Handelsblatt - 27.08.2019

(lily) #1

Fabiola Hochkirchen, Gesa Miczaika und Bettine Schmitz


„Diversity ist per se gut“


G


esa Miczaika, Fabiola
Hochkirchen und Betti-
ne Schmitz haben sich
Anfang des Jahres in
Berlin zum Angel-Inves-
tor Auxxo zusammengetan. Das Ziel
der drei berufstätigen Mütter, die un-
ter anderem als Beraterinnen, in
Start-ups wie Blacklane und bei Be-
teiligungsgesellschaften gearbeitet
haben: Sie wollen vor allem in Start-
ups investieren, in deren Gründer-
teams Frauen mitarbeiten.

Was ist die Idee hinter Auxxo?
Fabiola Hochkirchen: Wir wollen als
Angel-Investor einerseits etwas für
Gründerinnen tun. Vor allem aber
wollen wir zeigen, dass wir mit dem
Gender-Lens-Investing-Ansatz andere
Ergebnisse erzielen: Wir wollen nicht
zwingend auf das Unicorn wet-
ten, dafür aber mit einer geringeren
Ausfallquote rechnen. Individuell
sind wir bereits an etwa 15 Unterneh-
men beteiligt, seit unserer Gründung
im Frühjahr gemeinsam bereits an
drei Firmen. Mittelfristig wollen wir
einen eigenen Fonds auflegen. Unse-
re These ist: Frauen gründen konser-
vativer. Sie prüfen Geschäftsmodelle
länger, statt schnell Wachstum anzu-
streben.
Gesa Miczaika: Nur 2,2 Prozent des
weltweiten Risikokapitals geht an
Gründerinnen. Das frustriert uns.
Wir wollen unseren Teil dazu beitra-
gen, das zu ändern.

Ist das in der deutschen Szene auch
so?
Hochkirchen: Ja. Der Gründerinnen-
anteil bei Start-ups liegt bei 15 Pro-
zent, und nur 7,8 Prozent der Teams
erhalten laut Google Female Foun-
ders Monitor Venture Capital.
Miczaika: Ich kenne nur zwei Partne-
rinnen bei deutschen Risikokapitalge-
bern. Der Rest sind Männer, die oft
von den gleichen Unis kommen und
ähnliche Profile haben. Da fallen vie-
le weibliche Talente aus dem Raster.

Woran liegt das?
Miczaika: Die Gleichförmigkeit der
Szene hat viel mit Netzwerken zu
tun. Wer auf einer Privatuniversität
studiert mit einer Gründerszene, der
weiß, wen er bei Fragen anrufen
kann.
Bettine Schmitz: Gerade in der ers-
ten Gründungsphase kann man
schnell Fehler machen, die das Aus
bedeuten – etwa mit den falschen
Leuten arbeiten, zu viele Anteile an
die ersten Investoren abgeben, die ei-
genen Ziele zu klein setzen. Sol-
che Anfangsfehler kommen bei den
Frauen öfter vor, weil sie weniger Te-
lefonjoker haben.

Gibt es auch strukturelle Nachteile?
Hochkirchen: Ja, ganz klassisch die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Wenn man sich anschaut, wie die
Gründer etwa bei Zalando in den ers-
ten Jahren gearbeitet haben: Das ist
für eine Mutter mit kleinen Kindern
schwer möglich. Frauen sind
sehr viel seltener bereit, sich jahre-
lang sehr eindimensional nur in die
Arbeit zu stürzen.

Ist das nicht für einen Investor ratio-
nal, keine Frauen auszuwählen, die
womöglich schwanger werden?
Hochkirchen: Aus Investorensicht ist
es rational, ein Team zusammenzu-
stellen, das voll dabei ist. Dafür muss
nicht jeder 24 Stunden verfügbar
sein: Ich mit drei Kindern sitze auch
nicht von acht Uhr morgens bis Mit-
ternacht am Schreibtisch. Deswegen
schließen wir uns bei Auxxo ja zu
dritt zusammen – und stemmen eine
Aufgabe, die man sonst mit maximal
zwei Leuten machen würde.

Der klassische Investor ist aber
nicht dazu bereit, Gründern Jobsha-
ring zu ermöglichen, oder?
Schmitz: In der ganz frühen Investi-
tionsphase gehen die Investoren vor
allem danach, ob sie dem Team gro-
ße Aufgaben zutrauen. Die meisten
Männer bei den Risikokapitalgebern
haben sich in ihrer eigenen Biografie
nie mit Jobsharing befasst. Für sie
wäre das eine zusätzliche Unsicher-
heit bei der Gründung, die sie kurzer-
hand ausschließen. Auch generell
fällt es Männern einfacher, die Moti-
vation und Verbundenheit anderer
Männer einzuschätzen.
Miczaika: Was ich auch nicht ge-
wusst hätte vor den Kindern: Du
wirst unglaublich viel effizienter mit
Kindern. Wir können beurteilen,
dass das anderen Gründerinnen auch
so gehen wird – wir sehen das bei
uns. Wir wissen auch, welche Fra-
gen man stellen muss, um herauszu-
finden, ob Frauen auch in der Kin-
derphase motiviert bleiben.
Hochkirchen: Weil ich jetzt drei Kin-
der habe, tun alle in meiner Umge-
bung auf einmal so, als könnte ich
meinen Job nicht mehr machen. Da-
bei werde ich doch jetzt besser, weil
ich zusätzliche Fähigkeiten lerne.

Wird das anerkannt?
Hochkirchen: Hoffentlich zuneh-
mend. Warum wird per se angenom-
men, Männer möchten weniger Zeit
mit ihren Kindern verbringen? Das ist

doch genauso absurd wie die Annah-
me, dass man 20 Stunden am Stück
produktiv im Büro arbeiten kann.
Schmitz: Und warum muss die El-
ternzeit immer ein Jahr dauern?
Miczaika: Ja, das Jahr hat mir auch
einfach keinen Spaß gemacht. Es
wird auf die Dauer langweilig.

Das ist also zu lang?
Miczaika: Ja, für mich war es viel zu
lang. Wieso hab ich’s gemacht? Wohl
weil ich dachte, jeder macht es, also
du auch.
Schmitz: Die gesellschaftliche Erwar-
tung ist so. Entweder du machst ein
Jahr oder bist eine dieser verrückten
Karrierefrauen. Als Frau wirst du viel
mehr beurteilt. Bei Männern sind
drei Monate gut akzeptiert – davon
einer als Familienreise.
Hochkirchen: Direkt nach der Ge-
burt kannst du eigentlich gut arbei-
ten, weil das Kind gut schläft. Wenn
das Kind zehn Monate alt ist, beginnt
die anstrengende Phase, wo man sich
wünschen würde, noch mal eine Aus-
zeit zu nehmen.
Schmitz: Wir brauchen mehr Flexi-
bilität. Und ich verstehe nicht, dass
die Männer nicht genauso rangenom-
men werden wie die Frauen. Das soll-
te kein Frauenthema sein, sondern
ein Elternthema.

Wie können Gründerinnen das än-
dern?
Hochkirchen: Wenn ich junge Grün-
derin wäre, auch ohne Kind, würde
ich von Beginn an versuchen, mir ei-
ne Struktur zu bauen, die sich später
für Familie eignet. Doch damit fallen
Gründerinnen aus dem Raster vieler
Risikokapitalgeber heraus, die aus
Männern bestehen.

Heißt das umgekehrt: Die klassische
Venture-Capital-Welt ist nicht für
Frauen gemacht?
Hochkirchen: Nein, so weit würde
ich nicht gehen. Es kommt sehr drauf
an, in welchen Bereichen man tätig
ist. Der typische Risikokapitalgeber

investiert schwerpunktmäßig in
Technologieentwicklung und digitale
Dienstleistungen. In diesen Berei-
chen ist der Anteil männlicher Grün-
der deutlich höher. Frauen suchen
sich tendenziell andere Themen, et-
wa Gesundheit und Bildung. Hier ist
der Anteil weiblicher Teams deutlich
höher.
Schmitz: Genau das finden wir als
Auxxo so spannend und möchten
hier aktiv sein: attraktive Geschäfts-
modelle, die gesellschaftlich Sinn er-
geben. Und diese Unternehmen wer-
den überproportional von Frauen ge-
gründet.
Miczaika: Es gibt durchaus deutsche
Beispiele, in denen Gründerinnen
auch mit klassischen Start-up-Model-
len erfolgreich sind und finanziert
werden: etwa Amoreli, Westwing
oder Outfittery. Daher sehe ich das
nicht so absolut. Allerdings gibt es
auch vermehrt spezielle Fem-Tech-
Themen wie Periodenunterwäsche
oder Menopausen-Themen.

Wieso ist ausgerechnet die Start-up-
Szene, die so viel von Disruption und
Veränderung spricht, so wenig di-
vers?
Hochkirchen: Im Vergleich zur übri-
gen Finanzbranche ist der Venture-
Capital-Bereich ja sogar ganz vorn.
Bei einer Start-up-Konferenz sieht
man ja wenigstens einige Frauen.
Neulich waren wir bei einer klassi-
schen Private-Equity-Konferenz ge-
fühlt die einzigen Frauen im Saal.
Schmitz: Es war unglaublich!

Was sollte das Ziel sein: Muss das Ge-
schlecht egal werden, oder müssen
die Unterschiede besser anerkannt
werden?
Hochkirchen: Es gibt ja Frauen, die
sagen: Wir sind genauso gut wie die
Männer. Ich denke aber, wir Frauen
sollten die Unterschiede betonen.
Wir machen die Dinge anders, und
gerade deshalb ergänzen sich ge-
mischte Teams gut und arbeiten bes-
ser.

Entstehen bei gemischten Teams
denn nicht mehr Konflikte, gerade
in der stressigen ersten Gründungs-
phase?
Hochkirchen: Die Studienlage zeigt,
dass gemischte Teams sehr viel bes-
ser performen. Das gilt auch für
Start-ups. Solche Teams decken eine
breitere Palette an Fähigkeiten ab.
Ich kenne kein Negativbeispiel. Im
Gegenteil: Rein männliche Teams
werden durch eine Frau, die dazu-
kommt, oft deutlich besser.
Miczaika: Wir sind auch drei Frauen
und reden häufiger darüber, ob wir
nicht diverser sein sollten. Ein unter-
schiedliches Team ist immer gut mit
mehr Dimensionen. Diversity ist per
se gut. Reibung ist immer fruchtbar –
solange es nicht grundlegende Werte
betrifft. Deshalb bin ich seit einiger
Zeit für die Frauenquote. Nur so än-
dert sich etwas.

Vielen Dank für das Interview.


Die Fragen stellte Christoph
Kapalschinski.

Drei Frauen haben die Beteiligungsgesellschaft Auxxo gegründet,


die andere Gründerinnen unterstützen soll – und dabei Geld verdienen will.


Fabiola Hochkirchen,
Gesa Miczaika, Betti-
ne Schmitz (v. l.):
Sie wollen gezielt
Frauen mit Risikokapi-
tal unterstützen.

Auxxo


Rein


männliche


Teams werden


durch eine


Frau, die


dazukommt,


oft deutlich


besser.


Fabiola Hochkirchen
Mitgründerin Auxxo

Unternehmen & Märkte
DIENSTAG, 27. AUGUST 2019, NR. 164

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