SEITE 16·DIENSTAG, 27. AUGUST 2019·NR. 198 Wirtschaft FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
BRÜSSEL/DEN HAAG, 26. August
(Reuters/AFP). Unabhängig vom Ausgang
des Brexits besteht die Europäische Union
darauf, dass Großbritannien seine finan-
ziellen Verpflichtungen gegenüber der
Staatengemeinschaft vollständig erfüllt.
Dies gelte insbesondere für den Fall eines
EU-Austritts ohne Abkommen, sagte
Kommissionssprecherin Mina Andreeva
am Montag in Brüssel. Der britische Pre-
mierminister Boris Johnson hatte am
Sonntag dem Sender Sky News gesagt,
sein Land sei im Falle eines ungeregelten
Brexits rechtlich nicht mehr an die von sei-
ner Vorgängerin Theresa May getroffene
Zusage gebunden, für die Scheidung 39
Milliarden Pfund (43 Milliarden Euro) zu
bezahlen. Medienberichten zufolge soll er
lediglich zur Zahlung von weniger als 10
Milliarden Pfund bereit sein.
EU-Kommissionssprecherin Andreeva
sagte, offiziell habe die britische Regie-
rung das Thema bei der EU noch nicht an-
gesprochen. Sie signalisierte, dass die Ein-
haltung der Zusagen wichtig für die künfti-
gen Beziehungen ist. Statt jetzt mit juristi-
schen Schritten zu drohen, sei es wichtig
klarzustellen, „dass die Begleichung von
Konten unerlässlich ist, um eine neue Be-
ziehung auf dem richtigen Fuß zu begin-
nen, basierend auf gegenseitigem Vertrau-
en“. Johnson will Großbritannien auf je-
den Fall Ende Oktober aus der EU führen,
notfalls auch ohne Vertrag.
Wegen des bevorstehenden Brexits sind
fast 100 internationale Unternehmen von
Großbritannien in die Niederlande gezo-
gen. 325 weitere Betriebe hätten Interes-
se, ihren Standort in die Niederlande zu
verlegen, teilte die niederländische Behör-
de für ausländische Investitionen (NFIA)
am Montag mit. Die „wachsende Unsicher-
heit im Vereinigten Königreich“ und die
Aussicht auf einen ungeregelten EU-Aus-
tritt führten in den Unternehmen zu einer
„gravierenden Unruhe“.
Bei vielen der an einem Umzug interes-
sierten Unternehmen handelt es sich laut
NFIA um britische, aber auch um nord-
amerikanische, asiatische und australi-
sche Unternehmen. Die Behörde sieht die
Niederlande vor allem mit Deutschland,
Frankreich, Irland und Belgien in Konkur-
renz um die Ansiedlung von Unterneh-
men. Nach Berichten des Senders NOS
wurden durch die Verlegung der ersten 62
Unternehmen von Großbritannien in die
Niederlande 2500 Arbeitsplätze geschaf-
fen. Die Unternehmen brachten den Nie-
derlanden demnach Investitionen in Höhe
von 310 Millionen Euro ein.
Neben privaten Unternehmen wie dem
Informationsdienstleister Bloomberg und
der europäischen Niederlassung des ameri-
kanischen Senders Discovery Channel hat
auch die Europäische Arzneimittelagen-
tur ihren Sitz von London nach Amster-
dam verlegt. Sie muss in einem EU-Mit-
gliedstaat ansässig sein.
MORGEN IN NATUR
UND WISSENSCHAFT
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Umstrittene Studie
Beeinflusst Fluorid im Trinkwasser für
Schwangere den IQ von Kindern?
BERLIN/FULDA, 26. August (dpa). Bun-
desumweltministerin Svenja Schulze will
die Einnahmen aus der Lkw-Maut nicht
mehr nur für die Straßen nutzen. Die Milli-
arden sollten auch dafür verwendet wer-
den, Anreize zur Verlagerung des Güter-
verkehrs von der Straße auf die Schiene zu
finanzieren, sagte die SPD-Politikerin vor
einem Treffen mit der Eisenbahn- und Ver-
kehrsgewerkschaft (EVG) am Montag in
Fulda. „Die Einnahmen aus der Maut soll-
ten nicht allein in den Finanzierungskreis-
lauf Straße fließen.“ Die Trassenpreise,
die vom Infrastrukturunternehmen der
Deutschen Bahn (DB Netz AG) als eine
Art Schienenmaut erhoben werden, soll-
ten gesenkt werden. Zudem sprach sich
Schulze abermals für eine Erhöhung der
„Luftverkehrsabgabe“, einer Ticketsteuer,
aus. Dadurch stiegen die Flugpreise vor-
aussichtlich.
„Der Verkehrsbereich ist der Haupt-
grund dafür, dass Deutschland beim Kli-
maschutz hinterherhinkt“, sagte Schulze.
Bis 2030 müssten die CO 2 -Emissionen in
diesem Bereich gegenüber 1990 um 40 bis
42 Prozent sinken. Doch lag 1990 der Ver-
kehr nach Angaben des Umweltbundes-
amtes bei 163 Millionen Tonnen Treib-
hausgasemissionen im Jahr. 2018 waren
es 162 Millionen. Das Ziel sind maximal
98 Millionen Tonnen bis 2030.
SCHANGHAI, 26. August
D
er Handelskrieg zwischen den bei-
den Supermächten Amerika und
China ist zu einem emotional ge-
führten Konflikt geworden. Mit den Wor-
ten „Ich bin der Auserwählte“ hat der
amerikanische Präsident Donald Trump
in der vergangenen Woche seinen immer
härter werdenden Kampf gegen China
begründet. Nachdem Peking am Freitag
Amerikas jüngste Strafzolldrohung mit
eigenen neuen Vergeltungszöllen konter-
te, nannte Trump auf Twitter den zuvor
stets als „Freund“ titulierten chinesi-
schen Präsidenten Xi Jinping erstmals ei-
nen „Feind“ und ordnete „hiermit“ an,
die amerikanische Wirtschaft habe sich
aus China zurückzuziehen.
Trumps Gegenspieler, der chinesische
Präsident Xi Jinping, hat schon vor Mo-
naten die Parole ausgegeben, China sei
auf einem neuen „Langen Marsch“, was
sich an den wichtigsten Heldenmythos
der Kommunistischen Partei anlehnt.
Die amtliche Nachrichtenagentur Xin-
hua drohte am Samstag nach Trumps At-
tacke, China werde kämpfen „bis zum
Ende“.
Auch der Montag zeigte deutliche An-
zeichen von Misstrauen in dem Verhält-
nis der beiden Kontrahenten. Peking
habe am Wochenende zweimal bei der
amerikanischen Regierung angerufen
und wolle einen „Deal“ im Handelsstreit
vereinbaren, sagte Trump am Rande des
G-7-Treffens im französischen Biarritz.
Der amerikanische Finanzminister Ste-
ven Mnuchin führte für diese Behaup-
tung eine Bemerkung des chinesischen
Verhandlungsführers Liu He ins Feld, wo-
nach Peking zu Gesprächen bereit sei
und den Konflikt nicht weiter eskalieren
lassen wolle. Die Finanzmärkte interpre-
tierten diese Äußerungen als Signal der
Entspannung und als einen abermaligen
Taktikwechsel Trumps. Dieser nannte Xi
am Montag nicht mehr „Feind“, sondern
einen „großen Führer“, der ein „großarti-
ges Land“ repräsentiere.
Den Worten Trumps und Mnuchins
entgegnete China-Beobachter Bill Bi-
shop, die Wortwahl des chinesischen
Vize-Ministerpräsidenten und Verhand-
lungsführers Liu He habe sich gegenüber
früheren Äußerungen keineswegs geän-
dert und tauge nicht dazu, daraus eine
weichere Haltung der chinesischen Seite
herauszulesen. Das chinesische Außen-
ministerium sagte, es wisse nichts von Te-
lefonanrufen. Halte Washington an sei-
nen Zolldrohungen fest, werde Peking
seinerseits Maßnahmen ergreifen. Der
Chefredakteur der Pekinger „Global
Times“ schrieb auf Twitter, Trump habe
bewusst einen falschen Eindruck er-
weckt.
Damit wird immer fraglicher, ob Chi-
na noch zu großen Kompromissen wie ei-
ner bedeutenden Öffnung seiner Wirt-
schaft bereit ist, um eine Einigung im
Handelsstreit zu erzielen. So spricht Xi
Jinping schon seit längerem davon, dass
die chinesische Wirtschaft „autark“ wer-
den solle, was auch eine Unabhängigkeit
von Amerika nach sich zöge.
Chinas Staatsmedien erwähnten das
Feind-Zitat Trumps bis zum Montag-
abend nicht. Das jedoch könnte auch dar-
in begründet sein, dass die Beschimp-
fung des Volksführers zu despektierlich
ist, um sie mit einer offiziellen Reaktion
aufzuwerten.
Im chinesischen Internet macht sich
seit Freitag viel Wut breit gegen Ameri-
ka. Nachdem Trump seinen Handels-
krieg 2018 gegen das Land begonnen hat-
te, hatte es unter chinesischen Ökono-
men, Unternehmern und höheren Ange-
stellten nicht wenige gegeben, die den
Druck Amerikas auf ihre Staatsführung
guthießen, weil dies, so hofften sie, lan-
ge versprochene und dringend notwendi-
ge marktwirtschaftliche Reformen be-
schleunigen würde.
Diese Hoffnung wird in China inzwi-
schen nicht mehr geäußert. Vielmehr
heißt es nun oft, Trump wolle das Land
zerstören. Selbst in der kosmopoliti-
schen Mittelschicht, deren Mitglieder
nicht selten in Amerika studiert haben
oder ihre Kinder an Universitäten des
Landes schicken, macht sich Nationalis-
mus breit.
Er wolle nicht, dass die Amerikaner
sein Unternehmen von Washingtons
schwarzer Liste mit Exportverboten näh-
men, sagt der Gründer des Netzwerkaus-
rüsters und Smartphoneherstellers Hua-
wei, Ren Zhengfei – zumindest dann
nicht, wenn Peking dafür „Zugeständnis-
se“ an Amerika machen und das Volk lei-
den müsse. Man sei „komplett vorberei-
tet“, ohne die Halbleiter und Software
aus Amerika auszukommen, teilte Hua-
wei am Freitag mit.
Viele Chinesen halten es sogar für
möglich, dass die noch sehr viel stärker
mit Patriotismus aufgewachsene Bevölke-
rung zu langen Jahren des Verzichts be-
reit ist, um den Handelskrieg zu gewin-
nen. Dass der Stolz rational-ökonomi-
schen Argumenten keine Chance lässt,
wenn sich das Gefühl von ungerechter
Behandlung oder Bedrohung breit-
macht, haben viele Vorfälle in der Ver-
gangenheit bewiesen.
Chinesische Geschäftsleute weisen
dieser Tage im persönlichen Gespräch
darauf hin, dass es schon einmal drei Jah-
re in der Geschichte des Landes gegeben
habe, wo Hunger und Not geherrscht hät-
ten. Doch das Volk habe überlebt. Damit
ist Maos „Großer Sprung nach vorn“ ge-
meint, einer Industrialisierungskampa-
gne in den Jahren von 1958 bis 1961 mit
katastrophalem Ausgang.
Dem halten wiederum andere Stim-
men entgegen, dass die eng mit dem Aus-
land und besonders mit dem wichtigsten
Exportabnehmer Amerika verbandelte
chinesische Wirtschaft wenig gemein hat
mit der armen Volkswirtschaft China
aus den sechziger Jahren. Historiker wie
Frank Dikötter schätzen zudem die Zahl
der Todesopfer der Hungersnot auf min-
destens 45 Millionen Menschen.
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ami.BERLIN, 26. August. Mit Anpas-
sungshilfen für die Braunkohlereviere
und Entschädigungen für die Kraftwerks-
betreiber allein sind die Folgen des Koh-
leausstiegs nicht zu meistern. Diese An-
sicht hat Nordrhein-Westfalens Wirt-
schaftsminister Andreas Pinkwart (FDP)
schon in den Beratungen der Kohlekom-
mission vertreten. Jetzt sieht er sich dar-
in durch ein neues Gutachten bestärkt.
Das Ergebnis der vom Energiewirt-
schaftlichen Institut (EWI) an der Uni-
versität Köln erstellten Studie nennt er
eindeutig: Der vorzeitige Ausstieg aus
der Kohleverstromung werde zu einem
zusätzlichen und spürbaren Anstieg der
Strompreise auf dem Großhandelsmarkt
führen. Gleichzeitig fehle es an gesicher-
ten Kapazitäten in der Stromerzeugung.
„Neben Strompreisentlastungen für die
Industrie brauchen wir deshalb Anreize
für Neubau und Vorhaltung von flexiblen
Kraftwerken, die die Versorgungssicher-
heit gewährleisten“, sagte Pinkwart der
F.A.Z. Wenn sie die Klimaziele mit einer
leistungsfähigen Wirtschaft erreichen
und die Grundlage für gesellschaftlichen
Wohlstand erhalten wolle, müsse die
Bundesregierung die Empfehlungen der
Kommission „eins zu eins umsetzen“.
Pinkwart treibt die Sorge um, dass das
hochindustrialisierte Nordrhein-Westfa-
len mit vielen energieintensiv arbeiten-
den Betrieben wie der Chemie-, Stahl-
und Aluminiumbranche am Ende zu den
Verlierern des Kohleausstiegs gehören
könnte. Man müsse die Klimaschutzziele
mit den Interessen der Wirtschaft in Ein-
klang bringen. Deshalb müsse der Aus-
stieg „durch besondere Maßnahmen
beim Strompreis flankiert werden“, ver-
langte er. „Dazu gehören Ausgleichsmaß-
nahmen, die die Verbraucher entlasten,
und die Verstetigung und Fortentwick-
lung der Strompreiskompensation für die
energieintensiven Industrien.“
Dann nennt der Minister noch drei
konkrete Punkte: Netzausbau, Ökostrom-
förderung und Stromsteuer. Der Ausbau
des Stromnetzes sei unverzichtbar und
müsse schnell umgesetzt werden. Dage-
gen könne die Umlage zur Finanzierung
des Ökostromausbaus nach dem Erneuer-
bare-Energien-Gesetz (EEG) nicht blei-
ben, wie sie ist. „Mit dem weiteren Aus-
bau der erneuerbaren Energien muss der
Bund Entlastungen für die Stromverbrau-
cher einführen.“ Die mit rund 7 Milliar-
den Euro allein dem Bund zufließende
Stromsteuer müsse „sinken, damit Ener-
gie auch in Zukunft bezahlbar bleibt“,
verlangte der Landesminister. Stromsteu-
er und EEG-Finanzierung spielten auch
in den vielen Szenarien für eine zusätzli-
che Bepreisung der CO 2 -Emissionen
eine Rolle, über die das „Klimakabinett“
am 20. September befinden will.
Immerhin kommt die Studie des EWI,
die vom Land mitfinanziert wird, zu dem
Ergebnis, der Kohleausstieg 2038 stehe
dem Erreichen der Klimaziele trotz der
zu erwartenden steigenden Stromnach-
frage nicht entgegen. Allerdings würden
die Strompreise an der Börse stark stei-
gen. Davon gingen allein 5 Euro je Mega-
wattstunde auf die Kappe des politisch er-
zwungenen vorzeigten Kohleausstiegs.
Allerdings ist er nicht der einzige Preis-
treiber. Die Preise werden nach dem Gut-
achten von 34 Euro je Megawattstunde
(MWh) im Jahr 2017 über 58 Euro im
Jahr 2030 auf bis zu 77 Euro je MWh im
Jahr 2045 klettern. Allerdings liegt der
Preis derzeit schon bei 47 Euro.
Der deutsche Strompreis im Großhan-
del steige damit laut EWI im Vergleich
zu Wettbewerbsländern wie China,
Frankreich, Großbritannien, Japan, den
Niederlanden und Amerika bis 2030 ver-
hältnismäßig stark. Dadurch verschlech-
tere sich die Wettbewerbsposition der
stromintensiven Unternehmen. Beson-
ders betroffen seien die Branchen Eisen
und Stahl, Aluminium, Chemie und Pa-
pier. Deshalb raten die Gutachter, die be-
troffenen Branchen mit staatlichen Hil-
fen zu unterstützen. Sie nennen dafür
eine Spanne von 7 bis 23 Euro je Mega-
wattstunde.
Für eine Rund-um-die-Uhr-Sicherung
der Stromversorgung bedürfe es zudem ei-
ner Reihe von „Spitzenlastkraftwerken“,
die nur wenige Stunden des Jahres zum
Einsatz kämen. Das EWI beziffert den
„notwendigen Zuwachs an Backup-Kapa-
zitäten“ für die erste Hälfte des nächsten
Jahrzehnts auf etwa 22 000 Megawatt.
Wie die Strombranche, so gehen auch die
Forscher davon aus, dass sich für diese ris-
kanten Investitionen keine privaten Fi-
nanziers werden finden lassen und dies
damit dem Staat obliegen wird. Zur De-
ckung der Erzeugungslücke könnten
Gas-, aber auch aus der Versorgung ge-
nommene und in Reserve stehende Kohle-
kraftwerke herangezogen werden.
niza.FRANKFURT, 26. August. Führen-
de Politiker der FDP-Fraktion im Bundes-
tag plädieren für wirtschaftspolitische
Strukturreformen als Antwort auf die ge-
genwärtige Konjunkturflaute. In einem
am Montag verfassten Fünf-Punkte-Pro-
gramm, das der F.A.Z. vorliegt, fordern
sie neben der vollständigen Abschaffung
des Solidaritätszuschlags (Soli) bis Ende
Januar 2020 „alle Zölle und handelsver-
zerrenden Subventionen in Europa abzu-
schaffen, notfalls auch einseitig“. Auch
sollen Bürokratie abgebaut, Unterneh-
mensgründungen erleichtert und eine
technologieoffene Forschungsförderung
betrieben werden, um gleichsam positive
Effekte auf das Weltklima und Wachs-
tumsimpulse zu generieren. „Die FDP-
Fraktion ist überzeugt: Eine marktwirt-
schaftliche Erneuerung und Stärkung der
Wettbewerbsfähigkeit ist notwendiger
denn je, gerade weil die internationalen
Märkte schwieriger werden“, heißt es in
dem eine Seite langen Positionspapier;
einzig so könne ein Durchschlagen der re-
zessiven Tendenzen auf den Arbeitsmarkt
abgewendet werden.
Tatsächlich hat der Abschwung der
deutschen Wirtschaft im August weiter
Fahrt aufgenommen. Abermals fiel das
Geschäftsklima laut Index des Münchener
Ifo-Instituts, der auf der monatlichen Be-
fragung von rund 9000 Unternehmen be-
ruht. Mit 94,3 Punkten rangiert er nur
noch hauchdünn über dem Tiefstwert in-
mitten der Euro-Krise Ende 2012. Beson-
ders stark trübte sich von Juli zu August
die Einstufung der derzeitigen Geschäfts-
lage ein. Die Zukunftsaussichten sind aber
nach wie vor noch schlechter – branchen-
übergreifend. Dass das Geschäftsklima für
den Dienstleistungssektor zuletzt noch
stärker gesunken sei als die Stimmung in
der Industrie, deute darauf hin, dass nun
auch die robuste Binnennachfrage an
Schwung verliere, meinte Commerzbank-
Chefvolkswirt Jörg Krämer. Das erhöhe
das Risiko, dass die Wirtschaftsleistung
auch im laufenden dritten Quartal zurück-
gehe nach einem Wachstum von minus
0,1 Prozent in den Monaten April bis Juni.
Zumal der jüngste Schlagabtausch in Sa-
chen Zöllen zwischen China und den Ver-
einigten Staaten die Hoffnung auf eine
konjunkturelle Erholung auf dem wichti-
gen deutschen Absatzmarkt China begra-
be, erklärte Krämer.
Auch die Ökonomen der Dekabank be-
trachten den stetig eskalierenden Han-
delsstreit mit Sorge. Hinzu kämen die zu-
nehmende Gefahr eines ungeregelten har-
ten Brexits und die Regierungskrise in Ita-
lien. All das sei „zu viel für die an sich star-
ken Schultern der deutschen Industrie“,
heißt es von der Dekabank. „Die Sorgen-
falten der deutschen Wirtschaft werden
immer tiefer“, meinte auch Ifo-Präsident
Clemens Fuest. Die Anzeichen für eine
Rezession in Deutschland verdichteten
sich, denn ein ähnlicher Pessimismus un-
ter den Industrieunternehmen sei zuletzt
im Krisenjahr 2009 zu beobachten gewe-
sen. Konjunkturstützenden Maßnahmen,
wie von der FDP gefordert, hatte Bundes-
kanzlerin Angela Merkel (CDU) Mitte Au-
gust allerdings eine klare Absage erteilt.
Auch wenn die deutsche Wirtschaft der-
zeit in eine „schwierige Phase“ gehe, solle
man die Lage nicht schlechtreden. Dabei
verwies sie auch auf die geplante Soli-Ab-
schaffung für rund 90 Prozent aller Ein-
kommensteuerzahler.
Bedrohte Lurche hinter Glas
Private Amphibienhaltung könnte
einigen Arten das Überleben sichern
dc.BERLIN,26. August. Für eine grün-
rot-rote Bundesregierung würde die Er-
hebung einer Vermögensteuer aller Vor-
aussicht nach weit oben auf der Tagesord-
nung stehen. Neben Linken und Grünen
setzt sich nun auch die SPD-Spitze offen
dafür ein, Reiche und Unternehmen für
den Besitz von Luxus- oder Kapitalgü-
tern einer zusätzlichen Steuer zu unter-
werfen. Das SPD-Präsidium hat die vom
kommissarischen Parteivorsitzenden
Thorsten Schäfer-Gümbel angekündig-
ten Eckpunkte am Montag beschlossen.
„Die Schieflage bei der Vermögensent-
wicklung der letzten Jahrzehnte erfor-
dert schon lange politische Entscheidun-
gen zur Korrektur“, heißt es in dem fünf-
seitigen Beschlusspapier. Auch eine
schwache Lohnentwicklung und eine sin-
kende Bedeutung von Tarifverträgen hät-
ten die Schieflage der Vermögen „drama-
tisch verschärft“. Einschränkend heißt
es im Text, dass damit noch kein Gesamt-
konzept vorliege, sondern ein „Diskussi-
onspapier“.Details sind auch darin noch
nicht enthalten. Zwar ist die Rede von ei-
nem „maßvollen, einheitlichen Steuer-
satz von 1 Prozent (möglicher höherer
Steuersatz für Superreiche)“. Von wel-
chen Grenzen an die Steuer greift, ist
aber offen. Für Privatleute solle es „hohe
persönliche Freibeträge“ geben. Kapital-
gesellschaften sollen ebenfalls belastet
werden, mit Freigrenzen; diese packen
meist härter zu als Freibeträge.
Entscheidungen sollen auf dem SPD-
Parteitag im Dezember fallen, wie Schä-
fer-Gümbel ankündigte. Dann solle auch
das Profil der SPD als linke Volkspartei
geklärt werden, zitierte ihn die Deutsche
Presse-Agentur. Schäfer-Gümbel rechnet
durch die Steuer mit zusätzlichen Staats-
einnahmen von 10 Milliarden Euro. Da-
von seien lediglich 5 bis 8 Prozent für
den Verwaltungsaufwand abzuziehen.
Während Union und FDP die Pläne zu-
rückweisen, finden sie bei Linken und
Grünen Zuspruch. Für die Grünen be-
kannte deren Vorsitzender Robert Ha-
beck am Montag: Es sei „ohne Frage rich-
tig, dass höhere Vermögen einen größe-
ren Beitrag zum Steueraufkommen leis-
ten müssen – das ist auch unsere Positi-
on“. Offen ließ er, wie dringlich eine Ver-
mögensteuer aus seiner Sicht sei. „Tut
das Mögliche, das Naheliegende“, riet er
der SPD – obwohl diese regiere, gebe es
noch keine Finanztransaktionssteuer
und keine Digitalsteuer.
Im Wahljahr 2017 hatten die Grünen
„eine verfassungsfeste, ergiebige und
umsetzbare Vermögensteuer für Super-
reiche“ angekündigt. Zugleich verspra-
chen sie, dabei „besonderen Wert auf
den Erhalt von Arbeitsplätzen und die
Innovationskraft von Unternehmen“ zu
legen. Der Linkspartei greifen die SPD-
Pläne zu kurz. Sie fordert, dass der Staat
von allen Vermögen oberhalb einer Milli-
on Euro jährlich 5 Prozent abzieht. Wo
Unternehmen dem Finanzamt nachwei-
sen, dass ihre Vermögensgegenstände
betriebsnotwendig sind, soll dafür inso-
weit ein Freibetrag von 5 Millionen
Euro gelten. Unter dem Strich könne der
Staat damit jährlich 80 Milliarden Euro
an Mehreinnahmen eintreiben, rechnet
die Linke vor.
Aus Sicht der SPD besteht mit der Ver-
mögensteuer aber noch ein Ost-West-Ver-
teilungsproblem: Bis zu ihrer gerichtlich
verfügten Aussetzung 1996 war sie eine
Ländersteuer. Reiche Bürger und Unter-
nehmen sitzen aber vor allem im Westen.
Um Benachteiligungen der Ostländer zu
verhindern, müssten daher die Einnah-
men „zu 100 Prozent in den Länderfi-
nanzausgleich fließen“, forderte der
SPD-Ostbeauftragte Martin Dulig. Das
SPD-Wirtschaftsforum, eine Unterneh-
mervereinigung, lehnt indes das ganze
Vorhaben ab.
Mehr Geld für die Schiene
Umweltministerin Schulze will Maut-Einnahmen umlenken
EU: Briten müssen voll bezahlen
Auch bei ungeregeltem Brexit / Unternehmen ziehen um
Pinkwart fordert niedrigere Strompreise für die Industrie
Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister besorgt über Benachteiligung wegen des Kohleausstiegs
Der Handelskrieg
wird emotional
Noch ist Apple eine beliebte amerikanische Marke – auch in Peking Foto AFP
FDP fordert Sofortmaßnahmen
gegen die Konjunkturflaute
„Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit notwendiger denn je“
Unverheilte Brüche
Der Soziologe Steffen Mau über die
Entwicklung in Ostdeutschland
SPD, Linke und Grüne kämpfen für die Vermögensteuer
Parteipräsidium beschließt Schäfer-Gümbels Konzept / Ostländer fordern Geld aus dem Westen
Der amerikanische Präsident nennt den chinesischen einen
„Freund“, dann einen „Feind“ und nun einen „großen Führer“.
Peking spricht vom „Kampf bis zum Ende“. Sind die Chinesen zu
langen Jahren des Verzichts bereit?Von Hendrik Ankenbrand
Geschäftsklima kühlt sich ab
Ifo-Geschäftsklimaindex (2015 = Index 100)1)
2015 20172016 2018 19 (August)
1) Verarbeitendes Gewerbe, Bauhauptgewerbe, Groß- und Einzelhandel in
Deutschland. Saisonbereinigte Monatswerte. 2) Mittelwert aus Geschäfts-
lage und -erwartungen (sechs Monate).
Quelle: Ifo Institut für Wirtschaftsforschung F.A.Z.-Grafik Niebel
91,
94,
97,
90
95
100
105
110
Geschäftserwartungen
Geschäftsklima2)
Geschäftslage
Redaktioneller Kontrollverlust
Eine agitatorische Pseudo-Rezension
im „Historisch-Politischen Buch“