DUB UNTERNEHMER-Magazin
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TITELTHEMA
K
ünstliche Intelligenz (KI) ist eine Schlüsseltech-
nologie der automobilen Zukunft, aber „nicht
Lösung aller großen Probleme“, sagt Steven Pe-
ters, Leiter Artificial Intelligence Research bei Daimler.
Er verrät, wo KI dennoch Revolutionäres leisten kann.
DUB UNTERNEHMER-Magazin: Gehen wir dem Mythos
auf den Grund: Worüber reden wir beim Einsatz von
KI im Automobilbereich?
Steven Peters: Sicherlich herrscht ein Hype um das
Thema KI, aber das hat auch etwas Gutes. Viele Start-
ups sind entstanden, an Universitäten gab es einen
großen Push. Man muss klar sagen: KI – das heißt hier
maschinelles Lernen – ist ein neues Werkzeug. Es löst
nicht alle Probleme. Aber man kann schon heute ein-
zelne Lösungen und Prozesse mittels KI schneller, ef-
fizienter oder überhaupt erst herbeiführen. Für Car-
sharing etwa ist KI einer der wichtigsten Enabler.
Bei aller zurückhaltenden Beurteilung birgt die Tech-
nologie dennoch Revolutionspotenzial. Wo und wie?
Peters: Die Denkweise, KI als Werkzeug anzuwenden,
ist entscheidend. Anwendungsmöglichkeiten gibt es
zum Beispiel beim autonomen Fahren und bei der User-
Experience, die zunehmend auf KI – zum Beispiel mit
Sprach- und Gestensteuerung – basiert, aber auch im
sukzessiven Weiter lernen, wie sich der Kunde verhält.
Dann natürlich in Geschäftsmodellen wie Carsharing.
Aber auch in internen Prozessen. Durch Team-Building
zwischen KI und einem Fachexperten kann ich in Pro-
duktion und Entwicklung viel erreichen. Das hilft, Kos-
ten zu sparen, die Qualität zu steigern, und führt dazu,
dass Mitarbeiter sich „empowert“ fühlen, Herausforder-
ungen anzugehen – mit einem KI-Partner an der Seite.
Welche Philosophie im Umgang mit KI hat Daimler?
Peters: Entscheidend ist, verantwortungsvoll mit
Daten umzugehen. Unsere Philosophie: Es geht immer
Werkzeug der Revolution
AUTONOM FAHREN? Kein Experte
kann seriös prognostizieren, wann
das in allen denkbaren Szenarien
möglich sein wird. Sagt Steven Peters,
Daimlers KI-Chef forscher. Und doch
sieht er Potenzial in der Technologie.
darum, die Selbstbestimmung des Users, Mitarbeiters
oder Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Dazu nötig
ist Transparenz. Wir haben zudem eine technische
Sicherheitsverantwortung. Generell glaube ich, dass
es ein tolles Erlebnis sein kann, mit KI etwas besser
zu machen. Ich bin überzeugt, dass der Mensch dabei
selbstwirksam bleiben will.
Welche konkreten Anwendungsfälle sehen Sie?
Peters: Erstens Assistenzsysteme: Seit fünf Jahren
gibt es einen Fußgänger-Notbremsassistenten, der mit
neuronalen Netzen im Fahrzeug arbeitet. Wir sind heu-
te beim Level-2-System. Zweitens User-Experience:
Das Verhalten des Autos muss nachvollziehbar sein,
mich positiv überraschen, begeistern und darf nicht
als irgendwie „spooky“ wahrgenommen werden. Drit-
tens Geschäftsmodelle: Kann ich besser als die Wett-
bewerber vorhersagen, wo welches Auto in der Stadt
wann gebraucht wird, führt das zu höherer Kunden-
zufriedenheit und letztlich einer besseren Auslastung,
sprich zu einem besseren Business-Case. Zudem gibt
es interne Einsatzfelder: Wir haben ein System zur
KI-gestützten Mustererkennung in komplexen Moto-
renphänomenen entwickelt, dass unseren Experten
hilft, noch höhere Effizienz zu erzielen.
LIVE
Den kompletten
Live-Talk mit
Steven Peters
finden Sie unter
thinktank.dub.de
ZUR
PERSON
DR. STEVEN
PETERS
leitet seit 2017
das Team
Artificial Intelli-
gence Research
in der Konzern-
forschung der
Daimler AG. Zu
seinem Aufgaben-
feld zählt das
ganze Spektrum
der Automobil-
entwicklung