Süddeutsche Zeitung - 27.08.2019

(nextflipdebug5) #1


M


anchmalistesdochbesser,nichts
zuschreibenalsnichtzuschrei-
ben.DashateigentlichCharlotte
inGoethes„Wahlverwandtschaften“–et-
wasandersformuliert–ihremEduard
geraten,alsdernichtweiß,wasereinem
FreundinNotschreibensoll.MortenSchu-
macheristkeineFigurvonGoethe,son-
dernaus„Blackbird“,demRomandebüt
desSchauspielersMatthiasBrandt,aber
wahrscheinlichwürdeihmCharlottes
Aphorismusgefallen.DennMorten,den
alleMottenennen,magWortesehrgerne,
auchwennihmdasselbst,wiesoziemlich
allesandereauch,nochnichtganzklarist.
Motteist15Jahrealt,seineElternlassen
sichgeradescheiden,dasHauswirdausge-
räumt,derVateristmiteinerFraunamens
ClaudiaHunger-Löperdurchgebrannt,
seinbesterFreundBogiliegtmitirgend-
wasKomischem,dasabersehrernstklingt,
imKrankenhausunddannistdanoch
JacquelineSchmiedebach.Wasmitderdas
Problemist,kannmansichdenken.
DassMatthiasBrandtoderseinErzäh-
lerMotte,jenachdem,nichtsgeschrieben
hätte,kannmantrotzdesPlaudertonsdes
Romansabersonichtsagen.Obwohleszu
denProblemendesErwachsenwerdens
gehört,dasssiemiteinigemAbstandgar
nichtmehrsoernsterscheinen.Oderist
daseinIrrtum?

Mit„Blackbird“(Kiepenheuer&Witsch,
Köln2019.288Seiten,22Euro)schautder
1961geboreneBrandtzurückindieeigene
Jugend,esist1977,„Low“und„Heroes“
vonDavidBowiesindgeradeerschienen,
imKinoläuftderschwülstigeSoft-Erotik-
streifen„Bilitis“,überdendieJugendalles
wissenmöchte.
DieSiebzigerscheinenimRückblick
selbstfürdie,diedamalsnichtdabei
waren,wiedieOuvertüreaufdieZukunft.
Brandtserstes,2016erschienenesBuch
mitKurzgeschichten,dieebenfallsinden
Siebzigernspielten,hießauchgleich
„Raumpatrouille“,alsstündendieSternen-
kreuzerausdemFernsehenschonbereit
zumAufbruchinsUnbekannte.
DieserAufbruchinsUnbekanntegilt
natürlichverschärft,wennmangerade
Jahrealtist.HandysundInternetgabes
zwarnochnicht,unddeshalbbekommtdie
blondeJacquelinevonMotteauchkeine
SelfiesoderBildervonirgendwelchen
KörperteilenbeiSnapchatzugeschickt,
sonderneinenganzaltmodischenBrief,
deraucherstumständlichundwegendes
brisantenInhaltsheutenatürlichgrotesk
riskanterscheinenddurchmehrereHände
zurÜbergabeaufdenPausenhofihres
Gymnasiumsgeschmuggeltwerdenmuss.
DerBriefistsehrschönhandschriftlich
mitallenrührendenEntwürfenundver-
worfenenFassungen,alsodem,wasdann
dochnichtgeschriebenwurde,indem
Buchwiedergegeben.Das,wasseinkönn-
te,isthierimmerunmittelbareGegenwart
undindemRomansoetwaswiedasgroße
VersprechenderJugend.

Nichtnurfüralle,dieheuteimAltervon
MatthiasBrandtsind,müssendieseSiebzi-
gerjahreimRückblickwiediedirekte
VorstufezurGegenwarterscheinen.„Die
gesamteTechnologieexistiertebereits,
allerdingsnurineinergrobmotorischenVa-
riante“,schriebder1968geborenenorwegi-
scherSchriftstellerKarlOveKnausgård
überdiesesJahrzehnt:„DieSehnsucht
nachdenSiebzigernistnichtsanderesals
dieSehnsuchtnachderZukunft,dennsie
existiertedamals,allewussten,dasssich

allesverändernwürde.“Andersalsheute,
wennmansichdieZukunftnichtmehrso
gernevorstellt.
„Blackbird“istaucheinZurückindieZu-
kunft,dieesdamalsnochgab,auchwenn
siedamalsschonnichtimmertollwar.Das
konnteschonamVornamenliegen,wiebei
MotteskrankemFreundBogi,dernatür-
lichnichtBogiheißt,sondernManfred
GunnarSchnellstieg,undgenaudaliegt
fürdieJungsdasProblem,dennschon
TaufnamenkönnenjawieZeitbombenin

dieZukunftwirken.„Alserersteinpaar
TageaufderWeltgewesenwar,hatteer
schonManfredgeheißenundwarKatholik
undMitgliedbeiBayernMünchengewe-
sen.Daswarenjaimmerhinschonmaldrei
Sachen,diedasLebeninganzbestimmte
Bahnenlenkten,oder?ImGroßenundGan-
zenwarfürBoginachkaumeinerWoche
schonklargewesen,wohindieReiseging.“
Waresdannnatürlichnicht,aberdieZu-
kunftistjadochimmernureineVariante
derGegenwart.

VorhersehbarermachtdasdieSache
abernicht,wiebeiSteffi,diemitMortenin
eineKlassegingund„malvomApfelbaum
ineinengroßenLaubhaufengesprungen
war,indemnochdieHeugabelgelegen
hatte.HinterherhießesinderSchule,sie
hättelangeoperiertwerdenmüssen“.
Steffistarbabernicht,sondernwurde
Schornsteinfegerin.Mottemöchtedann
späterganzgenauwissen,wodieNarben
sind.DiesesInteressehättemanjetztnicht
geahnt,undMotteerstrechtnicht.
OderdasFreibad,Lebensmittelpunkt
derJugendmitjahreszeitlichbedingtem
Verfallsdatum.„DieleerenBecken,die
laubbedeckteLiegewiese,dieSprungtür-
me,derDreierundderZehnerdaneben,
komisch,dassmirdieserOrt,derfürmich
voreinpaarWochenwieeinzweitesZuhau-
segewesenwar,ichkanntehierwirklich
jedenGrashalm,jetztplötzlichtotalfremd
war.“DerSprungvomZehnerunddasan-
schließendeAbtaucheninskalteWasser,
wodieWeltkurzverschwindet,umdann
fürimmerverändertwiederaufzutau-
chen,istkeineneue,abernochimmereine
starkeMetapheraufdieseZeitdesErwach-
senwerdens.„Irgendwo,vermutlichzwi-
schendemFünferunddemDreier,warich

mirsicher,dassichdiesenSprungniemals
würdeüberlebenkönnen.Aberdannzog
ichimletztenMomentdieBeinean,mach-
temichganzkleinundtauchtesoinsWas-
serein,mitdemlautestenKnall,denich
jemalsgehörthatte.Weilernichtirgendwo
außerhalbvonmirdröhnte,sondernmich
ganzumschloss,sodassichselbsteinTeil
diesesKnallswurde“,schreibtBrandt:
„DasTauchendauerteviellängeralsdas
Fliegen,wahnsinniglangsamwarjetzt
alles.“Soschöntreffendundrührendwie
beiBrandtwurdedieofterzählteJugend
schonlangenichtmehrbeschrieben.
Auch,weilsienatürlichfürjedenetwas
anderesbedeutet.EndloseVariantender
Gegenwart,dieerstnochentdeckt,auspro-
biert,genossen,verworfenundausgehal-
tenwerdenmüssen,wiederTextfürden
BriefanJacquelineSchmiedebach.„Black-
bird“isteineSuchenachderSprache,in
dersichetwassagenlässt,dasseinkönnte,
oderindersichetwassagenlässt,wennes
eigentlichnichtsmehrzusagengibt.Für
SituationenwiedieTrennungderEltern
oderwennderbesteFreundtodkrankist.
DerRomanstecktvollerFiguren,die
sprachlosmachenmüssten,wieder
faschistische,prügelndeSportlehreroder
dercoole,lockereSozialkundelehrer,der
mitdenElftklässlerinneninsBettgeht.
Wassollmandazusagen?Docheineganze
Mengeundnichteinfachnichts.
Der„Blackbird“istdieAmsel,nureben
aufEnglisch.DennEnglischistdanndoch
nureineVariantevonDeutsch.Odervon
Französisch.Oderumgekehrt.Wenigstens
so,wieesvonMotte,Bogiundwiesiealleei-
gentlichgeradenichtheißen,gesprochen
wird.DennderBlackbirdistaußerdemder
zweitbilligsteWeinausdemSupermarkt,
nämlichder„besondersbekömmliche“
Amselfelder,denBogigleichmalinsEngli-
scheübersetzt:„Derhauttotalrein,der
Blackbirdfielder“,sagter.Mottezweifelt:
„Jaja,allesklar,Bogi,woherwillst’ndas
wissen,wennwirdasaufderFahrtzumal-
lererstenMalausprobierenwollen?“Könn-
tehaltsein.Mussmanebenausprobieren.

Manmusssichfragen,wasschlimmerist
fürdieGesundheit,dasLebenoderder
Tod.ImLebenrauchtodertrinktmanoft
zuvieloderschadetsichauchsonst.
AndererseitsistTotseinnichtgesund.Der
SchriftstellerMichelHouellebecqhatsich
niebesondersumseinkörperlichesWohl
gekümmert,wederimLebennochinder
Fiktion.ImRoman„KarteundGebiet“ließ
ersichmitdemLasermesserdenKopfab-
schneiden.ImFilm„DieEntführungdes
MichelHouellebecq“vonGuillaumeNic-
louxspielteervorfünfJahrenseineigenes
Verschwinden.Verdienterscheintalsodie
Gesundheitskur,dieersichindemgerade
angelaufenenFilm„Thalasso“amNorman-
die-UrlaubsortCabourggönnt,wiederum
unterderRegievonGuillaumeNicloux.
HouellebecqimkuscheligenBademan-
tel,inderSchlammpackungdösendund
immermitdiesemtrostlosenGott-hat-
uns-verlassen-GesichtvordemSalatteller
unddemGlasWasseramMittagstisch,
ganzallein:DasklingtnichtnachGlück.
„HabenSiemalFeuer?“,fragterdeshalb
aufdemStrandwegeinenDickwanst.„Gé-
rardDepardieu!“,entfährtesihm,wenn
diesersichumdreht.ImstrengenSpa
bildendiebeidendannbaldeinever-
gnügteLeidensgemeinschaftmitherein-
geschmuggeltenTropfenausallerWelt.
MitbeidenStarshatderFilmautorNic-
louxschonFilmegemacht.Indieserschrä-
genPosseüberdenZusammenhangvon
Körper-undSeelenwohlsindsiezumers-
tenMalvereint.DerFilmschließtunmittel-
barandenvorherigenan.DasEntfüh-
rungskommandoaus„DieEntführungdes
MichelHouellebecq“suchtdenSchriftstel-
lerinseinerThalasso-Kurauf,weildieser
währendseinerGefangenschafteinen
DrahtzurMutterdesKommandochefs
geknüpfthatte,dieihremMannnunmitei-
nemjüngerendavongelaufenist.Houelle-
becqsollsiezurRückkehrbewegen.

DasHauptgewichtliegtimGegenüber
derbeidenMonster.MitlockeremGriffzur
FlascheimprovisiertensiebeidenDreh-
arbeitenmunterdrauflos.Undweil
DepardieueingrandioserSchauspieler,
HouellebecqeinNaturtalentderskurrilen
Selbststilisierungist,funktioniertdasweit-
gehend.BeidenGesprächeninDepardieus
Suite,aufdemMassagetischoderim
RauchversteckgehtesumGottunddie
Welt.HouellebecqhängtanseinerIdee
fest,alsKandidatfürdienächstePräsident-
schaftswahlanzutreten,uminEuropaend-
licheineechteDemokratieeinzuführen.
GérardDepardieumöchtedenHorizont
erweiternundstelltdieFragenachGott.
JedenfallsglaubeerandieWiederauferste-
hungderToten,nuscheltMichelHouelle-
becq.DanngeschiehtetwasUnerwartetes.
„Nunmussichgleichheulen“,fährter
fortundgesteht,erseiüberzeugt,dasser
dereinstseineGroßmutterwiederindieAr-
meschließenkönne.Dabeirollenihmtat-
sächlichTränenausdemAuge.DieTränen
wirkenecht.Sokannmannichtspielen.
DieFilmstelleisteinStückWahrheit,das
tiefindieSeeledesskeptischenJenseits-
träumersblickenlässt.KeinWunder,dass
dieserMomentnichtamerhabenenOrt
desBergsSinaioderineinemBeichtstuhl,
sondernineinemThalasso-Hotelstatt-
findet.FüreineallfälligeWiederaufer-
stehungmussauchfürdieKörperfitness
gesorgtwerden.
DiefranzösischenKritikerwirkenun-
schlüssigundauchetwasratlosbeidem
Film.Amüsierthatdiemeistenvonihnen
derWortwechselzwischendenbeidenque-
rulierendenKurgästen.Zweifelndbleiben
siebeidemSinndesGanzen.Dieserfal-
scheDokumentarfilmseiderVersuchei-
nesplatonischenDialogsinderpoetischen
FormdesAbsurden,mutmaßteinervonih-
nen.Mankönnteauchsagen:eineWieder-
geburtLaurelsundHardysausdemGeist
vonGesundbrunnenundKonversation.


WiekönnteDeutschlandsauswärtigeKul-
turpolitikaussehenineinerpost-national-
staatlichen,europäischenÄra?Sehrviel
ZunderstecktaufdenerstenBlicknichtin
dieserFrage–esgibtpackendereThemen.
Dochliestmandie150-seitigeStudie,die
dieLiteraturwissenschaftlerinSigridWei-
gelimAuftragdesInstitutsfürAuslands-
beziehungen(IFA)darübergeschrieben
hat,reibtmansichdieAugen.Ja,indemPa-
pier(„TransnationaleAuswärtigeKultur-
politik:JenseitsderNationalkultur“),das
kürzlichmitmonatelangerVerspätungauf
derWebsitedesIFAveröffentlichtwurde,
schreibtsieauchüberGoethe-Institute.
VorallemaberanalysiertSigridWeigel
schonungslosdenZustandderBundesre-
publikvon2019,samtallerDefizite,Brü-
cheundHeucheleien.
DasIFAisteineArtForschungsarmdes
AuswärtigenAmts,unddasMinisterium
vonHeikoMaas,dasimnächstenJahrdie
AuswärtigeKulturpolitikneukonzipieren
will,istauchderAdressatderStudie.Im
Koalitionsvertragvon2018wurdedieaus-
wärtigeKulturpolitikschonaufgewertet.
SogardenPosteneinerStaatsministerin
gibtesjetztdafür,auchwennmanvonder
Amtsinhaberin,MichelleMüntefering,zu-
letztnichtvielgehörthat.Esgibtaucheine
ReiheneuerInitiativen,wiedie„Agentur
fürinternationaleMuseumskooperation“.
Wasaberbislangfehlte,wareinwirklich
neuesGrundsatzkonzept.
IndenNachkriegsjahrzehntendiente
dieauswärtigeKulturpolitikvorallemda-
zu,dieVerbreitungderdeutschenSprache
zufördernunddasImagedesneuen,demo-
kratischenDeutschlandszuverbreiten.
DochschonseitLängerembietendie
Goethe-InstitutemehralsSprachkurse,

Wim-Wenders-Retrospektivenoder
LesungenmitDanielKehlmann.Siespie-
lenindenlokalenKulturszenenmit,sieun-
terstützeneinheimischeKünstler,bieten
sichfürThemenan,dieamjeweiligenOrt
zukurzkommen.„Deutsch“sinddannwe-
nigerdieKünstleroderdieFilme,sondern
dieWerte,dieHaltung,diehinterdemPro-
grammstehen:dasEintretenfürMen-
schenrechte,Demokratie,Nachhaltigkeit,
offeneGesellschaften.Ziemlichdeutsch
istaberauchdaszugrundeliegendeWelt-
bild:DeutschlandtrittalsAufklärerund
sanfterErzieherauf,alskulturellerEnt-
wicklungshelfer.

MitderjüngstenAufwertungwurdeder
auswärtigenKulturarbeitnocheineweite-
reFunktionzugeschrieben:dieder„Soft
Power“imRingenumgeopolitischenEin-
fluss.MichelleMünteferingsprichtauch
gernvomglobalen„WettbewerbderNarra-
tive“,indemDeutschlandwiederTerrain
gutmachenmüsse.WennLänderwieChi-
naundRusslandmitAuslandsinstituten,
Auslandssendern,Troll-Farmenundande-
renmehroderwenigersoftenMethoden
KampagnemachenfürihrStaatsverständ-
nisundgegendasModellderwestlichen
Demokratien,dannmüsseDeutschland
mitseinenMittelndagegenhalten.
ImerstenTeilihrerStudiemachtSigrid
WeigelmitalldemkurzenProzess.SoftPo-
werseinureinschöneresWortfürverdeck-
tePropaganda,einInstrumentausdem
KaltenKrieg.Der„WettbewerbderNarrati-

ve“unterwerfeKulturderMarktlogik.Und
wasdie„CulturalDiplomacy“angeht:Wer
glaube,mitKulturließensichKriegever-
meiden,seinaiv.WoranalledieseKonzep-
tekranken,sokönntemandieSigridWei-
gelzusammenfassen,istihreUnaufrichtig-
keit.Wer„Kultur“instrumentalisiere,der
diskreditiereletztlichdiekulturellenWer-
te,dieerzuverbreitenhoffe,undriskiere
dieeigeneGlaubwürdigkeit.
DochdasvielgrößereGlaubwürdigkeits-
problementsteht,weilDeutschlanddie
Werte,dieessichimAuslandaufdieFah-
nenschreibt,imInlandselbstmissachtet.
„DerAnspruchderdeutschenAuswärti-
genKulturpolitik,Demokratisierungspro-
zesseundRechtsstaatlichkeitinanderen
LändernzuunterstützenunddieZivilge-
sellschaftenvorOrtzufördern,musssich
anderRealitätinDeutschlandundander
deutschenEU-Politikmessenlassen.“
UndgenaudaschneideDeutschland
allesanderealsgutab,schreibtSigridWei-
gel,dieeinerenommierteGeisteswissen-
schaftlerinistundbis2015dasZentrum
fürLiteratur-undKulturforschungBerlin
(ZfL)geleitethat.DieeuropäischeFlücht-
lingspolitik,DeutschlandsAbkehrvonden
einstambitioniertenKlimazielenoderdie
AusbeutungundUmweltzerstörung,diees
mitseinerWirtschaftspolitikunterstützt,
sindnureinigedervielenPunkte,dieWei-
gelnennt.Nichteinmalanderdeutschen
„Erinnerungskultur“,aufdiedieDeut-
schenparadoxerweisesostolzsind,lässt
dieGutachterineingutesHaar.Sieerstar-
re„ininhaltsleerenRitualenundPathos-
gebärden“.Deutschlandpredigt,sodieBot-
schaft,nichtnurWasserundtrinktselbst
Wein;esverstehtdieauswärtigeKulturpo-
litikmitunterauchalseineArtKompensa-

tionfürdas,wasdasLandanSchädenin
derWeltanrichtet.
Deutschlandmüsseaufhören,sozutun,
alsließesichKulturpolitikalsseparateVer-
anstaltungbetreiben,moniertWeigel.„In-
ternationaleWirtschafts-undHandelspoli-
tikistimEffektAußenkulturpolitik.“Es
müsseaußerdemaufhören,alsLehrmeis-
terundTherapeutaufzutretenundstatt-
desseneingestehen,dassesselbstebenso
vielzulernenhatwiedieanderenLänder.
UndesmüssediePrinzipien,fürdieessich
imAuslandstarkmache,selbstleben.„Aus-
wärtigeKulturpolitikmussimeigenen
Landbeginnen“,wiederfrüherePräsident
desGoethe-Instituts,Hans-HeinrichHer-
warthvonBittenfeld,schon1965sagte.

SeitKurzemistdasGoethe-Institut
ganzbuchstäblichauchimInlandaktiv.
DochwennesDeutschlandernstseimit
dem„Kulturaustausch“,danndürfeder,so
Weigel,nichtnurbeiSymposienoderFesti-
valsstattfinden,sondernmüsseimAlltag
verankertwerden.„VordemHintergrund
derGlobalisierungundderTransformati-
onzueinerkulturellvielfältigenGesell-
schaftmüssenwirallezuExpertenkultu-
rellerMehrsprachigkeitwerden.“
Warumwirdavonsoweitentferntsind,
dasanalysiertWeigel,indemsieeinenbrei-
tenSchwenküberdiegegenwärtigen
gesellschaftlichenProblememacht,mittie-
fenAusgriffenindiedeutscheGeschichte
undeinembeeindruckendenFeuerwerk
anReferenzen.Bevorsiefragt,wiediePoli-

tikdieVorstellungeneinerNationalkultur
überwindenkann,rolltsiedieGenesedes
Konzeptsder„Kulturnation“auf.Undsie
erklärt,wieesverkoppeltistmitderVor-
stellungeinerdeutschen„Identität“.Der-
selben„Identität“,dienebenRasseundRe-
ligionvondenRechtendazumissbraucht
wird,die„Deutschen“vonden„Fremden“
zuunterscheiden.EinedeutscheNational-
kulturistebensoeineFiktionwiediedeut-
scheIdentität,stelltWeigelfest.„Esgibt
keinZurückzueinerautochthonen‚deut-
schenKultur‘,dieohnehinnieexistierte.“
SigridWeigelmachteineReihevonVor-
schlägenfüreuropäischeKooperationen
undKulturnetzwerke.Dochvielwichtiger
wärees,DeutschlandsWandlungzueiner
„kulturelldiversenEinwanderungsgesell-
schaft“zuakzeptierenundzuunterstüt-
zen.DieGrundlagedafürwäreeinneues
EinwanderungsrechtundeinneuesKon-
zeptfürIntegrationjenseitsdergescheiter-
tenModelleAssimilationundMultikultu-
ralismus.WeigelschwebteineIntegration
als„sozialundräumlichdifferenziertekul-
turellePraxis“vor,„dieimAlltagundüber-
allstattfindet“undderenSchlüsseleine
„gesellschaftlicheKulturderAnerken-
nung“sei.UnterderenFehlenlittenübri-
gensnichtnurMigrantenundEinwande-
rerbisindiejüngsteGeneration,siesei
auchderGrundfürdieFremdheitzwi-
schenOst-undWestundfürdasAuseinan-
derdriftenvonArmundReich.Wasdas
AuswärtigeAmtnunwohltunwirdmit
demsperrigenPapier,dessenAbgabeEn-
deletztenJahresdringendangemahntwur-
de,dasnunaberseitMonatenherumliegt?
EsseijanureinevonvielenStudien,
hießesdort.Undgelesenhabemansie
auchnochnicht. 
  


DEFGH Nr.197,Dienstag,27.August2019 HF2 9


MatthiasBrandtist
AutorundSchauspie-
ler.Zuletztwarer
imKinofilm„Tran-
sit“undinderFern-
sehserie„Babylon
Berlin“zusehen.
„Blackbird“istsein
ersterRoman.
FOTO: ROLF VENNENBERND/DPA

DieWerte,diewirunsimAusland
aufdieFahnenschreiben,werden

daheimeinfachmissachtet


DerWandelDeutschlands
zurEinwanderungsgesellschaft

müsseendlichakzeptiertwerden


Grobmotoriker der Zukunft


DerSchauspielerMatthiasBrandtlädteinzurReiseindieSiebziger:SeinDebütroman„Blackbird“


erzähltsotreffendwierührendvoneinerJugendvordemgroßenSprung


Gesundbrunnen


undWortwechsel


HouellebecqundDepardieu
tretengemeinsamimFilmauf

Feuilleton


OmerFastzeigtimSalzburger


Kunstvereinseineverstörende
neueVideoarbeit 11

Literatur


ArchitekturalsProtagonistin:


GraphicNovelsüberMiesvan
derRoheundLeCorbusier 12

Wissen


Tierärztewerdenneuerdingsmit


derFragekonfrontiert:Können
HundeVegetarierwerden? 14

www.sz.de/kultur

Eine deutsche Nationalkultur ist reine Fiktion


DieLiteraturwissenschaftlerinSigridWeigelfordertdasAuswärtigeAmtineinemGutachtenzueinerReformderKulturpolitikauf


„DasTauchendauerteviel


längeralsdasFliegen,wahnsinnig


langsamwarjetztalles.“


FEUILLETON


VariantenderGegenwartausprobieren,genießen,aushalten,verwerfen–undallesohneeineinzigesSelfie:Jugendliche
indenSiebzigerjahren. FOTO: AKG-IMAGES / SAMMLUNG BERLINER VERLAG/ARCHIV

MichelHouellebecq(links)undGérardDe-
pardieuimweichenMantel. FOTO: IMAGO

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