Süddeutsche Zeitung - 29.08.2019

(Grace) #1
„AggressiverHumanismus“–dieseFor-
melsagteigentlichschonalles.Aufsie
bringtderAktionskünstlerPhilippRuch,
derKopfderGruppe„ZentrumfürPoliti-
scheSchönheit“,seinTunundDenken.
AggressiverHumanismus,dasistdas
riesigeStrategieproblem,dassichin
RuchsneuemBuch„SchlussmitderGe-
duld“ausdrückt.Dasgute,aufrichtigeZiel
istmehrMitmenschlichkeit.DieMethode
aberist:dieRadikalitätderextremenRech-
tendurchradikaleSpracheundkrasse
Symbolikreizen;bürgerkriegsartigerAuf-
heizungmiteiner„MachtderFantasie“be-
gegnen,dieselbstvonbürgerkriegsartiger
Aufheizungschwerzuunterscheidenist.
PhilippRuch,dasbelegendiese190Sei-
tenatemloserAppell-Prosainsignalfarbe-
nemEinband,glaubternsthaft,mankön-
nedemokratischeVernunftdurchdemons-
trativenRigorismuserzwingen.Diesführt
zuständigemÜbertouren.VierBeispiele
dafür.ErstensenthältseinBuchPassagen
derSelbstheroisierung,dienahamGrö-
ßenwahnsind:„Esstehtschlechtumden
Humanismus.SeitzehnJahrenkämpfeich
gegenseineVernichtung.DasZentrumfür
PolitischeSchönheitistzummoralischen
WiderstandinderRepublikmutiert.“Oder
anandererStelle:„JedeTugendbraucht
ihrenHomer,dersiebesingt.Ichmöchte
deshalbzuletztdasLiedanstimmenauf
dieÄchtung.“(HervorhebungvomAutor,
derüberhauptvielhervorhebt.)
ZweitensbringtPhilippRuchalsMittel
desKampfesgegenVerschwörungstheore-

tikereineeigeneVerschwörungstheorie
insSpiel:BeidensexuellenÜbergriffenin
derSilvesternachtvon2015/16inKölnund
andernortskönnteessich,sovermuteter,
umeineinszenierteAktionimAuftragder
russischenRegierunggehandelthaben.
DrittensentwirftRuchüberSeitenein
SzenariodernahenZukunft,indempara-
militärischeTerrortruppenderAfDdieser
denWegzurMachtinBerlingewaltsambe-
reiten,wofürderBundeskanzlerundKoali-
tionspartnerJensSpahnalsSteigbügelhal-
terdient.DieheutigeLagederNationsetzt
PhilippRuchdabeimitdemEndeder
WeimarerRepublikgleich,ohneauchnur
eineSekundeüberdiehistorischenundso-
ziologischenUnterschiedenachzudenken.
Undviertensvergleichterdiepolitischen
TalkshowsimFernsehen,weilmansichin
derTatoftübersieärgernkann,gleichmal
mitderPropagandavonJosephGoebbels;
eineMaischberger-Sendungseiebenso
schlimmfürdieDemokratiewiederVölki-
scheBeobachter.

Esmachtehertraurigalsverärgert,das
alleszulesen,weilesstattderbeabsichtig-
tenErmutigungeinelautstarkeHilflosig-
keitvorführt,eineHilflosigkeitgegenüber
denaktuellenRisikenderDemokratieund
gegenüberderMobilisierungvonRessenti-

ments.WährendPhilippRuchzwischen-
durchWerbungfürdas„ZentrumfürPoliti-
scheSchönheit“mitderBehauptung
macht,diesesseimitseinenkontrafakti-
schenAktionengegendieAfDundgegen
denUmgangmitFlüchtlingen„dermitFik-
tionenbewaffneteArmderAufklärung“,
hatseinBuchleiderüberhauptnichts
Aufklärerisches.Esistvielmehr–dem

eigenenPostulat„WörtersinddasBesteck
desDenkens“zumHohn–einwildes,
assoziatives,erkenntnisarmesPamphlet
ohnejedeEinführungoderHinführung,
einaufgepeitschtesTextmeer,indemman
wieineinemüberlangenFacebook-Post
immerwiederunversehenszwischenMedi-
enkritik,demZustandderSPDoderdem
Jahr1932hin-undhergeworfenwird.Für

„SchlussmitderGeduld“müssenLeserin-
nenundLeserdahereinigesanGeduldauf-
bringen,umbiszumSchlusszugelangen.
DabeiließensichausdiesemGewogeja
durchausauchrichtige,bedenkenswerte
Ansichtenbergen.Etwadiese:Moralische
AbstumpfunggegenüberErtrinkenden,
OpfernvonHungerundKriegdürfenwir
nichtzulassen.DieMediensolltenweniger
mitPolitikernundmehrüberPolitikre-
den.(EinStandpunkt,denähnlichdiegera-
deerschieneneStreitschrift„Talkshows

hassen“vonOliverWebervertritt.)DiePoli-
zeihätteinChemnitzvielleichtWasserwer-
fereinsetzensollen,alsNeonazisdenHit-
lergrußzeigten.DasöffentlicheRedenmit
rassistischenRechtenmachtdiesestärker,
solangemanmitihrenmenschenfeindli-
chenAnsichtenzunachsichtigumgeht.
WieaberschafftmanBesserung?„De-
monstrationen,Mahnwachen,Lichterket-
ten,Online-Petitionen,Twitter-Hashtags
oderEiskübel-Videosmüssenwirlernen
zufürchten“,schreibtRuch:„Siesinddie
Pest.Siesindnichternstgemeint.“Statt-
dessenwillPhilippRuchnunoffenbar–ob-
wohlervielvonDemokratieredet–von
derkünstlerischen,emotionalenÜbertrei-
bungdirektzurTatschreiten:„Verweigern
wirSteuerzahlungen.BesetzenwirNach-

richtensender.MachenwirStress!“Denn:
„WirstehenineinerZeitderSchlacht.“
DassPhilippRuchaufdienervöse,recht
instabilepolitischeLagederletztenJahre
miteinemsolchenMachwerkreagiert,ist
umsobetrüblicher,jemehrfalscheFreun-
debekommt,werdas„ZentrumfürPoliti-
scheSchönheit“mitSkepsisbetrachtet.
Selbstverständlichistauchseineumstritte-
neAktionskunst,wennsieamRandderLe-
galitätstehenbleibt,vonderKunst-und
Meinungsfreiheitgeschützt.DasseinAfD-
naherStaatsanwaltinThüringenwegen
desNachbausdesBerlinerHolocaust-
MahnmalsnahedemWohnhausdes
rechtsradikalenPolitikersBjörnHöcke
ErmittlungenwegenBildungeinerkrimi-
nellenoderterroristischenVereinigung
aufnahm–wieimAprildiesesJahresbe-
kanntwurde–,istunsäglich.Undmanver-
stehtgut,dassPhilippRuchsLangmutbe-
grenztist,wenneraufTodeslistengewalt-
bereiterRechterlandet.
Liestmanaber„SchlussmitderGe-
duld“,somussmanleiderfeststellen:Mit
seinembrachialenVerständnisvonpoliti-
scherKunstundseinerentgrenzten
EmphasedürftePhilippRuchdemKampf
gegenUnvernunftkeinengutenDienst
erweisen. 

PhilippRuch:SchlussmitderGeduld.Jederkann
etwasbewirken.EineAnleitungfürkompromiss-
loseDemokraten.LudwigVerlag,München2019.
191Seiten,12Euro.

Vonderkünstlerischen,
emotionalenÜbertreibung
willRuchdirektzurTatschreiten

„VerweigernwirSteuerzahlungen.
BesetzenwirNachrichtensender.
MachenwirStress!“

31.August,Berlin
Sommerfest2019.MitAriadnevonSchi-
rach,ThomasPalzeru.a.Literarisches
Colloquium,Tel.(030)816996-0.

31.August,Berlin
WasderKörpererinnert.ZurAktuali-
tätdesTanzerbes.DoreHoyer:Afectos
Humanos.GesprächmitSusanneLinke,
MartinNachbaru.a.AkademiederKüns-
te,Tel.(030)200572000.

1.-6.September,Fürstenberg/Havel
Dingesammeln:MaterielleKulturen
inKZ-Gedenkstätten.MitYvonneBur-
ger,UrsulaSchwarzu.a.Gedenkstätte
Ravensbrück,Tel.(033093)608-25.

3.September,Berlin
KerzeundGewehr.DieRevolutionen
zwischenFriedfertigkeitundGewalt.
MitMartinSabrow,MariaNookeu.a.
Kontakt:DeutscheGesellschafte.V.,Tel.
(030)88412254.

3.-4.September,Bonn
EnglischesMittelalterundBritische
Inseln.MitStephanieBellach,Stepha-
nieBlassu.a.Universität,Tel.(0228)
7502.

5.September,Berlin
SowerdenKriegegemacht-vor
Jahren:DerdeutscheFaschismuslöst
denZweitenWeltkriegaus.MitDanie-
laFuchs,StefanBollingeru.a.HellePan-
kee.V.-Rosa-Luxemburg-Stiftung,Tel.
(030)47538724.

5.-7.September,Köln
Aventiure.EreignisundErzählung.
MitLenaZudrell,HiramKümperu.a.
Universität,Tel.(0221)4704173.

5.-7.September,Kiel
10.InternationalesTönnies-Symposi-
um.MitWalterReese-Schäfer,Karl-
SiegbertRehbergu.a.Universität,Tel.
(0431)8806330.

5.-7.September,Altenburg
DieStauferunddieKirche.Histori-
sche,baugeschichtlichesowiekunst-
historischeAspektezuKirchenund
KlösterninAltenburgundMittel-
deutschland.MitBernhartJähnig,Man-
fredGerwingu.a.Schloss-undKulturbe-
trieb,Tel.(03447)512710.

„WirstehenineinerZeitderSchlacht“


VonwegenAufklärung:DerAktionskünstlerPhilippRuch,Kopfdes„ZentrumsfürPolitischeSchönheit“,verkündetdasEndederGeduld


DasLiteraturmagazin„Edit“hatdieShort-
listseinesEssaypreisesbekanntgegeben.
InderengerenAuswahlbefindensichdem-
nachTextevonSophiaEisenhut,Natascha
Gangl,LisaKrusche,EvaMariaLauenber-
gerundMazlumNergiz.DerPreisträger
oderdiePreisträgerinwirdam27.Oktober
imRahmeneineröffentlichenJurysitzung
inLeipzigermittelt.DieMitgliederderJu-
rysindderSchriftstellerSenthuranVarat-
harajah,dieLektorinMartinaWunderer,
dieKulturwissenschaftlerinHannaEngel-
meier,derSWR-RedakteurMichaelLissek
undderAutorSteffenPopp. 

MitihremletztenBuch„DasSchöne,Schä-
bige,Schwankende“hatesdieimJulidie-
sesJahresverstorbeneSchriftstellerinBri-
gitteKronauernocheinmalaufdesersten
PlatzderSWR-Bestenlistegeschafft.Die
SWRBestenlisteempfiehltseitüber40Jah-
renjedenMonatzehnlesenswerteBücher,
unabhängigvonBestsellerlisten.Nichtdie
Bücher,dieamhäufigstenverkauftwer-
den,bestimmendieListe,sonderneineJu-
ryaus30namhaftenLiteraturkritiker
wähltdieBücheraus,denensiemöglichst
vieleLeserwünscht. 



W


obalddieElbchausseeanhebt
unddieAutosihrewildeJagdzur
nächstenAmpelbeginnen,liegt
hintereinpaarBäumenvorderChristians-
kircheHamburgsgrößterDichterFried-
richGottliebKlopstockbegraben.SeinEr-
bePeterRühmkorflebtenichtweitdavon,
einpaarhundertMeterhangabwärtsinei-
nemehemaligenKapitänshäuschenmit
BlickaufdieFrachtkähneunddiefrei-
schwingendenBrüstegernjüngererElban-
rainerinnen,zuderenkunstrichterlicher
BegutachtungeinFeldstecheraufdem
Schreibtischallzeitbereitlag.
„NochSeheroderschonSpanner,dasist
dieFrage“,dieersichinseinemLangge-
dicht„SelbstIII/88“deshalbgleichzuAn-
fangstellt.Nochnichtsechzigisterda,be-
rufsbedingterAlkoholiker,nichtganzoh-
neRuhm,aberdochniegenuggefeiert.
„IchwilldajagarkeinDings,keinDrama
drausmachen“,gottfriedbenntermelan-
cholischvorsichhin.„VonmeinemAugen-
hintergrundherstehich/unserenHerren-
magazinen/eigentlichdochetwasnä-
her/alsdenZielenderFrauenbewegung“.
Wobei,wiejederHamburgerTaxifahrer
weiß,RühmkorfstoleranteFrau,die„Ge-
nossinEva-MarieTitze“,dieersteGleich-
stellungsbeauftragteinDeutschlandwar.
AberandererseitshatFreundKlopstock
gleichbeideEhefrauenmitinseinGrabge-
nommen.

Dassowenigschmeichelhaftbilanzie-
rendeSelbstporträt,imDruckkaummehr
alssechsSeiten,bildetdasPrunkstückder
Ausstellung„Lassleuchten!“,dieimAltona-
erMuseumzumneunzigstenGeburtstag
vonKlopstocksNachfolgerstattfindet.Auf
685BlätternwirdderEntstehungsprozess
wandhochabgebildet,alleEinfälle,alle
Entwürfe,alleKorrekturenundErgänzun-
gen,bisausdenhundertenundtausenden
vonFitzelchenundjadochauchHerrenwit-
zeleiendieBotschaftdes„Doyensderdeut-
schenDrogenszene“aufleuchtet:„Neben-
bei:Wersichnichtruiniert/ausdemwird
nichts–“.
NichtdauernderalsErzwahrscheinlich,
abernochpapierenerunddamitnochdich-
tertreueralsselbstdieHölderlin-Edition
D.E.SattlersimVerlagStroemfeld/Roter
SternistdiesesRühmkorfscheSchlüssel-
werk.EszeigtdenDichteralsMessie,der
ausdemNichtwegschmeißenkönnenei-
nenliterarischenTriumphgemachthat.
KeinAutorhatsichgründlicherselberauf-
gehoben,keinNachlassimLiteraturarchiv
inMarbachistumfangreicher,keinerbie-
tetderNachweltmehrMaterialalsdieser
Zettelweltmeister.
DieArno-Schmidt-StiftunghatdieAus-
stellungentworfen,kannaberauchnurei-
nenBruchteilzeigen:denweichenDichter-
hut,dieverschorfteDichterschreibtisch-
plattezurEvozierungdesbesessenLyri-
denundQuantenhortendenSammlers,
„Arbeitsgeist“aufeineFlaschegezogen,
„Dichtungshanf“füralleWechselfälle,da-
zudiemehroderwenigervertrautenBil-
derdesAutorsalsjungerundsehrjunger
Künstler,derdannumsVerreckennichtal-
ternmag,dievielenPreise,diedenmehr
alsdieHälftedesLebensbettelarmenPoe-
tenschließlicherreichten.
Esfingsogottserbärmlichan,nämlich
dassdieMutterimMärz1929demberühm-
tenTheologenKarlBarthihreSchwanger-
schaftentdeckteundihnzumPatenfür
dasKindbat,dasimHerbstpünktlichzum
NewYorkerBörsenkrachzurWeltkam.Da-
mitretteteBarthderSuperintendenten-
tochterdieReligionslehrerinnenehre,sie

konntedaseigeneKindadoptierenundsel-
berwiederzurSchule.Rühmkorfwarnicht
gutinderSchule,wurdePimpfundfrüh
Hitlerfeind.DieSammelwutbegannbei
denAufklärungsblättern,dieausdenFlug-
zeugenderRoyalAirForceherabsegelten.
Fotos,verblicheneDokumentealsDaseins-
berechtigung.EinZeugnisistauchdabei
undoffenbartdieganzeGrausamkeitdes
Vor-undNachkriegsschulwesens,wenn
derLehrerdieVersetzunggnadenhalber
„nurmitRücksichtaufdieachsoarmenEl-
tern“gewährt.
DiefrühvollendeteAutobiografie„Die
Jahredieihrkennt“(1972)beginntmitdem
halblautenHinweisaufdenflüchtigenEr-
zeuger,den„reisendenPuppenspielerH.
W.(NameistdemVerf.bekannt)“.DieAus-
stellungverrätdiesenNamen,zeigtden
AusweisdesVerführersHansWesthoff,
demElisabethRühmkorf,wiederSohn
mitBrechtspottete,„bisindieletztenJah-
renochangehangenhattewiedieHirsch-
kuhdemHirschen“.
AusdemanschließendenRaumdringt
dieStimmedesDichtersausJazz-und-Ly-

rik-Aufnahmen,unddochistesüberwie-
gendeineLeseausstellung.IndenVitrinen
liegtallesausgebreitetfürdenkommen-
denBiografen,derdiejüdisch-kommunis-
tischeEmigrantengemeindeimNach-
kriegshamburgwirdschildernmüssen,
dieSperrholzkistenboheme,dieheillosen
Benn-NächteunddieunglücklichenRot-
weinliebschaften,dieschwierigenAnfän-
ge.DaswarenallerdingsJahre,diekeiner

mehrkennt,brotloseundkunstbesoffne
Jahre,brutalrealistischesAntikriegskaba-
rett,demdiegutbürgerlicheWelt1952,sie-
benJahrenachdemTodvonJosephGoeb-
bels,eineKurzkritikganzwieinaltenZei-
tenwidmete:„Kunstlosentartet“.
DieFrauen,dieMädchen,ach,esgabsie
zuhauf,siefolgtenihremHirschen,erlieb-
tesiealleaufseineArt,dochdemTheater
galtRühmkorfsnieerfüllteLiebe.Fastein

ganzesJahrzehntlangwidmeteersichei-
nersozialrealistischenDramaturgie,ange-
stacheltseltsamerweisedurchAusgrabun-
geninEtrurien.Fundeundvermutlich
RaubgutfindetsichreichlichindenVitri-
nenzwischenZeichnungen,Plakatentwür-
fenfürdieSPDunddemhinterlassenen
KrokodildesPuppenspielervatersund
demKontorbuchmitEinnahmenundAus-
gaben.EinunveröffentlichtesManuskript
derMutterstecktdazwischen.Durchdiein
derAutobiografievermeldetenPubertäts-
schweinereientiefverletzt,begannauch
sieihrLebenaufzuschreiben:„Dennich
bineinChrist,ichmöchteeswenigstens
sein...“.Siewarüberglücklich,alsihrSohn
tatsächlichkirchlichheiratete.
DerRowohlt-LektorKurtKusenberg
wollteRühmkorfnichtimVerlaghaben,be-
zeichneteihninseinemGutachtenals
„Halbdichter“,immerhin„wieCelan“.Sein
vorläufigabschließendesUrteilistsohart,
wieesinjenenJahrensonstnurderRezen-
sentLeslieMeierfällenkonnte:„Undder
AufwandanKot,Harn,Hoden,Samen,
Urin,Eiter,AfterundJauchemachtden

Kohlauchnichtfett.“LeslieMeierführte
damalsalleinfertigmachendden„Lyrik-
Schlachthof“undwareinsderachtPseud-
onyme,unterdenensichRühmkorfimStu-
dentenkurierunddanninderlegendären
Zeitschrift„konkret“umtatodervielmehr
umsichschlug.EswardiereineNot,was
sonst.
DiefrommeMuttermussteihnwieder
retten,sieschickteseineGedichteanAl-
fredDöblin,derausdemExilzurückge-
kommenwarundDeutschlandbaldwie-
derverlassensollte.WeilerdochArztwar
vonBeruf,kannerdenewigMaladenmit
Briefenfernbehandeln.Vorallemdruckte
erseineerstennaturnotwendigschwerpa-
thetischenGedichte.DerDichtergingin
Stellung,wurdeLektor,fertigtejetztselber
Gutachtenundschautenebenbeidem
VolksmundaufsMaul,trugzusammen,
wasdieserFäkal-undSexbesessenesund
möglichstReimbewehrtesvonsichgab,
trugesalswahresVolksvermögenzusam-
men.

DieAnstaltsgermanistikhatteihnver-
stoßen,damussteeresihrzeigen,nahm
sichWalterzumVorbild,jenenvonderVo-
gelweide,denHamburgerPastorBrockes,
KlopstocknatürlichundHeine.„Schönist,
MutterNatur,deinerErfindung
Pracht,/MitentspanntemMundegeprie-
sen“,parodiertederehemaligestud.phil.
seinenverehrtenKlopstock,„schönerein
künstlichGebiss,/dasdengroßenGedan-
ken/einerSchöpfungnocheinmalkäut.“
Dasistwiederer,derinvielenZungen
kreuz-undquerreimtunddochsoausdau-
erndIchsagt.Jemand,der„siebentürig“
mit„Lyrik“zusammenbrachteund„dia-
lektisch“auf„Ecktisch“reimt,kannkein
ganzschlechterMenschseinundistbe-
reitsindensiebtenHimmelderPoesieauf-
genommenohneErbsünde.
EinkaumgehobenerSchatzsinddieTa-
gebücher,korrektals„Tabu“abgekürzt,
weilnaturbelassenoffenbarsointeres-
sant,dasssieaufJahrzehntehingesperrt
bleibensollen.Veröffentlichtwurdenur,
wasderDichtersolangeumformulierthat-
te,bisesihmwohlgefiel.Wieausgiebig
Rühmkorfauchdaranfeilte,wirdamBei-
spieldes9.und10.November1989imsyn-
optischenVergleichderverschiedenenFas-
sungenpräsentiert.NochindenDruckfah-
nenändertderAutorseinenangeblichzeit-
zeugengenauenBerichtbiszurVerfäl-
schung,alsozurpoetischenWahrheit.Und
alsWolfBiermannwiederindiesterbende
DDRreisendarf,dieihn1976ausgestoßen
hatte,befindetseinehemaligerFreund
Rühmkorfunübertroffenhämisch:„Hätte
ihnnichtreingelassen,wennichselberei-
nenStaathätte.“
Brauchteernicht,derSeherspannerhat-
tedochalles:dieDichter,dieReimeund
dieFrauen.Dieehelebenslanggeliebte
undweidlichbetrogeneEvahalfdannmit
ihremBeamtengehalt,bisersichtatsäch-
lichaufslyrischeHochseilschwingenkonn-
te:„IchschwebegraziösinLebensge-
fahr/GradzwischenFreundHeinundHei-
ne“.GernwäreRühmkorf,derimJuni
2008starb,inderNäheKlopstockszurletz-
tenoderdochvorläufigenRuhegekom-
men,zumalsichnichtweitdavonauchdas
Grabmalbefindet,daseinanderesseiner
Idole,dergroßeHansHennyJahnn,fürsei-
neFamiliefertigenließ.Soliegterweiter
draußen,aufdemAltonaerHauptfriedhof,
aberzusammenmitseinerEva.

„Lassleuchten!PeterRühmkorfzumNeunzigs-
ten“.Bis20.Juli2020.AltonaerMuseum.Infosun-
terwww.shmh.de.

AGENDA


„NochSeheroderschonSpanner,dasistdieFrage“,dieersichinseinemLanggedicht„SelbstIII/88“stellte:derHambur-
gerDichterPeterRühmkorf,hierinseinerStudentenwohnung. FOTO:DIETERHEGGEMANN/DLAMARBACH

Shortlistdes


EditEssaypreises


BrigitteKronauer


führtSWR-Listean


DerDichteralsMessie


Wer„dialektisch“auf„Ecktisch“reimt,kannkeinschlechterMenschsein:DasAltonaerMuseum


widmetdemgroßenHamburgerPoetenPeterRühmkorfeineLese-Ausstellung


DerRowohlt-Lektor
KurtKusenbergwollte
RühmkorfnichtimVerlaghaben

„Nebenbei:Wersich
nichtruiniert/
ausdemwirdnichts–.“

AnseinenTagebüchernhater
ausgiebiggefeilt,wiemanam
9.und10.November1989sieht

(^12) LITERATUR Donnerstag,29.August2019,Nr.199 DEFGH
PhilippRuchimDezember2018inBerlinbeieinerPressekonferenzzurAktion
„WirhabenetwaszurAufklärungvonChemnitzbeizutragen“. FOTO:DPA
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Ächtung
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derüberhauptvielhervorhebt.)
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ZweitensbringtPhilippRuchalsMittel
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desKampfesgegenVerschwörungstheore-
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desKampfesgegenVerschwörungstheore-
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anandererStelle:„JedeTugendbraucht
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anandererStelle:„JedeTugendbraucht
ihrenHomer,dersiebesingt.Ichmöchte
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ihrenHomer,dersiebesingt.Ichmöchte
deshalbzuletztdasLiedanstimmenauf
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deshalbzuletztdasLiedanstimmenauf
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Ächtung.“(HervorhebungvomAutor,
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derüberhauptvielhervorhebt.)
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ihrenHomer,dersiebesingt.Ichmöchte
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ihrenHomer,dersiebesingt.Ichmöchte
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