Handelsblatt - 29.08.2019

(Dana P.) #1

„Das Hauptproblem unserer


Industrie und der Allianz


im Besonderen ist, dass wir


an unserer Komplexität


manchmal ersticken.“


Oliver Bäte, Allianz-Chef


„Positive Zinsen sind bei der


vorherrschenden Geldpolitik in der


ersten Hälfte der Zwanzigerjahre


so gut wie ausgeschlossen, wenn


nicht für die gesamte Dekade.“


Michael Rüdiger, Chef der Dekabank


W


enn nichts mehr hilft, rufen deutsche Firmen
gerne nach dem Staat. Das Projekt einer eu-
ropäischen Lösung für Cloud-Dienste ist so

ein Beispiel. Seit vielen Jahren gelingt es deutschen und


europäischen Anbietern kaum, sich gegen die US-Gigan-


ten wie Microsoft, Google und Amazon zu behaupten.


Weder beim Preis noch bei der Leistung können deut-


sche Firmen bei den Datendiensten mithalten. Jetzt plant


Wirtschaftsminister Peter Altmaier unter dem Namen


Gaia-X eine staatlich gestützte Antwort. Das Projekt geht


aber nicht in die richtige Richtung.


Es ist falsch zu glauben, dass die Regierung Probleme


der Firmen einfach lösen könnte. Die Herausforderung


liegt an ganz anderer Stelle. Drei von vier Firmen gaben


in einer Umfrage des Digitalverbandes Bitkom an, dass


es ihnen wichtig ist, dass ihre Daten in Deutschland ge-


speichert werden. Datenschutz spielt für sie eine große


Rolle. Gleichzeitig wollen immer mehr Firmen von den


Vorteilen der Cloud-Dienste profitieren. Die Wachs-


tumschancen sind also groß. Aber das nutzt vor allem


den US-Konzernen.


Offenbar läuft etwas falsch. Cloud-Anbieter machen
es sich zu einfach, wenn sie die Schuld auf ihre Kunden
oder den Staat schieben. Es ist nicht so, dass kein Un-
ternehmen bereit wäre, für Datenschutz „made in Ger-
many“ zu bezahlen. Die Herausforderung ist jedoch,
gute Lösungen mit einem hohen Umfang an Funktionen
und gleichzeitig hohem Datenschutz anzubieten. Genau
daran kranken viele Angebote deutscher Cloud-Dienste.
Eine staatlich gestützte Cloud ist keine Antwort. Die
Impulse müssen aus der Industrie kommen. Die IT-Kon-
zerne müssen selbst zeigen, dass sie in der Lage sind,
Lösungen anzubieten, die auch wirklich gut auf Anfor-
derungen deutscher Kunden zugeschnitten sind.
Selbst Unternehmen wie der Deutschen Telekom
oder 1&1 Ionos wird es schwerfallen, Google, Microsoft
oder Amazon offen bei Preis oder Funktionsumfang
herauszufordern. Aber die Firmen betonen immer wie-
der, sie würden ihre Kunden genau kennen. Wenn das
stimmt, müssten sie in der Lage sein, vernünftige Ni-
schenlösungen anzubieten, die etwa deutsche Mittel-
ständler den Produkten von Microsoft und Co. vorzie-
hen. Das geschieht schon, aber noch nicht genug.
Microsoft sortiert sein Cloud-Geschäft nun neu und
will jetzt auch Kunden in Deutschland anbieten, ihre
Daten auf Servern in Deutschland zu speichern. Das
sollte ein Warnsignal an die heimischen Anbieter sein.
Sie müssen noch besser werden. Sonst werden US-Kon-
zerne künftig auch noch versuchen, ihnen das Verkaufs-
argument „Datenschutz made in Germany“ streitig zu
machen. Was hilft, ist nicht mehr Staat, sondern ein-
fach bessere Produkte.

Cloud-Dienste


Mehr Selbstvertrauen, bitte!


Deutsche Cloud-Anbieter
sollten mit hohem Datenschutz
punkten, statt den Staat
um Hilfe zu bitten, fordert
Stephan Scheuer.

Der Autor ist Redakteur im Ressort Unternehmen &
Märkte. Sie erreichen ihn unter:
[email protected]

Firmen sind


durchaus


bereit,


für Daten-


schutz


„made in


Germany“


zu zahlen.


dpa, dpa, Bert Bostelmann für Handelsblatt

Tabakkonzerne


Rauchen


verfliegt


W


enn sich die beiden US-
Zigarettenhersteller Al-
tria und Philip Morris In-
ternational tatsächlich wiederverei-
nen, entstünde ein neuer Koloss im
Tabakmarkt. Dennoch wäre die Fu-
sion ein Zeichen von Schwäche,
nicht von Stärke. Beide haben der-
zeit mit den neuen Rauchgewohn-
heiten zu kämpfen.
Vor elf Jahren hatten sich Altria
und Philip Morris International an-
gesichts der vielen Klagen und der
Regulierung in den USA getrennt:
Philip Morris übernahm das inter-
nationale Geschäft, Altria das ame-
rikanische. Entstanden sind zwei
getrennte Gesellschaften, die welt-
weit die gleichen Zigarettenmarken
wie Marlboro, Philip Morris und
Chesterfield verkaufen. Dabei traute
der Markt der deutlich größeren
Philip Morris weitaus mehr zu:
Während die Amerikaner immer
weniger rauchten, boomte das Ge-
schäft in anderen Teilen der Welt.
Es folgten bewegte Zeiten: Mal
lief Philip Morris deutlich besser,
dann holte Altria wieder auf. Zu-
letzt gab es wieder mehr Regulie-
rung in den USA, und Altria ist der-
zeit so günstig bewertet wie lange
nicht mehr.
Das Hauptproblem ist aber ein
anderes: In Papier eingewickelter
Tabak könnte bald der Vergangen-
heit angehören. Sowohl Altria als
auch Philip Morris leiden darunter,
dass immer weniger Erwachsene Zi-
garetten rauchen. Jugendliche grei-
fen vor allem zu E-Zigaretten.
Um nicht ganz den Anschluss zu
verlieren, haben beide in neue
Rauch-Technologien investiert.
Philip Morris setzt vor allem auf
seine eigene Marke Iqos, die aber
außerhalb Japans nicht sonderlich
gut läuft. Altria dagegen hat sich
für knapp 13 Milliarden Dollar mit
35 Prozent an dem erfolgreichen
„Vape “-Start-up Juul beteiligt.
Außerdem kontrolliert Altria den
kanadischen Cannabis-Hersteller
Cronos Group. Die Pflanze wird in
immer mehr Staaten für den medi-
zinischen Einsatz zugelassen – ein
weiteres neues Geschäft. In Zeiten
sinkenden Zigarettenkonsums si-
chert sich Philip Morris auch einen
Anteil daran.

Die Wiedervereinigung von
Altria und Philip Morris ist
eine Fusion aus Schwäche,
meint Katharina Kort.

Die Autorin ist Korrespondentin
in New York.
Sie erreichen sie unter
[email protected]

Unternehmen & Märkte


DONNERSTAG, 29. AUGUST 2019, NR. 166


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