SEITE 4·DIENSTAG, 27. AUGUST 2019·NR. 198 Politik FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
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SINGAPUR, 26.August. Während die
alte Hauptstadt sinkt, wird anderswo
eine neue hochgezogen. Das ist jeden-
falls der Plan des indonesischen Präsi-
denten Joko Widodo, der am Montag
zum ersten Mal den Standort der zu-
künftigen Hauptstadt Indonesiens be-
kanntgegeben hat. Das Gebiet liegt auf
der Insel Borneo zwischen den größten
Städten in der Provinz Ostkalimantan,
Balikpapan und Samarinda. Der Um-
zug von Behörden, Regierung und Par-
lament soll vor allem die 30-Millionen-
Metropole Jakarta entlasten. Sie leidet
an endlosen Staus, verschmutzter Luft
und großflächigen Überschwemmun-
gen. Studien zufolge könnten in den
kommenden zehn Jahren schon ein
Viertel der Stadt unter Wasser liegen.
„Jakarta muss die überwältigende Last
als Zentrum der Verwaltung, der Wirt-
schaft, der Finanzen, des Handels und
der Dienstleistungen tragen, und beher-
bergt gleichzeitig den größten Flugha-
fen und den größten Seehafen des Lan-
des“, sagte Widodo in einer im Fernse-
hen übertragenen Ansprache.
Das Problem der regelmäßigen Über-
flutungen verschärft sich, weil der Bo-
den in manchen Gebieten der Stadt so-
gar um mehr als zehn Zentimeter im
Jahr absinkt. Der Hauptgrund dafür ist
die übermäßige Entnahme von Grund-
wasser. Und noch einen Vorteil hat der
zukünftige Standort auf Borneo gegen-
über Jakarta: „Das Risiko von Überflu-
tungen, Erdbeben, Tsunamis und Vul-
kanausbrüchen ist minimal“, sagte Wi-
dodo. Dagegen befürchten Umwelt-
schützer, dass das Megaprojekt unwi-
derrufliche Folgen für die Natur auf der
drittgrößten Insel der Erde haben könn-
te. Schon jetzt stehen die Regenwälder
Borneos und damit bedrohte Tiere wie
der Orang-Utan unter Druck der Holz-,
Papier- und Palmölindustrie. Dafür hat
einer von Widodos Ministern angekün-
digt, dass die neue Metropole als intelli-
gente „Waldstadt“ geplant werde.
Die neue Hauptstadt werde vor al-
lem strategisch im Zentrum Indone-
siens liegen, sagte der 58 Jahre alte Prä-
sident bei der Vorstellung seines Plans.
Tatsächlich liegt der geographische
Mittelpunkt des Staates mit seinen
17 000 Inseln nicht auf der Insel Java
und der dortigen Hauptstadt Jakarta,
sondern in Kalimantan, wie der indo-
nesische Teil Borneos genannt wird.
Dennoch war in dem Vielvölkerstaat
lange die javanische Kultur dominant.
Das liegt nicht zuletzt an den vielen
Menschen auf der bevölkerungsreichs-
ten Insel, die etwa 54 Prozent der 260
Millionen Indonesier beherbergt. Mit
dem Umzug von mehr als einer Million
Staatsbediensteten könnte die Periphe-
rie gestärkt werden.
Präsident Joko Widodo, der früher
Bürgermeister der Stadt Solo und Gou-
verneur von Jakarta war, ist zwar
durch und durch Javaner. Aber er hat
sich auch die Entwicklung des Hinter-
landes auf die Fahnen geschrieben. Sei-
ne erste Amtszeit war geprägt durch
den Ausbau von Häfen, Flughäfen und
Straßen auch in abgelegenen Gebie-
ten. Er war erst im Mai wiedergewählt
worden. Die Verlegung der Hauptstadt-
verwaltung von Jakarta nach Borneo
wird zu den wichtigsten Projekten sei-
ner Präsidentschaft gehören. Der Be-
ginn für den Umzug ist für das Jahr
2024 geplant, wenn seine zweite Amts-
zeit endet. Das Projekt wird ungefähr
zehn Jahre dauern und 32 Milliarden
Dollar kosten. Die Bauarbeiten sollen
in zwei Jahren beginnen.
Einen Namen für die neue Haupt-
stadt gibt es noch nicht. In dem nun
ausgewiesenen Gebiet befindet sich
auch ein Waldgebiet mit dem Namen
Bukit Soeharto, das nach dem ehemali-
gen indonesischen Diktator Suharto be-
nannt wurde. Er soll dort in den siebzi-
ger Jahren einen Stopp eingelegt und
von einem Hügel aus die Landschaft
bewundert haben. Auf diese Anekdote
bezog sich der Präsident in seiner Rede
am Montag nicht. Aber auch Jakarta
hat durchaus seine Vergangenheit. Un-
ter dem Namen Batavia war sie die
Hauptstadt der holländischen Kolonial-
herren. Mit der Verlegung der Haupt-
stadt unterstreicht Indonesien auch sei-
ne Eigenständigkeit. Und nebenbei
lässt der Präsident sein politisches
Erbe in Beton gießen.
PRAG, 26. August. An diesem Diens-
tag soll in Prag Lubomír Zaorálek zum
neuen tschechischen Kulturminister er-
nannt werden. Vorausgesetzt, die Er-
nennung des früheren Außenministers
Zaorálek durch Präsident Miloš Ze-
man und die Amtseinführung im Bei-
sein von Ministerpräsident Andrej Ba-
biš verläuft so, wie sie verabredet wor-
den ist, endet eine Politposse, die sich
über gut ein Vierteljahr hingezogen
hat. Sie zeigt exemplarisch die Macht-
verhältnisse in der Tschechischen Re-
publik: Zeman hat es in den vergange-
nen Jahren verstanden, die Balance zu
seinen Gunsten zu verschieben. Auf
der Prager Burg, dem Sitz des Staats-
oberhaupts, wird immer mehr auch
über Personal und Politik der Regie-
rung mitentschieden.
Im Mai hatte der damalige Kultur-
minister Antonín Stanek seinen Rück-
tritt angeboten. Er zog damit die Konse-
quenz aus heftigen Protesten der natio-
nalen und internationalen Kulturszene
gegen seine Entscheidung, zwei Muse-
umsdirektoren zu entlassen. Schon bei
jenen Entlassungen wurde in Prag ge-
mutmaßt, dass Zeman seine Hand im
Spiel haben könnte. Der eine der bei-
den Direktoren hatte chinakritische
Künstler gefördert. Bei Kritik an China
versteht Zeman, der regelmäßig Staats-
gast in Peking ist, keinen Spaß.
Der Präsident weigerte sich zunächst
einfach, Staneks Rücktritt anzuneh-
men. Dann weigerte er sich, den nomi-
nierten Nachfolgekandidaten zu ernen-
nen, Michal Šmarda. Zeman ließ erklä-
ren, der Lokalpolitiker und stellvertre-
tende Vorsitzende der sozialdemokrati-
schen ČSSD kenne sich mit Kultur
nicht aus und sei deshalb für den Pos-
ten nicht geeignet. DieČSSD kam da-
durch schwer in Bedrängnis. Sie ist Ko-
alitionspartner in Babišs’ Minderheits-
regierung. DerČSSD-Vorsitzende Ján
Hamácek sagte, wenn seine Partei
nicht einmal die Personen für die Minis-
terämter benennen könne, die sie be-
setzt, dann habe die Regierungsbeteili-
gung eigentlich keinen Sinn. Er drohte
mit einer Verfassungsklage gegen Ze-
man wegen dessen hinhaltenden Wider-
stands und mit dem Koalitionsende,
falls Babiš nicht mitmacht. Doch sein
Problem war und ist: Wenn die Sozial-
demokraten aus der (von den Kommu-
nisten tolerierten) Regierung ausstei-
gen, steht die rechtsextreme Partei SPD
schon bereit, die Lücke zu füllen – oder
es drohen Neuwahlen mit einem kata-
strophalen Abschneiden für die Sozial-
demokraten. Schon ein Jahr zuvor war
Zeman mit demČSSD-Kandidaten für
das Außenministerium auf ähnliche
Weise Schlitten gefahren. Hamácek
wird durch das Drohen mit einem Aus-
stieg und darauffolgende Zurückrudern
nicht eben gestärkt. Doch den Parteivor-
sitz, da sind die Sozialdemokraten in
Tschechien auch nicht anders als an-
derswo, neidet ihm derzeit niemand.
Zeman übt seinen Einfluss nicht nur
bei Ministerernennungen aus. Auch die
Benennung von Botschaftern bean-
sprucht er für sich, schon mehrfach hat
er hier den Außenminister düpiert.
Und als der tschechische Botschafter in
Peking an der Seite von elf anderen Bot-
schaftern aus Ländern der EU und west-
licher Staaten eine Resolution unter-
schrieb, die die Einhaltung von Men-
schenrechten durch die chinesische Re-
gierung zum Gegenstand hatte, betrieb
Zeman dessen Absetzung. Er wurde
nach Armenien versetzt. Zeman mach-
te auch dagegen Front, dass Sicherheits-
behörden die amerikanischen Beden-
ken gegen den chinesischen Mobilfunk-
konzern Huawei teilten.
Zaorálek, der neue Kulturminister,
wird weithin als politischer Profi aner-
kannt. Zuletzt war er Vorsitzender des
Auswärtigen Ausschusses des Parla-
ments. Aber dass er im Unterschied zu
Šmarda gerade in der Kulturszene ein
Hansdampf in allen Gassen wäre,
kann ihm kaum nachgesagt werden. Es
sei denn, man folgt dem vielleicht
nicht einmal sarkastisch gemeinten
Hinweis aus der konservativ-liberalen
ODS auf eine frühere berufliche Erfah-
rung Zaoráleks: In den frühen achtzi-
ger Jahren wirkte er als Skriptschrei-
ber für das kommunistische Staatsfern-
sehen der Tschechoslowakei.
BERLIN,26. August
D
ie Jahresbilanz des Ministers fällt
zwiespältig aus. Auf dem vorausge-
gangenen Jahrestreffen der deut-
schen Botschafter in Berlin hatte Außen-
minister Heiko Maas (SPD) noch kräftig
für eine „Allianz der Multilateralisten“ ge-
worben und Hoffnungen geweckt, in
solch einem Bündnis der Vernünftigen lie-
ßen sich die neo-chauvinistischen Bestre-
bungen in der Welt einhegen und ihr Scha-
den begrenzen. Jetzt gestand er zu, eine
solche Allianz „werde den Lauf der Welt
nicht verändern“, doch könne sie helfen,
auf einigen außenpolitischen Feldern vor-
anzukommen. Immerhin.
Auch die gegenwärtigen Zukunftshoff-
nungen fielen auf der Botschafterkonfe-
renz am Montag eher zurückhaltend aus.
Maas stellte Fortschritte im Bemühen um
eine politische Nachkriegslösung in Sy-
rien in Aussicht und mahnte die größeren
EU-Länder Spanien, Italien und Polen zu
mehr außenpolitischem Engagement in
der Europäischen Union.
Maas äußerte sich auch verhalten zu je-
nem außenpolitischen Thema, das gegen-
wärtig in der großen Koalition den größ-
ten inneren Sprengstoff enthält: die Fort-
setzung des Bundeswehreinsatzes zur Be-
kämpfung des IS-Terrors. Das Mandat da-
für müsste bis Ende Oktober vom Parla-
ment verlängert werden. Im geltenden
Mandatstext ist festgehalten, es solle kei-
ne Verlängerung mehr geben. Dieses Ver-
sprechen war vor einem Jahr abgegeben
worden, um die Zustimmung der SPD-
Fraktion zu dem Einsatz zu sichern – nun
besteht der amtierende SPD-Fraktionsvor-
sitzende Rolf Mützenich auf der Beendi-
gung des Einsatzes, während die neue Ver-
teidigungsministerin Annegret Kramp-
Karrenbauer und die CDU für eine Fort-
setzung eintreten.
Dieser Haltung neigt auch Maas zu.
Der Außenminister sagte vor den versam-
melten deutschen Botschaftern in der
Welt und den in Deutschland akkreditier-
ten ausländischen Botschaftern, der vom
Bundestag vor Jahresfrist gefasste Be-
schluss müsse respektiert werden. Aber
man dürfe auch nicht die Augen davor ver-
schließen, dass sich die Verhältnisse in
der Region inzwischen verändert hätten.
Diese Ansicht verpackte er in einen Satz,
der sich kunstvoll zwischen der Zustim-
mungsforderung des Regierungspartners
CDU und der Ablehnung in der eigenen
Partei hin und her zu winden versuchte
und bewies, dass Maas sich als Minister
durchaus auch mit sprachlichen diploma-
tischen Unbestimmtheiten vertraut ge-
macht hat. Er sagte: „Und wenn die Verän-
derungen so sind, dass man Entscheidun-
gen, die man getroffen hat, auch noch ein-
mal überprüfen muss und möglicherwei-
se verändern muss, dann muss man es,
wenn man es ernst meint, mit Verantwor-
tung übernehmen, dann muss man sich
dieser Diskussion stellen.“
Im Blick auf die Lage der EU sagte der
Außenminister, es müsse in Europa nun
„verlorenes Vertrauen“ wiederaufgebaut
werden. Das Beiseitestehen osteuropäi-
scher Länder müsse beendet werden.
Deutschland habe daher darauf Wert ge-
legt, an der „Drei-Meere-Initiative“ der
Osteuropäer teilzunehmen, statt „fernzu-
bleiben und tatenlos zuzuschauen“. Maas
sagte, das deutsche außenpolitische Credo
„niemals allein“ bedeute für ihn zugleich
„nie ohne Frankreich“. Diese Zusammenar-
beit reiche aber nicht, um eine gemeinsa-
me kohärente europäische Außenpolitik
zu erzeugen. „Wir werden Spanien, Italien
und Polen mehr in die Verantwortung neh-
men müssen als bisher.“ Es gehe dabei
„nicht um neue Formate“ oder gar ein
„EU-Direktorium“, aber darum, „öfter zu-
sammenzusitzen, um Europa insgesamt
voranzubringen“. Der Präsident des Bun-
desverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle,
der bei der Tagung dabei war, erörterte die
„gut dokumentierte Entmachtung der Ver-
fassungsgerichte“ in Polen, Ungarn, Rumä-
nien und der Türkei. Voßkuhle sagte, die
Zugriffe auf die Verfassungsjustiz in diesen
Ländern stellten zugleich Angriffe auf „die
normative Lebensader aller EU-Staaten“
dar, indem sie das Wertefundament der
Union erschütterten. Die EU müsse dage-
gen vorgehen, forderte Voßkuhle.
Außenminister Maas kündigte an,
Deutschland, das gegenwärtig zeitweili-
ges Mitglied im Sicherheitsrat der Verein-
ten Nationen ist, werde dort demnächst
konkrete Schritte zu verstärkter Rüstungs-
kontrolle und zum Klimaschutz ankündi-
gen. Maas hob hervor, multilaterales Den-
ken und Handeln verlange als Konse-
quenz, internationale Verantwortung zu
übernehmen, es sei „kein Rückzug auf
sich selbst“. Der Minister nahm für sein
Ministerium in Anspruch, die vor einigen
Monaten vom Auswärtigen Amt begonne-
ne Lateinamerika-Initiative verstärke
Deutschlands Einfluss in dieser Region.
Die Tatsache, dass er als einer der Ersten
nach Brasilien gereist sei und dort Gesprä-
che mit der neuen Regierung und Präsi-
dent Jair Bolsonaro geführt habe, gebe
Deutschland „mehr Glaubwürdigkeit“ bei
aktuellen Interventionen, etwa wegen der
brennenden Regenwälder am Amazonas.
KAPSTADT, 26. August. Sieben Monate
nach dem Amtsantritt des Präsidenten Fé-
lix Tshisekedi hat Kongo ein neues Kabi-
nett. „Die Regierung ist endlich da“, gab
Ministerpräsident Sylvestre Ilunga Ilun-
kamba sich am Montag in der Hauptstadt
Kinshasa erfreut. Er kündigte eine außer-
ordentliche Sitzung des Parlaments am 7.
September an – dann soll die neue Regie-
rung eingesetzt werden. Bestehen wird sie
aus 65 Ministern. Nur 23 von ihnen gehö-
ren der Koalition Tshisekedis an, dem
Bündnis „Kurs für den Wandel“ (CACH),
42 hingegen derjenigen seines Vorgängers
Joseph Kabila, der „Kongolesischen Ein-
heitsfront“ (FCC). Diese Zusammenset-
zung ist das Ergebnis von Wahlen, die am
- Dezember durchgeführt wurden, und
soll den verschiedenen Machtblöcken ge-
recht werden.
Die Präsidentenwahl war von dem mitt-
lerweile 56 Jahre alten Tshisekedi mit
38,57 Prozent der abgegebenen Stimmen
gewonnen worden. In den Parlamentswah-
len errang allerdings Joseph Kabilas Par-
teienbündnis eine deutliche Mehrheit. Ka-
bila selbst durfte nicht mehr bei der Präsi-
dentenwahl antreten. Die meisten Beob-
achter, unter ihnen die in Kongo mächtige
katholische Kirche, hielten die Wahlen
aber für manipuliert. Kabila hatte das
80-Millionen-Einwohner-Land seit der Er-
mordung seines Vaters Laurent im Jahr
2001 regiert. Zwei Jahre lang hatte er
Wahlen, die eigentlich schon nach dem
Ende seiner zweiten Amtszeit im Dezem-
ber 2016 hätten abgehalten werden müs-
sen, hinausgezögert.
Als dann gewählt wurde, waren wichti-
ge Oppositionelle wie der ehemalige Mili-
zenchef Jean-Pierre Bemba oder der ehe-
malige Gouverneur der Provinz Katanga
Moïse Katumbi gar nicht erst zugelassen
worden. Darüber hinaus durften mehr als
eine Million Kongolesen im Osten des
Landes nicht an der Wahl teilnehmen,
weil wegen eines Ebola-Ausbruchs die Si-
cherheit nicht gewährleistet gewesen sein
soll. Am Wahltag wurden zudem etliche
Unregelmäßigkeiten registriert: Soldaten,
die sich in Wahllokalen herumtrieben,
aus Südkorea importierte Wahlmaschi-
nen, die nicht funktionierten.
Dass der Kandidat von Kabilas unbelieb-
ter „Volkspartei für Wiederaufbau und De-
mokratie“, der ehemalige Innen- und Si-
cherheitsminister Emmanuel Ramazani
Shadary, chancenlos sein würde, war von
vornherein klar. Er landete später mit 23,
Prozent der abgegebenen Stimmen abge-
schlagen auf dem dritten Platz. Für Ver-
wunderung sorgte indessen der Wahlsieg
Tshisekedis. Kirchenvertreter waren in ih-
ren Auswertungen auf einen klaren Sieg
des ehemaligen Ölmanagers Martin Fayulu
gekommen, der als gemeinsamer Kandidat
der Opposition angetreten war. Fayulu lan-
dete aber nur auf dem zweiten Platz und
sprach hernach von einer „Putschwahl“.
Dass statt Fayulu der Spross des im Fe-
bruar 2017 gestorbenen langjährigen Ka-
bila-Rivalen Étienne Tshisekedi schließ-
lich zum Sieger ernannt wurde, rief bei
vielen Kongolesen Misstrauen hervor –
auch, dass die bei der Präsidentenwahl
klar unterlegene Kabila-Koalition plötz-
lich mit 288 von insgesamt 500 Sitzen die
absolute Mehrheit im Parlament errang.
All dies deutet auf eine geheime Abspra-
che zwischen dem früheren Präsidenten
und seinem Nachfolger hin: Mit Tshiseke-
di als Marionette und einer Mehrheit im
Parlament zieht immer noch der 48 Jahre
alte Joseph Kabila die Fäden in dem roh-
stoffreichen Land und entgeht so vermut-
lich auch einer strafrechtlichen Verfol-
gung. Die Kabila-Familie wird beschul-
digt, große Geldsummen auf eigene Aus-
landskonten transferiert zu haben.
Davon, dass Kabilas Rechnung aufge-
gangen sein könnte, zeugt die neue Regie-
rung. Schon im Mai hatte Félix Tshisekedi
mit dem ehemaligen Eisenbahnchef Ilun-
kamba einen engen Vertrauten Kabilas
zum Regierungschef gemacht. Dass der
neue Präsident nun auch Kabila-Getreue
zu den Chefs der Ressorts Bergbau, Vertei-
digung und Justiz gemacht hat, dürfte den
Einfluss des ausgeschiedenen Präsidenten
festigen. „Das neue Kabinett zementiert
klar und deutlich Kabilas Macht“, sagt
Benno Müchler, Leiter des Kinshasa-Bü-
ros der Konrad-Adenauer-Stiftung. Zum
Glück befänden sich keine „ranghohen
Mitglieder, die auf der EU-Sanktionsliste
stehen“, unter den neuen Ministern. Die
Größe des Kabinetts erkläre sich aus der
„atomisierten Parteienlandschaft mit
mehr als 600 Parteien“. Kabilas Schatten
werde Kongo jedenfalls nicht so schnell
los, sagt Müchler: „Als Senator auf Lebens-
zeit und Vorsitzender des FCC-Parteien-
bündnisses wird er weiterhin eine aktive
Rolle in der kongolesischen Politik spielen
und kann 2023 abermals als Präsident-
schaftskandidat antreten.“
Tief im
Regenwald
Indonesien plant eine
neue Hauptstadt
Von Till Fähnders
Die Burg
regiert mit
Wie der tschechische
Präsident Politik macht
Von Stephan Löwenstein
In der Phase der Ernüchterung
Kabilas Rechnung geht auf
Die Regierungsbildung in Kongo zeigt, dass der frühere Präsident weiter die Fäden zieht / Von Thilo Thielke
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DerAußenminister
skizziert vor den
Botschaftern die Linien
seiner Außenpolitik –
und gibt sich weniger
optimistisch als im
vergangenen Jahr.
Von Johannes Leithäuser
Gruppenbild mit Verfassungsrichter:Außenminister Heiko Maas begrüßt im Kreise der Botschafter den Gastredner Andreas Voßkuhle. Foto Imago