Handelsblatt - 29.08.2019

(Dana P.) #1

Handelsblatt-Tagung


Streit um Provisionen


Das Finanzministerium will


die Zahlungen an die Versiche -


rungsvermittler deckeln. Doch


es gibt Widerstand – auch aus


der CDU.


Carsten Herz Köln


S


taatssekretär Jörg Kukies hat
keine Scheu, schwierige und
umstrittene Themen anzupa-
cken. Schon bei den später letztlich
verworfenen Überlegungen zu einer
Fusion von Deutscher Bank und Com-
merzbank zog der Ex-Deutschland-
chef von Goldman Sachs aus dem Fi-
nanzministerium heraus dezent mit
an den Fäden. Bei einem anderen
heiklen Thema, der umstrittenen
Neuregelung der Provisionen in der
Lebens- und Restschuldversicherung,
scheut der Finanzmann nun ebenfalls
nicht die Auseinandersetzung: der Be-
zahlung von Versicherungsvertretern.
„Wir sind dabei, das Thema zu finali-
sieren, und werden hoffentlich in ab-
sehbarer Zeit die Pläne für einen Pro-
visionsdeckel umsetzen können“, sag-
te Kukies am Mittwoch auf dem Han-
delsblatt Strategiemeeting Lebensver-
sicherung in Köln.
Das Ziel eines Provisionsdeckels sei
auf jeden Fall gerechtfertigt, sagte
der Sozialdemokrat den anwesenden
Versicherungsmanagern, die die Plä-
ne ablehnen, ins Gesicht. Es gebe ei-
nen Vorschlag des Bundesfinanzmi-
nisteriums, der sich aber noch in der
Feinabstimmung befinde. Kukies be-
tonte, dass es dem Ministerium nicht
um ein Provisionsverbot gehe. Er
räumte ein, dass die Vermittler einen
wichtigen Beitrag für die private Al-
tersvorsorge leisten. Aber der Gesetz-
entwurf sei ein wichtiger Impuls,
Fehlanreize zu vermeiden.
Die Aussagen des einflussreichen
Staatssekretärs werfen ein Schlag-
licht auf den anhaltenden Streit zu
diesem Thema. Seit Monaten gilt der
geplante Provisionsdeckel als ein
Zankapfel in der Koalition. Er ist ein
Aufregerthema für die Branche. Das
Bundesfinanzministerium hatte im
vergangenen Sommer vorgeschla-
gen, die Provisionen, die Versicherer
ihren Vermittlern zahlen, per Gesetz
zu begrenzen.
Für Neukunden der Lebens- und
Restschuldversicherung wäre eine
Deckelung ein wichtiger Schritt.

Denn bisher zahlen Versicherte im
Durchschnitt vier bis fünf Prozent
Abschlussprovision in der Lebens-
versicherung, die zu den Klassikern
der privaten Altersvorsorge zählt. So
zahlen die Kunden der Lebensversi-
cherung jedes Jahr knapp sieben
Milliarden Euro dafür, dass Vertre-
ter und Makler ihnen Policen ver-
kaufen und die Gesellschaften sie in
ihre Systeme einstellen. Die Provi-
sionen zehren so einen guten Teil
der ohnehin sinkenden Renditen
der Policen auf. Das geht zulasten
der Privatrenten im Alter.
Ein Referentenentwurf des Bun-
desfinanzministeriums für einen Pro-
visionsdeckel liegt schon länger in
Berlin vor. Demnach sollen die Ab-
schlussprovisionen von Lebensversi-
cherungen auf maximal 2,5 Prozent
der Bruttobeitragssumme begrenzt

werden. In Ausnahmefällen kann die
Quote um 1,5 Prozentpunkte auf ma-
ximal vier Prozent erhöht werden.
Auch bei Restschuldversicherungen
will die Bundesregierung einen fixen
Deckel von 2,5 Prozent auf die Darle-
henssumme einführen. Diese Pro-
dukte sind besonders umstritten,
weil sie häufig durch die Hintertür
die Kredite verteuern, deren Rück-
zahlung sie sicherstellen sollen.
Doch seit Wochen steckt der Refe-
rentenentwurf im Kabinett fest und
wird immer wieder von der Tages-
ordnung genommen. Denn es gibt
unverändert Widerstand gegen die
Regelung aus der Union.
Der CDU-Abgeordnete Carsten Bro-
desser hält das vorliegende Papier für
ein „bürokratisches Monster“, das
junge Makler benachteilige. Er schlägt
etwas anderes vor: Wenn eine Provi-

sion den Marktdurchschnitt um mehr
als 30 Prozent überschreitet, soll die
Finanzaufsicht (Bafin) eingeschaltet
werden.
Die Versicherungsbranche lehnt
einen Deckel grundsätzlich ab. „Wir
sind prinzipiell dagegen und wür-
den dafür plädieren, zunächst mehr
marktkonformere Lösungen zu prü-
fen“, sagte Allianz-Chef Oliver Bäte
am Dienstagabend vor dem Interna-
tionalen Club der Frankfurter Wirt-
schaftsjournalisten. Sollte die Bun-
desregierung jedoch auf ihrem Plan
bestehen, dann müssten auch An-
bieter wie Pensionsfonds und ande-
re Fonds in diese Regelung einbezo-
gen werden.
Bei den Vermittlern, die am meis-
ten getroffen wären, herrscht Ver-
druss. „Ob diese Lösung verfassungs-
rechtlich so umsetzbar ist, werden
wir prüfen“, warnt Michael Heinz,
Präsident des Bundesverbands Deut-
scher Versicherungskaufleute.
Die Vermittler haben sich schon
mit einem Gutachten munitioniert.
Zu den Autoren zählt der Ex-Präsi-
dent des Bundesverfassungsgerichts,
Hans-Jürgen Papier. Er kommt zu
dem Schluss, dass ein Deckel die Ver-
tragsfreiheit der Versicherer und Ver-
mittler ungerechtfertigt einschränken
würde.

Politik soll Farbe bekennen


Die Verbraucherschützer lassen sich
davon nicht beeindrucken. Die Reali-
tät sehe so aus, dass wegen der ho-
hen Provisionen eine echte Beratung
von den Vermittlern gar nicht statt-
finde, kritisierte Gerhard Schick von
der Bürgerbewegung Finanzwende
in Köln. Noch immer würden Kun-
den vor allem in Produkte gelockt,
die hohe Provisionen bieten. Die Ver-
braucherschützer fordern mehr Tem-
po bei der Begrenzung von Verkaufs-
boni beim Verkauf der Policen.
Die Politik müsse nun Farbe beken-
nen, verlangte Axel Kleinlein vom
Bund der Versicherten. Das richte
sich vor allem an die SPD. „Es ist
wichtig, dass das Kabinett bald zu-
mindest den Provisionsdeckel für die
Restschuldversicherung beschließt“,
sagte Dorothea Mohn, Leiterin des
Teams Finanzmarkt beim Verbrau-
cherzentrale Bundesverband (vzbv).
Doch noch scheint der Appell zur Ei-
le nicht überall in der Politik ange-
kommen zu sein.

Jörg Kukies:
Der Staatssekretär
des Bundesfinanz-
ministeriums will
die Pläne für einen
Provisionsdeckel
möglichst schnell
umsetzen.

Willi Nothers


 
      
 
 



   
 
 


  


 
 

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DONNERSTAG, 29. AUGUST 2019, NR. 166


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