Frankfurter Allgemeine Zeitung - 28.09.2019

(Tina Sui) #1

ZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND


Mittwoch, 28. August 2019·Nr. 199/35 R1 HERAUSGEGEBEN VON GERALD BRAUNBERGER, WERNER D’INKA, JÜRGEN KAUBE, BERTHOLD KOHLER 2,90€ D 2955 A F. A. Z. im Internet:faz.net


200 Unternehmen aus Hessen


wollen den Protest der „Fridays for


Future“-Bewegung unterstützen.


Rhein-Main-Zeitung, Seite 29


Im Kanzlerinnenarbeitszimmer


sind neuerdings die Wände leer.


Was bedeutet der politisch moti-


vierte Verzicht? Feuilleton, Seite 9


Für Yuval Adlers Spielfilm „Die


Agentin“ gibt es nur ein gutes


Argument: Diane Kruger in der


Titelrolle. Feuilleton, Seite 11


Angelique Kerber und der


Zweijahresrhythmus: Ein


verblüffendes Muster durchzieht


ihre Karriere. Sport, Seite 28


Die Grenze zwischen der Ukraine


und den Separatistengebieten im


Donbass gleicht dem Eisernen


Vorhang. Politik, Seite 3


Ein chaotischer Brexit könnte alte


Konflikte neu aufbrechen lassen–


Nordirland fürchtet um seinen


Wohlstand. Wirtschaft, Seite 18


Firmen for Future


Auf der Überholspur


D


er Pharmakonzern Johnson &
Johnson will das Urteil anfech-
ten, das ihn zum Mitverursacher der
Opioid-Krise in Oklahoma erklärt. Es
ist also unsicher, ob er dem Bundes-
staat tatsächlich 572 Millionen Dollar
zahlen muss, um Therapien, Notarzt-
oder Polizeieinsätze mitzufinanzieren.
Selbst wenn die höhere Instanz das Ur-
teil bestätigt, betrifft es nur ein Unter-
nehmen und einen Staat. Es ist frag-
lich, ob sich auch andere Staaten vor ih-
ren Gerichten mit der unorthodoxen
Auffassung durchsetzen, dass die kon-
sequente Verharmlosung der Neben-
wirkungen eines amtlich zugelassenen
Medikaments als „Erregung öffentli-
chen Ärgernisses“ zu bestrafen sei.
Dennoch markiert der Richter-
spruch eine Wende. Rund zwanzig Jah-
re nachdem mehrere Pharmafirmen
aggressiv begannen, Opioide als so wir-
kungsvolle wie harmlose Schmerzmit-
tel zu vermarkten und damit zig Milli-
arden umsetzten, ist erstmals eine von
ihnen dafür verurteilt worden. John-
son & Johnson hat zwar nur wenige
der Pillen hergestellt, die in Oklahoma
wie überall in Amerika Hunderttausen-
de Patienten süchtig machten – und da-

mit viele in die Arme von Heroindea-
lern trieben, weil das verbotene
Rauschgift irgendwann leichter zu be-
schaffen war als der Nachschub vom
Arzt. Da der Konzern aber der größte
Produzent des Rohstoffs Opium war,
musste er sich nun vom Richter anhö-
ren, er habe faktisch als „Drogenboss“
fungiert. Vierzig Staaten und Tausen-
de Kommunen haben eigene Klagen
gegen die Branche angestrengt. Ein
Sammelprozess, der im Oktober vor ei-
nem Bundesgericht beginnen soll,
könnte die Dimensionen des Verfah-
rens gegen die Tabakkonzerne spren-
gen, das 1998 zu einem 206-Milliar-
den-Dollar-Vergleich geführt hatte.
Viel spricht dafür, die Konzerne an
der Krisenbekämpfung zu beteiligen.
Doch nur auf dem Rechtsweg wird
Amerika nicht aus dem Morast finden.
Nicht zuletzt muss es sein Gesundheits-
system reparieren. Die Opioid-Krise
beweist ja, wie töricht es ist, Schmerz-
mittel als billige Alternative zu Thera-
pien oder Operationen anzusehen;
oder wohin es führen kann, wenn
Zahnärzte oder Orthopäden vor lauter
Kundenorientierung jedem Patienten
totale Schmerzfreiheit versprechen.
Arg spät haben viele Mediziner die
Lektion gelernt – zu spät nicht nur für
die rund 400 000 Amerikaner, die seit
1999 an einer Überdosis Pillen, Heroin
oder Fentanyl gestorben sind.

reb. DÜSSELDORF, 27. August. Die
nordrhein-westfälische Polizei wird in ih-
ren Pressemitteilungen in Zukunft grund-
sätzlich die Nationalität von Tatverdächti-
gen bekanntgeben. Das kündigte Innenmi-
nister Herbert Reul (CDU) an. Derzeit
werde in seinem Haus der Erlass zur Öf-
fentlichkeitsarbeit der Polizei in NRW
überarbeitet. Die bisher gültige Version
stammt aus dem Jahr 2011. „Ich werbe
seit meinem Amtsantritt für Transparenz.
Das sollten wir in Zukunft auch in der
Pressearbeit der Polizei noch konsequen-
ter umsetzen.“ Transparenz sei auch das
beste Mittel gegen populistische Bauern-
fängerei, sagte der Minister in Anspielung
auf einschlägige Debatten in Internetfo-
ren. (Siehe Seite 2; Kommentar Seite 8.)

Machtmensch – Vom Großvater stammte der Vorname:
Ferdinand Piëch prägte die deutsche Automobilbranche wie
kein anderer. Der Porsche-Enkel führte ein Leben auf der
Überholspur: Als junger Ingenieur entwickelte er atemberau-
bende Rennwagen, als Manager machte er aus dem Sanie-

rungsfall Volkswagen den mächtigsten Autokonzern Euro-
pas. Nach seiner Entmachtung zog er sich komplett zurück.
Piëch starb am Sonntag „plötzlich und unerwartet“, wie sei-
ne Frau Ursula mitteilte. Eine Würdigung des faszinierenden
und umstrittenen Managers lesen Sie auf Seite 17. Foto dpa

Brüchige Waffenruhe


DieSpionin, die wir lieben


Das große Zittern


Fast wie ein Naturgesetz


Polizei in NRW gibt nun


immerNationalität an


R


eisenbildet, heißt es so schön.
Und ja, es stimmt. Alle, die wäh-
rend der Ferien im benachbarten Aus-
land unterwegs waren, dürften lehrrei-
che Eindrücke mit nach Hause genom-
men haben. Länder mit intaktem
Schienenverkehr? Es gibt sie. Straßen
müssen nicht in einem so desolaten Zu-
stand sein wie daheim. Es besteht auch
kein Zwang, Böschungen als Müllhal-
de zu benutzen und Rastplätze in hygie-
nische Notstandsgebiete zu verwan-
deln. Man kann sich im Auto in einem
entspannt gleitenden Fahrstil einrich-
ten und trotzdem flott vorankommen.
Jedes Mal aufs Neue tut es weh,
wenn auf der Heimreise, beispielswei-
se aus Richtung Holland, auf der Auto-
bahn nach dem Grenzübergang das
Geholper beginnt. In den Niederlan-
den wird dem Besucher auch drastisch
vor Augen geführt, wie rückständig
Deutschland hinsichtlich des Fahrrad-
verkehrs ist. Aus hiesiger Sicht erschei-
nen die Gegebenheiten dort, als be-
wegte man sich im Paradies des Fahr-
radfahrens: gepflegtes Netz breiter
Wege, weitgehend getrennt vom sonsti-
gen Verkehr, vorbildliche Ausstattung
mit Wegweisern, Abstellplätze überall.
Man braucht in Holland weder Orts-
kenntnis noch Navigationsgerät, um
von A über B und C nach D zu radeln,
ohne sich zu verfahren. Das Ganze hat
System. Jede Kreuzung, jeder Abzweig
ist numeriert. Auf dem Radweg par-
kende Fahrzeuge? Eher tritt das Kö-
nigshaus ab.
Derlei zeugt von einer Radfahr-Men-
talität, die Politiker hierzulande ange-
sichts grotesker Verstopfung der Städte
und der neuen Umwelt-Aufmüpfigkeit
der jungen Generation herbeizupredi-
gen versuchen – ohne auch nur annä-
hernd die notwendigen Voraussetzun-
gen zu schaffen. Wie auch? Die Ver-
säumnisse von Jahrzehnten sind nicht
so rasch aufzuholen. Er könne das Fahr-
radfahren nur jedem empfehlen, sagte
dieser Tage der Düsseldorfer Oberbür-
germeister auf einer Radfahr-PR-Tour
durch seine Stadt. „Es ist gesund, um-
weltfreundlich, kostengünstig und
macht Spaß.“ Weithin allerdings ist es
nach wie vor mühsam, riskant und
nicht besonders gesund, wenn man ei-
nen Lastwagen vor sich hat, der schwar-
zen Husten ausstößt. Verhältnisse wie
in den Niederlanden animieren zu ei-
nem stressfreien, gesitteten Radfahren,
im Gegensatz zum Rotlicht-Harakiri
und Kampfstrampeln um Hindernisse
herum, wie es in hiesigen Städten oft
zu beobachten ist.
In Deutschland sind Radfahrer Mit-
wirkende eines Experiments, bei dem
die Benutzer unterschiedlichster Ver-
kehrsmittel auf engem Raum aufeinan-
der losgelassen werden, neuerdings be-
reichert durch Elektro-Stehroller. De-
ren Verwendung als Funsportgerät auf
Straßen und Radwegen wurde im nai-
ven Glauben genehmigt, die kippeligen
Dinger könnten einen Beitrag leisten
zur Lösung von Verkehrs- und Platzpro-
blemen in den Städten. Zwar hat sich

herausgestellt, dass sie nur neue schaf-
fen, doch hat ihre Anwesenheit für Rad-
fahrer vielleicht auch ein Gutes: Im Un-
terschied zum E-Scooter wird das Fahr-
rad wieder verstärkt als das seriöse Ver-
kehrsmittel wahrgenommen, was es
zweifellos ist, dazu alltagstauglich trotz
all der widrigen Umstände, mit denen
es zurechtkommen muss.
Auf einen schweren Fall von Ah-
nungslosigkeit lässt der Vorschlag des
Frankfurter Verkehrsdezernenten
schließen, die zugelassene Höchstge-
schwindigkeit der E-Scooter von 20
auf 15 Kilometer in der Stunde zu redu-
zieren, um sie dem Fahrradtempo an-
zupassen. In Wirklichkeit sind sie
nicht zu schnell, sondern stellen für fix
bewegte Fahrräder eher ein Hemmnis
dar. Ohnehin ist das Geschehen auf

schmalen Radwegen oder -streifen
schon ein sehr unharmonisches; die
Zügigen kommen an den Zuckelnden
nicht vorbei, ohne in den motorisier-
ten Verkehr auszuscheren, und alle
müssen auf die Mobiltelefon-Schlaf-
wandler achtgeben.
Aber es gibt Zeichen der Umkehr,
und sie sind erfreulich. Nicht mehr täg-
lich wird man als Radfahrer fast über
den Haufen gefahren, sondern nur
noch alle drei Tage. Wer schon viele
Jahre das Fahrrad im Alltag nutzt, frü-
her besonders im Winterhalbjahr als
Einziger weit und breit, bemerkt: Die
Stimmung dreht. Man fühlt sich nicht
mehr als störende Randerscheinung,
dazu sind es mittlerweile viel zu viele,
und es werden immer mehr. Das macht
den Autofahrern zu schaffen, aber den-
noch verbessert sich allem Anschein
nach das Miteinander deutlich in Rich-
tung Rücksichtnahme. Radstreifen wer-
den dort markiert, wo früher keine wa-
ren. Das ist oft lediglich Stückwerk,
aber immerhin. In Deutschland sind
Radfahrer für Kleinigkeiten dankbar.
Dankbarkeit wäre auch die Folge,
wenn endlich konsequent gegen all die
Warnblinklicht-Parker vorgegangen
würde, die sich das Recht nehmen,
Rad- und Fußwege zu blockieren. Ob
dafür die Bußgelder erhöht werden
müssen, wie vom Verkehrsministeri-
um angeregt, sei dahingestellt. Es wäre
schon hilfreich, wenn Ordnungshüter
einfach nur kontrollierten und Verstö-
ße ahndeten, anstatt demonstrativ
wegzusehen.
Kleine Fortschritte lassen sich leicht
erzielen. Größere wären wohl nur
durch eine grundlegende Umvertei-
lung des Platzes in unseren Städten zu
erreichen, auf Kosten des Autover-
kehrs. Wären wir dazu wirklich bereit?
Wie weit würden wir gehen?

dmoh./mj. FRANKFURT, 27. August.
Die Staatsanwaltschaft Köln hat am
Dienstag die Geschäftsräume der Deut-
schen Börse in der Zentrale in Eschborn
und am Sitz der Tochtergesellschaft Clear-
stream in Luxemburg durchsucht. Sie er-
mittelt gegen Mitarbeiter der Börse we-
gen des Verdachts auf Steuerhinterzie-
hung. Banken hatten für ihre Kunden mit
Hilfe komplexer Strukturen über Jahre
einmal gezahlte Kapitalertragsteuern
mehrfach zurückerstattet bekommen.
Der Schaden geht in die Milliardenhöhe.
Verschiedene Steueranwälte bescheinig-
ten die Legalität dieser Praxis. Erst 2012
reagierte der Gesetzgeber und korrigierte
die von ihm nicht beabsichtigte Gesetzes-
lücke. (Siehe Wirtschaft, Seite 21.)

Heute


Das Nichts


nach Nolde


Wie viel Fahrrad darf’s denn sein?


Von Walter Wille


kön.MÜNCHEN, 27. August. Ein Passa-
gier hat am Münchner Flughafen Chaos
verursacht, nachdem er beim Umsteigen
unkontrolliert in einen Sicherheitsbereich
gelangt war. Die Polizei räumte am Diens-
tagmorgen das Terminal 2 und die Berei-
che B und C des Terminals 1. Erst vier
Stunden später konnten wieder Passagiere
abgefertigt werden. Rund 130 Starts und
Landungen wurden abgesagt. Darüber
hinaus kam es zu erheblichen Verspätun-
gen, wie der Flughafen mitteilte. (Siehe
Deutschland und die Welt.)


Deutsche Börse


durchsucht


rüb.ROM, 27. August. Ungeachtet der
Regierungskrise in Rom bleibt der ita-
lienische Innenminister Matteo Salvini
von der rechtsnationalistischen Lega
bei seiner harten Linie in der Migrati-
onspolitik. Salvini verfügte am Diens-
tag, dass das deutsche Rettungsschiff
„Eleonore“ mit rund 100 Flüchtlingen
an Bord nicht in italienische Hoheitsge-
wässer einfahren dürfe. Auch Verteidi-
gungsministerin Elisabetta Trenta von
der linkspopulistischen Fünf-Sterne-
Bewegung habe die Anordnung unter-
zeichnet, berichtete der italienische
Rundfunk unter Berufung auf das In-
nenministerium. Lediglich die Unter-
schrift von Transportminister Danilo
Toninelli stehe noch aus. Auch Toninel-
li gehört der Fünf-Sterne-Bewegung
an. Salvini hatte die Koalition seiner
Lega mit den Fünf Sternen am 8. Au-
gust für gescheitert erklärt und damit
die Regierungskrise heraufbeschwo-
ren. Die Verhandlungen zwischen Fünf
Sternen und den italienischen Sozialde-
mokraten über die Bildung einer neuen
Koalitionsregierung dauerten am
Dienstag an. Staatspräsident Sergio
Mattarella entscheidet an diesem Mitt-
woch, ob er einen neuen Regierungsauf-
trag erteilt oder Neuwahlen aus-
schreibt. Die Sozialdemokraten verlan-
gen eine Neuausrichtung der italieni-
schen Migrationspolitik im Einverneh-
men mit der EU. (Siehe Seite 5.)


cmei.FRANKFURT, 27. August. Iran hat
auf den Vorschlag eines iranisch-amerika-
nischen Gipfeltreffens der Präsidenten
Hassan Rohani und Donald Trump mit
Forderungen reagiert. Rohani sagte am
Dienstag in Teheran in einer vom Staats-
fernsehen ausgestrahlten Rede, die Bezie-
hungen der beiden verfeindeten Länder
würden sich nicht verbessern, solange die
Vereinigten Staaten nicht „den ersten
Schritt gehen und die ungerechten Sank-
tionen gegen die Islamische Republik auf-
heben“. Für lediglich einen Fototermin ste-
he er nicht zur Verfügung, sagte Rohani
mit Blick auf das Treffen mit Trump, das
der französische Staatschef Emmanuel
Macron auf dem G-7-Gipfel in Biarritz ins
Spiel gebracht hatte. Später äußerte auch
Außenminister Dschawad Zarif, ein Tref-

fen sei „unvorstellbar“, solange die Ameri-
kaner das von Trump im Mai 2018 aufge-
kündigte internationale Atomabkommen
von 2015 nicht wieder befolgten.
Zarif war am Sonntag überraschend zu
einem Gespräch mit Macron und dessen
Außenminister Jean-Yves Le Drian in
Biarritz eingetroffen. Trump hatte darauf-
hin am Montag angekündigt, „wenn die
Umstände stimmen“, sei er zu einem Tref-
fen mit Rohani bereit. Dies sei innerhalb
von Wochen möglich. Macron zufolge
gibt es bereits vorbereitende Gespräche
für eine solche Begegnung. Trump sagte,
ein neues, langfristigeres Abkommen mit
Iran müsse auch dessen ballistische Rake-
ten betreffen.
Iran hat aus Protest gegen Trumps
Rückzug aus dem Atomabkommen und

die von ihm verhängten Sanktionen im
Juli damit begonnen, offen einzelne Auf-
lagen des Abkommens zu verletzen, das
Iran an der Entwicklung von Atomwaffen
hindern soll. Teheran versuchte dadurch,
Druck auf die europäischen Unterzeich-
nerstaaten des Abkommens – Frankreich,
Großbritannien und Deutschland – auszu-
üben, trotz der amerikanischen Sanktio-
nen den durch das Abkommen verspro-
chenen Handel mit Iran zu ermöglichen.
In Richtung der Europäer sagte Rohani
am Dienstag: „Unser Pfad ist klar: Wenn
sie ihre Verpflichtungen wieder erfüllen,
werden wir das Gleiche tun.“ Abermals
bekräftigte er: „Wir wollen keine Atom-
bombe. Unsere Militärdoktrin basiert auf
konventionellen Waffen.“ (Siehe Seite 2;
Kommentar Seite 8.)

sede.FRANKFURT, 27. August. Ein we-
gen Mordes angeklagter Mann hat am
Dienstag vor dem Landgericht Frankfurt
bestritten, eine 29 Jahre alte Frau getötet
zu haben. „Ich habe Irina nicht umge-
bracht“, ließ Jan M. am ersten Verhand-
lungstag über seinen Verteidiger erklären.
Der 51 Jahre alte Gastronom soll hohe
Schulden bei seiner früheren Geschäfts-
partnerin gehabt haben. Die Anklage
wirft ihm Mord aus Habgier vor. Die Frau
war mit 21 Messerstichen getötet worden.
Nach der Tat im Mai 2018 soll Jan M. mit
einer teuren Uhr, einem Ring und dem
Autoschlüssel des Opfers geflohen sein.
Die Entdeckung der Frauenleiche im
Frankfurter Niddapark rief viel Aufsehen
hervor. (Siehe Deutschland und die Welt.)

lid.NEW YORK, 27. August. In den Ver-
einigten Staaten ist zum ersten Mal ein
Unternehmen wegen seiner Rolle in der
Opioid-Krise vor Gericht zur Verantwor-
tung gezogen worden. Der Gesundheits-
konzern Johnson & Johnson ist von ei-
nem Richter im Bundesstaat Oklahoma
zur Zahlung von 572 Millionen Dollar ver-
urteilt worden. Der Richter befand, das
Unternehmen habe die Suchtgefahr von
opioidhaltigen Schmerzmitteln mit „fal-
schen, irreführenden und gefährlichen
Marketingkampagnen“ verharmlost und
somit zum dramatischen Anstieg der Zahl
von Drogentoten beigetragen. Die Staats-
anwaltschaft hatte sogar eine Strafe in
Höhe von 17 Milliarden Dollar gefordert.
Johnson & Johnson kündigte an, Beru-
fung gegen das Urteil einzulegen.

In Oklahoma, einer von der Drogenepi-
demie besonders stark betroffenen Regi-
on, fand der erste von möglicherweise ei-
ner ganzen Reihe von Prozessen statt. In
Amerika gibt es mehr als 2000 Klagen
von Bundesstaaten und Gemeinden, die
sich gegen die Arzneimittelindustrie rich-
ten. Die Entscheidung in Oklahoma könn-
te Signalwirkung haben. Im Oktober soll
vor einem Gericht in Cleveland in Ohio,
bei dem viele dieser Klagen anhängig
sind, ein weiterer Prozess beginnen. Die
Klage in Oklahoma zielte ursprünglich
nicht nur auf Johnson & Johnson, son-
dern auch auf den Wettbewerber Purdue
Pharma, der in der Öffentlichkeit viel stär-
ker mit opioidhaltigen Schmerzmitteln
identifiziert wird und dessen Inhaberfami-
lie Sackler besonders in der Kritik steht.

Purdue und die Sacklers haben aber in ei-
nem außergerichtlichen Vergleich der
Zahlung von 270 Millionen Dollar zuge-
stimmt und damit einen Prozess abgewen-
det. Sie sind aber Beklagte in zahlreichen
anderen Verfahren.
In Amerika sind 2018 nach Angaben
der Regierung fast 50 000 Menschen an ei-
ner Überdosis gestorben, bei der Opioide
im Spiel waren. Dabei war die Zahl der To-
desfälle, die mit Medikamenten zu tun
hatten, leicht rückläufig. Der größte Teil
hat mittlerweile mit anderen Opioid-Sub-
stanzen zu tun, darunter das Rauschgift
Heroin und das synthetische Fentanyl.
Viele Menschen, die Heroin oder Fenta-
nyl nutzen, hatten zunächst opioidhaltige
Medikamente eingenommen, die sie süch-
tig machten. (Siehe Wirtschaft, Seite 22.)

130 Annullierungen


am Münchner Flughafen


Rohani stellt Trump Bedingungen


„Treffen erst nach Aufhebung der amerikanischen Sanktionen gegen Iran denkbar“


Gastronom bestreitet


Mord im Niddapark


Briefe an die Herausgeber Seite 6


Pharmakonzern in Amerika


wegen Rolle in Opioid-Krise verurteilt


„Suchtgefahr mit irreführenden Kampagnen verharmlost“ / 572 Millionen Dollar Strafe


Salvini weist


abermals


Rettungsschiff ab


Gesund, kostengünstig
undumweltfreundlich.
Aber bis das Radfahren
Spaß macht, muss
noch viel passieren.

Amerikas Drogenboss


Von Andreas Ross


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