Der Tagesspiegel - 24.08.2019

(Nora) #1

Es ist angerichtet. Vier Seiten für Genießer!


Diesmal lassen wir uns


den Naturschutz schmecken –


mit invasiven Delikatessen


INTERNATIONAL ARBEITENDE Küchenchefs
mit großem Namen sind in Berlin nicht so ge-
fragt – das Thema hatten wir neulich schon
einmal am Beispiel vonPaco Pérez(Foto) und
dessen BerlinerCinco, das nach dem Verkauf
des Hotels drum herum ziemlich ungeliebt
wirkt. Pérez allerdings lässt sich nicht entmu-
tigen und expandiert nun nach Polen, wo er in
Danzigschon mal insofern bessere Vorausset-
zungen findet, als der Blick aus dem 33. Stock
des Hotels „Olivia Star“ über die Ostsee un-
schlagbar ist. Die Küche indessen dürfte fest
im Spanisch-Mediterranen fixiert bleiben,
denn das Hotel kündigt für das „Arco“ ein
„Fine Dining der Spitzenklasse“ nach Rezep-
ten von Pérez an, umgesetzt vonAntonio Ar-
cieri. Eröffnung soll noch in diesem Jahr sein.

***

IN BERLINgibt es auch ein paar Überflieger,
dieimmer Beachtung verdienen,und insofern
ist es doppelt interessant, was mit demAlten
Zollhausin Kreuzberg passiert: InhaberHer-
bert Beltle(Foto), der ja dieser Tage schon
sein „Aigner“ geschlossen hat, zieht sich auch
dort zumJahresende zurück und überlässt das
Tagesgeschäft den Leuten vom Rutz um
KüchendirektorMarco Müller.An der Konzep-
tionwill er aber mitarbeiten, und es wird inte-
ressant werden, zu sehen, wie seine sehr kon-
servative Auffassung von Regionalküche mit
der sehr avancierten von Müller kontrastiert,
undweramEndedieOberhandbehält...Beltle
will sich künftig vor allem um seine Familie,
die „Rotisserie Weingrün“ und sein Weingut
Horcherkümmern,dasdürftedurchausabend-

füllend genug sein für einen 61-Jährigen.
Beltle, der als äußerst kühler Rechner gilt
(„Meine Sterne gibt mir nicht der Michelin,
sondern mein Steuerberater“), hat 30 Jahre
rangeklotzt;das„AlteZollhaus“istnebendem
„Kempinski-Grill“ vermutlich das einzige ge-
hobene Restaurant in Berlin, das noch auf die
Zeitvor derMaueröffnung zurückgeht.

***

NICHT GANZ SO LANGwar die planende Hand
in einigen anderen Restaurants, die sich ge-
rade verändern.Jörg Lawerenz,Küchendirek-
tor im Hotel Regent und Chef im Restaurant
Charlotte und Fritz, geht Ende September,
Nachfolger noch unbekannt. Im kulinari-
schenDiskurs derStadt,der dasLässig-Regio-
nale betont, hat das elitäre Hotel-Restaurant
allerdings bislang auch keinen Platz gefun-
den, ein Schicksal, das es mit dem 1687 teilt,
dasvorgut einem Jahrplötzlicham Neustädti-
schen Kirchplatz in Mitte aufploppte. Grün-
dungs-Küchenchef Tomasz Trabski hat das
Haus nun verlassen, sein Nachfolger istPa-
trick Schettling.

F


einde hat jeder. Fressfeinde nicht.


Der Tiergartenkrebs etwa, auch


als Louisanakrebs bekannt, denn


das Krustentier stammt aus dem


amerikanischen Süden. Wie es in die Ber-


liner Gewässer kam, darüber kann man


nur mutmaßen. Vielleicht hat jemand


sein Aquarium samt Bewohner im Park


ausgegossen. Jedenfalls gibt es jetzt in


Berlin so viele von ihnen – Stichwort: keine Fressfeinde –,


dass ihr Bestand allmählich überhandnimmt.


Gut so, dachte sich Lukas Bosch, denn was die Natur


scheinbar ignoriert: Sie sind eine Delikatesse! Aus dem


Problemkrebs wurde eine Geschäftsidee: Zusammen mit


Juliane Bublitz und Andreas Michelus gründete Bosch das


Start-up „Holycrab“, das sich auf invasive Arten speziali-


siert hat, die das Ökosystem belasten, wenn sie zu viele


werden. Was man aus ihnen alles machen kann, das zeigen
sie in ihrem Foodtruck, der unter anderem regelmäßig am

Streetfood Thursday in der Markthalle IX steht.


Eine schöne Möglichkeit die invasiven Delikatessen ken-


nenzulernen, ist die Veranstaltungsreihe im Feinkostladen


„Vom Einfachen das Gute“. Beim Auftakt geht es natürlich


um den Tiergartenkrebs, der am 28. August in mehreren


Varianten auf den Tisch kommt (69 Euro


mit Wein, ab 20 Uhr, Reservierung Tel.


28 86 48 49). Am Menü feilt Andreas Mi-


chelus noch, der im Hotel am Steinplatz


und im La Banca gekocht hat. Eine Loui-


sana Crawfish Boil ist aber gesetzt. Wei-


tere Folgen widmen sich dem Kamber-


krebs (11. September) und der Chinesi-


schen Wollhandkrabbe (2. Oktober).


Dazu gibt’s regionales Biogemüse von Querfeld, das so


krumm ist, dass Supermärkte es nicht verkaufen wollen.


Die Serie könnte problemlos auch nach der Fangsaison


weitergehen. Denn längst haben Holycrab neue Plagen auf


dem Speiseplan: etwa in Form einer Wildschweinbrat-


wurst oder einem Pulled Fish vom Graskarpfen. Im Herbst


soll noch mehr dazukommen. Die Jäger, mit denen sie in


Kontakt sind, könnten Marderhunde, Nil- und Kanada-


gänse liefern. OderNutrias,auch Biberratten genannt.Da-
raus könnten Burgerpattys werden, sagt Lukas Bosch, der

eigentlich Unternehmensberater ist. Und dann forschen


sie längst schon mit invasiven Pflanzen wie dem japani-


schen Sumpfknöterich, die sich in den Parks breitmachen,


wo sie nichts zu suchen haben. Aber das ist eine andere


Geschichte. Felix Denk


Tisch GESPRÄCH


Muss weg


So gut kann Naturschutz
schmecken: Das Start-up

HOLYCRABzeigt im Deli


„Vom Einfachen das Gute“,


was man aus invasiven Arten


wie dem Tiergartenkrebs


alles zaubern kann.


Invalidenstr. 155, Mitte


GUT ESSEN, TRINKEN & KOCHEN IN BERLIN


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MEHR GENUSS


Namen sind Nachrichten – im


kulinarischen Business nicht


anders als im Rest der Welt.


Bernd Matthies informiert


über den neuesten Stand in


Berlin, aber ausnahmsweise


auch in Danzig


Fotos: Mike Wolff, promo/ cinco, promo/ holycrab, Illustration: gettyimages, Gestaltung: Sonja Röhrig

SONNABEND, 24. AUGUST 2019
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