Frankfurter Allgemeine Zeitung - 28.09.2019

(Tina Sui) #1

SEITE 16·MITTWOCH, 28. AUGUST 2019·NR. 199 Wirtschaft FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


Befristung möglich


Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Er-
furt hat jüngst bestätigt, dass ein Arbeit-
geber einen Arbeitsvertrag auch dann
sachgrundlos befristen kann, wenn er
den Mitarbeiter schon vor einem länge-
ren Zeitraum beschäftigt hatte. Auch
wenn es sich letztlich um eine zeitliche
Ausdehnung handelt, soll es auf beson-
dere Fälle beschränkt bleiben, entschie-
den die Erfurter Richter. In seiner Be-
gründung berief sich der Senat auf eine
Entscheidung des Bundesverfassungs-
gerichts vom Juni 2018. Danach hält
Karlsruhe die Befristung eines Arbeits-
verhältnisses ohne sachlichen Grund
auf Grundlage des Teilzeit- und Befris-
tungsgesetzes für unzulässig, wenn mit
demselben Arbeitgeber schon früher
ein Vertrag bestand. Allerdings gestatte-
ten die Verfassungsrichter den Arbeits-
gerichten, von der Vorgabe in bestimm-
ten Fällen abzuweichen. In dem konkre-
ten Fall habe gerade keine Gefahr einer
Kettenbefristung bestanden, erklärte
nun das BAG und verwarf die Revision
einer Klägerin. Die Frau war zunächst
als Hilfsbearbeiterin für Kindergeld
und später als Sachbearbeiterin im Kun-
denservice eingesetzt worden – zwi-
schen beiden Arbeitsverhältnissen la-
gen 22 Jahre (Az.: 7 AZR 452/17). mj.


Hausverbot im Jobcenter


Auch gegenüber Behörden gelten die
Umgangsformen. Das bekam nun ein
Empfänger von Heizkostenbeihilfe in
einem Eilverfahren vor Augen geführt.
Das Landessozialgericht (LSG) Nieder-
sachsen bestätigte ein 14-monatiges
Hausverbot, das von einem Jobcenter
gegen den Kläger verhängt worden
war. Der Mann war im Streit ausfällig
geworden und hatte ein Telefon nach ei-
nem Mitarbeiter geschmissen. Weil mit
weiteren Übergriffen zu rechnen war,
sprach das Jobcenter ein Hausverbot
aus; seine künftigen Anträge sollte der
Mann von nun an schriftlich stellen. Da-
gegen wehrte sich dieser in der Beru-
fungsinstanz ohne Erfolg. Mit seinem
Verhalten habe er eine Grenze deutlich
überschritten, bekräftigte der LSG-Be-
schluss das Vorgehen des Jobcenters
(Az.: L 11 AS 190/19 B ER). mj.


SAARBRÜCKEN, 27. August. Das Fahr-
rad spielt heute eine zunehmend größere
Rolle für den Individualverkehr, gefördert
vom gesteigerten Umweltbewusstsein
und einer höheren Sensibilität für die ei-
gene Gesundheit. Für Unternehmen und
Arbeitnehmer ist die vom Staat begünstig-
te Steuersituation attraktiv – mit einigen
Besonderheiten. Der Bund stellt für den
„Nationalen Radverkehrsplan“ 200 Millio-
nen Euro bereit, der Absatz von Fahrrä-
dern steigt auf ein Rekordhoch, darunter
980 000 E-Bikes. Etwa 200 000 Fahrräder
wurden schon im Jahr 2017 dienstlich ge-
nutzt, schätzt der Bundesverband mittel-
ständische Wirtschaft. Die Vorteile eines
Dienstrads für Arbeitnehmer liegen auf
der Hand: eine günstige Möglichkeit, zur
Arbeit zu kommen, die Gesundheit wird
gefördert, die Umwelt geschont, inner-
halb viel befahrener Städte ist es eine
schnelle Fortbewegungsmethode.
Aus betrieblicher Sicht sind Dienstfahr-
räder ein wichtiges Instrument für die Mit-
arbeiterbindung, für betriebliches Ge-
sundheitsmanagement und nicht zuletzt
Ausdruck eines verantwortungsvollen
Selbstverständnisses als Unternehmen.
Dabei sind allerdings steuerliche Varian-
ten zu beachten. Besonders die Nutzung
der E-Bikes oder Pedelecs (elektronische
Fahrräder bis 25 Stundenkilometer) wird
gefördert und ist seit dem Jahr 2012 dem
Dienstauto steuerrechtlich gleichgestellt.
Hier gilt: 1 Prozent des Brutto-Listenprei-
ses ist als geldwerter Vorteil zu versteu-
ern, damit es auch privat genutzt werden
kann. Anders als beim Dienstwagen wird
der Anfahrtsweg von der Wohnung zur
Arbeit allerdings nicht in der Gehaltsab-
rechnung berücksichtigt. Somit kann ein
Arbeitnehmer eine Entfernungspauscha-
le von 30 Cent je Kilometer von der eige-
nen Steuer absetzen. Dies gilt übrigens
auch, wenn der Arbeitnehmer mit einem
privat gekauften Fahrrad zur Arbeit fährt.
Das Argument für den Arbeitgeber:
Seit dem Jahr 2019, befristet bis ein-
schließlich 2021, gilt für Dienstfahrräder
eine Steuerbefreiung, wenn der Arbeitge-
ber das Rad zusätzlich zum ohnehin ge-
schuldeten Arbeitslohn zur Verfügung
stellt. Dies gilt auch für Selbständige, sie
müssen keine Privatentnahme versteu-
ern. Diese Befreiung kommt besonders
bei der Anschaffung und Nutzung der

preislich höheren E-Bikes gelegen. Wenn
der Arbeitgeber einem Mitarbeiter einen
entsprechenden Benefit gewährt, kann
dieser sein Rad auch ohne Einschränkun-
gen privat nutzen und es treten keine steu-
er- oder sozialversicherungsrechtlichen
Belastungen ein. Dieses Modell wenden
allerdings die wenigstens Arbeitgeber an.
Häufiger bieten Arbeitgeber eine Ge-
haltsumwandlung an, um das Fahrrad zu
finanzieren oder sich im Falle einer vor-
zeitigen Beendigung des Arbeitsverhält-
nisses abzusichern. Hier gilt die Steuerbe-
freiung für den jeweiligen Nutzer nicht,
sondern es greift die für (elektrische)
Diensträder reduzierte 0,5 Prozent-Regel.
Pauschal ist „1 Prozent“ der auf volle 100
Euro abgerundeten halbierten unverbind-
lichen Preisempfehlung des Rads zu ver-
steuern für die private Nutzung. Sie wur-
de eingeführt, zunächst nur für Pedelecs,
um sie Elektroautos gleichzustellen. Seit
Ende März haben die Finanzbehörden
der Länder den Prozentsatz auf alle Arten
von Diensträdern ausgeweitet.
Voraussetzung dafür ist, dass das Rad


  • unabhängig vom Anschaffungszeit-
    punkt – erstmals nach dem 31. Dezember


2018 und vor dem 1. Januar 2022 überlas-
sen wird und nicht vorher von einem an-
deren Kollegen genutzt wurde. Für diese
Räder gelten weiter die 1-Prozent-Regel.
Die steuerliche Halbierung macht die An-
schaffung extrem attraktiv für ein Unter-
nehmen.
Die Pflichten und Rechte eines Lea-
sings sind steuerrechtlich zwar dieselben
wie bei einem Kauf. Allerdings muss das
Rad weiterfinanziert werden, selbst wenn
der Arbeitsvertrag mit dem Mitarbeiter,
der das Rad nutzt, vorzeitig endet. Das ge-
leaste Fahrrad kann meistens am Ende
des Leasingzeitraums für einen Restwert
von 10 bis 20 Prozent gekauft werden. Da-
bei ist jedoch zu beachten, dass die Fi-
nanzbehörden bei einer Laufzeit von zum
Beispiel 36 Monaten für die steuerliche
Bewertung noch einen höheren Restwert
von 40 Prozent zugrunde legen. Dienst-
fahrräder, ob mit Elektromotor oder
ohne, stellen nicht nur ein ökologisches
Ideal dar, sondern können Arbeitneh-
mern, Arbeitgebern und Freiberuflern
wirtschaftliche Vorteile bringen.
PATRICK HARZ
Der Autor ist Partner bei Dornbach.

FRANKFURT,27. August. Das konjunk-
turelle Lagebild ist undurchsichtig. Klar
ist, dass es der deutschen Industrie nicht
mehr wirklich gutgeht. Zwar verzeichnen
die Betriebe des verarbeitenden Gewerbes
noch immer eine Reichweite ihres Auf-
tragsbestands von fast sechs Monaten.
Theoretisch könnten sie also ein halbes
Jahr – ohne Umsatzminus – bestehende
Bestellungen abarbeiten. Auch hat sich ihr
Auftragseingang, der im Trend seit An-
fang 2018 rückläufig ist, zuletzt einigerma-
ßen stabilisiert. Und dennoch: Die han-
delspolitischen Irrungen und Wirrungen
haben zuletzt keinen Deut an Dynamik
verloren und setzen der exportabhängigen
deutschen Industrie zu.
„In diesen Zeiten möchte man kein
Land sein, dass einen hohen Industriean-
teil hat, vom Außenhandel abhängt und
viel nach Asien exportiert – und all das
kommt in Deutschland zusammen“, sagt
Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-
bank. Tatsächlich schwelt noch immer der
Zollkonflikt zwischen Amerika und der
EU, und es ist offen, ob hierzulande gefer-
tigte Autos künftig mit einem Preisauf-
schlag versehen werden. Vor allem aber
lässt sich immer schwerer abschätzen, ob
der Handelsstreit zwischen Washington
und Peking trotz versöhnlicherer Töne aus
dem Weißen Haus in absehbarer Zeit be-
friedet werden kann – oder nicht vielmehr
doch weiter eskaliert. Die latenten Unru-
heherde Hongkong, London, Teheran und
Rom kommen noch hinzu.
All das erschwert Investitionsentschei-
dungen und droht, ganze Wertschöpfungs-
ketten in Frage zu stellen. Blickt man auf
das Geschäftsklima, haben die Sorgen der
deutschen Industrie längst auch weite Tei-
le der übrigen Wirtschaft erfasst – Rekord-
erwerbstätigkeit hin oder her. So hat sich
die Stimmung im Dienstleistungssektor
im August sogar noch stärker eingetrübt
als die Stimmung in der Industrie; vor al-
lem industrienahe Dienstleister wie Logis-
tikbetriebe sind verunsichert. Mit 94,
Punkten rutschte der Geschäftsklimain-
dex des Münchener Ifo-Instituts auf den
niedrigsten Wert seit der Euro-Krise Ende



  1. Damals lag er mit 94,2 Punkten nur


leicht unter dem nun erreichten Tief – und
das wiederum ist nicht mehr weit entfernt
von den Krisenjahren 2009 und 2010.
Braucht es also genauso wie damals ein
Konjunkturprogramm? Viele Ökonomen
warnen davor. In den Problembereichen
der deutschen Wirtschaft – der exportab-
hängigen Industrie – blieben binnenorien-
tierte Maßnahmen wirkungslos, meint Ste-
fan Kooths, Konjunkturchef am Kieler In-
stitut für Weltwirtschaft (IfW). Überhaupt
sei der Rückgang der Wirtschaftsleistung
mit 0,1 Prozent im zweiten Quartal mini-
mal. „Wir befinden uns im Abschwung
statt in einer Rezession und haben in der
Industrie eine Rückkehr von einer Phase
der konjunkturellen Überhitzung zu nor-
malen Auslastungswerten“, sagt Kooths.
Auch Dekabank-Ökonom Kater dämpft
die Erwartungen an ein wie auch immer
geartetes Konjunkturpaket. Jetzt hektisch
zu überlegen, wo man noch eine Fahrspur
an die Autobahn dranbauen kann, bringe
nichts. „Die Bauindustrie braucht garan-
tiert keine Förderung“, sagt Kater.
Und gegen die weltwirtschaftlichen Ver-
werfungen wiederum, die die globalen
Produktions- und Absatzketten unter
Druck setzten, könne die Politik wenig aus-
richten. Die trüben Aussichten in der In-

dustrie erklärt er sich indes auch mit einer
rund zehn Jahre währenden, nun abflauen-
den Sonderkonjunktur. Man müsse sich
klarmachen, dass China nicht ewig so mas-
siv Ausrüstungsgüter wie deutsche Maschi-
nen nachfrage wie zuletzt und wie Europa
einen Strukturwandel hin zu einem stärke-
ren Dienstleistungssektor erlebe.
Auch gegen strukturelle Umbrüche an-
derer Art scheint ein als Konjunkturpro-
gramm deklarierter Interventionismus in
der Tat fragwürdig. Doch waren es Volks-
wirte, die die Debatte um staatliche Mehr-
ausgaben jüngst befeuert haben. Ein „kon-
junkturpolitischer Handlungsbedarf“ be-
stehe zwar nicht, sagte Michael Hüther
vom arbeitgebernahen Institut der deut-
schen Wirtschaft (IW) in der F.A.Z. Wohl
aber gebe es eine kommunale Investitions-
lücke in Höhe von 138 Milliarden Euro –
und sei ein Wachstumsprogramm daher
geboten. „In einem ,Bundes-Sondervermö-
gen Infrastruktur‘ wäre das jetzt mit einer
zehnjährigen Bundesanleihe ohne Zins-
last attraktiv finanzierbar“, glaubt Hüther.
Allein ist der IW-Direktor damit nicht.
Wenn nicht konjunkturell motiviert, son-
dern Teil einer langfristigen Investitionsof-
fensive, teile er den Gedanken, sagt Com-
merzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

Oliver Holtemöller vom Leibniz-Insti-
tut für Wirtschaftsforschung in Halle sieht
in puncto Bildung, Digitalisierung und In-
frastruktur ebenfalls genug Baustellen, die
höhere staatliche Ausgaben rechtfertigen.
Dafür lasse sich aus seiner Sicht durchaus
der Spielraum zur Kreditaufnahme nut-
zen, den die Schuldenbremse in Höhe von
0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung bie-
te. „Ein Festhalten an der schwarzen Null
ist prozyklische Politik“, sagt Holtemöller.
In Kiel ist man da skeptischer. „In jedem
Abschwung vollzieht sich dasselbe Mus-
ter: Ordnungspolitische Bedenken ver-
schwinden“, meint IfW-Ökonom Kooths.
Nicht jede staatliche Ausgabe rentiere
sich, nur weil die Zinsen günstig sind –
etwa wenn man ein Loch aushebe und
morgen wieder zuschütte. Einer langfris-
tig orientierten Investitionspolitik, die das
sogenannte Potentialwachstum steigert,
kann auch er viel abgewinnen. „Wenn wir
die letzten Jahre aber Revue passieren las-
sen, fallen wenig Maßnahmen ein, die die
Standortbedingungen verbessert haben“,
sagt er. Klar scheint also nur eines zu sein:
Wenn es der deutschen Industrie bald wie-
der besser gehen sollte, dann wohl in ers-
ter Linie wegen eines wiederbelebten Au-
ßenhandels.

FRANKFURT, 27. August. Wer und
welche Faktoren beeinflussen die Vor-
standsvergütung? Diese und andere Fra-
gen haben der Arbeitskreis deutscher
Aufsichtsrat e.V. (AdAR) und die Wirt-
schaftssozietät Hengeler Mueller in ei-
ner empirischen Studie untersucht, bei
der etwa 300 Aufsichtsräte verschiede-
ner Unternehmen befragt wurden.
Die Vorstandsvergütung wird zwar
häufig engagiert in der Öffentlichkeit
thematisiert. In zwei Dritteln der dafür
zuständigen Aufsichtsräten der befrag-
ten Unternehmen wird die Bezahlung
der Vorstände aber keineswegs kontro-
vers diskutiert. Besonders wichtig ist
dem Aufsichtsgremium die Akzeptanz
der Vorstandsvergütungen durch institu-
tionelle Investoren. Mit etwas Abstand
dicht nacheinander folgen dann die Ak-
zeptanz durch Betriebsrat, Kleinaktio-
näre sowie der allgemeinen Öffentlich-
keit, Gewerkschaften und schließlich
Stimmrechtsberater. Es überwiegt so-
mit der Einfluss von Stakeholdern, die
direkt mit dem Unternehmen durch Ka-
pital oder Mitarbeit verbunden sind, ge-
genüber primär beobachtenden Stake-
holdern ohne direkte Beziehung zum
Unternehmen.
Welche Kriterien legen die Aufsichts-
räte an die konkrete Ausgestaltung der
Vorstandvergütung an? Die Neufassung
des Deutschen Corporate Governance
Kodex wurde in Fachkreisen geradezu
leidenschaftlich diskutiert, insbesonde-
re die Vorgaben zur Vorstandsvergü-
tung. Für die befragten Aufsichtsräte
hat der Kodex auch den größten Ein-
fluss auf die konkrete Ausgestaltung der
Vorstandsvergütung. Erst dann folgen
dicht nacheinander Kriterien wie „inter-
nationale Standards“ und „Anregungen
wichtiger institutioneller Aktionäre“.
Stimmrechtsberatern wird hingegen nur
ein mittelgroßer Einfluss zugeschrie-
ben.
Die Höhe der langfristigen variablen
Vergütung selbst wird bei knapp zwei
Dritteln der Befragten gleichermaßen
an das Erreichen von Finanzkennziffern
wie auch an konkrete qualitative Fort-
schritte bei der Umsetzung der Strategie
geknüpft. Für etwa ein Drittel sind dage-
gen nur Finanzkennziffern relevant.
Ausschließlich qualitative Kriterien
sind sehr selten. Eine Ausgestaltung, die

bisher für bedeutende Kreditinstitute ge-
setzlich vorgeschrieben ist und ebenfalls
vom Corporate Governance Kodex emp-
fohlen wird, findet zunehmend Eingang
in Vorstandsverträge außerhalb der Fi-
nanzindustrie: die sogenannten Claw-
Back-Klauseln. Das sind Regelungen,
die der Gesellschaft das Recht zum Ein-
behalt beziehungsweise zur Rückforde-
rung variabler Vergütungsbestandteile
bei Eintritt bestimmter negativer Ereig-
nisse oder Entwicklungen geben. Schon
mehr als ein Drittel der befragten Unter-
nehmen verfügen über entsprechende
Klauseln. Darüber hinaus planen mehr
als ein Zehntel deren Einführung. Claw-
back-Klauseln brauchen – anders als
Schadensersatzansprüche – keinen
Nachweis eines pflichtwidrig verursach-
ten Vermögensschadens; sie sanktionie-
ren auch reine Reputationsschäden. Die
kontroverse öffentliche Diskussion um
Vorstandshaftung nimmt hier durchaus
Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung
der Verträge.
Vorstände sollen das langfristige
Wohl des Unternehmens verfolgen. Wie
schwierig aber die sachgerechte Ausge-
staltung einer langfristigen variablen
Vergütung in der Praxis ist, zeigt das Bei-
spiel Aktien. Zunächst ein naheliegen-
der Baustein, der die Wertentwicklung
des Unternehmens unkompliziert abbil-
det. Etwas mehr als die Hälfte der be-
fragten Aufsichtsräte haben Aktien als
Vergütungsbestandteil in der Vorstands-
vergütung. Knapp die Hälfte hat dies
wiederum nicht. Davon gibt knapp die
Häfte explizit an, sich bewusst gegen Ak-
tien als Bestandteil des Vergütungskon-
zeptes entschieden zu haben.
Beigetragen hat dazu sicher auch die
öffentliche Diskussion um Insidertra-
ding und die Gefahr, trotz lange vorher
festgelegter Ausübungszeiträume zeit-
lich besonders „günstige“ Käufe oder
Verkäufe einer sensiblen Öffentlichkeit
erklären zu müssen. Es zeigt sich: Die
Vorstandsvergütung unterliegt vielen
starken Einflüssen und verändert sich
dynamisch. Die ultimative Formel ist
noch nicht in Sicht.
DANIELA FAVOCCIA
STEFAN SIEPELT
Die Autorin Favoccia ist Partnerin bei Hengeler
Mueller, der Autor Siepelt ist Vorstand beim Vor-
stand Arbeitskreis deutscher Aufsichtsrat (AdAR).

Die Welt ändert sich, auch für Sta-
tistiker. Da neue Produkte auf den
Markt kommen und sich Methoden
wandeln, unterzieht das Statisti-
sche Bundesamt seine Berechnun-
gen regelmäßig einer Überprüfung,
im Mittel alle 5,4 Jahre. Eine sol-
che „Generalrevision der Volkswirt-
schaftlichen Gesamtrechnungen“
fand nun wieder statt. Im Großen
und Ganzen hat sich nicht viel ge-
ändert, auch nicht das konjunktu-
relle Lagebild. Allerdings revidier-
ten die Statistiker die preisunberei-
nigte deutsche Wirtschaftsleistung


  • das nominale Bruttoinlands-
    produkt – der vorigen Jahre leicht
    nach unten. Für 2018 sank es bei-
    spielsweise von 3,386 Billionen auf
    3,344 Billionen Euro. Lohn- und
    Sparquoten stiegen leicht. Grund
    sind unter anderem Änderungen in
    der Arbeitskostenerhebung und
    eine verbesserte Erfassung digita-
    ler Dienstleistungen. niza.


Steuervorteile eines ökologischen Ideals


Noch zwei Jahre kann man beim Kauf eines teuren E-Bikes sparen


gb.FRANKFURT, 27. August. Eine
Untersuchung zweier Ökonomen
weckt Zweifel an der Eignung negati-
ver Leitzinsen als wirtschaftlicher Sti-
mulans. So könnte die Europäische
Zentralbank (EZB) Mitte September
eine weitere Senkung ihres Einlagen-
zinses von derzeit minus 0,40 Prozent
unter anderem mit den sehr niedrigen
Inflationserwartungen in der Eurozo-
ne begründen. Denn viele Teilnehmer
an den Finanzmärkten erwarten der-
zeit nicht mehr, dass es der EZB gelin-
gen wird, die Inflationsrate in den kom-
menden Jahren auf das von ihr ge-
wünschte Niveau von knapp 2 Prozent
zu heben. Die Idee ist, dass durch eine
Senkung des Leitzinses an den Finanz-
märkten eine wirtschaftliche Belebung
erwartet wird, als deren Folge die Infla-
tionserwartungen und dann schließ-
lich auch die Inflationsrate und das
Wirtschaftswachstum steigen.
Kein Land hat eine längere Erfah-
rung mit sehr niedrigen Zinsen und
sehr niedrigen Inflationsraten als Ja-
pan. Die Ökonomen Jens Christensen
und Mark Spiegel haben in einer von
der Federal Reserve Bank of San Fran-
cisco veröffentlichten Analyse der Si-
tuation in Japan allerdings entdeckt,
dass die Senkung der Leitzinsen unter
null dort keine höheren Inflationser-
wartungen erzeugt hat, wie es die tradi-
tionelle Denkweise nahelegt, sondern
genau das Gegenteil.
Die anhand der Preise von Staatsan-
leihen gemessenen Inflationserwartun-
gen sind sogar noch gesunken, und das
mag ein Grund sein, warum die japani-
sche Wirtschaft nicht so stark gewach-
sen ist wie erhofft. Vorsicht sei daher
angebracht, wenn negative Leitzinsen
von Notenbanken als Mittel für eine ex-
pansive Geldpolitik eingesetzt werden,
schreiben Christensen und Spiegel.
Die Arbeit der beiden Ökonomen
stützt die verbreitete These, dass bei
Leitzinsen nahe oder unter null Pro-
zent die Wirksamkeit der Geldpolitik
nachzulassen beginnt. Die Ökonomen
Markus Brunnermeier und Yann Koby
haben vor wenigen Jahren das mittler-
weile einflussreiche Konzept des „Um-
kehrzinses“ entwickelt. Das ist jenes
Zinsniveau, bei dessen weiterer Sen-
kung die wirtschaftlich nachteiligen
Folgen einer Zinssenkung ihre positi-
ven wirtschaftlichen Folgen übertref-
fen. Das gilt besonders mit Blick auf
die Banken. Sinkende Zinsen tragen
zwar oft zu Kursgewinnen der in den
Bankbilanzen vorhandenen Wertpapie-
re bei, aber sie beeinträchtigen gleich-
zeitig die Gewinnmargen der Banken
im traditionellen Einlagen- und Kredit-
geschäft.

RECHT UND STEUERN


Elektrisches Dienstfahrrad in Niedersachsen Foto dpa


Vorstandsgeld zurück


Studie sieht „Claw Backs“ auf dem Vormarsch


Zweifel


am


Negativzins


Braucht Deutschland ein Konjunkturprogramm?


Plötzlich ärmer


Der Abschwung setzt


sich fort, und nicht nur


in der Industrie werden


die Sorgen größer.


Doch Hektik ist nicht


angebracht, zeigt der


monatliche F.A.Z.-


Konjunkturbericht.


Von Niklas Záboji


F.A.Z.-Konjunkturbericht Deutschland

+ 4,

±0,


  • 8,

  • 4,


05 07 11 1309 15 17 19 05 07 1109 13 15 17

05 07 09 11 13 15 17 19

05 07 09 11 13 15 17 19

+1,

0,
–1,

–4,

–3,

–2,

100

90

80

70

100

90

80

70

Produktion

Produktion geglättet (dunkelblau)


Ifo-Geschäftsklima


geglättet (dunkelblau)

Klima

Bruttoinlandsprodukt


Erzeugerpreise
Produktion

Verbraucher-
preise

Ifo-Geschäftsklima


Inländische
Verwendung

Bruttoinlandsprodukt Prozent1) 2) Produktion / Geschäftsklima Punkte3) Preise Prozent4)

Investitionen 2)
Ausrüstungs-
investitionen

Bau-
investitionen

Privater Konsum

Stand 2015= Index 100

Stand 2015 = Index 100

Preise


Branchenentwicklung 2) 5)


Arbeitsmarkt
Arbeitslosenquote (saisonbereinigt)6)
Arbeitslose (nicht saisonbereinigt)
Offene Stellen

Produktion verarb. Gewerbe

Umfragen 2)
Ifo-Geschäftsklima
Verbrauchervertrauen

Auftragseingang
Produktion Baugewerbe
Einzelhandelsumsatz

Verbraucherpreise
Industrie-Erzeugerpreise
Einfuhrpreise
Ausfuhrpreise
HWWI-Rohstoffpreisindex9)
Rohölpreis10)

% zum Vorjahr

% zum Vormonat

Indexpunkte

Tausend

%

Tausend

% zum Vorjahr

Euro je Barrel

Finanzkennziffern

Wirtschaftliche Quartalsdaten


Außenhandel


Bruttoanlageinvestitionen1) 2)
Außenbeitrag

Erwerbstätige2)

Kapazitätsauslastung11)

Arbeitskosten je Stunde

Bruttoinlandsprodukt1) 2)
Privater Konsum1) 2)

Dax

Langfristige Bundesanleihen7)

Dreimonatsgeld (Euribor)

Buchkredite (Deutschland)8)

Ausfuhr
Einfuhr

Zins
Zins

Durchschnitt
% des BIP

Tausend

%

% zum Vorjahr % zum Vorjahr

12344


  • 0,
    –0,


11 727


  • 0,
    –0,



  • 4,7 + 5,


99,


  • 2,
    +0,
    –0,2 + 0,


4,
2229
796

5,
2236
792


  • 0,


98,


  • 1,

    • 1,4 –0,2 –2,

    • 1,3 + 0,7 + 0,




63,6 62,

–0,
+ 2,

+4,6 –8,
+5,1 –4,

+ 2,

+ 2,6 –5,2 +6,

+ 2,5 + 1,

+1,

–0,

12 399 12189


  • 0,33 – 0,

  • 0,31 – 0,

    • 5,




97,

5,
2216
798

5,
2275
799


  • 3,


95,
–2,

55,8 57,

110

70

80

90

100

1) Real, zum Vorquartal. 2) Saisonbereinigt. 3) Produktion in der Industrie, real, saisonbereinigt, Glättung durch laufenden Drei-Monatsdurchschnitt. Ifo-Geschäftsklima in der gewerblichen Wirtschaft. 2015= Index 100. 4) Zum Vorjahresmonat.
5 ) Real. 6) In Prozent der zivilen Erwerbspersonen. 7) Ungewogene Umlaufrendite von Bundeswertpapieren, Restlaufzeit neun bis zehn Jahre. 8) Buchkredite an Unternehmen und Privatpersonen im Inland, statistisch bereinigt. 9) Ohne Energie; Euro-Raum auf Eurobasis. 10) Monatsdurchschnitt Brent. 11) Im verarbeitenden
Gewerbe, Veränderung zum Vorquartal. Quellen: F.A.Z., Deutsche Bundesbank, Statistisches Bundesamt, Bundesanstalt für Arbeit, Europäische Zentralbank, EU-Kommission, Ifo-Institut, HWWI-Institut / F.A.Z.-Grafik nbl. / heu. / niza.

+ 1,

–2,

+ 1,2 + 1,

+ 1,

45178

+0,
+ 0,
+ 1,
+0,


  • 0,
    45040


0,
+0,
+ 0,


  • 0,


III 2018 IV 2018

–0,
4 4 911

–0,
+ 0,
+ 0,


  • 0,


+ 2,0 + 2,

45 228

–0,
+ 0,
–0,
–0,
0,0 – 1,

+ 2,

II 2019I 2019

+ 0,7 – 1,


  • 2,0 + 2,

  • 2,
    –1,2 +3,


April 19 M Juni 19ai 19 Juli 19 April 19 Mai 19 Juni 19 Juli 19

05 07 1109 13 15 17 19 19 05 07 13 151109 17 19

4,

5,

4,
3,
3,
2,
2,

42,

43,

44,

41,
40,
39,

45,

Arbeitslose

Erwerbstätige
ErwerbstätigeErwerbstätige

Arbeitslose 5)


Arbeitsmarkt Millionen2)

88

92

96

100

104
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