Süddeutsche Zeitung - 27.08.2019

(nextflipdebug5) #1
DerSongkatalogeinesderberüchtigtsten
Hip-Hop-Labelsder90er-Jahrewechselt
denBesitzer.ImRahmeneinesMultimilli-
arden-Dollar-DealshatderUnterhaltungs-
konzernHasbro(MyLittlePony,Monopo-
ly,Transformersu.a.)auchdieRechteam
MaterialvonDeathRowRecordserwor-
ben.Dashatte2006Konkursangemeldet
undwarschließlichimPortfoliodesEnter-
tainmentkonzernseOnegelandet.Derwur-
denunvonHasbroübernommen.
DasvondemzwielichtigenEx-Footbal-
lerSugeKnightunddenRappern„The
DOC“undDr.DregegründeteDeathRow
Recordswarinden90erndasEpizentrum
desWestküsten-Gangsta-Rapundverhalf
demMusikstilmitAlbenwie„Doggystyle“
vonSnoopDoggoder„AllEyezonMe“des
kurznachVeröffentlichungdesAlbums
erschossenenTupacShakurzumkommer-
ziellenDurchbruch.Regelmäßigeschlag-
zeilenträchtigeFehdenzwischenundHaft-
strafenvonRappernwurdenvonDeath
RowgeschicktfürMarketinggenutzt.
AbsurdangesichtsderGeschichtedes
erworbenenLabelswirktediePressemit-
teilungvonHasbro.Dorthießes,der
ZukaufstärkeindemKonzerndie„storyge-
triebeneFamilienmarken“und„familien-
freundlichesStorytelling“.Gutmöglich,
dassderKonzernsprecherdamitetwas
anderesmeintealsDeathRowRecords,im
PortfoliovoneOnebefandsichaußerder
Plattenfirmaauchnochdasbekannte
ZeichentrickschweinPeppaWutz. 

DieVergangenheit,diegeradeersthinter
einemliegt,istoftamschwerstenzuver-
stehen.DiesenHerbst,zumdreißigsten
JahrestagdesMauerfalls,wirdunswieder
undwiedererzähltwerden,nachdem
EndedesKaltenKriegeshabederLiberalis-
musglobaltriumphiert–dochseitdemsei
„dieGeschichte“zurückgekehrt.Derach
sonaive,odervielleichteinfachnurselbst-
gefälligeAmerikanerFrancisFukuyama
habemitseinerThesefalschgelegen,zu
liberalerDemokratieundKapitalismus
gäbeeskeineweltweitattraktiveAlternati-
vemehr.DieseErzählungistsostereotyp
geworden,dassüberhauptnichtmehr
gefragtwird,obmanindenlangenNeunzi-
gerjahrenwirklichsohochgestimmtwar.
Was,wenndasProblemgarnichteinstupi-
derTriumphalismuswar,demLiberale
(imweitestenSinne)heutemiteinpaar
simplenselbstkritischenGestenabschwö-
renkönnen?

FukuyamasgroßeErzählungwarnieso
glattgewesen,wieseineKritikermeinten
(wennüberhaupt,wardaszuGlatteseine
ZusammenfügungvonKapitalismusund
Demokratie–ganz,alskönneesdakeine
Spannungengeben).Fukuyamahatteim
Übrigennichtprophezeit,mitKriegen
oderauchnurgravierendenpolitischen
Konfliktensei’seinfüralleMalvorbei–
werhättedasangesichtsderBelagerung
vonSarajevooderdesVölkermordsin
Ruandaauchfürannäherndplausibel
gehalten?DerfrühereMitarbeiterdes
StateDepartmentsargumentierteviel-
mehr,letztlichbefriedigtenalleindie
liberaleDemokratieund„derMarkt“das
VerlangenderMenschennachAnerken-
nungundSelbstbestimmung.
DaswarabernochnichtdasEndeder
Geschichte(inFukuyamasBuch).Denn
dervermeintlichsooberflächlichePolitik-
wissenschaftlerstellteeine–nichtzuletzt
vonNietzscheinspirierte–Befürchtungin
denRaum:dassesdenLeutenmitdem
Liberalismusirgendwannschlichtlang-
weiligwerdenkönne.WerdenSinndes
LebensinHeldentatenodergarinblutigen
Auseinandersetzungensuche,werdeinei-
nempostheroischenSystemkaumglück-
lichwerden.Manmussteeinfachdarauf
hoffen,dassdasBedürfnis,etwasbesonde-

reszusein,auchimKapitalismusgestillt
werdenkönne(wohntnichtjedemStart-
upeinZauberinne?)odermanseine
Tapferkeitvielleichtbeihumanitären
MilitäreinsätzenunterBeweiszustellen
vermöchte:AusHeldenalterkriegerischer
ArtsolltenHändler(Amazon,Ebayetc.)
oderBlauhelmewerden.
DamitnichtgenuganBefürchtungen
fürimweitestenSinneliberaleDenker:
DasEndedesZeitaltersderIdeologienwur-
dedurchausalsintellektuell-politische
Identitätskriseempfunden,hattensich
LiberaledochwährenddesKaltenKrieges
inderAuseinandersetzungmitKommunis-
tenauchimmerwiederihrereigenenÜber-
zeugungenversichert.DerGegnerhatte
ihremDenkenGestaltgegeben.
EineReaktionaufdieseVerunsicherung
wardersogenannte„Liberalismusder
Furcht“,wieJudithShklarihnineinem
1989publiziertenEssayentworfenhatte.
ShklarstammteausRiga,warmitihren
ElternvorStalinistenundNazisgeflohen,
studierteundlehrteinHarvardundwurde
zueinerdereinflussreichstenpolitischen
Theoretikerinneninderenglischsprachi-
genWelt.SiereagiertemitihrerSpielart
desLiberalismusaufdieTatsache,dassdie
größteGefahrfürdasIndividuumim
20.JahrhundertvonStaatsapparatenaus-
gegangenwar.Sieerklärte,Liberalesoll-
tenkeinepositivenVisionenanbieten,
sondernsichaufdasWichtigstekonzen-
trieren:dieVermeidungvonGrausamkeit.
LetzterewarinihrenAugendasSummum
Malum,dasÜbelsteüberhaupt.
Dieserdezidiertantitotalitäreundpri-
märnegativeLiberalismuswurdenach
demEndedesKaltenKriegeszueinem
wichtigenOrientierungspunktfürIntellek-
tuelleinGroßbritannienunddenVereinig-
tenStaaten.Konkretbewegteersiedazu,
humanitäreInterventionenzuunterstüt-
zen.DieLektiondes20.Jahrhunderts
schieneindeutig:Manmusssichzuerstauf
dieOpferkonzentrieren–undpotenziell
könnenalleOpferwerden.Darausfolgten
einklaresBekenntniszudenMenschen-
rechtenunddasseinerzeitpopuläre
Schlagwortvoneinerinternationalen„Re-
sponsibilitytoProtect“.Derprominente
liberaleIntellektuelleMichaelIgnatieff
schriebEndederNeunzigerjahre,im
20.JahrhundertbasieredieIdeevon
menschlicherUniversalitätwenigerauf
HoffnungdennaufFurcht,wenigerauf
OptimismusobdermenschlichenFähig-
keit,Guteszutun,dennaufdemGrauen

vordermenschlichenFähigkeit,Böseszu
tun.EinJahrhundertdestotalenKrieges,
soIgnatieffseinerzeit,habe„Opferausuns
allengemacht,ZivilistenwieMilitärs,
Männern,FrauenundKindern.“
Dochsogerechtfertigtbeispielsweise
dasEingreifenimehemaligenJugoslawien
war,verbargsichindemLiberalismus,der
Interventionenlegitimierte,aucheinent-
politisierendesMoment:Mannahman,
dassdasHandelnzurRettungvonIndivi-
duensichpraktischvonselbstverstand.
MitdieserBeobachtungsollnichtdas
SummumMalum,dasbeispielsweisedie
AnführerderbosnischenSerbenverfolg-
ten,relativiertwerden;essollabergesagt
sein,dassderLiberalismusderFurcht–
wieerseinerzeitverstandenwurde–unter
denneuenweltpolitischenUmständen
aucheinebesondereArtvonSicherheitver-
sprach:nämlichSelbstsicherheitfürLibe-
rale.ImKaltenKrieghattemangewusst,
woderideologischeGegnerstand;nun
wussteman,weildieGrausamkeitsosicht-
barwar,immergleich,wasesimNamen
derMenschenrechtezutungalt.Potenziell
verdrängteeineneue„Opferkultur“(so
BernhardSchlinkkritisch)empirisch-kau-
saleFragennachdem,wasausnormativer
Sichtnichtimmersofortklarwar.
DieseSuchenachnormativerEindeutig-
keitfandnachderJahrtausendwende
nocheinenweiterenscheinbarnichtzu
hinterfragendenFixpunkt:denvonderUS-
Regierungausgerufenen„globalenKrieg
gegendenTerror“.Angesichtseines
vermeintlichen„viertenTotalitarismus“–
nämlichdesradikalenpolitischenIslamis-
mus–wurdedieForderunglaut,manbrau-

chewiedereinenkämpferischenGlauben,
einenneuenfightingfaith(einunterameri-
kanischenLiberalendesKaltenKrieges
populärerAusdruck),umMuslimevonder
liberalenDemokratiezuüberzeugen.
EinwenigeroffensichtlicherEffektdes
„KriegsgegendenTerror“bestanddarin,
dassPolitikwiederSinnoderzumindest
Spannungversprach.Dasklingtfrivol,
aberanderslassensicheinigederRe-
aktionenprominenterIntellektuellerzu
Beginndieses„Krieges“kaumdeuten.Der

liberaleJournalistChristopherHitchens
beschriebsein„Hochgefühl“imKampfge-
genden„furchterregendstenFeind“,näm-
lichden„theokratischenBarbarismus“–
ja,erjubiliertegar:„SolltederKampfauch
biszumletztenTagmeinesLebensdau-
ern,sowürdeesmirdabei,ihnbiszum
Äußerstenzuführen,dochnielangweilig
werden.“AufmerkwürdigeWeisetrafen
sichhierLiberalemitIntellektuellen,die
essichwohlverbittenwürden,liberal
genanntzuwerden.Mandenkenurandie
seinerzeitvieldiskutiertenstarkenAnsa-
geneinesBothoStrauß,derindenNeunzi-
gerjahrenverkündethatte:„Wirhabensie
hinteruns.EswareineschwacheZeit“.
ZumindestLiberale,diesichmitdem
neuenfightingfaithidentifizierten,nah-
menoffenbaran,derLiberalismusbenöti-
gestetseinenGegner,umsichseinerselbst
wirklichsicherzusein;„schwache“Zeiten,

diedocheigentlichliberalimSinnevontole-
rantundentspanntscheinen,sindoffenbar
ZeitenfürSelbstzweifel.Positivgewendet
könntemansagen,derLiberalismuspasse
sichflexibelneuenHerausforderungenan.
DieoffensichtlichsteKritiklautetdagegen,
stetsaufFeindefixierteLiberalehätten
wenigVertrauenindieintrinsischeAttrakti-
vitätihrerIdeen,undimständigenRingen
mitdemGegnerverrietensiedieseÜber-
zeugungenbisweilenselbst.
Dieswardennaucheinentscheidendes
Argumentfürdiejenigen,diedemAntitota-
litarismusnachderJahrtausendwende
skeptischgegenüberstanden.Eswarjaof-
fensichtlichperdefinitionemrichtig,dass
derislamistischinspirierteTerrorFurcht
verbreiteteundMenschengrausambe-
handelte.AberdieneuenAntitotalitären,
sodieKritiker,trügenihrerseitszueiner
furchterfülltenAtmosphärevorallemin
denUSAbei,undlegitimiertendefacto
autoritäreMaßnahmenderRegierungvon
GeorgeW.Bush(derliberaleIntellektuelle
PeterBeinartpublizierte2004einBuch
mitdemvielsagendenUntertitel„Why
Liberals–andOnlyLiberals–CanWinthe
WaronTerrorandMakeAmericaGreat
Again“).Zudem–daswarwenigeroffen-
sichtlich–senktensiedieErwartungenan
Politiksystematischab:Esgeltestets,nur
dasoffensichtlichSchlimmstezuverhin-
dern,fürweitergehende,auchstrukturelle
FragenbeispielsweisenachsozialerGe-
rechtigkeitbliebdazuwenigZeitundpoliti-
scheAufmerksamkeit.
SoistdenndieLektionderlangenNeun-
zigerwohlkaumdiebanaleEinsicht,dass
mansichnichtdaraufverlassenkönne,der
LaufderGeschichtewerdeesschonrich-
ten–dashatauchschondamalsniemand
geglaubt.DieLektionistauchnicht,dass
NationundGemeinschaftirgendwiewich-
tigsind–aucheinFukuyamawolltediese
nichtabschaffen.Nein,dieSacheistsub-
tiler:EinLiberalismus,dersichnuran
GegnerninderunmittelbarenGegenwart
abarbeitetundumdernormativenEin-
deutigkeitwillenkeinegrößerenstruktu-
rellenHerausforderungensieht,verengt
seinePerspektiveungebührlich–undpro-
duziertblindeFlecken.Diessolltegerade
angesichtsderheutigenAuseinanderset-
zungzwischenautoritärenRechtspopulis-
tenundLiberalenzudenkengeben.

Jan-WernerMüllerlehrt Politische Theorie und
Ideengeschichte in Princeton.



E


sisteindiesigerTag,alsdieSki-
fahrerin–allein–indenSessellift
gleitet.InihremleuchtendenSport-
anorakhebtsiesichabvomhellenGrau
desWinterhimmelsundderverschneiten
Landschaft.AlssieihrenHandschuhver-
liert,bücktsiesichreflexhaft.Unddannist
erplötzlichda:einorthodoxerJudemit
hohemHutundschwarzemMantel,Bart
undSchläfenlocken.Underbeginntzu
erzählen,einelange,eigenartigeGeschich-
te,diedavonhandelt,wievorlangerZeit
einGoldschmiedzuReichtumkam,weiler
einemDämonverfiel,derihninGestaltei-
nerschönenFrauzumtäglichenBeischlaf
verpflichtete.
DasaltejüdischeMärchen–dessenSze-
nenwieeinSpielfilmindasWinter-Video
geschnittensind–wirktdeplatziert,man
kanngutverstehen,dassdieSkiläuferin
keineLustaufdieseArtvonSmallTalkhat.
VorallemdiesaftigenStellen,beidenen
derSchauspielerindiekünstlichenBrüste
ausdemAusschnittihreskostbarenKlei-
deszuquellenscheinen.AberderMann
hörtnichtaufzureden,blicktdurchsie
durch,alssieihnbittetaufzuhörenund
setztunverdrossenwiederan.AlsdieFrau
ihmdenHutvomKopfreißtunddamit
droht,diesenfortzuwerfen,setztbeiihm
Nasenblutenein,rottrieftesinseinenBart
undirgendwannfälltihrderHutauch
nochindenSchnee.
Manglaubt,die24MinutendesVideos
„DerOylemizaGoylem“kaumaushalten
zukönnen,dieOmerFastimAuftragdes
SalzburgerKunstvereinsproduzierthat.
ZumaldieGeschichteandieserStellenoch
nichtzuEndeist:AmAbendbeginntdie
zutiefstverstörteFrausichinihrerFerien-
wohnungihreblondenHaarezuSchläfen-
lockenzudrehen,posiertinFunktions-
wäscheundHutvordemSpiegel,getrie-
benvonderErinnerungandenVorfall,vor
allemandieGeschichte.Esistdannanihr,
dasjüdischeMärchenzuEndezuerzählen:

wiederGoldschmied,denseineFrauim
BettmitderDämoninertappthat,am
EndeaufeinerBrückezweiwinzigenSär-
genhinterherblickenmuss,vondenenes
heißt,sieenthieltendieLeichenseiner
Kinder.
WersichandieberühmtenWerkedes
imJahr1972inJerusalemgeborenen
OmerFasterinnert,istzumindestbefrem-
detvonderkaltbeobachtetenundgleich-
zeitigkitschigausgemaltenGeschichte.
Werkewie„5000FeetistheBest“(2011)
sindweltberühmtundwurdenbeiAus-
stellungenwiederBiennalevonVenedig
imgroßenzentralenSaalderHauptausstel-
lunggezeigt.„5000FeetistheBest“han-
deltevomDrohnenkrieg,vonderDistanz
undEinsamkeitdieseszeitgenössischen

Tötens.Wieandere,epochaleWerkevon
OmerFastnahmesBezugaufdieRezepti-
oneinesPublikums,dasmitHollywood-
Filmenaufgewachsenist,mitHistorien-
FilmenunddenFernseh-News.„Spiel-
berg’sList“(2003)istindieserHinsicht
unübertroffen,dasVideoschneidetAuf-
nahmenvomDrehortdesFilms„Schind-
lersListe“zusammenmitInterviews,in
denensowohlHolocaust-Überlebende,als
auchKomparsenundDarstellerihre
Erinnerungenschildern.Erzählteund
erlebteGeschichte,dievonRegisseuren
inszeniertenBilderunddieRhetorikder
NS-Vernichtungsmaschineriegriffengefü-
gigineinander.
SeithergehörtOmerFastzudenbedeu-
tendstenKünstlernüberhaupt.Dasser
nacheinerSpielfilmversionseinerVideo-
arbeit„Continuity“imJahr2015den
Hollywood-Film„Remainder“vollendete
–dervonderKritikdurchausgelobtwurde
–schienfastzwangsläufig,weilauch
KünstlerwieSteveMcQueenmitHolly-
woodkokettierten,dieArbeitalsRegisseur
wieeinAufstiegwirkt.Dochnachdenlan-
genDreharbeitenunddemkomplizierten
SchnittdesSpielfilms„Remainder“war
OmerFastentschlossen,einenanderen
Wegzueinzuschlagen:DerAufwandund
dieAbsicherungenderSpielfilmindustrie
schnürtenihnein,vorallemimVergleich
zudenFreiheiten,dieeralsVideokünstler
genießt.DassmaneinepoetischeIdeewie
diederUmsetzungeinesaltenjüdischen
Märchens,auchinwenigenWochenfertig-
stellenkann,lagihmmehr.ImSalzburger
KunstvereinkonntemanjetztdiePremie-
reeinesWerksfeiern,daserstimMärz
gedrehtwurde.

DassesdiezweiteVersiondergleichen
Geschichteist,diederKünstlerfastspiele-
rischnocheinmalaufgenommenhat,wäre
inHollywoodgleichfallsundenkbar.„The
InvisibleHand“,gedrehtimvergangenen
Jahr,spieltallerdingsinChina,dieErzähle-
rinisteinkleinesMädchen,dessenVateres
nachderBegegnungmiteinemDämonzu
Reichtumgebrachthat.AuchdieseFabel
läuftaufdieMoralhinaus,dassdieGierder
ElternvondernächstenGenerationbe-
zahltwerdenmuss–mitdemTodin„Der
OylemizaGoylem“,oderindemsiean
einemFluchzutragenhat–,auchwennder
AuftrittdeschinesischenDämonsinklassi-
schemGewandundweißerMaskebeieiner

Hochzeitnochdeplatzierterwirkt,alsdie
ErscheinungdesOrthodoxenimSkilift.
DiesenGegensatzübersteigertdasSet-
ting,indemdieFilmepräsentiertwerden,
nocheinmalmonströs.DerSalzburger
KunstvereinistnämlichineineFolgevon
Fluren,WartesälenundBehandlungsräu-
menumgebautworden,esgibtLaboreund
einenWartesaalalsseimanineinerKlinik;
dieVR-Brillenfür„TheInvisibleHand“
wirddenBesuchernvoreinerBehand-
lungsliegeausgehändigt.Nochlieberhätte
OmerFastseineFilmeineinemKranken-
hausgezeigt,„abersiehattenWichtigeres
zuerledigen“schreibterbedauerndim
Begleitheft.FürseineletzteNewYorker

SchauhatteerdieRäumeseinerGaleriein
einenschrammeligenAsialadenverwan-
delt.DerKünstlerOmerFasthatsichvom
Kino,vomGlamourundderüberwältigen-
denWirkungseinerperfektenBreitwand-
inszenierungenverabschiedet.Diever-
schrobenenFabeln,diemanimSalzburger
Kunstvereinverabreichtbekommtwie
eineBehandlung,sindaberwomöglich
nochverstörender.IhrGeruchhängtbeim
VerlassenindenKleidernwieDesinfekti-
onsmittel,wieSkiwachsoderLeukoplast.

OmerFast.DerOylemizaGoylem, bis zum 6. Okto-
ber im Salzburger Kunstverein.

DasPublikumderSalzburgerFestspiele
hatdenOpernstarPlácidoDomingounge-
achtetderVorwürfemehrererFrauenam
Sonntaggefeiert.BeidemerstenAuftritt
desSpaniersnachBekanntwerdenderVor-
würfewegensexuellerÜbergriffewarenal-
leSängerderkonzertantenAufführung
vonVerdis„LuisaMiller“nochvorderOu-
vertüreaufdieBühnegetreten.DasPubli-
kumstandaufundapplaudiertemitlau-
tenBravo-Rufen. 

Ganzoffensichtlichnichtaneinanderin-
teressiert:DieProtagonisteninFastsVi-
deo„DerOylemizaGoylem“.FOTO: OMER FAST

DEFGH Nr.197,Dienstag,27.August2019 (^) FEUILLETON HF2 11
Was,wenndasProblemder
Neunzigerjahregarnichtein
stupiderTriumphalismuswar?
Zeiten,dieliberal,tolerant
undentspanntscheinen,sind
offenbarZeitenfürSelbstzweifel
DieFreiheiten,dieOmerFastals
Videokünstlergenießt,sindsehr
vielgrößeralsseineinHollywood
Von der Furcht zum Kampfgeist
BenötigtderLiberalismusstetseinenGegner,umsichseinerselbstwirklichsicherzusein?VonJan-WernerMüller
Warum,sofragtsichCharlieTyson,ein
Harvard-DoktorandimFachEnglisch,ist
geradeeineArtFatalismus-Schickinden
GeisteswissenschafteninMode.Überall,so
schreibterim„ChronicleReview“,begegne
ihm„diesepessimistischeGewissheit,dass
derKampfumdieGeisteswissenschaften,
umdieUniversität,umdenPlaneten“verlo-
rensei.Esgehedajetztnurnochum„Sub-
version“:Vonneuen„Werdegängen“,neuen
„Mehrdeutigkeitspraktiken“,neuen„Ges-
tendesUnartikulierbaren“seifastbarock
dieRede,mitdenendie„Niederlagesexy“
werdensolle.WährendseineProfessoren
früherimmersotaten,alshättensie„nach
FeierabendnochdringendeTerminemit
linksgerichtetenMilizen“,diedenUmsturz
unmittelbarvorAugenhaben,herrschenun
nurnochdasWissenumdensicheren
Untergangund„dasGefühleinerschalen
Überlegenheit,dasmitzynischenProphe-
zeiungen“jaofteinhergehe.
„DermodischeFatalistweißeinpaarDin-
ge,dieSieundichnichtwissen.Etwa,dass
diepolitischenundwirtschaftlichenStruk-
turen,dieunserLebenprägen,vielzugroß
fürunssind,umsiezuändern.Darumsei
jaauchjederVersuchsinnlos,diemateriel-
lenBedingungenfürechteMenschenzu
verbessern.(Allerdings)lebtdermodische
Fatalistziemlichoftinsehrkomfortabler
EntfernungvonjenerNot,ausderesangeb-
lichkeineRettungmehrgibt.Vielleichtha-
benjaauchSieschonfestangestellteVoll-
zeit-Professorengetroffen,dieerklären,
dassdieGeisteswissenschaftenkeineZu-
kunftmehrhabenunddassesauchkeinen
Grundgebe,sienochgegenihreVerächter
zuverteidigen.Eigentümlicherweisefällt
dasEndederGeisteswissenschaftendann
immermitdemDatumderProfessoren-
Emeritierungzusammen.Esgibtaber
auchdasheitereapokalyptischeRedenaus
sichererPositionheraus.DenkenSieetwa
andenHistoriker,dererklärt,dasses,abso-
lutkeinenGrundzurAnnahmegibt,dass
diemenschlicheSpeziesdasdrohendeKli-
ma-Chaosüberlebt.‘Dochistdiesermodi-
scheFatalismusnichtnureindeformierter
AblegerderKritik.Erwirddurchinstitutio-
nelleBedingungenandenUniversitäten
vielbessererklärtalsdurchinterneintel-
lektuelleDebatten-Trends.Geisteswissen-
schaftlersinddemoralisiert,weildieZahl
derStudierendenabnimmtundderöffent-
licheRespektnachlässt,esgibtschwereAn-
griffevonRechts,diehumanistischeStu-
diennuralsdieKarikaturvonevidenzfrei-
en,ideologischenIndoktrinationenbegrei-
fenundsowiesoinFragestellen.Zudem
bestehtselbstfürdenvielversprechends-
tenForscher-NachwuchsindenDiszipli-
nenderHumanitieseineklatanterMangel
anArbeitsplätzen.IndieserSchlacht,die
schonwiedieNiederlageaussieht,wirddie
HoffnungslosigkeitzueinerArtschützen-
demPanzer.DochalsmodischerFatalis-
muswirddieszueinemArgumentations-
stil,dernurzuimmergleichentraurigen
Schlussfolgerungenführt.Dochessinddie
systemischenBedingungenimakademi-
schenBereich,dieunsereschlimmstenFa-
cettenverstärkthaben:Groll,Angst,Resi-
gnation.AberdasGefühlvonHilflosigkeit
inwesentlichenAspektenunseresLebens
istjanichtnurfürakademischeHumanis-
teneinProblem.Wiewirdamitumgehen,
kannunsetwasüberunsselberlehren.“
Sehnsuchtsort
Krankenhaus
OmerFastzeigtimSalzburgerKunstverein
seineverstörendeneueVideoarbeit
ApplausfürDomingo
Spielwarenund
Gangsta-Rap
SelbstsichererLiberalismus–dasEingreifendesWestensinJugoslawien. FOTO: DPA
AuchdieVideoarbeit„TheInvisibleHand“vonOmerFastsetztsichmitdemjüdischenMärchenüberdiemenschliche
Gierauseinander,das„DerOylemizaGoylem“zumAusgangspunkthat. FOTO: OMER FAST
GEHÖRT,GELESEN,
ZITIERT
SchickerFatalismus
RELEASED
lichwerden.Manmussteeinfachdarauf
RELEASED
lichwerden.Manmussteeinfachdarauf
hoffen,dassdasBedürfnis,etwasbesonde-
RELEASED
hoffen,dassdasBedürfnis,etwasbesonde-
BY
nempostheroischenSystemkaumglück-
BY
nempostheroischenSystemkaumglück-
lichwerden.Manmussteeinfachdarauf
BY
lichwerden.Manmussteeinfachdarauf
"What's
weiligwerdenkönne.WerdenSinndes
"What's
weiligwerdenkönne.WerdenSinndes
LebensinHeldentatenodergarinblutigen
"What's
LebensinHeldentatenodergarinblutigen
Auseinandersetzungensuche,werdeinei-
"What's
Auseinandersetzungensuche,werdeinei-
nempostheroischenSystemkaumglück-nempostheroischenSystemkaumglück-"What's
News"
vonNietzscheinspirierte–Befürchtungin
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vonNietzscheinspirierte–Befürchtungin
denRaum:dassesdenLeutenmitdem
News"
denRaum:dassesdenLeutenmitdem
Liberalismusirgendwannschlichtlang-
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Liberalismusirgendwannschlichtlang-
weiligwerdenkönne.WerdenSinndesweiligwerdenkönne.WerdenSinndesNews"
vk.com/wsnws
LebensinHeldentatenodergarinblutigen
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LebensinHeldentatenodergarinblutigen
Auseinandersetzungensuche,werdeinei-
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