Handelsblatt - 29.08.2019

(Dana P.) #1

BP ist der Anteil des Erdgasgeschäfts innerhalb der


vergangenen acht Jahre von 40 auf 50 Prozent ge-


stiegen. Shell und Total konzentrieren sich ver-


mehrt auf den Aufbau ihrer Flüssiggassparte (LNG).


Und da wo der Druck am stärksten ist, in Europa,


investieren die Ölmultis auch gewisse Beträge in al-


ternative Energien.


So will Shell bis 2020 zwei Milliarden Dollar pro


Jahr in Bioenergie, Solar und Wind stecken. BP ist


da mit 500 Millionen jährlich aber deutlich zurück-


haltender. „Es ist sehr wichtig, genau auf die Zah-


len zu schauen. Da sieht man einen großen Unter-


schied zwischen dem, was die Ölkonzerne sagen,


und dem, was sie tun“, sagt Feddersen. Denn bei


einem Gesamtvolumen von rund 20 Milliarden


Dollar sind die angepriesenen 500 Millionen von


BP 2,5 Prozent des Budgets, bei Shell sind es sechs


Prozent. Weit über 90 Prozent der Investitionen


der Ölmultis gehen also auch heute noch in das Ge-


schäft mit den fossilen Energien. Von grüner Wen-


de keine Spur.


Aber während die Konkurrenz immerhin einen


klaren Plan für die Zeit nach dem Ölzeitalter hat,


„macht BP zwar von allem ein bisschen, jedoch


nichts so richtig“, sagt Experte Feddersen. Tatsäch-


lich hat der Ölkonzern in den vergangenen Jahren


einige Investitionen im grünen Sektor getätigt.


„Beyond Petroleum“ war ein Fiasko


Im vergangenen Jahr gab BP 200 Millionen Dollar


für 43 Prozent des britischen Solarkonzerns Light-


source aus, übernahm den ebenfalls britischen La-


desäulenanbieter Chargemaster, investierte 20 Mil-


lionen Dollar in das israelische E-Mobility Start-up


StoreDot und verkündete ein Joint Venture mit


dem brasilianischen Zuckerrohr- und Biokraftstoff-


hersteller Copersucar. Erst vor wenigen Wochen


gab der Konzern außerdem die Zusammenarbeit


mit einem der größten Biokraftstoffproduzenten


der Welt bekannt – Bunge, ebenfalls aus Brasilien.


„Ich denke, im Vergleich zu der Zeit vor ein paar


Jahren haben wir schon einiges vorzuweisen“,


kommentiert Vorstandsmitglied Sanyal die Deals.


Hier ein bisschen Wind, dort ein bisschen E-Mo-


bilität, ein bisschen Solar und ein bisschen Bio-


energie. Eine Strategie ließe sich daraus nicht er-


kennen, merkt Feddersen an. Sanyal widerspricht,


die Strategie sei klar: Emissionen reduzieren, Pro-


dukte verbessern und neue Geschäftsfelder entwi-


ckeln. „Wir wollen in diesem Bereich investieren,


aber das ist für uns kein Hobby, das ist ein Ge-


schäft“, sagt er nachdrücklich und bleibt darauf be-


dacht, keine verbindlichen Ziele auszusprechen.


Während Shell und Total also große Ankündi-


gungen und radikale Strategieschwenks verlautba-


ren lassen, übt BP sich in Zurückhaltung. Zu tief


sitzt die Erinnerung an das Fiasko Ende der


1990er-Jahre. Damals hat BP schon einmal ver-


sucht, sich in einen grünen Konzern zu verwan-


deln, und ist krachend gescheitert. Im Zuge einer


ausgeklügelten PR-Kampagne tilgte der damalige
Vorstandschef John Browne das Wort „british“
schlicht aus dem Firmennamen. Das Kürzel BP soll-
te künftig für „beyond petroleum“ stehen, also für
Geschäfte jenseits des Öls. Browne verbrannte
mehrere Milliarden Dollar in Windrädern und So-
larzellen, dann wurde seine Strategie beerdigt.
Anders als damals könnte es nun jedoch sein,
dass dem zaudernden Riesen die Entscheidung
schon bald aus der Hand genommen wird. Längst
sind es nicht nur protestierende Aktivisten, die den
Multi unter Druck setzen. Die Gruppe ClimateActi-
on 100+, deren Mitglieder ein Vermögen von 33 Bil-
lionen Dollar in Fonds verwalten, hat bei der letz-
ten Hauptversammlung im Mai eine Resolution
durchgebracht, die BP dazu zwingt, seine Investiti-
onsentscheidungen zukünftig auf eine Linie mit
den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens zu
bringen, und das auch nachzuweisen.
Eine schärfere Forderung der aktivistischen In-
vestorengruppe FollowThis wurde zwar noch ein-
mal abgewendet, aber nach Berichten von Teilneh-
mern wohl nur um Haaresbreite. Sie forderten,
dass der Ölkonzern die Emissionen seiner Kunden,
also der Autofahrer, in die eigene CO 2 -Bilanz mit
einrechnet. Aber BP weigert sich. Auch hier scheint
die Konkurrenz längst weiter: Shell und Total ha-
ben dem Druck der Investoren nachgegeben.
Auch das ist ein Grund, warum sich die öffentli-
che Kritik zurzeit mehr auf BP als auf die anderen
beiden Mitglieder des mächtigen Europa-Trios rich-
tet. BP-CEO Bob Dudley nannte die Konzernzentra-
le in London jüngst gar das „Epizentrum für Klima-
demonstrationen“. Dass BP laut einer Analyse der
Lobby-Kontroll-Gruppe Influence Map von allen so-
genannten Supermajors (Exxon Mobil, Chevron,
Shell, BP und Total) am meisten dafür ausgibt,
strengere Klimaschutzgesetze zu verhindern, hat
die Debatte erneut angeheizt. Mehr als ein Viertel
der insgesamt 200 Millionen Dollar lässt BP jedes
Jahr springen.
„Denke ich, wir könnten mehr tun? Absolut.
Aber wir müssen sicherstellen, dass wir klug vorge-
hen“, wiederholt Sanyal fast stoisch. Bei all den
Überlegungen spielten auch Themen wie Versor-
gungssicherheit, Bezahlbarkeit und Verfügbarkeit
von Energie eine große Rolle. „800 Millionen Men-
schen auf der Welt leben ohne Strom, die Hälfte
davon in meinem Heimatland Indien – das wird in
Europa oft vergessen.“ Er weiß, dass sich die Ge-
wichte in der Energiewelt verlagern werden. Nur
wo steht BP, wenn es so weit ist?
Dass der Ölkonzern sich mit seinem Vorgehen
ins Abseits befördert, ist für Experten wie Fedder-
sen dabei gar nicht unbedingt gesagt. „Wenn BP
sieht, dass es Zeit für Erneuerbare ist, können sie
schnell nachziehen, die Mittel dazu sind ja da“,
sagt er. Die Frage ist nur, wie lange das Unterneh-
men dem wachsenden Druck von außen noch
standhalten kann.

BP: Investitionen in die Zukunft


Nettoergebnis in Mio. US-Dollar


Prognose Net cash used in investing activities

Investitionen in Mio. US-Dollar


HANDELSBLATTQuellen: Bloomberg, UnternehmenGeschäftsjahr jeweils zum 31. Juni

8 871


21 571


115


3 389


9 383


14 7 (^53) 14 0 77
2016 2017 2018 2019 2016 2017 2018
Dev Sanyal
„Es ist nicht nur
ein Rennen der
Erneuerbaren“
Seit Monaten sieht sich der britische Öl-
riese immer wieder gezielten Aktionen
von Klimaschützern ausgesetzt. Eine wirk-
liche Alternative zu Öl und Gas sieht Dev
Sanyal, Vorstand für alternative Energien, für
BP in den Erneuerbaren derzeit nicht.
Herr Sanyal, das Thema Klimaschutz steht so sehr im
Fokus der Öffentlichkeit wie lange nicht mehr. Sehen
Sie BP in der Verantwortung?
BP unterstützt das Pariser Klimaschutzabkommen. Bei
allen Klimaschutzmaßnahmen muss aus unserer Sicht
ein evolutionärer Prozess im Vordergrund stehen. Da-
bei kommt es entscheidend darauf an, ideologiefrei
die erfolgversprechendsten und effizientesten Maß-
nahmen durchzusetzen. Dazu müssen alle an einem
Strang ziehen: Unternehmen und Regierungen ge-
meinsam, und zwar sektorübergreifend. Wir wollen
uns nicht kleiner machen, als wir sind, aber letztlich
sind wir nur ein Unternehmen. Deshalb ist es wichtig,
dass wir nicht gegeneinander, sondern alle miteinan-
der an den Zielen arbeiten.
Shell und Total haben ihre Strategien schon vorge-
stellt. Wie bereitet sich BP auf die Zukunft vor?
Wir haben das größte operative Erneuerbare-Ener-
gien-Portfolio aller unabhängigen Ölkonzerne. Der
Wettlauf um weniger Emissionen in der Zukunft ist
aber nicht ausschließlich ein Rennen der Erneuerba-
ren. Sie sind zwar sehr wichtig – und wir haben dieses
Segment in den letzten drei Jahren stark ausgebaut
und werden das auch weiter tun. Aber wir müssen uns
auch unser bestehendes Geschäft angucken, weil alle
Energieformen eine wichtige Rolle spielen. Was die
Energiewende betrifft, folgen wir dem Dreiklang „re-
duzieren, verbessern und erweitern“. Bei der Energie-
wende geht es im Kern darum, wie man bestmöglich
ans Ziel kommt.
Es scheint, als mache BP ein bisschen von allem. Ist
das eine Art Testlauf?
Das würde ich nicht so sehen, und ich denke, die über
10 000 Menschen, die für uns im Bereich erneuerbare
Energien arbeiten, sehen das auch nicht so. Natürlich
kann man immer mehr tun, aber wir müssen es so
tun, dass das Geschäft stabil läuft. Wir können nicht
etwas aufbauen, das sich dann nicht wirtschaftlich
lohnt und damit unseren Investoren keine Rendite
bringt. Und ich würde das zweitgrößte Biokraftstoffun-
ternehmen Brasiliens nicht als Testlauf betrachten, ge-
nauso wenig wie Europas größtes Solarunternehmen,
das wir gern im kommenden Jahrzehnt zur weltweiten
Nummer eins machen wollen.
Würden Sie Greta Thunberg treffen, wenn sich die
Möglichkeit böte?
Wir sind immer gesprächsbereit. Sie hat viel Aufmerk-
samkeit auf das Thema gelenkt, und das muss man be-
wundern. Sie fordert Veränderungen, und zwar in ei-
ner kürzeren Zeit, als wir es uns zum Ziel gesetzt ha-
ben und als es in Paris vereinbart wurde. Aber wer
weiß? Wenn wir auf nachhaltigem Wege früher zum
Ziel kommen als gedacht, wäre das großartig, wir wür-
den das unterstützen. Aber wenn sich das Ziel nur mit
einer massiven Disruption erzielen lässt, die einige
Länder auf der Welt zurückwirft, wäre das tragisch.
Die Fragen stellten Kathrin Witsch und Kerstin Leitel.
Der Milliardenkonzern setzt weiter auf
fossile Energien. Der BP-Vorstand
erklärt, warum.
Bloomberg
Unternehmen & Märkte
DONNERSTAG, 29. AUGUST 2019, NR. 166
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