Handelsblatt - 23.08.2019

(Rick Simeone) #1

Yasmin Osman Frankfurt


D


ie Deutsche Bank hat
mit dem früheren UBS-
Vorstand Jürg Zeltner
einen hochkarätigen
Kandidaten für ihren
Aufsichtsrat gewonnen. Das Amtsge-
richt hat seiner Nominierung mittler-
weile zugestimmt. Doch eine Hürde
steht noch aus: Die Bankenaufsicht
hat die Personalie noch nicht geneh-
migt, sagten mehrere Insider dem
Handelsblatt. Das ist im Prinzip nor-
mal, schließlich startet der Prozess
immer erst nach der gerichtlichen
Bestellung. Doch das Institut habe
auch darauf verzichtet, sich informell
vorab grünes Licht von den Banken-
aufsehern für die Nominierung Zelt-
ners zu holen, heißt es.
Das ist ein riskanter Zug, denn Vor-
stände und Aufsichtsräte eines Insti-
tuts brauchen die Zustimmung der
Bankenaufsicht. Bei Nominierungen
fühlen Banken deshalb häufig erst
einmal vor, ob die Aufseher Beden-
ken gegen einen Kandidaten oder ei-
ne Kandidatin haben. Äußern die
Kontrolleure Vorbehalte, wird der
Vorschlag diskret zurückgezogen.
Dadurch, dass die Bank die Perso-
nalie schon vor dem informellen
Okay der Aufseher öffentlich machte,
ließe sich ein Streitfall nun nicht
mehr geräuschlos lösen. „Die Auf-
sicht wird bei ihrer Entscheidung
auch berücksichtigen, ob und wie
weit sie die Bank durch eine Ableh-
nung destabilisieren würde“, sagt ein
Experte, der früher in der Banken-
aufsicht gearbeitet hat. Anders ge-
sagt: Die Bank hat erst einmal Fakten
geschaffen. Die zuständigen Behör-
den, die Europäische Zentralbank
(EZB), die Bafin und die Bundesbank
wollten sich dazu nicht äußern.
Dabei dürfte die Personalie Zeltner
durchaus für Diskussionsstoff sorgen.
Der frühere UBS-Vorstand ist Vor-
standschef des Geldhauses KBL Eu-
ropean Private Bankers, das auf ver-
mögende Kunden spezialisiert ist.
Zeltner ist an der KBL, deren Mutter
Precision von der EZB beaufsichtigt
wird, außerdem „signifikant“ betei-
ligt. Beide Punkte dürften eine ge-
nauere Prüfung der Aufsicht nach
sich ziehen.

Ist KBL ein Konkurrent?
Im EZB-Leitfaden zur Eignung von
Vorständen und Aufsichtsräten fallen
leitende Posten und finanzielle Inte-
ressen bei Konkurrenzunternehmen
unter „potenzielle wesentliche Inte-
ressenkonflikte“. Mehrere Regulie-
rungsexperten, die aber nicht ge-
nannt werden wollen, sehen Zeltners
Berufung deshalb kritisch. Der Leit-
faden ist rechtlich aber nicht bin-
dend und räumt der EZB Ermessens-
spielräume ein, ebenso wie ein Merk-
blatt der Finanzaufsicht Bafin.
„Wir prüfen – wie die EZB auch –,
ob bei Mitgliedern von Verwaltungs-
und Aufsichtsorganen potenzielle In-
teressenkonflikte bestehen“, erläu-
terte eine Bafin-Sprecherin losgelöst
vom konkreten Fall. Solche Konflikte
seien etwa gegeben, wenn „persönli-
che Umstände oder die eigene wirt-

schaftliche Tätigkeit“ geeignet seien,
einen Aufsichtsrat „in der Unabhän-
gigkeit seiner Kontroll- und Überwa-
chungsfunktion“ zu beeinträchtigen.
„Ob Interessenkonflikte bestehen, ist
stets eine Frage des Einzelfalls.“
Die Aufseher dürften nun also prü-
fen, ob und wie sehr sich KBL und
Deutsche Bank bei vermögenden Pri-
vatkunden ins Gehege kommen. „Bei
einer ersten und groben Beurteilung
könnte man Indizien für einen mög-
lichen Interessenkonflikt sehen, wo-
bei man für eine seriöse Einschät-
zung aber mehr Informationen
bräuchte“, sagt Hans-Joachim Bö-
cking, Corporate-Governance-Exper-
te an der Universität Frankfurt. Aller-
dings folge aus einem möglichen In-
teressenkonflikt nicht zwangsläufig,
dass das Mitglied nicht für die Positi-
on geeignet sei. Die Bank müsse
grundsätzlich sicherstellen, dass ein
möglicher Interessenkonflikt vermie-
den, angemessen abgeschwächt oder
gesteuert werde, und dies der EZB
aufzeigen.
Die Deutsche Bank ist zuversicht-
lich, was die Ernennung Zeltners an-
geht: „Alle potenziellen Interessen-
konflikte, die sich aus seiner Tätigkeit
und seiner Beziehung zu einem un-
serer Großaktionäre ergeben könn-
ten, sind dem Aufsichtsrat und der
Gesellschaft angezeigt worden“, sag-
te ein Sprecher. „Sie wurden vom
Nominierungsausschuss geprüft und
als gering eingeschätzt.“ Potenzielle
Interessenkonflikte würden sich in
der Einstufung Zeltners als „nicht un-
abhängiges Mitglied des Aufsichtsra-
ts“ bereits wiederfinden. „Der EZB
gegenüber wurden die potenziellen
Interessenkonflikte sowie deren
Handhabung ebenfalls angezeigt“, so
der Sprecher.
Am einfachsten ließen sich alle of-
fenen Fragen lösen, wenn Zeltner auf
seinen Chefposten bei KBL verzichtet
und seine Anteile abgeben würde.
Damit ist aber nicht zu rechnen. „Er
hat absolut nicht vor, von seinem
Posten bei KBL epd zurückzutreten“,
sagte ein Sprecher des Instituts. Man
könne auch keinen Interessenkon-
flikt erkennen. Genauso wenig habe
Zeltner vor, seine Anteile abzugeben.
Unterstützung erhält Zeltner von
Vanda Heinen, der Corporate-Gover-
nance-Expertin der Fondsgesell-
schaft Union Investment: „Wir sehen
keinen materiellen Interessenkon-
flikt. KBL ist kein wesentlicher Wett-
bewerber für die Deutsche Bank,
weil das Institut dafür nicht groß ge-
nug ist.“ Für Heinen dominiert das
Positive: „Wir begrüßen, dass die
Deutsche Bank einen hochkarätigen
Kandidaten für den Aufsichtsrat ge-
wonnen hat, der eine große Experti-
se mitbringt“, sagt sie. Auch ein Top-
20-Investor der Bank ist voll des Lo-
bes: Zeltner sei ein hochkarätiger
Manager mit viel Führungserfah-
rung. Er habe außerdem das Format,
Nachfolger von Aufsichtsratschef
Paul Achleitner zu werden. „Dann
müsste er sich aber schon für eine
Seite entscheiden – KBL oder Deut-
sche Bank.“

Deutsche Bank


Druck auf die Aufseher


Die Deutsche Bank hat mit der offiziellen Nominierung ihres neuen Aufsichtsrats Fakten geschaffen.
Dabei stellen sich für die Bankenkontrolleure einige Fragen zu Jürg Zeltner.

Alle potenziellen
Interessenkonflikte wurden vom
Nominierungsausschuss geprüft
und als gering eingeschätzt.
Pressesprecher
Deutsche Bank

Jürg Zeltner: Die Bankenaufsicht muss seiner Nominierung noch zustimmen.


Bert Bostelmann für Handelsblatt


Finanzen & Börsen


(^26) WOCHENENDE 23./24./25. AUGUST 2019, NR. 162
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