Focus Money - 21.08.2019

(Frankie) #1




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Deutsche Automotive-Aktien gegen den Dax %
prozentuale Entwicklung seit 10.8.2014, ohne Dividenden

DaxSektor Automobile Dax-Kurs-Index

2014 2015 2016 2017 2018 2019

Zulieferer jahrzehntelang ernährte. Während VW & Co.
mit Milliardeninvestitionen in neue Strommodelle inve-
stieren, wird für viele Teilezulieferer die hohe Abhän-
gigkeit vom Verbrennungsmotor zum Problem. Wirklich?
Erstens: Der Übergang vom Verbrenner zum reinen Stro-
mer dürfte laut Branchenexperten noch weit mehr als
zehn Jahre andauern – genügend Zeit, um sich den An-
forderungen im E-Markt zu stellen und anzupassen.
Zweitens: Gerade die Zulieferer erweisen sich in Sachen
E-Mobilität als erstaunlich kreativ. Hella-Chef Rolf Brei-
denbach erkannte bereits vor Jahren, dass autonom fah-
rende Autos keine hochkomplexen LED-Scheinwerfer
mit 600 Metern Leuchtweite benötigen. Heute sind Soft-
ware- und Elektroniklösungen im Bereich Fahrerassis-
tenzsysteme und Energiemanagement der größte Um-
satztreiber im Konzern. Während Contis Stärke bei der
Verbindung von Antrieb und Elektronik liegt, punktet
Schaeffler bei der Integration zwischen Achse und Motor.
Beide investieren dazu kräftig – Conti in den Antriebsbe-
reich „Vertico“, Schaeffler rund eine Milliarde Euro bis
2020 in den Bereich E-Mobilität. Das kostet zwar Geld
und drückt die Marge – zahlt sich aber auf lange Sicht
aus. Bei Schaeffler etwa stieg der Umsatz in diesem Seg-
ment bereits im ersten Quartal 2019 gegenüber Vorjahr
um mehr als ein Drittel.

Grund 3: Autokonjunktur kommt wo-
möglich schneller ins Rollen als gedacht

Geopolitische Krisen, WLTP-Chaos, Milliardeninvestiti-
onen in den mobilen Wandel – die Autobranche trifft die
Krise mit voller Wucht. Kein Wunder, dass es Gewinnre-
visionen hagelt. Daimler warnte bereits zum zweiten Mal,
Schaeffler zog vorvergangene Woche nach, Zulieferer wie
Weber Automotive oder Eisenmann, Hersteller von La-
ckierungsanlagen, schlittern in die Pleite. Dennoch gibt
es Gründe zur Hoffnung, dass es schlimmer wohl nicht
mehr kommen kann. Erstens: Die Konzerne drehen an
der Kostenschraube. Mit Effizienzprogrammen, Jobab-
bau und Produktionsverlagerungen bringen die Unterneh-
men ihre Margen auf Trab. Conti und Hella beispielswei-
se entdecken Litauen als neuen Produktionsstandort und
sichern sich für insgesamt 120 Millionen Euro neue

mit dem Thema Auto zu tun hat, zumindest auf mittlere
Sicht als verbrannt. Warum, bitte schön, sollte man ausge-
rechnet jetzt Aktien von Autozulieferern kaufen? FOCUS-
MONEY wird immer dann hellhörig, wenn sich die Bör-
sianer einig sind. Die Erfahrung zeigt: Erstens kommt es
anders – und zweitens als man denkt. Mit anderen Wor-
ten: Die Masse liegt in der Regel schief. Vier Thesen spre-
chen dafür, gerade jetzt gegen den Strom zu schwimmen
und sich echte Global Champions zu Schnäppchenprei-
sen zu sichern.

Grund 1: Nie war die Weltspitze billiger


Keine Frage: Die Nachrichtenlage aus dem Automobil-
bereich ist alarmierend. Fast überall auf der Welt gehen
die Absatzzahlen zurück. In Europa lag das Minus im ers-
ten Halbjahr gegenüber Vorjahr bei 3,4 Prozent, in den
USA bei zwei, in China sogar bei 14 Prozent. Folge: Die
Bilanzen der Hersteller sind ramponiert. Sinkende Mar-
gen, weniger Gewinn und schwächere Prognosen verder-
ben Börsianern die Laune. Dramatisch dabei: Husten die
Großen, bekommen ihre Helfer einen Schnupfen. Auch
Zulieferer wie Conti oder Schaeffler kommen zusehends
unter Druck. Allerdings: Die Börse ist nicht von gestern.
Vieles an Ungemach steckt bereits in den Kursen drin. Be-
zogen auf die aktuellen Finanzergebnisse, sind die Au-
tozulieferer fast schon absurd billig. Der Branchenindex
DaxSector-Automobile (enthält auch die Autobauer) ver-
lor seit Januar 2018 rund ein Drittel an Wert (siehe Grafik
unten). Die Folge sind 2020er-Kurs-Gewinn-Verhältnisse
auf Knöchelhöhe: 4,9 für Schaeffler, 8,3 bei Conti und 9,
für den Lichtspezialisten Hella. Wohlgemerkt: Die Rede ist
von Konzernen, die in Teilbereichen ihres Kerngeschäfts
bei Know-how und Umsatzgröße weltweit an der Spitze
stehen – und ihre Marktanteile mit Milliardenausgaben
für Forschung und Entwicklung absichern.

Grund 2: Zulieferer unter Strom


Doch es kommt noch dicker. Mitten in der weltweiten Ab-
satzkrise erlebt die Autobranche den größten Wandel ih-
rer Geschichte: die Wende zur Elektromobilität. Der Ver-
brennungsmotor ist auf dem Rückzug – und damit ein
Geschäftsmodell, das sowohl die Hersteller als auch die

FOCUS-MONEY 35/2019 11


Autobranche günstig wie nie
Auf 5-Jahres-Sicht zieht der Dax dem Branchensektor Automotive klar davon. Elf Prozent Plus stehen 19 Prozent Ver-
lust gegenüber. Vorteil: Fast alle Autowerte (Hersteller und Zulieferer) bieten spottbillige Kurs-Gewinn-Verhältnisse.

Quelle: Bloomberg
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