Handelsblatt - 29.08.2019

(Dana P.) #1

Susanne Schier Frankfurt


E


s ist ein Rennen, das die-
ses Mal offenbar erst auf
der Zielgeraden entschie-
den wird. Die beiden
MDax-Mitglieder Deut-
sche Wohnen und MTU Aero Engines
liefern sich einen spannenden Wett-
lauf um den Aufstieg in die erste Bör-
senliga, den Dax. Nächsten Mittwoch
gibt die Deutsche Börse nach dem
Handelsschluss das Ergebnis ihrer ak-
tuellen Indexüberprüfung bekannt.
Die Entscheidung trifft der Indexan-
bieter auf Basis der Datenlage von
Ende August.
Wer seinen Platz im deutschen
Leitindex für einen der beiden mögli-
chen Aufsteiger räumen muss, gilt
unter Analysten bereits als sicher:
„Dass Thyssen-Krupp vom Dax in
den MDax absteigen wird, ist be-
schlossene Sache“, sagt LBBW-Ak-
tienstratege Uwe Streich. Der Aktien-
kurs des Dax-Gründungsmitglieds hat
sich im vergangenen Jahr fast hal-
biert. Welches Unternehmen hiervon
profitieren und in den Dax aufsteigen
wird, ist Streich zufolge allerdings
selbst kurz vor Torschluss noch nicht
hundertprozentig klar.
Die Deutsche Börse setzt ihre Indi-
zes auf Basis von zwei Kriterien zu-
sammen: der Marktkapitalisierung
der frei gehandelten Aktien sowie
dem durchschnittlichen Börsenum-
satz der vergangenen zwölf Monate.
Grundsätzlich gilt: Ein Dax-Aufsteiger
muss bei beiden Kriterien unter den
Top 35 aller im Prime Standard gelis-
teten Unternehmen sein. Stand Mitt-
wochnachmittag erfüllen diese Vo-
raussetzungen sowohl der Immobi-
lienkonzern Deutsche Wohnen als
auch der Triebwerkhersteller MTU
Aero Engines.

Minimaler Vorsprung
In einem solchen Fall wird derjenige
als Sieger gekürt, der bei der Markt-
kapitalisierung vorne liegt – und das
ist Streich zufolge ganz klar MTU. Die
Krux sei allerdings, dass die Platzie-
rung des Unternehmens in den Top
35 des Börsenumsatzkriteriums im-
mer noch nicht vollends in trockenen
Tüchern sei. MTU rangiere hier näm-
lich genau auf Platz 35. „Würde das
Unternehmen dabei nur um einen
einzigen Rang zurückfallen, würde
stattdessen die Deutsche Wohnen in
den Dax aufsteigen“, erklärt er. Der
Puffer von MTU auf die auf Platz 36
liegende Biotech-Firma Evotec betra-
ge nur 1,8 Prozent.
Mitte des Monats war der Vor-
sprung deutlich größer gewesen. Da-
nach kam es allerdings noch zu stär-
keren Börsenumsätzen bei Evotec,
was den Puffer von MTU fast vollstän-
dig aufzehrte. „Ein so enges Rennen
um einen Dax-Aufstieg wie bei Deut-
sche Wohnen und MTU Aero Engines
gibt es selten. In der Tendenz rechne
ich damit, dass der Triebwerkherstel-
ler das Rennen machen wird“, prog-
nostiziert Index-Experte Tobias Adler
von der Oddo Seydler Bank.
Wenn es MTU in der letzten Minu-
te schafft, der Deutsche Wohnen den
Platz streitig zu machen, verpasse

der Immobilienkonzern eine wirklich
gute Gelegenheit, meint Commerz-
bank-Analystin Petra von Kerssen-
brock. „Es ist vor allem aufgrund des
Börsenumsatzkriteriums nicht ein-
fach, in den Dax aufzusteigen“, er-
klärt die Expertin. „Bei den Unter-
nehmen im deutschen Leitindex ist
die Liquidität relativ hoch. Für die
anderen Firmen ist es schwer, an die-
se Werte heranzukommen.“ Die
Deutsche Wohnen habe sich in den
vergangenen Jahren kontinuierlich
nach oben gearbeitet. Allerdings
musste der Wohnungsvermieter zu-
letzt bei der Marktkapitalisierung Fe-
dern lassen. Die Diskussion um einen
Mietendeckel im angespannten Berli-
ner Wohnungsmarkt drückte auf den
Aktienkurs.
Ein Dax-Aufstieg ist für Unterneh-
men auch deshalb wichtig, weil es
die Aufmerksamkeit bei Investoren
und Analysten deutlich erhöht. Zu-
gleich müssen Indexfonds, die sich
am Dax orientieren, auf die Umstel-
lungen reagieren.
Während über die möglichen Än-
derungen im Dax seit Tagen disku-
tiert wird, lohnt auch ein Blick auf
die anderen Börsenindizes. So geht
Streich von der LBBW davon aus,
dass der Autozulieferer Norma vom

MDax in den SDax absteigen muss. In
den Index der mittelgroßen Unter-
nehmen wechseln dürfte seiner Ein-
schätzung nach CTS Eventim. Sogar
eine weitere Umstellung im MDax
hält er für möglich: Höchstwahr-
scheinlich müsse auch der Einkaufs-
zentren-Betreiber Deutsche Euro-
shop Platz machen. „Derzeit sieht es
danach aus, dass das bisherige SDax-
Mitglied Compugroup reüssieren

wird“, sagt Streich. Aber auch der im
Kapitalisierungskriterium besser plat-
zierte Großküchenausrüster Rational
hat noch Chancen, wenn er sich
beim Börsenumsatzkriterium verbes-
sern kann.
Eine weitere Änderung dürfte im
SDax anstehen: „Ich gehe davon
aus, dass der Maschinenbauer Au-
mann aus dem SDax rutscht, da die
Marktkapitalisierung der frei handel-
baren Aktien zuletzt stark gefallen
ist“, sagt Adler von der Oddo Seyd-
ler Bank. Aufrücken würde seinen
Berechnungen zufolge wahrschein-
lich die Volkswagen-Nutzfahrzeug-
tochter Traton. Weitere Wechsel
dürfte es im Kleinwerteindex nicht
geben, da es offenbar keine weite-
ren Nachrücker gibt.
Die Änderungen werden am 23.
September wirksam. Eine außerplan-
mäßige Anpassung gibt es im MDax
aber schon an diesem Donnerstag:
Der Medienkonzern Axel Springer
muss den MDax verlassen, da der
Streubesitz nach dem Einstieg des Fi-
nanzinvestors KKR zu gering gewor-
den ist. Im Gegenzug rückt der IT-
Dienstleister Cancom nach, der bis-
her im SDax gelistet war. Neu im
Kleinwerteindex vertreten ist dafür
der Immobilienentwickler Instone.

Indexüberprüfung


Spannung bis


zum Ende


Bis zum Stichtag buhlen Deutsche Wohnen


und MTU Aero Engines um den wohl frei


werdenden Dax-Platz von Thyssen-Krupp.


Handelssaal der
Frankfurter Börse:
Im September gibt
es Änderungen in
den Indizes.

Ulrich Baumgarten/Getty Images

Kandidaten für den Dax
MTU Aero Engines
Aktienkurs in Euro

Deutsche Wohnen
Aktienkurs in Euro

243,30 €


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Quelle: Bloomberg

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DONNERSTAG, 29. AUGUST 2019, NR. 166


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