zwar Dienste des US-Unternehmens
genutzt, die Rechenzentren für die
betroffenen Dienste aber ausschließ-
lich von der Deutschen Telekom als
Datentreuhänder betrieben. Das Dax-
Unternehmen sollte als vertrauens-
würdiger Partner fungieren und si-
cherstellen, dass keine US-Behörden
Zugriff auf sensible Firmeninforma-
tionen bekommen könnten. Im Au-
gust 2018 kündigte Microsoft jedoch
das Ende des Modells an. Seitdem
bietet der US-Konzern seine Lösun-
gen selbst an – ohne die Telekom als
Treuhänder einzuschalten.
Mittelständler im Nachteil
Die deutschen Cloud-Anbieter versu-
chen, sich mit Speziallösungen von
der US-Konkurrenz abzuheben.
„Open Exchange ist ein Office-Paket,
das es in vielen Bereichen mit Office
365 aufnehmen kann. Es wird in
Deutschland entwickelt, die Daten
werden hier gespeichert, und es ist
Open Source, also für jeden nutz-
bar“, sagt Achim Weiß. Mit 1 500 Ent-
wicklern arbeite 1&1 Ionos an passge-
nauen Lösungen für seine Kunden.
Neben größeren Anbietern in
Deutschland wie SAP, Telekom oder
1&1 Ionos gibt es viele Cloud-Firmen,
die um Aufmerksamkeit kämpfen.
Bechtle, Claranet, Plusserver oder
Spacenet sind Mittelständler, die ei-
gene Lösungen auf dem Markt ha-
ben. Spacenet-Vorstand Sebastian
von Bomhard jedoch stellt sich be-
wusst gegen die Forderung nach ei-
ner EU-Cloud. Seiner Meinung nach
gebe es genug andere Angebote.
„Wenden wir doch unsere Geset-
zesvorgaben konsequent an“, forder-
te von Bomhard. Die Datenschutz-
Grundverordnung solle zu einer
Grundlage für Ausschreibungen ge-
macht werden. „Europa braucht
nicht ein eigenes, monströses Goo-
gle, Amazon oder Microsoft. Europa
ist gut beraten, sich auch bei der
Cloud auf Vielfalt als Stärke zu besin-
nen“, sagte von Bomhard. Es sei ein
Fehler, wenn die Bundesregierung et-
wa die Deutsche Telekom unterstüt-
ze, an der sie zu rund 30 Prozent be-
teiligt ist. Hingegen sollten kleinere
Anbieter eine Chancengleichheit er-
halten.
Frank Karlitschek
„Wir geben Staaten die Hoheit zurück“
Herr Karlitschek, mit 45 Mitar-
beitern nehmen Sie es mit Goo-
gle, Microsoft und Amazon auf.
Wie soll das gehen?
Die Zahlen allein sagen noch
nicht viel aus. Wir haben 25 Ent-
wickler in Vollzeit angestellt,
aber zu unserer Gemeinschaft
zählen 2 000 Programmierer,
die ehrenamtlich an den Projek-
ten mithelfen. Zudem bezie-
hen wir auch Partner mit
ein. Wir sind eine klei-
ne Gruppe in einem
jungen Unterneh-
men, die mit viel
Begeisterung an ih-
ren Produkten ar-
beitet. Damit kön-
nen wir viel bewir-
ken.
Sie hatten die Bundesregie-
rung als Kunden, jetzt ziehen
auch Behörden in Frankreich,
den Niederlanden und Schwe-
den nach. Was bieten Sie an?
Den Behörden geht es um
höchsten Datenschutz. Und ge-
nau das können wir liefern. Bei
unserer Cloud-Lösung werden
keine Daten außer Landes trans-
portiert. Das kann kein Groß-
konzern wie Google oder Micro-
soft garantieren. Wir geben den
Staaten die Hoheit über ihre In-
formationen zurück.
Sind Staaten und Firmen zu na-
iv im Umgang mit ihren Daten?
Auf jeden Fall. Stellen Sie sich
einmal vor, Firmen aus dem Sili-
con Valley würden unsere Was-
serversorgung oder unsere
Stromversorgung dominieren.
Das könnte kein Staat zulassen.
Bei der Verarbeitung unserer
Daten haben wir uns aber da-
ran gewöhnt, dass ein Großteil
unserer sensiblen Informatio-
nen von US-Konzernen verarbei-
tet wird.
Warum gibt es in Europa kei-
nen vergleichbaren Gegenspie-
ler zu Google oder Microsoft?
Die Softwareentwicklung in
Deutschland und Europa hängt
zurück. Klassische Software-
Häuser in der Bundesrepublik
sind oft zu klein, um wirklich
Skaleneffekte anzubieten. Wir
gehen einen anderen Weg. Wir
setzen auf quelloffene Lösungen
und ein großes Team aus Frei-
willigen, die mithelfen.
US-Firmen investieren Milliar-
denbeträge in Cybersicherheit.
Wie wollen Sie da mithalten?
Jeder kann unseren Quellcode
einsehen. Dadurch können Feh-
ler schnell entdeckt und beho-
ben werden.
Aber Hacker können den Code
auch bewusst nach Schwach-
stellen durchsuchen. Das geht
bei Microsoft nicht.
Das macht Lösungen von Micro-
soft aber nicht sicherer. Ganz im
Gegenteil. Heute ist in der IT-Ge-
meinschaft Konsens, dass in Si-
cherheitsfragen quelloffene Lö-
sungen überlegen sind. Bei uns
kann jeder unter die Motorhau-
be schauen. Das macht uns
nicht angreifbar für Sabotage,
sondern es hilft, weil Schwach-
stellen sofort auffallen und repa-
riert werden. Wir müssen uns
nicht verstecken. Obwohl wir
klein sind, können wir mit den
globalen IT-Giganten mithalten.
Auch mit dem Preis für Ihre
Produkte?
Nein. Wir bieten keine Dum-
pinglösungen. Wir wollen nicht
billiger als Microsoft sein. Wir
stehen für Datenschutz. Und das
hat seinen Preis. Unser Kernpro-
dukt Nextcloud ist kostenlos. Al-
len Nutzern steht es in vollem
Umfang zur Verfügung. Aber für
Einrichtung, Support oder Schu-
lungen von Mitarbeitern lassen
wir uns bezahlen. Qualität hat
ihren Preis.
Was ist ihr langfristiges Ziel?
Wir wollen eine dezentrale In-
frastruktur. Es ist gefährlich,
wenn ein Großteil unserer Da-
ten von ganz wenigen US-Fir-
men verarbeitet wird. Wir ha-
ben die Hoheit über unsere Da-
ten verloren. Das ist eine große
Gefahr. Mit Nextcloud wollen
wir die Hoheit zurückholen. Un-
sere Software macht ein dezen-
trales Internet möglich.
Aber müssen Kunden dafür
nicht auf Funktionen verzich-
ten?
Nein, wir bieten ähnliche Lösun-
gen wie Microsoft. Sie können
per Video mit Ihren Kollegen re-
den oder gleichzeitig an einem
Text arbeiten. Und dabei wer-
den keine Daten ins Ausland
transferiert, sondern alles auf
Ihren eigenen Servern abgewi-
ckelt.
Die Fragen stellte Stephan
Scheuer.
Der Nextcloud-Gründer beschreibt, wie er US-Technologiefirmen herausfordert.
Frank Karlitschek:
Der Technologie -
unternehmer
gründete 2016 die
Firma Nextcloud.
Nextcloud
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DIENSTAG, 27. AUGUST 2019, NR. 164
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