Focus Money - 21.08.2019

(Frankie) #1

FOCUS-MONEY 35/2019 69


unter 50 km^16

51 bis 100 km 13

101 bis 300 km^28

301 bis 1000 km 34

über 1000 km^8

Entfernung zwischen altem und neuem Wohnort
Anteile in Prozent der Befragten

Umzugshäufigkeit nach Berufen
in Prozent der Befragten

Beamter/
Beamtin

4

19

77

Angestellte(r)

4

25

71

Fach-
arbeiter(in)

2

26

72

freiberuflich/
selbstständig

9

25

bis zu 5-mal 66

6- bis 10-mal

11- bis
20-mal

Umziehen, pendeln oder doppelter Haushalt? Berufliche Mobilität hat ihren Preis.


Mit welchem Modell Berufstätige die höchste Steuerersparnis einfahren


P


anta rhei – alles fließt. Diese Redewendung wird dem
altgriechischen Philosophen Heraklit zugeschrieben
(um 520 bis 460 v. Chr.). Nach seiner Lehre verändert sich
alles, egal, ob Dinge, Lebewesen und Erscheinungen in der
Welt – nichts bleibt, wie es ist. Diese Weisheit hat bis heute
nichts an Aktualität eingebüßt. Alles unterliegt einem stän-
digen Wandel. Insbesondere Berufstätige können ein Lied
davon singen. Rund zwei Drittel der Angestellten, Fach-
arbeiter und Beamten sind bereits bis zu fünfmal in ihrem
Berufsleben umgezogen. Jeder zweite pendelt täglich zur
Arbeitsstätte und mehr als 1,2 Millionen Steuerzahler un-
terhalten eine zweite Wohnung am Arbeitsort.
Berufliche Mobilität hat ihren Preis. Neben Fahrt- und
Umzugskosten kommen in vielen Fällen auch Kosten
für Möbel, Einrichtungsgegenstände und Hausrat hinzu.
Doch der Staat hat ein Einsehen. Berufstätige können von
zahlreichen Steuerprivilegien profitieren. Dabei kommt es
darauf an, für welches Modell sich Steuerzahler entschei-
den: Umzug, Pendeln oder doppelte Haushaltsführung?
FOCUS-MONEY rechnet vor, welche Variante, wirtschaft-
lich betrachtet, die meisten Vorteile einfährt.
Umzug an den Arbeitsort. Besonders großzügig zeigt sich
der Fiskus, wenn Berufstätige jobbedingt mit der ganzen
Familie an den neuen Arbeitsort ziehen (s. Kasten S. 70). Bis-
lang konnten Steuerzahler die Umzugskosten nur dann gel-
tend machen, wenn sie die tägliche Fahrzeit zum Arbeitsort
um mindestens eine Stunde verkürzten. Doch dies ist laut
FG Baden-Württemberg nicht immer zwingende Vorausset-
zung: In einem aktuellen Urteil (Az. 8 K 34/00) ließen die
Richter den Abzug von Umzugskosten von rund 5400 Euro
zu, obwohl sich die Fahrzeit nur um 46 Minuten pro Tag
verringerte. In der Begründung würdigte das Gericht, dass
die Angestellte ihren Arbeitsweg künftig auch zu Fuß zu-
rücklegen kann. Zudem lag der Umzug im Interesse des Ar-
beitgebers. Durch die Nähe der neuen Wohnung zu ihrem
Arbeitsplatz sei von einer viel besseren Verfügbarkeit der

Arbeitnehmerin auszugehen. Der Fiskus erkennt die Um-
zugskosten auch dann an, wenn Arbeitnehmer eine dop-
pelte Haushaltsführung auflösen und in die Wohnung am
Arbeitsort ziehen. Gleiches gilt, wenn ein Wechsel von ei-
ner Dienstwohnung in eine andere Dienstwohnung erfolgt.
Neben Umzugskostenpauschalen gewährt der Fiskus wei-
tere Aufwendungen wie etwa Fahrtkosten zur Wohnungs-
besichtigung und Maklerkosten (s. Kasten S. 70).
Doppelter Haushalt. Wer nur an den Wochenenden pen-
delt und am Arbeitsort eine Zweitunterkunft unterhält,
kann für Wohnung, Haus, Hotel- oder Pensionszimmer
ebenfalls Fahrt- und Umzugskosten, aber auch Verpfle-
gungspauschalen zumindest in den ersten drei Monaten
absetzen. Der Fiskus akzeptiert auch die Miete inklusive
Betriebs- und Nebenkosten. Wichtig: Die bisher geltende
Abzugsbeschränkung in Höhe von 1000 Euro erfasst nach
dem Wortlaut des Gesetzes nur die Miete (Unterkunftskos-
ten). Damit sind laut aktueller Entscheidung des BFH (Az.
VI R 18/17) weitere Aufwendungen (z. B. Einrichtungsge-
genstände und Haushaltsartikel) zusätzlich als Werbungs-
kosten absetzbar. Das kann sich rechnen.
Berufspendler. Auch Pendler können stattliche Steuer-
vorteile einstreichen. Je länger der Arbeitsweg zur ersten
Tätigkeitsstätte ist, desto höher fällt die Steuerersparnis
aus. Wer an 230 Tagen im Jahr 15 Kilometer mit dem Auto
pendelt, fährt bereits eine Pauschale in Höhe von 1035
Euro ein, wer 200 Kilometer zurücklegt, sogar 13 800 Euro.
Wem die Stressbelastung mit dem Auto zu hoch ist, kann
auch als Mitfahrer oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln
die Strecke auf Kosten des Finanzamts zurücklegen.
Steuerzahler sollten daher genau überlegen, welches
Modell (s. Rechnungen S. 70) für sie am besten geeignet
ist. Der Komplettumzug spart der Musterfamilie jeden-
falls die meiste Zeit, Geld und Nerven.

MARTINA SIMON

Zugvögel in Deutschland 1000 Kilometer – kein Problem
Zwei Drittel der Beamten, Angestellten, Facharbei-
ter sowie Selbstständigen ziehen hierzulande bis zu
fünfmal berufsbedingt um.

Die Bundesbürger scheuen keine Mühen. Rund 40
Prozent der Berufstätigen sind bereit, den Wohnort
um mehr als 500 Kilometer zu verlegen.

Quellen: Immowelt, Statista 2019 Quellen: Stepstone, Statista 2019
Free download pdf