Handelsblatt - 23.08.2019

(Rick Simeone) #1

wir die Lösung erproben. Aber in der nächsten Gene-
ration, die schon bald kommt, werden wir 30.000 Mirai
pro Jahr bauen. Und das wird dann zum Sprungbrett
für die Massenproduktion der Zukunft.


Die Infrastruktur für diese Fahrzeuge muss noch aus-
gebaut werden. Würde Toyota hier selbst investieren?
Uyttenhoven: Wir sind in einem Verbund mit Ölfir-
men wie Shell und Total und werden die nötige Infra-
struktur in Europa, besonders in Deutschland, auf die
Beine stellen. Bundesweit gibt es momentan 75 Tank-
stellen – bis Ende des Jahres werden es 100 sein, bis
2025 laut Plan 400. Das Ganze ist wieder als Ökosys-
tem zu betrachten. Wenn es das eigentliche Ziel ist,
die CO 2 -Emissionen zu reduzieren, können das bei-
spielsweise E-Autos bieten. So in Norwegen: Das Land
produziert 98 Prozent des eigenen Stroms über er-
neuerbare Energien. Hierzulande allerdings sind drei
Viertel der Energie noch fossilen Ursprungs. Daher
sind Elektroautos für uns nur eine Teillösung, weil im-
mer noch Emissionen entstehen – nur an einer ande-
ren Stelle. Viele wollen das nicht sehen und sagen:
„E-Autos sind grün.“ Aber das ist hier nicht so. Man
muss immer die ganze Kette betrachten.


Sie sagen es: Die Umweltbilanz der E-Autos ist in der
Diskussion. Stichworte: Produktion und Entsorgung
von Batterien oder Verbau seltener Erden und deren
Abbaubedingungen. Wie wollen Sie mit E-Autos einen
ökologisch verträglichen Fußabdruck hinterlassen?
Uyttenhoven: Das ist momentan in der Tat sehr
kompliziert. Es gibt hier ökologische und politische
Themen. Ich bin im Kongo geboren. 80 Prozent des
Kobalts in der Welt werden dort gefunden und abge-
baut. Also in einem Land, das politisch nicht stabil ist.
Und für die Produktion von einem Kilo Lithium brau-
chen Sie zwei Millionen Liter Wasser, um das Lithium
aus den Salzen zu spülen. So gibt es viele Themen im
Bereich Rohmaterialien, die man „von well zu wheel“
denken muss. Es braucht diese ganzheitliche Betrach-
tung. Und die sollten wir alle gemeinsam unternehmen.


Ist Wasserstoff die bessere Zukunftstechnologie?
Uyttenhoven: Wasserstoff hat diesen Charme, dass
er aus erneuerbaren Energien gewonnen werden kann.
Das einzige Problem bei Strom aus Wind oder Sonne:
Wir brauchen Leitungs- und Speicherkapazitäten. Was-
serstoff kann diese Speichermethode darstellen, wenn
er via Elektrolyse aus sauberem Strom gewonnen wird



  • und zugleich kann er Autos bewegen. Daher glauben
    wir, dass Wasserstoff langfristig wahrscheinlich die
    bessere Lösung ist.


Warum hat sich diese Überzeugung bei anderen Her-
stellern nicht durchgesetzt?
Uyttenhoven: Es gibt mehrere Automobilhersteller,
die das Thema Wasserstoff in Erwägung ziehen. Es
sind zwei, drei, die das mit einer gewissen Intensität
vorantreiben. Das Ganze ist auch ein bisschen von der
Gesetzgebung abhängig. Wenn eine Regierung sagt:
„Egal wie der Strom produziert wird: Das Auto ist grün,
weil Strom per Definition grün ist“, dann wird das für
Wasserstoff natürlich ein schwieriges Umfeld. Aber
nochmals: Wenn wir den Planeten retten wollen und
am Ende die Gesamtkette betrachten, dann hat Was-
serstoff natürlich sehr viele Qualitäten.

Was ist Ihre Vision von der Mobilität der Zukunft?
Uyttenhoven: Unsere Mitarbeiter wissen, dass To-
yota eigentlich als Webstuhl-Produzent groß gewor-
den ist. In den 1930er-Jahren hat sich die Familie dann
entschieden, dass die Automobilindustrie das nächste
große Ding ist. So ist Toyota technologisch komplett
umgestiegen. Und jetzt stehen wir am Anfang einer
neuen Transformation. Akio Toyoda selbst hat gesagt,
dass wir in zehn bis 20 Jahren nicht mehr als Auto-
mobilhersteller betrachtet werden wollen, sondern als
Mobilitätsanbieter. Zentral aber ist: Schon 1992 hat
Toyota als Firma entschieden, zwei Ziele zu verfolgen:
„zero emissions“ und „zero casualties“ – sprich, keine
Emissionen und keine Unfalltoten mehr. Das ist an-
spruchsvoll, aber wir sind auf dem richtigen Weg. Den-
noch: Allein werden wir es nicht schaffen. Aber wenn
Gesellschaft, Industrie und Politik das ebenso wollen,
gibt es keinen Grund, warum wir die Ziele in den nächs-
ten 20 Jahren nicht erreichen sollten.

Was bedeutet: „Wir wollen Mobilitätsanbieter sein“?
Das sagen momentan viele Autobauer. Geben Sie uns
bitte ein konkretes Beispiel, was Toyota hier tut.
Uyttenhoen: Wir sind noch relativ jung in diesem
Thema. Aber Sie werden in den nächsten Monaten
sehen, dass wir zum Beispiel mit einer neuen Marke in
den Markt gehen. Toyota ist eine der zehn wertvollsten
Marken der Welt, und wir werden eine neue kreieren,
weil wir das Thema Mobilität als zweites Standbein
neben der Produktion und dem Verkauf von Autos
etablieren wollen. Die Marke wird aber nicht nur für
das Thema Mobilität bei Autos, sondern für multimo-
dale Mobilität stehen. Warum wir das können? Bei-
spielsweise weil wir auch Anteile an Uber, an Grab in
Südostasien und anderen Mobilitätsanbietern haben.
Toyota investiert massiv in diesen Bereich. Das Ganze
wird in den kommenden Jahren eine ganz neue Di-
mension erhalten.

ZUR
PERSON
ALAIN
UYTTENHOVEN
ist seit Anfang
2018 Geschäfts-
führer und
Präsident von
Toyota Deutsch-
land. Zuvor war er
als Vice President
bei Toyota Motor
Europe für die
Marke Lexus
verantwortlich

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