Handelsblatt - 29.08.2019

(Dana P.) #1

Stephan Jacob


Helfer beim Weltenbauen


S


tephan Jacob hat fast überall
seine Finger im Spiel, die Rede-
wendung passt selten so per-
fekt wie auf den Gründer und Infor-
matiker aus Fulda. Denn seine Tech-
nologie steckt in immer mehr Com-
puterspielen. Und in fast jedem grö-
ßeren Entwickler-Studio für Games
in Deutschland sitzt allmählich ein
ehemaliger Student des Spieleexper-
ten.
Als „Photoshop für Landschaften“
beschreibt Jacob seine Software. Nut-
zer können mit dem „World Creator“
Berge, Wälder und Planeten malen
oder bearbeiten. Das Besondere: Bei
vergleichbaren Programmen müssen
die Nutzer lange warten, bis ihre Än-
derungen auch angezeigt werden,
mit der Technologie seines Unterneh-
mens BiteTheBytes funktioniere das
in Echtzeit, sagt Jacob. Damit hätten

er und seine Mitgründer das Seg-
ment „revolutioniert“.
Ein solcher technischer Vorteil
spricht sich herum in der eng ver-
netzten Games-Branche. „Fast alle
großen Studios wie Microsoft, Activi-
sion-Blizzard, Ubisoft oder EA sind
bereits Kunden und ersetzen ihre al-
ten Tools“, sagt der Gründer. Nun
steige auch die Nachfrage seitens un-
abhängiger Entwickler. Zum Einsatz
kommt seine Technologie etwa im
neuen Teil des Strategiespiels „Die
Siedler“ aus Deutschland. Auch au-
ßerhalb der Spielebranche kommt
die Technik zur Anwendung: Unter
Jacobs Kunden war zum Beispiel
schon Airbus, das die Software für
seine Flugsimulatoren genutzt hat,
sowie das Deutsche Zentrum für
Luft- und Raumfahrt.
Aufwendig an dem Produkt war
vor allem die Softwareentwicklung.
Nur drei Mitarbeiter, die drei Gesell-
schafter, arbeiten für BiteTheBytes.
Den Durchbruch verdanken sie auch
einem anderen Entwickler. Vor etwa
zehn Jahren durften sie ihre Echtzeit-
darstellung mit der Terrain-Genera-

tor-Technik von Johannes Rosenberg
verschmelzen, der sein Programm
Geo Control aus gesundheitlichen
Gründen nicht weiterentwickeln
konnte. Rosenberg wird im Gegenzug
am Verkauf der Lizenzen beteiligt.
Durch die Partnerschaft konnten sich
die Gründer auf ihre Kernkompeten-
zen fokussieren und ohne Fremdka-
pital und Investoren weitermachen.
Eine „Win-win-Situation“, sagt Jacob.
Überall, wo in Computer-Simula-
tionen Landschaften gezeigt werden,
könnte Jacobs Software eingesetzt
werden, etwa von Architekten. Dass
BiteTheBytes vor allem in der Spiele-
branche bekannt ist, liegt wohl an
den Gründern selbst. Stephan Jacob
spielt Computerspiele, „seit ich den-
ken kann“, und stieg mit seiner Aus-
bildung auch professionell in die
Spielewelt ein. In Fulda und Boston
studierte er angewandte Informatik
und fokussierte sich dabei auf die
Medieninformatik, insbesondere die
Computergrafik und Künstliche Intel-
ligenz.
Die Akteure der Games-Industrie
werden oft zu Unrecht in eine Kate-

gorie gesteckt. Stephan Jacob ist ein
gutes Exempel, dass das nicht ge-
rechtfertigt ist. Man könnte ihn als ei-
nen der Philosophen und Denker der
Szene beschreiben. Dass der kulturel-
le Aspekt von Computerspielen im-
mer wieder infrage gestellt wird,
kann er nicht verstehen, im Gegen-
teil: Wenn es um Kunst und Kultur in
Games geht, schwärmt er: „In Com-
puterspielen wird Kultur erschaffen
in einem Ausmaß und so interdiszip-
linär, wie es kein anderes Medium
schafft“, sagt Jacob. Wenn es nach
ihm ginge, dann würde etwa die Mu-
sik aus manchem Computerspiel in
Konzertsälen gespielt werden.
Viel zu selten würde gesehen und
geschätzt, welche Leistungen Pro-
grammierer vollbringen: „Aus ein
paar Zeilen Code, aus ein paar Zeilen
Mathematik entsteht ein wunder-
schönes Bild“, sagt Jacob. „Manch-
mal sehe ich mir Spiele an und den-
ke: Ich hab so etwas Schönes noch
nie gesehen.“ Möglicherweise fehlt es
der Spieleindustrie nur an Menschen
wie Jacob, um den gleichen Stellen-
wert wie der Film zu bekommen.
Aber Jacob tut, was er kann. Zu-
mindest nach innen – als traditionel-
ler Influencer. Der große Mann mit
den kinnlangen blonden Haaren
kann plastisch erklären und macht
das mit Leidenschaft: Seit zwölf Jah-
ren, fast so lange, wie er unternehme-
risch tätig ist, bildet der 37-Jährige an
verschiedenen Instituten in Deutsch-
land angehende Spieleentwickler aus.
Derzeit hat er eine Vertretungsprofes-
sur an der Hochschule in Darmstadt.
Wenn er in der U-Bahn sitzt, wür-
den ihn allerdings wohl die wenigs-
ten Mitfahrer für einen Professor hal-
ten. Denn als daddelnder Hochschul-
lehrer passt er nicht ins Klischee.
„Wenn ich mich unterwegs langwei-
le, spiele ich am Handy Spiele. Wenn
ich abends zu Hause sitze, spiele ich
die großen Triple-A-Spiele, ich kenne
da fast keine Grenzen“, sagt Jacob.
Ein, zwei Stunden am Tag spiele er
an unterschiedlichen Geräten – und
begründet das zwinkernd mit seinem
wissenschaftlichen Interesse: „Es wä-
re schlecht, wenn Studenten von
dem und dem reden, und ich müsste
sagen, ich habe keine Ahnung, von
was du da redest.“ Larissa Holzki

Paul Gauselmann


Ewiger Glücksspiel-Patriarch


D


ie Automatenindustrie und
Paul Gauselmann – das wa-
ren für mehr als ein halbes
Jahrhundert Synonyme. 52 Jahre lang
saß der stets im Dreiteiler gekleidete
Unternehmer im Vorstand des VDAI,
38 Jahre davon führte er den Ver-
band der Deutschen Automatenin-
dustrie. Umso überraschender war
dann der Rückzug von einem Tag auf
den anderen. Für die Branche gab es
auf ihrem Treffen im Sommer kein
wichtigeres Gesprächsthema als das
Ende der „Ära PG“. „Der Schritt war
längst überfällig“, meinten Industrie-

vertreter. Natürlich hätten sie dem
„ewigen Paul“ viel zu verdanken: Er
habe die Automatenwirtschaft groß
gemacht, sie mit seinen Spielotheken
aus der Schmuddelecke geholt.
„Aber irgendwann müssen auch mal
jüngere Leute nachfolgen.“
Zieht sich der Patriarch, der in die-
ser Woche 85 Jahre alt geworden ist,
nun auch aus seinem Konzern zu-
rück, der Gauselmann-Gruppe aus
Ostwestfalen – jenem Konglomerat
aus Spielhallen, Spielbanken und Au-
tomatenfabrik, das er aus dem Nichts
zu einem Glücksspielimperium mit
13 300 Mitarbeitern und zuletzt 2,4
Milliarden Euro Umsatz geformt hat?
Mitnichten. „Wer gibt denn schon
sein Hobby auf ?“, fragt Gauselmann
in seinem Espelkamper Büro. Zur
Hälfte mache er den Job aus Spaß,
zur Hälfte aus Pflichtbewusstsein.

Die neu gewonnene Zeit steckt
Gauselmann, der laut „Forbes“-Liste
vier Milliarden Dollar besitzen soll,
voll in die Firma. Noch fühle er sich
fit, spiele zweimal die Woche Doppel
im Tennis, schwimme regelmäßig.
„Ich würde aufhören, wenn ich mer-
ke, dass ich nicht mehr mithalten
kann“, sagt Gauselmann. Er will noch
einiges anstoßen im Unternehmen.
Schon jetzt macht seine Gruppe
60 Prozent des Umsatzes im Ausland,
das will er weiter ausbauen. Auch,
weil die Politik das Glücksspiel hier-
zulande weiter stark reguliert – und
dafür die Bekämpfung der Spielsucht
anführt. „Natürlich spielen auch bei
uns einige Menschen über ihre Ver-
hältnisse“, gibt Gauselmann zu.
„Aber es ist ein ganz kleiner Prozent-
satz von unseren Besuchern.“ Durch
die strengen Gesetze sind viele Spie-

ler längst ins Netz abgewandert. Dort
ist Glücksspiel in Deutschland aber il-
legal, dem Staat entgehen Milliarden-
einnahmen – und Spieler können oh-
ne Limits und Schutzmechanismen
zocken. Dabei sieht Gauselmann im
Internet die Zukunft. In Ländern wie
Spanien und Großbritannien sei er
damit erfolgreich unterwegs. „An vie-
len Stellen ist unser Land durch fal-
sche Gesetze Letzter bei modernen
Entwicklungen.“
Der Vater von vier Söhnen hat
kaum etwas zu bereuen – neun von
zehn Entscheidungen seien richtig
gewesen. Seine Firma hat er schon
vor drei Jahren in eine Familienstif-
tung übertragen. Auch das Testa-
ment sei gut vorbereitet. „Was soll ich
sonst noch machen? Ich kann mich ja
nicht selbst bedauern, wenn ich nicht
mehr da bin.“ Christian Wermke

Paul Gauselmann:
„Wer gibt denn schon
sein Hobby auf?“

Aus ein paar


Zeilen Code,


aus ein paar


Zeilen


Mathematik


entsteht ein


wunder -


schönes Bild.


Stephan Jacob
Gründer BiteTheBytes

dpa


BiteTheBytes-
Gründer Stephan
Jacob: „Ich spiele
Computerspiele,
seit ich denken
kann.“
Nabil Hanano


Als Unternehmer sorgt der


Informatik-Professor für


Fortschritt in der


Spielebranche. Doch seine


Technologie kann noch mehr.


Mit 85 Jahren zieht sich der


Unternehmer aus der


Verbandsarbeit zurück.


In seinem Konzern will er


aber keinesfalls kürzertreten.


Familienunternehmen des Tages


DONNERSTAG, 29. AUGUST 2019, NR. 166


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