Euro nun das teuerste Finanz-Start-up
Europas. In den USA gab es in diesem Jahr be-
reits drei spektakuläre Fusionen, die Deals sum-
mieren sich auf rund 80 Milliarden Dollar (72 Mil-
liarden Euro).
Der Konkurrenzkampf zwischen den Anbietern
ist knallhart, die Geschäftsmodelle sind darauf
ausgelegt, möglichst viele standardisierte Zahlun-
gen über die Systeme laufen zu lassen. Die Fir-
men erhalten zwar nur einen kleinen Anteil der
über sie abgewickelten Umsätze, wer aber erst
einmal effiziente Systeme aufgebaut hat, kann
problemlos immer mehr Transaktionen darüber
laufen lassen – ohne dass die Kosten entspre-
chend steigen.
Zugleich brauchen Zahlungsdienstleister Geld
für Innovationen und neue Services. Der Innova-
tionsdruck in der Branche gilt als hoch. Die An-
bieter müssen neue Vorgaben, etwa durch die
EU-Zahlungsdiensterichtlinie PSD2, so in ihre
Systeme integrieren, dass die Händlerkunden sie
automatisch auch erfüllen. Anders als viele Wett-
bewerber, die auf Suche nach möglichen Zukäu-
fen sind, will Adyen aus eigener Kraft wachsen.
„Wir haben noch nie eine Übernahme getätigt“,
so Firmenchef Pieter van der Does. Dabei soll es
auch bleiben. Elisabeth Atzler
Pim Hendriksen/Adyen
Adyen
Aktienkurs in Euro
Börsenstart
652,40 €
HANDELSBLATT
12.6.2018 22.8.2019
Quelle: Bloomberg
800
600
400
00
Der Manager Der 50-Jährige arbeitet seit Jah-
ren in der Branche der Zahlungsdienstleister.
2006 zählte er zu den Gründern von Adyen.
Das Unternehmen Adyen wickelt für Händler
Zahlungen in Onlineshops und an der Laden-
kasse ab. 2018 ging die Firma an die Börse.
Vita Pieter van der Does
Wir bewegen
uns in
Richtung
einer
bargeldlosen
Gesellschaft.
Aber
Ladenkassen
werden nicht
binnen
weniger Jahre
verschwinden.
Pieter van
der Does:
„Die Menschen
verändern ihr
Zahlungsver -
halten nur lang-
sam, und die
Entwicklung läuft
von Land zu Land
unterschiedlich.“
Finanzen & Börsen
WOCHENENDE 23./24./25. AUGUST 2019, NR. 162^25
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