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Es ist eine Erkenntnis, die
sich nur langsam durchsetzt:
Das über 100 Jahre alte Universum der
Autohersteller wird angegriffen. Was das konkret
bedeutet, erklärt Professor Stefan Bratzel.
Einst lebten die Autobauer in einem Kosmos mit fest definierten
Spielregeln. „Alles verlief in geordneten Bahnen: Kunden wollten
ein eigenes Auto besitzen,001 das sich manuell fahren lässt und
dessen Herzstück der Verbrennungsmotor ist“, sagt Stefan Brat-
zel. Doch zunehmend zieht es andere in dieses Universum. „Die
Mobility-Provider wie Uber räumen etwa mit dem
Gedanken auf, man müsse ein Auto haben“, so Bratzel.
„Im Bereich Connectivity wollen die großen Big-Data-
Player wie Apple und Google die Welt vernetzen – und
die sind von der Marktkapitalisierung her größer als
jeder Autobauer.“ So entstehe nicht nur eine völlig
neue Wettbewerbssituation – geprägt von bisher bran-
chenfremden Konkurrenten. Es wird auch ein Para-
Den Podcast
mit Stefan Bratzel
hören Sie unter
thinktank.dub.de
Maße konsumieren und wirtschaften, bräuchten wir
die Ressourcen von 1,75 Erden. Die haben wir aber
nicht. Also ist Umdenken angesagt.
DAS VERKEHRSPROBLEM
Besonders problematisch ist der CO 2 -Ausstoß. Koh-
lendioxid macht mit 88 Prozent den mit Abstand
größten Teil der Treibhausgase in der Atmosphäre
aus. Es entsteht in erster Linie bei Verbrennungsvor-
gängen – etwa bei der Strom- und Wärmeerzeugung,
im Straßenverkehr und in der Industrie. Zwar zeigt
eine Untersuchung des Umweltbundesamtes: Dank
Grenzwerten und neuer Technologien sank die Emis-
sion von CO 2 in den vergangenen 23 Jahren bei Pkw
um etwa 15 Prozent, bei Lkw um 30 Prozent.
Das Problem dabei: „Umso effizienter die Moto-
ren, desto mehr Personenverkehr haben wir“, sagt Sven
Schulze, Partner beim Beratungsunternehmen Eco-
nomic Trends Research, beim DUB Digital Think
Tank (siehe Seite 15). Das heißt: Der Pkw-Verkehr hat
zwischen 1995 und 2017 um knapp 18 Pro-
zent zugelegt. Das relativiert ge-
ringere Emissionen pro
Fahrzeug.
D
ie „Fridays for Future“-Demonstrationen,
das Pariser Klima-Abkommen, und von der
Bundesregierung wird gerade die Einfüh-
rung einer CO 2 -Steuer diskutiert: Man
könnte deshalb meinen, in puncto Klima-
wende tue sich derzeit viel. Und dass dies bitter nötig
ist, zeigt ein Blick auf den Kalender: Während im
Jahr 1970 der „Erdüberlastungstag“ noch auf den
- Dezember fiel, war es 2019 bereits am 29. Juli
so weit. Das hat die Organisation Global Footprint
Network ermittelt.
Konkret heißt das: Die Menschheit hatte bis da-
hin schon mehr natürliche Rohstoffe verbraucht, als
in diesem Jahr nachwachsen können. Wären wir Men-
schen Tiere und die Umwelt wäre unsere Speisekam-
mer, müssten wir den Rest des Jahres hungern.
Kurzum: Wir leben deutlich über
unsere Verhältnisse. Wollen
wir weiterhin in
diesem
Zeit für neue
Spielregeln
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