Handelsblatt - 29.08.2019

(Dana P.) #1
I. Narat, A. Rezmer, H. Steuer, L. Exuzidis
Frankfurt, Stockholm

D


ie Norweger werden sich künftig
mehr dafür interessieren, wie große
Unternehmen im fernen Amerika da-
stehen. Denn der größte Staatsfonds
der Welt, der rund eine Billion US-
Dollar schwere norwegische Ölfonds, soll mehr Ka-
pital in US-Aktien investieren – und im Gegenzug
europäische Dividendentitel abbauen. Einen ent-
sprechenden Vorschlag hat das Finanzministerium
dem Parlament in Oslo unterbreitet. Im kommen-
den Frühjahr stimmen die Volksvertreter darüber
ab. Der Umbau würde voraussichtlich vor allem zu-
lasten der britischen Positionen gehen.
Damit folgen die Norweger anderen großen Ver-
mögensmanagern, die in ihren Portfolios bereits
stärker auf US-Aktien setzen und die Anteilsscheine
aus Übersee für attraktiver halten als Titel europäi-
scher Unternehmen. In gängigen Messlatten ist die
Wall Street aufgrund der hohen Kapitalisierung der
US-Aktien ohnehin viel präsenter als im norwegi-
schen Staatsfonds. Im MSCI-World beispielsweise
liegt der US-Anteil bei über 63 Prozent.
Der norwegische Staatsfonds will stärker von der
Aktienrally an der Wall Street profitieren. Seit vie-
len Jahren entwickeln sich die Titel in Übersee bes-
ser als die in der Alten Welt (siehe Grafik). Das liegt
auch an der guten Entwicklung von Aktien aus der
Technologiebranche. Wenn es zur Umschichtung
kommt, bewegt sie eine Menge Geld: Im Maximal-
fall werden bis zu 100 Milliarden Dollar aus euro-
päischen Papieren abgezogen und in Übersee re -
investiert. „Wir alle können sehen, dass sowohl die
Rendite als auch das Risikomaß in Nordamerika in
den letzten Jahren besser waren als im Rest der
Welt“, sagte der stellvertretende Notenbankchef
Egil Matsen. Die Notenbank steuert den Fonds, die
Anlagekriterien werden vom norwegischen Finanz-
ministerium erarbeitet.
Aktuell sind etwa ein Drittel des Aktienportfolios
in europäische Titel investiert – das ist deutlich
mehr als bei vielen anderen Großinvestoren. Frü-
her lag dieser Anteil bei 50 Prozent, wurde im Zuge
einer Neuausrichtung allerdings bereits gesenkt.
Der Fokus liegt auf Staaten mit starken Handelsbe-
ziehungen zu Norwegen. Rund 40 Prozent entfal-
len bisher schon auf amerikanische Werte, der Rest
größtenteils auf asiatische Titel.
Der Ölfonds investiert also bereits an der Wall
Street. Die größte Beteiligung ist die an Microsoft,
gefolgt von Apple und Amazon. Auch bei den
Neuinvestments sollen diese Firmen besonders be-
rücksichtigt werden.
Insgesamt gehören dem Ölfonds 1,4 Prozent
sämtlicher auf der Welt ausgegebener Aktien. Zu-
letzt betonte das Finanzministerium die Bedeutung
eines angemessenen und aktuellen Portfolios. Zum
Ende des zweiten Quartals betrug das Fondsver-
mögen 9,16 Billionen Kronen – umgerechnet ist das
rund eine Billion Dollar.
Im Zuge der immer weiter sinkenden Renditen
von Staatsanleihen auf der ganzen Welt hatte der
Ölfonds zuletzt seine Investmentstrategie verän-
dert und die Aktienquote auf ein Rekordhoch ange-
hoben. Die sich ausbreitenden Negativrenditen bei
Staatspapieren machen dem Fonds zu schaffen.
„Ihr Anteil hat sich in den letzten drei Quartalen
kontinuierlich erhöht“, sagte Fondsmanager Trond
Grande in Oslo. „Wir haben jetzt den bislang
höchsten Anteil an Anleihen mit negativen Zinsen.“

Lockruf der

Wall Street

Der größte Staatsfonds der Welt denkt über ein


größeres Engagement in US-Aktien nach – zulasten


Europas. Damit folgt der norwegische Pensionsfonds


anderen Geldverwaltern.


Wall Street:
US-Aktien sind
in vielen Fonds
stark vertreten.

Finanzen

& Börsen

DONNERSTAG, 29. AUGUST 2019, NR. 166


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