AD Architectural Digest - September 2019

(Ron) #1

asersteBürolagineineraltenKunstdruckerei.Einfastquadrati­
scherRaummitgeklinkertenWändenundgroßenFenstern,die
DeckenfünfeinhalbMeterhoch.„Dasswirdarausmussten,war
eineKatastrophefürmich“,erzähltPeterMartin.FürseineAgen­
turMartinetKarczinski,mitdererseit 19 JahrengroßenKon­
zernenwiederLufthansabeiderstrategischenAusrichtungih­
rerMarkenhilft,istdieArchitekturaucheinManifestderArbeit.
DochüberdieJahreistdieFirmazugroßgeworden.Vergleichba­
reRäumezufinden,zumalinMünchen,schienunmöglich.
SofieldieWahlebenaufeinenentkerntenZweckbauausden
SechzigernamRandederMaxvorstadt.AbgehängteDecken,klei­
neFenster– abergroßgenugfürdiegut 100 Mitarbeiter.Nur:Wie
bringtmanhierseineHaltungzumAusdruck?Undvorallem:mit
wessenHilfe?„MankenntjadieüblichenAdressen“,sagtMartin.
AlldieinternationalenBüros.„Diesagendann:Soistes.“Peter
Martinaber,Macher,Chef,Kreativer,sagtübersich:„Ichbrauche
niemanden,dermirIdeengebenmuss.Ichhabejemanden gesucht,
mitdemichdaswirklichgemeinsammachenkann.“
AufeinerVeranstaltunglernterMelaGruberkennen.Siewar
BühnenbildnerinundführtnunzusammenmitihremPartner,
demArchitektenFlorianDressler,dasBüroSevenElohim.Beide
vereinteineunkonventionelleHerangehensweise.„EsgibtNatur­
gesetze,diesindgrößeralswirselbst“,sagtGruber.„Dafürwird
maninderklassischenArchitekturmeistnurbelächelt.“Siebefra­
genPeterMartinzuseinenGeburtskoordinaten,sprechenmitihm
nichtüberQuadratmeter,sondernüberAtmosphärenundEner­
gien.„Wennmansichwirklichaufunseinlässt“, erklärt Florian
Dressler,„isteseinsehrintimerProzess.“
BeidererstenBegehungistMelaGruberwenigzuversichtlich.
DieWaschräumeimNordostensind„energetischfalschgelegen“,
dieFenstergrünstichig,dieDeckenniedrig.„IchhabezuFlorian
gesagt:Dasmachenwirnicht.Wirkönnennurverlieren.“DerZu­
fallwilles,dasseinkaputtesDeckenteilherunterhängtundden
BlickaufdieRippendeckedesRohbausöffnet.„Unddann“,sagt
MelaGruber,„habenwirausderRippeeineTugendgemacht.“
ImgroßenBesprechungsraumführendreiDeckenfeldernun
ineine Flucht, mündenin zentraler Achseam Eingang zum Si­


gnetderAgentur– einemStern.FürPeterMartineineMetapher:
„GuteMarkenentstehen,wennInhalt,FormundHaltungüber­
einkommen.UndwirmachenunsereKundenzumleuchtenden
SternamMarkenhimmel.“DiesakraleSymbolikistbeabsichtigt.
„WirwollteneinmodernesKlosterschaffen.“DerKonferenztisch
ähneltderTafeldesletztenAbendmahls,WasserspenderausNa­
tursteinerinnernanTaufbecken,darüberleuchtetZumthors„Can­
deladiVals“.„DieRäumevermittelneineandächtigeStimmung“,
findetPeterMartin.„Undkommunizieren:WasandiesemTisch
besprochenwird,mussHaltbarkeit,Offenheit,Ehrlichkeithaben.“
DieneuenRäumesolltenmenschlicher,nahbarerseinalsdie
slicke,weißeSchleiflack­ÄsthetikderNullerjahre.DiealtenBüro­
stühlevonKonstantinGrcicausweißemLederlässtMelaGruber
mitgrauemFlanellbeziehen.NurKonferenzräumesindverglast,
esdominierenNatursteinundmassiveEiche.DiemeistenMöbel
wurdeneigensentwickelt,etwadiemitLoroPiana­Stoffenbezo­
genenRaumtrennersamtStaufächern,diedenSechser­Arbeitsin­
selnmehrPrivatsphäregeben,mit1,65Meternabergleichwohlso
niedrigsind,dasssichniemandeingeengtfühlt.HinterLamellen­
türenverbergensichakustischisolierteSitznischen.KeinLärm,
keineUnordnungstörtdieschöpferischeRuhe.Nichtsdeutetda­
raufhin,dassaufzweiEtagenrund 100 Menschenarbeiten.
Damitdiesichtatsächlichtreffen,gibtesnurimEingangs­
bereichimzweitenStockeinegroßeKaffeemaschine.Diemaßge­
fertigteStahlküchedahinterwirdauchfürTerminemitKunden
häufiggenutzt.„ManlerntsichbeimgemeinsamenKochenneu
kennen“,sagtPeterMartin.„WennGeschäftescheitern,liegtesja
nichtdaran,dassdasKnow­hownichtvorhanden gewesen wäre.
EsscheitertoftamZwischenmenschlichen.“
UndgeradeimZwischenmenschlichen,imZuhörenundAna­
lysierenliegtdieKunstvonSevenElohim– undineinemGespür
fürdieTonalitätvonRäumen.MitrosaPigmentenetwalasieren
siediegrüngraueBetondecke.EineNuancenur,undschonhat
mannichtmehrdasGefühl,dieDeckefalleeinemaufdenKopf.
„Miteinander“,sagtMelaGruber,„istunseinschönesWerkgelun­
gen.UnddasSchönstedaranwardieZusammenarbeit.“
GanzobenimPenthousebefindetsichPeterMartinsBüromit
einerweiterenKüche,dazuSofas,KaminundeinAlkovenfür
Deadline­Nächte.AngutenTagensiehtmanvonderTerrassebis
zudenAlpen.OfthaterhierBesuchvon
Vorständen, die wichtige Unternehmen
leiten,die aber auch ganzmenschliche
SorgenundÄngsteplagen.Menschen,die
sichfragen, welchen Beitragsie inder
Weltleisten.HinterMartinsTischhängen
ArbeitenderFotografinElinorCarucci.Es
sindintimeAufnahmenihrerFamilie,Bil­
derderVerletzlich­undVergänglichkeit.
PeterMartinschautsielangean.„Siehel­
fen,perspektivischzudenkenundzuhan­
deln.“Undsichfestzulegen.Sowieer,der
fürmindestenszehnJahreindiesenRäu­
menbleiben wird – solangeläuft der
Mietvertrag.„Ich habegehofft,dassder
Tagkommt,andemichdiesenUmzugals
etwasPositivessehe“,sagtPeter Martin.
„Und heuteister gekommen.“
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