Helaba-Zentrale
in Frankfurt:
Helmut Schleweis
kämpft für eine
Superlandesbank.
Vedder, Mario / Keystone
V
or anderthalb Jahren machte sich Hel-
mut Schleweis aus dem eher beschau-
lichen Heidelberg auf den Weg nach
Berlin, um die Präsidentschaft des
Deutschen Sparkassen- und Girover-
bandes zu übernehmen. Seither sorgt er für jede
Menge Wirbel. In einem offenen Brief kritisierte er
zuletzt die Geldpolitik der Europäischen Zentral-
bank (EZB) scharf. Kein Wunder, die hitzige Diskus-
sion darüber, ob noch negativere Zinsen die Ban-
ken zwingen, die Lasten auf breiter Basis an die
Sparer weitzugeben, ist für die Sparkassen beson-
ders brisant. Die Finanzgruppe verwaltet für ihre
Kunden rund 40 Millionen Girokonten.
Herr Schleweis, CSU und SPD denken ange-
sichts der drohenden noch expansiveren Geld-
politik der EZB über ein Verbot von Minuszin-
sen für normale Privatkunden nach. Eine gute
Idee?
Wenn das Verbot negativer Zinsen auch für die EZB
gelten würde, wäre das sogar eine sehr gute Idee.
Aber die Notenbank ist nun einmal unabhän-
gig, und so, wie es aussieht, werden Mario
Draghi und seine Kollegen im September die
Strafzinsen für Geld, das die Banken über
Nacht bei der EZB parken, weiter erhöhen.
Die Sparkassen stehen auf der Seite ihrer Kunden.
Deshalb haben sie die Sparer bisher vor den Aus-
wirkungen der Negativzinspolitik der EZB be-
schützt. Allerdings setzt die EZB die bisherigen
wirtschaftlichen Spielregeln außer Kraft. Wir ha-
ben schon lange darauf hingewiesen, dass die Aus-
wirkungen eines Tages die breite Bevölkerung er-
reichen werden. Die Lösung kann nicht sein, dass
der Staat die Preise festsetzt. Das passt nicht zu un-
serer Wirtschafts- und Rechtsordnung.
Wie ernsthaft ist denn diese Diskussion. Es
existiert ja bereits eine Reihe von Rechtsgut-
achten, die zu dem Schluss kommen, dass Ne-
gativzinsen für Privatkunden auch ohne expli-
zites gesetzliches Verbot auf breiter Basis
juristisch kaum durchsetzbar sind.
„ Jemand wird
das bezahlen
müssen“
Der Sparkassenpräsident über die gesellschaftlichen Folgen der
Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, die wachsende
Gefahr von Minuszinsen für Privatanleger und den Sparzwang
in der Bankenbranche.
Helmut Schleweis
Geldpolitik
In der Zinsfalle
N
ur noch knapp zwei Monate
ist Mario Draghi, der Präsi-
dent der Europäischen Zen-
tralbank (EZB), im Amt. Aber diese
Zeit könnten er und seine Kollegen
für eine historische Weichenstel-
lung nutzen. Bei seiner Sitzung im
September wird der Rat der Noten-
bank noch einmal über eine weit-
reichende Lockerung seiner Geld-
politik beraten. Dabei strebt die
EZB offensichtlich ein großes Paket
verschiedener Maßnahmen an, um
die Inflation in der Euro-Zone end-
lich in Richtung ihres Zielwerts von
um die zwei Prozent zu hieven.
Für die deutschen Banken ist das
eine Horrorvorstellung. Denn statt
der erwarteten Normalisierung der
Geldpolitik droht jetzt eine weitere
Lockerung. Für die Banken dürfte
das noch höhere Strafzinsen für ih-
re Einlagen bei der Notenbank be-
deuten. Bislang müssen die Insti -
tute 0,4 Prozent Zinsen bezahlen,
wenn sie Geld bei der EZB parken.
Experten gehen davon aus, dass
dieser Satz auf 0,5 Prozent steigen
wird.
Seit Draghi die Märkte auf die
geldpolitische Rolle rückwärts vor-
bereitet hat, ist in Deutschland eine
ebenso hitzige wie emotionale Dis-
kussion darüber entbrannt, wie die
Banken mit der noch höheren Zins-
last umgehen sollen. Vertreter von
Privatbanken, Genossenschaftsin-
stituten und Sparkassen warnen,
dass die Geldhäuser die Belastun-
gen auch auf breiter Basis an ihre
Privatkunden weitergeben könnten,
entweder als Minuszinsen oder
durch höhere Gebühren. Bayerns
Ministerpräsident Markus Söder
(CSU) will negative Zinsen für Spa-
rer verbieten, und Bundesfinanzmi-
nister Olaf Scholz (SPD) prüft zu-
mindest, ob das rechtlich möglich
ist. Bislang fordern die Banken vor
allem von Unternehmen und Fi-
nanzdienstleistern Minuszinsen für
Einlagen. Einzelne Geldhäuser bit-
ten auch bereits vermögende Pri-
vatkunden zur Kasse.
Milliardenbelastung
Der Bundesverband Deutscher Ban-
ken (BdB) hat ausgerechnet, dass
der Minuszins von 0,4 Prozent die
deutschen Banken jährlich rund 2,
Milliarden Euro kostet, bei einer
weiteren Zinssenkung würden noch
einmal 600 Millionen Euro fällig.
Die EZB sollte auf die von ihr ins
Auge gefasste geldpolitische Locke-
rung verzichten, fordert deshalb
der Bundesverband der Deutschen
Volksbanken und Raiffeisenbanken.
BdB-Präsident Hans-Walter Peters
plädiert für eine Entlastung der
Banken durch eine Art Staffelzins,
solche Freibeträge existieren bei-
spielsweise bereits in der Schweiz.
Welche Dimension das Problem
hat, macht Michael Rüdiger, Chef
des Wertpapierdienstleisters der
Sparkassen, Dekabank, klar. Er geht
davon aus, dass „positive Zinsen bei
der vorherrschenden Geldpolitik in
der ersten Hälfte der 2020er-Jahre
so gut wie ausgeschlossen sind,
wenn nicht für die gesamte kom-
mende Dekade“. Michael Maisch
Diskutieren Sie mit
Helmut Schleweis
beim Handelsblatt
Banken-Gipfel
vom 4. - 5. September
in Frankfurt.
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Titelthema
Warnung der Sparkassen
DONNERSTAG, 29. AUGUST 2019, NR. 166
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