Die Welt Kompakt - 28.08.2019

(Brent) #1

DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MITTWOCH,28.AUGUST2019 FORUM 15


J


edes Kind in Deutschland be-
sucht eine Grundschule. Mit ihr
beginnt die allgemeine Schul-
pflicht. 2018 gab es in unserem
Land 15.400 Grundschulen.
Eingeschult wird man in der Regel in einer
wohnortnahen Schule, damit weite Wege
fffür die sechs Jahre alten Kinder vermiedenür die sechs Jahre alten Kinder vermieden
werden. Weil die Grundschule eine
ZZZwangsgemeinschaft ist, der sich kein Kindwangsgemeinschaft ist, der sich kein Kind
entziehen kann, achten Eltern auf die
pädagogische Qualität der ins Auge gefass-
ten Schule. Sie lässt sich verlässlich an den
Ergebnissen eines Testverfahrens ablesen,
das in ganz Deutschland angewandt wird.
In dem Vergleichstest VERA für Schüler
der dritten Klasse werden Kenntnisse und
Fähigkeiten in Deutsch und Mathematik
aaabgefragt. bgefragt. Den Test in der dritten Klasse
durchzuführen ist sinnvoll, weil danach
noch ein ganzes Schuljahr bleibt (in Berlin
und Brandenburg noch drei), bevor der
Ü

nd Brandenburg noch drei), bevor der
Ü

nd Brandenburg noch drei), bevor der
bergang auf die weiterführende Schule
stattfindet. Da einige Bundesländer den
Zugang zum Gymnasium noch nicht gänz-
lich dem Elternwillen anheimgestellt ha-
ben, können die Eltern an den VERA-3-
Ergebnissen ablesen, ob „ihre“ Grund-
schule die Schüler gut auf den Übergang in
die beliebteste Schulform vorbereitet.
Im Juli 2019 wurden die neuesten Ergeb-
nisse des Vergleichstests VERA 3 veröffent-
licht. Besonders schlecht schnitten wieder
einmal die Berliner Schüler ab. In Deutsch
erreichten 52 Prozent nicht den Regelstan-
dard, der das durchschnittliche Leistungs-
niveau beschreibt. In Mathematik waren es
sogar 56 Prozent. Ein Jahr zuvor waren in
Baden-Württemberg die VERA-3-Ergeb-
nisse so schlecht ausgefallen, dass ein
AAAufschrei durchs Land ging. Auffällig wa-ufschrei durchs Land ging. Auffällig wa-
ren vor allem die Ergebnisse bei Schülern
mit fremder Herkunftssprache: 79 Prozent
versagten in der Orthografie, 70 Prozent
beim Lesen, 73 Prozent in der Mathematik.
Diese Ergebnisse sind so schlecht, dass
man kaum davon ausgehen kann, dass die
Defizite im verbleibenden vierten Schul-
jahr noch behoben werden können.
Bremen und Niedersachsen haben sich
geweigert, am VERA-3-Vergleichstest mit-
zuwirken. Vielleicht ahnten deren Kultus-
minister, dass auch die Schüler ihres Lan-
des schlecht abschneiden würden. Den
Kopf in den Sand zu stecken, um die
schlimme Botschaft nicht vernehmen zu
müssen, war noch nie eine sinnvolle Lö-
sung. Im Zeitalter von Transparenz und
Offenheit ist diese Weigerung gegenüber
der interessierten Öffentlichkeit und den
Eltern zudem respektlos.
WWWas ist los mit unseren Grundschulen?as ist los mit unseren Grundschulen?
WWWarum schaffen sie es offensichtlich nicht,arum schaffen sie es offensichtlich nicht,

der Mehrheit der Schüler ein solides Wis-
sensfundament in Deutsch und Mathema-
tik zu vermitteln? Zur Beantwortung die-
ser Frage muss man einen Blick in die
Grundschulklassen werfen. Da die Grund-
schule eine Gemeinschaftsschule ist, drü-
cken dort Kinder unterschiedlichster Auf-
fffassungsgabe, intellektueller Begabung undassungsgabe, intellektueller Begabung und
Lerneinstellung gemeinsam die Schulbank.
Die Kluft reicht vom Kind aus dem Bil-
dungsbürgertum, das bei der Einschulung
schon lesen und schreiben kann, bis zum
Kind einer arabischen Familie, das des
Deutschen nur in Bruchstücken mächtig
ist. Hinzu kommt, dass die Sekundärtugen-
den völlig unterschiedlich ausgeprägt sind.
Konzentration auf die Sache und Ausdauer
aaauch bei schwierigen Aufgaben haben vieleuch bei schwierigen Aufgaben haben viele
Kinder im Elternhaus nicht gelernt. Dis-
ziplin und Ordnungssinn sind auch nicht
jedem Kind gegeben. Auch die Fähigkeit,
sich in der Gruppe zurückzunehmen, das
eigene Ego zu zügeln, hängt sehr stark von
der Erziehung der Eltern ab. Wie die Lern-
ffforschung weiß, sind es gerade diese „wei-orschung weiß, sind es gerade diese „wei-
chen Faktoren“, die über den Lernerfolg
entscheiden.
Die Benachteiligungen von Kindern
beginnen, wie man heute weiß, sehr früh.
WWWenn eine schwangere Frau häufig klassi-enn eine schwangere Frau häufig klassi-
sche Musik hört, entwickelt das Neugebo-
rene schon früh ein Rhythmusgefühl, die
VVVorstufe von Musikalität. Wenn kleinenorstufe von Musikalität. Wenn kleinen
Kindern regelmäßig vorgelesen wird, bil-
den sie ein differenziertes Sprachver-
mögen aus und schreiben schon in der
Grundschule verblüffend gute Texte. Wenn
ein Kind im Elternhaus erlebt, dass die
Eltern elaboriert reden und viel diskutie-
ren, überträgt sich dieses sprachliche Ver-
mögen auf das Kind. Es wird zum verbal
geschickten, selbstbewussten Streiter in
eigener Sache. Wenn ein Kind Lob und
Zuspruch erfährt, wenn es die Welt im
Spiel entdeckt, wird es später auch im
schulischen Lernen Neugier und Ehrgeiz
entwickeln. Wenn man sich von all diesen
stimulierenden Anreizen das Gegenteil
denkt, kann man ermessen, wie tiefgründig
und nachhaltig die Handicaps und Defizite
sind, mit denen die Kinder zu kämpfen
haben, die in bildungsfernen Elternhäusern
heranwachsen müssen. Schon in der
Grundschule sitzen sie im hintersten Wag-
gon des Geleitzugs.
Die entscheidende Frage für die Eltern
ist: Kann die Grundschule diese Defizite

Versager


Grundschule


Sie bereitet immer schlechter auf weiterführende


Schulen vor. Das hat fatale Folgen für alle Kinder.


Doch das eigentliche Problem sind


Bildungspolitiker und Pädagogen, die hilfreiche


Methoden als politisch unkorrekt abqualifizieren


RAINER WERNER

LEITARTIKEL

noch ausgleichen? Nach allem, was wir
üüüber kompensatorische Bildung wissen,ber kompensatorische Bildung wissen,
kann sie es nur sehr begrenzt. Sie kann es
vor allem nicht, wenn die Lehrkräfte zu
didaktischen Konzepten greifen, die wenig
Erfolg versprechen. Auch dem Nichtfach-
mann leuchtet ein, dass der Unterricht in
der Grundschule differenziert werden
muss, weil die Lernvoraussetzungen der
Kinder zu unterschiedlich sind. Das mo-
dische Prinzip des individuellen Lernens –
jeder Schüler arbeitet die Aufgaben selbst-
ständig ab – eignet sich freilich nur für
Schüler, denen ein wacher Verstand und
die Fähigkeit, sich selbst zu organisieren,
gegeben sind. Die schwachen Lerner kom-
men bei der Selbstlernmethode unter die
Räder, weil sie die Unterstützung der Lehr-
kraft benötigen, die sie Schritt für Schritt
zur Lösung der Aufgaben führt.
VVViel Schaden haben beim Erlernen deriel Schaden haben beim Erlernen der
Orthografie die Methoden „Schreiben
nach Gehör“ und „Lesen durch Schreiben“
angerichtet. Sie haben die Schüler ver-
wwwirrt, weil sie nach zwei Jahren anar-irrt, weil sie nach zwei Jahren anar-
chischen Schreibens plötzlich gezwungen
waren, sich an die Rechtschreibregeln zu
halten. Rechtschreibung ist eine Schlüssel-
qqqualifikation für das Lernen in allen Fä-ualifikation für das Lernen in allen Fä-
chern und zudem eine wichtige Denk-
schulung. Die Schüler einer fragwürdigen
Lernmethode auszuliefern, war ein päda-
gogischer Sündenfall.
Das Leistungsgefälle zwischen den
deutschsprachigen Grundschülern und den
Schülern nicht deutscher Herkunftsspra-
che belegt einmal mehr die Wichtigkeit,
dass die Schüler von der ersten Klasse an
das Deutsche so beherrschen, dass sie dem
Unterricht folgen können. Dies ist dann
nicht gewährleistet, wenn Kinder keine
Kita besuchen und zu Hause nur die Her-
kunftssprache gesprochen wird. Sinnvoll
wäre es deshalb, die allgemeine Schul-
pflicht, die für alle Kinder ab dem sechsten
Lebensjahr gilt, für Kinder mit sprach-
lichen Defiziten um eine Vorschulpflicht
aaab dem fünften Lebensjahr zu ergänzen.b dem fünften Lebensjahr zu ergänzen.
Wie könnte das gehen? Erziehungsberater
mit Diagnosekompetenz suchen die Eltern-
häuser auf und ermitteln im Gespräch mit
dem Kind dessen Sprachstand. Bei Defizi-
ten sprechen sie eine Empfehlung für den
verpflichtenden Besuch einer Vorschule
aaaus. Für Kinder aus Migrantenfamilienus. Für Kinder aus Migrantenfamilien
wäre der zusätzliche Einsatz von „Stadt-
teilmüttern“ sinnvoll. Dies sind Frauen, die
selbst ein Einwanderungsschicksal haben
und die sich als häusliche Erziehungs-
beraterinnen betätigen. Sie beraten vor
allem Mütter aus der Migrantenschicht,
die wegen mangelnder Sprachkenntnisse
nie zu einer öffentlichen Familienberatung
gehen würden. Die Stadtteilmütter ver-
mitteln Informationen zur Kindererzie-
hung, zu Gesundheit und Familienrecht,
zur Sprachförderung und zum Medien-
konsum. Auch Suchtprophylaxe und Hilfe
bei häuslicher Gewalt stehen auf dem
Programm.
WWWenn Kinder schon in der Grundschuleenn Kinder schon in der Grundschule
Misserfolge erleben, wird ihnen das Ler-
nen auf Dauer verleidet. Das Versagen am
Beginn ihrer Schullaufbahn bürdet ihnen
eine Last auf, die sie bis zur Ausschulung –
vvviel zu oft ohne Abschluss – mit sich he-iel zu oft ohne Abschluss – mit sich he-
rumtragen. Wir sollten alles tun, um den
Unterricht in der Grundschule so zu ver-
bessern, dass man von einer wirklichen
Grundlegung für die Schüler reden kann.

TDer Autor unterrichtete an einem
Berliner Gymnasium Deutsch und Ge-
schichte.

KOMMENTAR

DOROTHEA SIEMS

Das viele Geld!


D


er Staat schwimmt im Geld.
Bund, Länder, Kommunen
und Sozialversicherungen
verzeichneten im ersten Halbjahr
2 019 einen Überschuss von 43 Milli-

erzeichneten im ersten Halbjahr
019 einen Überschuss von 43 Milli-

erzeichneten im ersten Halbjahr

arden Euro. Damit erfüllt Deutsch-
land nicht nur locker die
EU-Stabilitätsregeln. Auch die Vor-
gaben der im Grundgesetz veranker-
ten Schuldenbremse werden einge-
halten und sogar übererfüllt. Ange-
sichts dieser Kassenlage wird der Ruf
nach einem möglichst üppig an-
gelegten Konjunkturprogramm jetzt
noch viel lauter werden. Zumal eine
Rezession droht – und die Wirt-
schaft einen Wachstumsimpuls gut
vertragen könnte.
Doch nichts braucht Deutschland
weniger als ein kurzatmiges Aus-
gabenprogramm. Denn wir erleben
keine schwere Finanzkrise wie 2009,
sondern lediglich nach zehn Jahren
AAAufschwung eine Konjunkturdelle.ufschwung eine Konjunkturdelle.
Damit daraus keine chronische
WWWachstumsschwäche wird, müssenachstumsschwäche wird, müssen
SPD und Union aber endlich die
Wirtschaft wieder stärker in den
Fokus rücken.
Die hohen Überschüsse des Staa-
tes zeigen, dass Spielraum für eine
Entlastung von Arbeitnehmern und
Unternehmen vorhanden ist. Statt-
dessen diskutiert man Steuererhö-
hungen und verweigert die kom-
plette Soli-Abschaffung. Dabei liegt
Deutschland bei der Belastung auf
Arbeitseinkommen und auf Unter-
nehmensgewinne heute unter allen
Industrieländern mit an der Spitze –
ein verheerendes Signal für Investo-
ren und hoch qualifizierte Fach-
kräfte. Auch die exorbitant hohen
Stromkosten, eine zunehmend un-
kalkulierbare Klimapolitik und im-
mer neue Enteignungsfantasien der
mitregierenden SPD verunsichern
die Unternehmen, die angesichts der
internationalen Handelskonflikte
ohnehin gebeutelt sind und deshalb
wenigstens im Inland Verlässlichkeit
und gute Rahmenbedingungen
brauchten.
Doch statt über eine neue Wachs-
tumsagenda nachzudenken, wollen
die Anhänger einer neuen Schulden-
offensive lieber noch mehr Steuer-
geld raushauen. Sie verweisen auf
die unbestreitbar großen Defizite in
der digitalen Infrastruktur und den
VVVerschleiß bei Straßen, Schienen underschleiß bei Straßen, Schienen und
Schulen. Kurzfristig aber kann der
Staat gar nicht so viel mehr investie-
ren. Denn es fehlt schon jetzt nicht
an Geld, sondern vielerorts an Pla-
nungs- und Umsetzungskapazitäten.
Die Investitionsausgaben sind im
ersten Halbjahr bereits um elf Pro-
zent in die Höhe gefahren worden.
Dieser Trend kann und sollte fort-
gesetzt werden. Doch dafür muss
man die Schuldenbremse nicht ver-
schrotten. Die Haushaltskonsolidie-
rung ist kein Irrweg, sondern die
VVVoraussetzung für künftigen Wohl-oraussetzung für künftigen Wohl-
stand.
[email protected]

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