Handelsblatt - 29.08.2019

(Dana P.) #1

Jens Koenen Frankfurt


D


ie Erleichterung dürfte
bei den Mitarbeitern
von Thomas Cook groß
gewesen sein, als sie
um 8 Uhr am Mitt-
wochmorgen diese Nachricht lasen.
Der angeschlagene Reisekonzern hat
sich mit seinem chinesischen Groß-
aktionär Fosun sowie den Banken
und Anleihebesitzern auf ein Ret-
tungspaket geeinigt. Thomas Cook
wird rund 900 Millionen britische
Pfund (eine Milliarde Euro) erhalten.
Der Deal ist komplex: Zum einen
will Fosun 450 Millionen Pfund zur
Verfügung stellen. Die Unterneh-
mensgruppe ist seit 2015 mit 18 Pro-
zent an Thomas Cook beteiligt und
stark am Tourismusgeschäft interes-
siert. Die Chinesen übernehmen 75
Prozent des Reisegeschäfts und 25
Prozent der Airline-Gruppe. Zum an-
deren wandeln die Banken und An-
leihegläubiger die Schulden, die
Thomas Cook bei ihnen hat, in Ei-
genkapital um und steuern ebenfalls
450 Millionen Pfund bei. Sie erhal-
ten 75 Prozent der Airline-Gruppe
und 25 Prozent des Reiseunterneh-
mens.
Details müssen noch geklärt wer-
den. Wohl auch deshalb wird in der
Erklärung des Unternehmens kein
Topmanager zitiert, auch nicht Kon-
zernchef Peter Fankhauser. Man wol-
le erst warten, bis die wesentlichen
Hürden genommen seien, heißt im
Umfeld der Verhandlungen. Weder
Thomas Cook noch Condor wollten
sich auf Nachfrage äußern.
Dennoch ist es eine gute Nach-
richt. Wegen der unsicheren Zukunft
war die Unruhe etwa unter den Mit-
arbeitern von Condor, der deutschen
Airline des Konzerns, deutlich gestie-
gen. Dort wurde nach Informationen
des Handelsblatts kürzlich auf einer
Versammlung der Personalvertre-
tung – der Betriebsrat des fliegenden
Personals – sogar das Horrorszenario
eines Scheiterns von Condor an die
Wand gemalt. Das ist nun vom Tisch.
„Die grundsätzliche Einigung ist auch

für die Airline-Gruppe ein wichtiger
Schritt“, heißt es in Führungskreisen,
die in die Verhandlungen eingebun-
den waren. Allerdings liege noch eini-
ges an Arbeit vor den Teams.
So soll es eine Hauptversammlung
geben, auf der die Aktionäre um Zu-
stimmung zu dem Deal gebeten wer-
den. Das ist eine heikle Angelegen-
heit, denn der Streubesitz ist der gro-
ße Verlierer der Rettungsaktion.
Deren Anteile werden extrem ver-
wässert. Deshalb ist der Aktienkurs
des Unternehmens in den vergange-

nen Wochen auf wenige Pence einge-
brochen. Zudem dürfte die Transakti-
on am Ende zu einem Delisting von
Thomas Cook führen.
Denkbar also, dass einige Aktionä-
re auf die Barrikaden gehen. Bisher
hat sich allerdings keine Aktionärs-
gruppe gemeldet und damit gedroht.
Aus Verhandlungskreisen ist zudem
zu hören, dass es im britischen Ak-
tienrecht die Möglichkeit gebe, eine
solche Transaktion auch ohne Zu-
stimmung der Hauptversammlung
durchzuziehen.

Auch die Zustimmung der einzel-
nen Anleihegläubiger muss noch ein-
geholt werden. Bisher ist die Eini-
gung mit den wesentlichen „Bond-
Holdern“ erfolgt. Anleihen sind aber
recht breit gestreut. In Finanzkreisen
geht man davon aus, dass es sich
hierbei eher um eine Formalie han-
delt. Zudem würden die Gläubiger
nun mehr als die zunächst zugesag-
ten 300 Millionen Pfund geben. Das
zeige die Zustimmung zu dem Deal.

Daran dürfte indirekt auch die
Lufthansa Anteil haben. Europas
größte Airline hatte kürzlich erklärt,
mit Condor ein Codeshare-Abkom-
men zu verhandeln. Dabei bedienen
beide Airlines Strecken in enger Ab-
stimmung, und es gibt einen gemein-
samen Ticketverkauf. „Das war für
die Gläubiger ein wichtiges Zeichen
dafür, dass das Airline-Business, an
dem sie künftig mit 75 Prozent betei-
ligt sein werden, eine Perspektive
hat“, heißt es in der Branche.
Ob Condor deshalb früher oder
später doch noch bei Lufthansa lan-
den wird, ist damit allerdings nicht
gesagt. Die „Hansa“ hatte zwar im
Mai ein Übernahmeangebot sogar für
die gesamte Airline-Gruppe von Tho-
mas Cook in Aussicht gestellt, dann
aber davon Abstand genommen. Die
Sanierung des eigenen Ablegers Eu-
rowings hat vorerst Priorität. Zudem
dürften die kartellrechtlichen Hür-
den hoch sein.

Wo landet Condor?


Es sind auch andere Szenarien denk-
bar. So hat Friedrich Joussen, der
Chef des Rivalen Tui, zuletzt mehr-
fach deutlich gemacht, dass man die
weitere Konsolidierung im Airline-
Markt sehr genau beobachte. Eine
durchaus ernst gemeinte Ansage, wie
ein aktuelles internes Schreiben der
Geschäftsführung von Tuifly an die
Arbeitnehmervertreter zeigt, das
dem Handelsblatt vorliegt.
Darin kündigt die Führung an, auf
die Mitbestimmungsgremien zuge-
hen zu wollen, um gemeinsam Maß-
nahmen und Regularien vorzuberei-
ten, die notwendig seien, um sich er-
gebende Marktchancen zu nutzen.
Die etwas verklausulierte Botschaft
dahinter lautet: Ein Ausbau des Flug-
geschäfts etwa über eine Konsolidie-
rung ist nur möglich, wenn die Kos-
ten stimmen. Branchenexperten ver-
weisen seit Langem schon darauf,
dass Tuifly zu teuer produziert.
Ein Sprecher von Tuifly betonte,
die Aussage in dem Schreiben sei
grundsätzlicher Natur, es gebe keinen
aktuellen Anlass. Auch ist offen, wie
schnell die Banken die Airlines von
Thomas Cook weiterverwerten. Aus
Finanzkreisen ist zu hören, dass es
keine Eile gibt. Aber eine Condor
wird in absehbarer Zeit einen neuen
Eigner bekommen. Das ist seit Mitt-
woch so gut wie sicher.

Tourismus


Thomas Cook wird


bald chinesisch


Der Konzern, zu dem auch Condor gehört, hat sich mit


Investor Fosun und Gläubigern auf ein Rettungspaket


geeinigt. Das dürfte die Airline-Konsolidierung antreiben.


Thomas Cook
Aktionärsstruktur

in
Prozent

50,2 %
Streubesitz

18,1 %
Fosun

5,0 %
Hargreaves Lansdown
Asset Management

13,7 %
Invesco

8,0 %
Neset Kockar
5,0 %
Orbis Allen Gray

HANDELSBLATT Quelle: Bloomberg

Aktienkurs in britischen Pence


6,04 Pence


1.1.2019 28.8.


40

30

20



0

Jetvon Thomas Cook:
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imago/Marius Schwarz

Finanzspritze


900


MILLIONEN


britische Pfund – fast eine Milliarde
Euro – soll Thomas Cook von Groß-
aktionär Fosun und den Gläubigern
bekommen.

Quelle: Unternehmen


Unternehmen & Märkte


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DONNERSTAG, 29. AUGUST 2019, NR. 166


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