Handelsblatt - 29.08.2019

(Dana P.) #1
Der Fonds hat bereits auf den Zinstrend reagiert.
Die Bondquote insgesamt wurde auf 28 Prozent ge-
senkt. Im Gegenzug ist der Aktienanteil mit jetzt
über 69 Prozent so hoch wie nie. Drei Prozent der
Gelder stecken in Immobilien. Die Vorgaben des Fi-
nanzministeriums erlauben eine maximale Aktien-
quote von 70 Prozent, bei Staatsanleihen eine von
25 Prozent, und Immobilien dürfen höchstens fünf
Prozent ausmachen.
Der Fonds wurde 1996 eingerichtet, um den
Wohlfahrtsstaat auch nach dem Versiegen der Öl-
und Gasquellen noch finanzieren zu können.
Der Ölfonds dient nicht nur der sozia-
len Vorsorge, sondern soll auch
den Staatshaushalt in der Balan-
ce halten. Außerdem schützt
er Norwegen vor den Effek-
ten zu starker Nettozuflüsse.
Bislang wurden reale Er-
träge von vier Prozent im
Haushalt eingeplant. Ein-
nahmen, die darüber hi-
nausgehen, werden akku-
muliert. Die Regierung hat in
den vergangenen Jahren
mehr Mittel aus dem Fonds ab-
gezogen, um den gesunkenen Öl-
preis zu kompensieren.
Experten großer Vermögensverwalter
interpretieren das Vorhaben der Norweger als
ein Nachsteuern. „Wir bewerten den Schritt als Ad-
justierung“, erklärt Ingo Mainert, einer der Chef-
Anlagestrategen für Europa bei der Allianztochter
Allianz Global Investors. Gegenüber globalen Indi-
zes sei der norwegische Staatsfonds in US-Aktien
schon seit Langem signifikant untergewichtet, wäh-
rend europäische Aktien dort bisher vergleichswei-
se stark vertreten seien.
Große Vermögensverwalter bewegen sich aktuell
extrem vorsichtig auf den vor allem durch politi-
sche Unsicherheit und eine sich abschwächende

Weltkonjunktur extrem labilen Kapitalmärkten.
„Die globale Konjunktur ist in einer geopolitischen
Stagnation gefangen“, resümiert Christoph Witzke,
Leiter CIO Office bei der Sparkassenfondstochter
Deka Investment. Er sieht „kurzfristig keine Fort-
setzung der starken Aktienrally aus der ersten Jah-
reshälfte“. Die Deka-Fondsmanager seien ange-
sichts erhöhter Konjunkturrisiken aktuell defensi-
ver ausgerichtet.
Auch beim weltgrößten Vermögensverwalter
Blackrock spricht „die zunehmende Makrounsi-
cherheit für einen konservativen Ansatz“,
wie Felix Herrmann, Kapitalmarktstra-
tege für Deutschland, sagt. Und Til-
mann Galler, Kapitalmarktstrate-
ge beim Fondsanbieter J.P.
Morgan Asset Management,
sieht eine wachsende Wahr-
scheinlichkeit, dass es in
den Industrieländern in
den kommenden zwölf Mo-
naten zu einer Rezession
kommt. Und das auch dann,
wenn die Notenbanken mit
extrem lockerer Geldpolitik
gegenzusteuern versuchen.
Auch die Fondsmanager des gro-
ßen US-Hauses bauen daher Aktien
mit höherem Konjunkturrisiko ab.
Diese Vorsichtsmaßnahmen führen die Geld-
lenker stärker nach Übersee. Die im Vergleich zu
Europa geringere Verflechtung der USA in den
Welthandel und eine robustere Ertragslage mach-
ten die Region trotz einer höheren Bewertung at-
traktiver als Europa, erklärt Galler.
Bei Blackrock denkt man ähnlich: In den USA
finden die Fondsmanager „mehr Unternehmen mit
attraktiven Wachstumsaussichten, freien Cashflows
und soliden Bilanzen als in anderen entwickelten
Märkten“, sagt Stratege Herrmann. Das hat Grün-
de, die sich bereits in den vergangenen zehn Jah-

ren ausgezahlt haben. „Der S&P 500 hat sich seit
seinem Höchststand vor der Finanzkrise verdop-
pelt. Alle anderen Börsen haben sich, in Dollar und
ohne Dividendenausschüttungen gerechnet, de
facto nicht von der Stelle bewegt“, erläutert Andre
Köttner, Co-Aktienchef der Deutsche-Bank-Fonds-
tochter DWS. Das sei unter anderem der besseren
Gewinnentwicklung der US-Firmen, aber auch der
Zusammensetzung der Indizes geschuldet. Im S&P
500 sind der Dienstleistungssektor und vor allem
auch die Technologiebranche deutlich stärker ver-
treten als in Europas Indizes. Und das rechtfertigt
nach Ansicht von Herrmann von Blackrock die hö-
heren Bewertungen der Aktien in dem breiten US-
Index.

Technologie zählt


So begründet auch Michael Herzum, leitender Ka-
pitalmarktstratege beim genossenschaftlichen
Fondsanbieter Union Investment, die Präferenz sei-
nes Haus für US-Aktien. Der US-Markt werde getra-
gen von seinem im Vergleich zu Europa hohen An-
teil profitabler IT-Unternehmen und dem geringe-
ren Anteil an unprofitablen Banken, sagt er. Im
Technologiesektor, aber auch im Mediensektor las-
sen sich Firmen mit guten Zahlen und damit be-
sonderen Wachstumschancen finden, wie Köttner
von der DWS ergänzt. Letztere bevorzugen die JP-
Morgan-Fondsmanager, wenn sie nicht zu teuer
sind, außerdem Unternehmen aus konjunktursen-
siblen Sparten mit geringer Verschuldung und
überdurchschnittlicher Eigenkapitalrentabilität.
Fündig werden sie dabei aktuell eher unter den
großen Firmen, wie Stratege Galler sagt. Solange
die US-Konjunktur robust bleibe, dürften US-Aktien
besser abschneiden als europäische Dividenden-
werte, sagt Köttner.
Für die USA spricht nach Auffassung der Strate-
gen auch die Politik der Regierung und der Noten-
bank (Fed). „Die Amerikaner tun gegenwärtig alles,
um die eigene Wirtschaft zu stärken, und die Fede-
ral Reserve hat mehr Munition, um eine mögliche
Schwäche auszugleichen“, sagt Klaudius Sobczyk,
Leiter Asset-Management bei PEH Wertpapier.
In Europa erkennen die Fondsmanager dagegen
vor allem Risiken, auch weil die Gewinne der Un-
ternehmen viel stärker von Exporten abhängen
und sie einen von China ausgehenden Abschwung
der Weltwirtschaft befürchten. Verschärft wird die
Situation durch politische Risiken wie den von den
USA angezettelten Handelskonflikt, den Brexit und
die Regierungskrise in Italien. „Europa hat mit Pro-
blemen zu kämpfen, und es ist kaum zu erkennen,
wann eine Lösung zu diesen Problemen gefunden
werden kann“, resümiert Sobczyk von PEH. Doch
die Schwäche Europas birgt auch Hoffnung. Sie
könnte zu einer neuerlichen Lockerung der Geld-
politik der Europäische Zentralbank (EZB) und ei-
ner generöseren Ausgabenpolitik in der Euro-Zone
führen. Blackrock jedenfalls gewichtet europäische
Aktien nicht mehr unter im Vergleich zu Börsenin-
dizes, sondern wieder „neutral“.
Europa abzuschreiben wäre verfrüht, meint
auch Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei
Fidelity International. Schließlich könnte es ja auch
insgesamt weniger schlimm kommen als erwartet.
Der Erfahrung nach werden die großen Vermö-
gensverwalter ihr Kapital dann wieder gewichtiger
auf den Kontinent zurückschaffen – pragmatisch,
wie sie sind.

Aktien im norwegischen Staatsfonds Prozentuale Veränderung seit 31.1.20 13


Top 5 der Herkunftsländer 1


Zum Vergleich: Anteil im MSCI-World-Index2


USA


Großbritannien


Japan


Frankreich


Deutschland


%


%


%


%


%


38


9


9


5


5


USA


Japan


Großbritannien


Frankreich


Kanada


%


%


%


%


%


63


8


6


4


3


S&P 500+92 %


Stoxx Europe 600+29 %


31.1.2013 27 .8.2019


US-Werte liegen vorn


HANDELSBLATT • 1) Stand: 31.12.2018; 2) Stand: Juli 2019 Quellen: Norwegian Ministry of Finance, MSCI, Bloomberg

+100

+80

+60

+40

+20

0

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� Olimpio Fantuz/HUBER IMAGES


100


MILLIARDEN


Dollar könnte der Fonds auf die
US-Aktienmärkte umlenken.

Quelle:
Norwegischer Staatsfonds

In den USA


finden wir


mehr Firmen


mit attraktiven


Wachstumsaus-


sichten, freien


Cashflows und


soliden


Bilanzen als in


anderen


entwickelten


Märkten.


Felix Herrmann
Blackrock

Finanzen & Börsen


DONNERSTAG, 29. AUGUST 2019, NR. 166


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