Christoph Kerkmann Düsseldorf
R
ania Reda hat bereits
mehrere Start-ups ge-
gründet, groß ge-
macht und verkauft.
Derzeit baut sie mit
Augmania eine Plattform auf, die
die Erstellung von Inhalten für Aug-
mented Reality deutlich erleichtern
soll. Trotz ihrer Erfahrung tut sich
die 46-jährige Gründerin schwer, im
Silicon Valley von den namhaften
Risikokapitalgebern eine Finanzie-
rungsrunde zu bekommen – und
das, so ist sie überzeugt, liegt weder
an ihrer Geschäftsidee noch an ihrer
Präsentation.
„Es ist offensichtlich, dass die
ganze Atmosphäre zu Vorurteilen
führt“, sagt sie. Wer weiß, männlich,
Absolvent der Universität Stanford
und am besten noch Ex-Mitarbeiter
von Google ist, der kommt in der
Technologiebranche leicht an Geld:
In der Venture-Capital-Szene finden
sich viele mit solchen Lebensläufen.
Reda passt nicht ins Schema: Sie
kam in Ägypten zur Welt, ist Frau
und Muslima.
Diesem Ungleichgewicht will SAP
etwas entgegensetzen. Der Soft-
warehersteller achtet bei der Förde-
rung von Start-ups seit Kurzem auf
die Diversität. „Es gibt in der Start-
up-Welt ein unglaubliches Ungleich-
gewicht zwischen denen, die Geld
und Unterstützung erhalten, und
denen, die das nicht bekommen“,
sagt Ram Jambunathan, Geschäfts-
führer der Organisation SAP.iO. Im
Frühjahr startete er in Berlin das
erste Programm, das gezielt Unter-
nehmen mit Frauen und Minderhei-
ten an der Spitze fördert. Auch Ra-
nia Reda und Augmania.
Wenig Frauen in IT-Firmen
Männlich und weiß – so lässt sich die
Belegschaft in vielen Technologiefir-
men charakterisieren. In Deutsch-
land liegt der Frauenanteil in IT-Fir-
men bei knapp einem Fünftel. In
Start-ups ist die Lage nicht viel an-
ders – ob in San Francisco oder in
Berlin. Das wirkt sich auch auf die Fi-
nanzierung aus: Unternehmen mit
Frauen an der Spitze erhielten im Si-
licon Valley 2018 nur zwei Prozent
des Risikokapitals, in Europa waren
es sieben Prozent.
Dabei bietet Diversität handfeste
Vorteile, wie SAP betont. „Wir glau-
ben, dass wir unsere Umsätze stei-
gern können, wenn wir den Anteil
weiblicher Führungskräfte erhöhen,
da wir dadurch in der Lage sind, den
Bedürfnissen unserer vielfältigen
Kunden besser gerecht zu werden“,
heißt es etwa im Geschäftsbericht.
„Die vielen verschiedenen Stimmen
bei SAP sind eine unserer größten
Stärken“, lautet daher ein Credo im
Dax-Konzern.
SAP tut einiges, um für mehr Viel-
falt zu sorgen. Mitarbeiter sollen sich
wohlfühlen, egal, woher sie kommen
und welche sexuelle Orientierung sie
haben. Daher gibt es diverse Grup-
pen und Netzwerke im Konzern und
auch Programme, um Frauen zu för-
dern. Der Anteil weiblicher Füh-
rungskräfte soll bis Ende 2022 auf 30
Prozent steigen – Ende 2018 lag sie
bei rund 26 Prozent.
Mit SAP.iO fördert der IT-Konzern
Gründerteams, die geschäftliche Soft-
ware entwickeln. Das Ziel sei es, um
die wichtigen Produkte herum Öko-
systeme zu erschaffen, sagt Ge-
schäftsführer Jambunathan. Ein Bei-
spiel ist die Plattform Hardskills. Sie
bietet Weiterbildungen an und lässt
sich in die Personallösung Success
Factors integrieren. Der Konzern
kann die innovative Idee vermarkten,
während das Start-up neue Kunden
erreichen kann.
Auch hier achtet SAP nun darauf,
möglichst viele Gruppen zu repräsen-
tieren. Es gehe darum, den Unter-
nehmern eine Chance zu bieten –
und den Kunden Zugriff auf deren in-
novative Ideen, sagt Jambunathan.
Davon hat auch der Konzern etwas:
Diverse Teams, so die Überzeugung,
bilden die Vielfalt in der Geschäfts-
welt besser ab.
Rania Reda entwickelt mit Aug-
mania eine Software, mit der Nut-
zer Inhalte für Augmented Reality
einfach zusammenklicken können.
„Man braucht nicht viel technisches
Wissen“, versichert sie – bislang ist
das eine Hürde für den Einsatz der
Technologie. Das bewährt sich be-
reits in der Praxis: Coca-Cola nutzte
die Lösung für Marketing in einem
Einkaufszentrum, der Weather
Channel wiederum illustrierte da-
mit die Gefahren durch einen Hur-
rikan.
Bei SAP.iO nahm sie an einem Ac-
celerator-Programm teil: Sie erhielt
über mehrere Monate Zugang zu
Mentoren und Kunden. Im Gegenzug
entwickelte sie mit ihrem Team eine
Integration in die Lösung C/4 Hana,
mit denen Unternehmen die „Custo-
mer Experience“ abwickeln, also alle
Interaktionen mit Kunden. SAP-Nut-
zer können mit wenigen Klicks auf
die Lösung zugreifen.
Es sei eine „sehr gute Erfahrung“
gewesen, bilanziert Reda am Ende
des Programms. Über SAP habe sie
viele Mentoren, Investoren und Kun-
den kennen gelernt und dazu viele
Verkaufschancen erhalten. Der Auto-
hersteller Daimler zählt bereits zu ih-
ren Kunden, weitere Deals seien ge-
rade in der Abschlussphase.
Auch bei der Finanzierung von
Start-ups will SAP stärker auf Vielfalt
achten. Der SAP.iO-Fund soll mindes-
tens 40 Prozent des Kapitals in Unter-
nehmen investieren, in deren Füh-
rung Minderheiten repräsentiert sind
- Frauen natürlich, aber darüber hi-
naus beispielsweise auch Menschen
mit Migrationshintergrund. Bis 2023
sollen davon weltweit mehr als 200
Gründerteams profitieren.
Bislang kam Reda ohne viel Fremd-
kapital aus: Nach einer frühen Finan-
zierung begann das Start-up bereits,
die Software zu verkaufen. „Daher
konnten wir uns selbst finanzieren“,
sagt die Gründerin. Nach dem Start
in den USA baue Augmania nun den
Vertrieb in Europa aus – und bemühe
sich um eine Finanzierungsrunde,
um diesen Schritt zu bezahlen. Jetzt
muss die gebürtige Ägypterin nur
noch den richtigen Geldgeber finden.
Diversity
Vielfältige
Start-up-Förderung
Weiß und männlich: So sieht die Belegschaft in vielen
Start-ups aus. SAP fördert nun gezielt Gründerteams mit
Frauen und Minderheiten – dem eigenen Geschäft dürfte
es dienen.
Frauenanteil
Vorstandspositionen bei
europäischen Tech-Unternehmen
2
20
11
9
9
1
% % % % % % %
HANDELSBLATT
Quelle: Atomico, The State
of European Tech 2018
Marketingchefin
Finanzchefin
Chief Operating Officer
Chief Revenue Officer
Produktchefin
Vorstandschefin
Technologiechefin
Untersuchung von 270 europäischen Tech-
Firmen, die zwischen Okt. 2017 und Sept. 2018
eine Wagniskapitalfinanzierung erhielten.
Die Gründerin von
Augmania kämpft
gegen die
Vorurteile im
Silicon Valley.
SAP
Unternehmen & Märkte
DIENSTAG, 27. AUGUST 2019, NR. 164
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