Handelsblatt - 29.08.2019

(Dana P.) #1

Elmar Heggen: Der Manager leitet künftig das
operative Geschäft des Senders.


ddp images/Sven Simon

Andreas Kröner Frankfurt


M


it der Aufarbeitung illegaler
Geschäfte in der Finanz-
branche kennt sich Stephan
Leithner aus. Im Frühjahr
2012 stieg er bei der Deut-
schen Bank zum Vorstand für das Europage-
schäft, Personal, Recht und Compliance auf.
Wenig später kam die Bank aufgrund der Er-
mittlungen zur Zinsmanipulationsaffäre
durch die deutsche Finanzaufsicht Bafin
stark in die Kritik.
Heute steht der 53-Jährige wieder im Zen-
trum eines Skandals. Als Vorstand der Deut-
schen Börse muss er aufklären, welche Rolle
die Tochter Clearstream bei Cum-Ex-Geschäf-
ten gespielt hat, mit denen Kriminelle den
Staat über Jahre um Milliarden prellten. Am
Dienstag war Leithner vor Ort, als 50 Beamte
in der Konzernzentrale in Eschborn bei
Frankfurt zu einer Razzia anrückten. Am
Mittwoch ging die Durchsuchung weiter.
Leithner sitzt erst seit gut einem Jahr im
Vorstand der Deutschen Börse und muss sich
nun nach relativ kurzer Zeit erneut mit du-
biosen Geschäften beschäftigen, die sich vor
seinem Amtsantritt ereigneten. Und ähnlich
wie damals bei der Deutschen Bank leidet
durch die Ermittlungen der Behörden auch
heute die Reputation seines Arbeitgebers.
Doch es gibt auch Unterschiede. So wur-
den bei der Deutschen Bank viele illegale Ge-
schäfte maßgeblich von Händlern vorange-
trieben, die dadurch hohe Gewinne einfuh-
ren und millionenschwere Bonuszahlungen
kassierten. Beides ist bei der Deutschen Bör-
se, einem eher beschaulichen Unternehmen
mit rund 6 000 Mitarbeitern, nicht der Fall.
Die Deutsche Börse macht im Gegensatz zu
Banken auch keine Aktiengeschäfte auf eige-
ne Rechnung, sondern ist lediglich für deren
Abwicklung zuständig. Vorstandschef Theo-
dor Weimer äußerte deshalb Anfang des Jah-
res die Vermutung, dass die Behörden den
Konzern vor allem deshalb ins Visier genom-
men haben, um an weitere Informationen
über Cum-Ex-Geschäfte zu kommen.
Doch die ausgeweiteten Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft deuten auf weiteren Ärger
hin. Konkret geht es um den Verdacht, dass
Clearstream-Mitarbeiter Banken bei mutmaß-
lich illegalen Geschäften beraten haben. Die-
se Vorwürfe muss Leithner, der im Vorstand
der Börse für Clearstream zuständig ist, nun
aufklären.
Der Österreicher ist bekannt für sein be-
sonnenes und analytisches Auftreten. Wenn
er über ein Thema spricht, nennt er oft die
wesentlichen Argumente, seine Schlussfolge-
rung – und beendet den Satz dann mit einem
rhetorischen „Oder?“.
Leithner wurde in Innsbruck geboren und
wuchs am Achensee in Tirol auf. Sein Bruder
übernahm dort später das familieneigene Ho-
tel, während Stephan Leithner in der Finanz-
branche Karriere machte. Er promovierte an
der renommierten Universität St. Gallen und
heuerte anschließend bei McKinsey an.
Dort beriet er unter anderem die Deutsche
Bank bei ihrem Wandel hin zu einer globalen
Investmentbank. Im Jahr 2000 wechselte er

ganz in die Doppeltürme – und verbrachte
insgesamt 15 Jahre bei Deutschlands größtem
Geldhaus. Anschließend arbeitete Leithner
drei Jahre für den Stockholmer Finanzinves-
tor EQT und gewann in dieser Zeit auch
mehrfach das firmeninterne Skirennen – sehr
zum Ärger seiner schwedischen Kollegen.
Seit Sommer 2018 ist Leithner nun bei der
Deutschen Börse – und hat diesen Schritt bis-
her kaum bereut. Die Gewinnmargen sind
deutlich höher als im Banking. Und auch
technisch ist der Dax-Konzern besser ausge-
rüstet als die meisten Geldhäuser. „Bei den
Börsen wurde schon kräftig digitalisiert und
umgestellt, als die Stärke von Handelssälen
bei den Banken noch an der Anzahl der auf-
gestellten Bildschirme gemessen wurde“, sag-
te Leithner Anfang des Jahres in einem Inter-
view. „Wir sind ein Anbieter von Infrastruk-
tur. Da gilt es, der Zeit voraus zu sein.“
Bei vielen Mitarbeitern hat Leithner bisher
einen guten Eindruck hinterlassen. Einige
trauen ihm zu, eines Tages Weimers Nachfol-
ge als Vorstandschef anzutreten. Eine über-
zeugende Aufarbeitung der Cum-Ex-Geschäf-
te wäre dafür sicherlich zuträglich.

Stephan Leithner


Zurück im


Scheinwerferlicht


Einst arbeitete er einen Skandal der Deutschen Bank auf. Nun befasst


er sich als Vorstand der Deutschen Börse erneut mit einer Affäre.


Stephan Leithner:
Muss Geschäfte
aufarbeiten,
die vor seiner
Amtszeit eingefä-
delt wurden.

Shutterstock

Wir sind ein


Anbieter von


Infrastruktur.


Da gilt es, der


Zeit voraus


zu sein.


Stephan Leithner
Vorstand der
Deutschen Börse

Elmar Heggen


Der neue starke


Mann bei RTL


A


uf dem Terminplan stand die Präsenta-
tion der Halbjahreszahlen. Doch seinen
ersten Auftritt als Vorstandschef der

RTL Group nutzte Thomas Rabe zugleich auch,


um die Ergebnisse seines Personalumbaus vor-


zustellen. Die wichtigste Neuigkeit: Der langjäh-


rige Finanzchef Elmar Heggen ist künftig als


COO für das operative Geschäft des TV-Kon-


zerns verantwortlich. Damit holt Rabe, der so-


wohl RTL-CEO als auch Vorstandsvorsitzender


des Mutterkonzerns Bertelsmann ist, einen er-


fahrenen Manager an seine Seite.


Seit dem Jahr 2006 arbeitet Heggen als Fi-


nanzvorstand in Luxemburg, wo auch Rabe


früher tätig war. „Zu Rabe hat er ein sehr en-


ges, freundschaftliches Verhältnis“, sagt ein


früherer Vorstandskollege. „Heggen steht in ab-


soluter Loyalität zu ihm und dem Haus Bertels-


mann.“


Der gebürtige Dürener Heggen gilt als Urge-


stein der RTL Group. Schon zu Zeiten von Ger-


hard Zeiler, dem Vor-Vorgänger des heutigen


RTL-Chefs Rabe, war es Heggen, der konzen-


triert und sachlich für Transparenz sorgte.


Selbst in kritischen Phasen, beispielsweise als


die britische Senderfamilie verkauft werden


musste, blieb Heggen der ruhende Pol des Un-


ternehmens. „Er ist ein sehr guter Finanzmana-


ger und genießt hohes Ansehen in der Finanz-


Community“, sagt ein ehemaliger Vorstands-


kollege. Heggen, der einst im Schwimmen eine


olympische Goldmedaille holte, gilt als ange-


nehmer und uneitler Chef.


Neuer Finanzvorstand der RTL Group wird


der bisherige Bertelsmann-Manager Björn Bau-


er. Mit dem neuen dreiköpfigen „Executive


Committee“ will Rabe den TV-Konzern in die


Zukunft führen. Die Herausforderungen sind


groß: Der klassische TV-Werbemarkt steht un-


ter Druck, Streaminganbieter wie Netflix und


Amazon Prime locken immer mehr Zuschauer


an. Klassische TV-Sender wie RTL und Pro Sie-


ben müssen ihr Geschäft verändern.


In den ersten sechs Monaten des Jahres stie-


gen die Erlöse der RTL Group um 4,2 Prozent


auf 3,2 Milliarden Euro. Das Betriebsergebnis


(Ebita) sank um zehn Millionen auf 538 Millio-


nen Euro – dies lag an höheren Investitionen in


Programminhalte, so kostete die Übertragung


von Fußballspielen viel Geld.


Catrin Bialek, Hans-Peter Siebenhaar


Björn Bauer:
Neuer RTL-
Finanzvorstand.
RTL

Namen


des Tages


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DONNERSTAG, 29. AUGUST 2019, NR. 166


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