Biotech
Gemischte
Signale
B
is zu 1,5 Milliarden Euro
kann die Biotechfirma Im-
matics vom US-Konzern Cel-
gene erhalten, wenn die nun verein-
barten Forschungsprojekte Früchte
tragen. Allianzen wie diese sind
längst Routine in der Pharmawelt.
Etablierte Arzneihersteller sichern
sich so Zugriff auf neue Technolo-
gien und federn gleichzeitig ihre Ri-
siken ab. Der Löwenanteil der Ver-
tragssummen wird nur im Erfolgsfall
fällig.
Für die Biotechfirmen wiederum
bieten die Deals eine wichtige Fi-
nanzierungsquelle und die Chance,
ihre Forschung weiter in Richtung
Markt voranzubringen – auch wenn
die Vertriebsrechte am Ende dem
Pharma-Partner gehören. Vor allem
aber sind solche Allianzen ein wich-
tiges Indiz für die Werthaltigkeit der
eigenen Forschung – so auch nun
im Falle Immatics.
Insgesamt haben deutsche Bio-
techfirmen wie Immatics, Biontech,
Curevac und Affimed in den letzten
Jahren mehr als ein Dutzend sol-
cher F+E-Allianzen mit großen
Pharmakonzernen besiegelt, der
überwiegende Teil mit Schwer-
punkt in der Krebsimmuntherapie.
Das spricht dafür, dass die Firmen
einiges zu bieten haben und die
deutsche Forschung im Bereich der
Immunologie international leis-
tungsfähig ist.
Die industrielle Bilanz dagegen
fällt bisher mäßig aus. Mit eigenen
Produkten sind deutsche Pharma-
firmen in der Immunologie nur
schwach und deutsche Biotechfir-
men gar nicht vertreten. Die erste
Welle an Krebsimmuntherapien hat
die Branche fast komplett verpasst.
Firmen wie Immatics, Biontech
und Co. haben nun eine reale Chan-
ce, bei der zweiten Generation von
Immuntherapien stärker mitzuspie-
len. Aber auch hier ist vorgezeich-
net, dass man mangels Kapital aus-
ländische Pharmariesen den Lö-
wenanteil des Geschäfts überlassen
muss. Die Aufgabe für die Biotech-
firmen besteht insofern nicht nur
darin, ihre Forschung voranzutrei-
ben. Ebenso wichtig für die Bran-
che und den Standort wäre es, län-
gerfristig einen größeren Teil der
Wertschöpfung zu sichern.
Im Fall Immatics/Celgene werden
die Stärken und Schwächen der
deutschen Biotechfirmen deutlich,
meint Siegfried Hofmann.
„Weil der Gegenwind von der Zins- und
Konjunkturseite heftiger wird,
werden wir unsere Kosten anpassen.“
Carola von Schmettow, HSBC-Deutschland-Chefin,
kündigt einen Stellenabbau bei der Düsseldorfer Bank an.
Worte des Tages
Der Autor ist Korrespondent in
Frankfurt.
Sie erreichen ihn unter:
K
ein Zweifel, wir haben es mit einer
Übertreibung zu tun. Spätestens seit-
dem die Europäische Union ihren Ak-
tionsplan für nachhaltige Investments
auf den Weg gebracht hat, überschla-
gen sich Banken, Fondsgesellschaften und Vermö-
gensverwalter mit Bekenntnissen für eine bessere,
eine grünere und sozial verträglichere Finanzwelt.
Geht es nach dem Willen der EU, dann sollen private
Investoren Jahr für Jahr mindestens 180 Milliarden
Euro in nachhaltige Investments stecken. Damit wür-
den die Finanzmärkte zu einem zentralen Steue-
rungselement, das sicherstellen soll, dass die Euro-
päer ihre Klimaziele doch noch erreichen. Kann das
tatsächlich funktionieren? Oder werden die Kapital-
märkte damit überfordert?
Der Plan der Europäischen Union hat zweifellos
viele Schwächen. Und der aktuelle Hype rund um
nachhaltige Investments wird zu Enttäuschungen
führen, sowohl bei Investoren als auch bei Finanz -
firmen und in der Politik. Dies ändert aber nichts da-
ran, dass die grundsätzliche Richtung stimmt. Nach-
haltiges Investieren ist weit mehr als ein Mode -
thema. Es ist die rationale Antwort nicht nur auf
ökologische, sondern auch auf ökonomische Fragen.
Deshalb wird der Trend nicht verschwinden, son-
dern sich am Ende durchsetzen.
Verantwortlich für sichtbare Übertreibungen bei
der „grünen Geldanlage“ sind vor allem zwei Fakto-
ren: der riesige Ehrgeiz, der sich im Plan der euro-
päischen Kommission widerspiegelt, und der Mangel
an präzisen Definitionen, was eigentlich genau nach-
haltige Investments sind. Bislang liegen nach Exper-
tenschätzung rund 400 Milliarden Euro in nachhalti-
gen Finanzprodukten. Würden tatsächlich 180 Milli-
arden Euro pro Jahr dazukommen, würden
gewaltige Kapitalströme umgelenkt. Die Gefahr, dass
es dabei zu Fehlallokationen kommt, liegt auf der
Hand. Vor allem da es bei den Kategorien für Nach-
haltigkeit noch munter durcheinandergeht. Ein Bei-
spiel: Das Thema Atomkraft klammert die EU bislang
aus. Frankreich hat mit dieser CO 2 -freien Energie kei-
ne Probleme in Sachen Nachhaltigkeit, Deutschland
wegen der Risiken durch Störfälle und der ungeklär-
ten Endlagerung dagegen schon.
Für viele Finanzfirmen ist Nachhaltigkeit längst
zum Erfolgsfaktor geworden. Schließlich haben die
Wahlerfolge der Grünen und die Proteste der Ju-
gend, angeführt von der schwedischen Klimaschutz-
aktivistin Greta Thunberg, für eine gesellschaftliche
und politische Dynamik gesorgt, der sich die Geld-
branche nicht entziehen kann. Fast jeder Anbieter
von Finanzanlagen hängt sich inzwischen ein grünes
Mäntelchen um, aber längst nicht jeder verfügt auch
über das dafür nötige Wissen. Daran ändern auch
vermeintliche Gütesiegel nichts. Viele Firmen ver-
pflichten sich den Nachhaltigkeitszielen der Verein-
ten Nationen, aber diese Vorsätze lassen einen wei-
ten Spielraum und schützen nur bedingt vor Tritt-
brettfahrern.
Trotz aller Übertreibungsgefahr führt kein Weg da-
ran vorbei, Umwelt- und Nachhaltigkeitsrisiken in
den Bilanzen der Unternehmen zu messen und zu
bepreisen. Für die Banken wird es hier schon bald
ernst. Ab dem Jahr 2022 müssten die großen Geld-
häuser in der Euro-Zone ihre Umwelt- und Nachhal-
tigkeitsrisiken offenlegen. Für solche Regeln spricht
nicht nur die Sorge um die Zukunft unseres Plane-
ten, sondern schlicht und einfach die ökonomische
Vernunft. Ein Argument, an dem eigentlich auch die
Leugner des Klimawandels nicht vorbeikommen
(sollten). Für die Dimension des ökonomischen Risi-
kos sind die Höhe des potenziellen Schadens und die
Eintrittswahrscheinlichkeit entscheidend. Ange-
sichts der enormen Schäden, die der Klimawandel
weltweit anrichten könnte, wäre es nur rational zu
versuchen, die Risiken so gut es eben geht einzu-
dämmen. Das gilt selbst dann, wenn eine geringe
Eintrittswahrscheinlichkeit unterstellt wird.
Dazu kommt: Nachhaltigkeit scheint sich auch be-
triebswirtschaftlich auszuzahlen. In den Vereinigten
Staaten erhobene Statistiken sprechen dafür, dass
Unternehmen, die umweltgerecht und gesellschaft-
lich verträglich wirtschaften, seltener in eine Pleite
rutschen oder ihre Schulden nicht zurückzahlen als
der Rest. Nachhaltigkeit ist demnach ein wichtiger
Indikator für solides Management.
Nimmt man volkswirtschaftliche und betriebswirt-
schaftliche Argumente zusammen, dann erscheint es
klar, dass der Trend zum nachhaltigen Investieren
den aktuellen Hype überleben wird. Das Muster sol-
cher Entwicklungen lässt sich anhand der Erfahrun-
gen aus der Technologiebranche nachvollziehen.
Der Internetrausch um die Jahrtausendwende ende-
te mit einem fürchterlichen Kater. Natürlich bedeu-
tete der schmerzliche Absturz aber nicht den Tod
des Internets. Im Gegenteil, der Siegeszug der digita-
len Wirtschaft begann nach der reinigenden Krise
erst richtig. Wer weiß, vielleicht werden wir in ein
paar Jahren von Nachhaltigkeit 2.0 sprechen. Dann
hätte sich der Trend zum umwelt- und sozial verträg-
lichen Investieren endgültig durchgesetzt.
Leitartikel
Nicht jeder Hype
ist schädlich
Der Rummel um
grüne
Investments ist
übertrieben. Aber
die Idee dahinter
wird sich
durchsetzen,
meint
Michael Maisch.
Fast jeder An-
bieter von
Finanzanlagen
hängt sich in-
zwischen ein
grünes Mäntel-
chen um, aber
längst nicht
jeder verfügt
auch über das
dafür nötige
Wissen.
Der Autor ist stellvertretender Ressortleiter.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]
Meinung
& Analyse
DONNERSTAG, 29. AUGUST 2019, NR. 166
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