Frankfurter Allgemeine Zeitung - 28.09.2019

(Tina Sui) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Unternehmen MITTWOCH, 28. AUGUST 2019·NR. 199·SEITE 19


csc.DÜSSELDORF, 27. August. Der
Bahntechnikkonzern Vossloh kommt
mit seiner Neuausrichtung einen wichti-
gen Schritt voran. Nach jahrelanger Su-
che hat das Unternehmen aus dem sau-
erländischen Werdohl einen Käufer für
sein Lokomotiven-Werk in Kiel gefun-
den. Das Geschäft wird an die chinesi-
sche CRRC Zhuzhou Locomotive ver-
kauft, wie Vossloh mitteilte. Dabei han-
delt es sich um eine Tochtergesellschaft
des größten Schienenfahrzeugherstel-
lers der Welt, der China Railway Rolling
Stock Corporation. Die Börse honorier-
te die Nachricht am Dienstag mit einem
Kursanstieg von knapp 2 Prozent für die
Vossloh-Aktie.
Schon vor fünf Jahren hatte Vossloh
auf Druck von Großaktionär Heinz Her-
mann Thiele beschlossen, die Trans-
portsparte abzugeben und sich auf die
Bahninfrastruktur zu konzentrieren.
Nachdem das Lok-Geschäft in Valencia
2015 abgestoßen wurde und zwei Jahre
später der Verkauf der elektrischen Sys-
teme für Schienen- und Straßenfahrzeu-
ge folgte, erwies sich die Veräußerung
des lange Zeit defizitären Kieler Lok-
Werks als zähe Angelegenheit.
Der Kaufpreis belaufe sich auf einen
niedrigen einstelligen Millionenbetrag,
teilte Vossloh mit. Zudem rechnet das
Unternehmen mit einem weiteren Zah-
lungseingang von bis zu 10 Millionen
Euro, der sich gemäß der Vereinbarung

aus dem geplanten Verkauf gewisser Ver-
mögensgegenstände ergeben soll. Auf
dieser Basis werde das Ergebnis aus
nichtfortgeführten Aktivitäten voraus-
sichtlich mit weiteren 30 bis 35 Millio-
nen Euro belastet, hieß es. Mit dem Voll-
zug des Verkaufs wird in den nächsten
Monaten gerechnet. Noch steht die Ge-
nehmigung durch die Wettbewerbshüter
aus. Der Käufer verfüge über die notwen-
digen Ressourcen, um das Lokomotiven-
geschäft langfristig weiterzuentwickeln,
sagte der Vossloh-Vorstandsvorsitzende
Andreas Busemann.
Vossloh sieht seine Zukunft in der
Bahntechnik, genauer: in Schienen,
Schwellen und Weichen sowie den dazu-
gehörigen Dienstleistungen. Chancen
wittert Busemann unter anderem in Chi-
na. Das Land will sein Netz für Hochge-
schwindigkeitszüge bis 2025 von 25 000
auf 38 000 Kilometer ausbauen.
Im ersten Halbjahr konnte Vossloh
knapp 19 Prozent mehr Bestellungen
verbuchen. Der Umsatz zog dank eines
Zukaufs um knapp 5 Prozent auf 437 Mil-
lionen Euro an. Wegen der Kosten für
den angekündigten Abbau von 200 Stel-
len sank das operative Ergebnis (Ebit)
auf 13,6 Millionen Euro nach zuvor 22,
Millionen Euro. Unter dem Strich stand
ein Verlust von 23,4 Millionen Euro. Im
Vorjahreszeitraum hatte Vossloh noch
einen Gewinn von 11,2 Millionen Euro
erzielt.

Bahn digitalisiert Güterwagen
DieDeutsche Bahnstattet ihre 68 000
Güterwagen bis nächstes Jahr mit moder-
ner Telematik und intelligenter Sensorik
aus, wodurch die Fahrt der Wagen besser
verfolgt werden kann. Die Ausrüstung
mit GPS und Sensorik verschaffe den
Kunden von DB Cargo viele Vorteile, teil-
te die Bahn am Dienstag bei der Vorstel-
lung des 34 000. modernisierten Wagens
im Rangierbahnhof Seelze bei Hannover
mit. DB Cargo investiert in die Digitali-
sierung der eigenen Güterwaggons ei-
nen hohen zweistelligen Millionenbe-
trag. Über Mobilfunk senden die ausge-
rüsteten Wagen Signale während der
Fahrt und beim Start oder Stopp des
Laufwegs oder bei Stößen. Daraus kön-
nen Informationen zu Beladungs-
zustand, Temperatur, Luftfeuchtigkeit
oder Bewegung bei sensiblen Ladegü-
tern ermittelt werden. dpa-AFX

Smartphone-Verkäufe sinken
Die Zahl der auf der Welt verkauften
Smartphones ist abermals gesunken.
Vor allem die Nachfrage nach teuren Mo-
biltelefonen ging weiter zurück, wie aus
einer am Dienstag veröffentlichten Stu-
die des Marktforschungsinstituts Gart-
ner hervorgeht. Insgesamt wurden mit
368 Millionen Smartphones im zweiten
Quartal 1,7 Prozent weniger verkauft als
im Jahr zuvor. Um Kunden wieder
schneller zu einem Neukauf zu bewe-

gen, statteten Handy-Hersteller mittler-
weile auch günstigere Modelle mit meh-
reren Kameralinsen, rahmenlosen Dis-
plays und größeren Akkus aus, sagte
Anshul Gupta von Gartner. Trotz der
amerikanischen Sanktionen gewann der
chinesische Rivale Huawei neue Kun-
den. Vor allem auf dem Heimatmarkt er-
lebte der Apple-Rivale einen Boom. Mit
58 Millionen Smartphones gingen im
zweiten Quartal knapp 20 Millionen
mehr Huawei-Mobiltelefone als iPhones
über die Ladentheke. Dank der hohen
Nachfrage nach den neuen Galaxy-
A-Handy und den überarbeiteten günsti-
geren Modellen lag Samsung mit 75 Mil-
lionen verkauften Smartphones aber
weiter vorn – mit einem Marktanteil
von 20,4 Prozent, gefolgt von Huawei
(15,8), Apple (10,5) und dem chinesi-
schen Hersteller Xiaomi (9,0). Reuters

Coindu übernimmt Bree
Das Geheimnis um den Namen des In-
vestors beim insolventen Taschenher-
steller Bree ist gelüftet: Die Anteile über-
nimmt der portugiesische Autozuliefe-
rer Coindu. Das geht aus einer Liste der
laufenden Fusionskontrollverfahren des
Bundeskartellamtes hervor. Coindu
stellt Lederbezüge für Autositze her und
beliefert führende europäische Automo-
bilunternehmen und Hersteller von Au-
tositzen. Coindu beschäftigt bei einem
Umsatz von rund 348 Millionen Euro
etwa 6000 Mitarbeiter. dpa-AFX

tag. LUDWIGSHAFEN, 27. August.
Fast drei Jahre nach dem verheerenden
Explosionsunglück auf dem Gelände des
ChemiekonzernsBASFin Ludwigshafen
hat das Landgericht Frankenthal einen
63 Jahre alten Schlosser zu einem Jahr
Haft auf Bewährung verurteilt. Das Ge-
richt sah es als erwiesen an, dass der
Mann aus Bosnien-Hercegovina, der
selbst bei dem Unglück verletzt wurde,
am 17. Oktober 2016 bei Wartungsarbei-
ten im Hafengelände aus Versehen eine
falsche Leitung angeflext hatte. In der
Folge kam es zu Gasaustritt und mehre-
ren schweren Explosionen, fünf Men-
schen, darunter vier Mitarbeiter der
Werksfeuerwehr, starben, mehr als vier-
zig wurden zum Teil schwer verletzt.
Die Stadt Ludwigshafen musste zwi-
schenzeitlich den Katastrophenfall aus-
rufen. Das Urteil wegen fahrlässiger Tö-
tung und Körperverletzung folgt dem An-
trag der Staatsanwaltschaft, die in ihrer
Anklage von einem Blackout des Man-
nes gesprochen hat. Die Verteidiger plä-
dierten auf Freispruch, die Nebenkläger
auf zwei Jahre Haft ohne Bewährung.

Der Angeklagte selbst hatte bei dem Pro-
zess angegeben, keine Erinnerung mehr
an das Unglück zu haben. Eine Mit-
schuld des Konzerns hatte die Staatsan-
waltschaft schon im Frühjahr 2018 ver-
neint. Zehn Sachverständige seien be-
fragt worden. Ein pflichtwidriges Verhal-
ten habe man aber nicht feststellen kön-
nen, sagte der leitende Staatsanwalt da-
mals der F.A.Z. Mögliches Fehlverhalten
wurde auch in dem Prozess gegen den
Schlosser wieder thematisiert, TÜV-Gut-
achter bescheinigten BASF aber auch in
diesem Verfahren ordnungsgemäßes
Handeln. Der Konzern hat nach eigenen
Angaben Lehren aus dem Unglück gezo-
gen. So soll eine bessere Kennzeichnung
helfen, das Risiko von Verwechslungen
zu senken. Beim Schneiden sollen nur
noch funkenarme Werkzeuge verwendet
werden, die Rohre seien mit einer brenn-
hemmenden Ummantelung versehen
worden. Auf dem Werksgelände sind auf
vier Stelen die Namen der gestorbenen
Feuerwehrleute eingraviert. Das fünfte
Todesopfer arbeitete als Matrose auf ei-
nem Schiff im Hafen.

NEW YORK/RICHMOND,27. Au-
gust (dpa-AFX). Die TabakriesenPhilip
MorrisInternational und Altria (Marl-
boro) erwägen einen Zusammen-
schluss. Die Unternehmen bestätigten
in Mitteilungen vom Dienstag Verhand-
lungen über eine Fusion per Aktien-
tausch. Es sei jedoch unklar, ob die Ge-
spräche zu einer Einigung führen. Ei-
nem möglichen Deal müssten zudem
noch die Verwaltungsräte sowie Aktio-
näre und Aufsichtsbehörden zustim-
men.
Eine Fusion käme einer Wiederverei-
nigung gleich: Die vor allem für die Ziga-
rettenmarke Marlboro bekannten Unter-
nehmen gehörten bereits bis 2008 zu-
sammen. Dann wurde Philip Morris ab-

gespalten, um die internationalen Ge-
schäfte zu führen, während Altria sich
auf den amerikanischen Markt konzen-
trierte. Der Zusammenschluss hätte ge-
waltige Dimensionen: Philip Morris hat-
te zuletzt einen Börsenwert von rund
121 Milliarden Dollar, Altria brachte es
auf gut 97 Milliarden.
An der Börse sorgte die Nachricht für
erhebliche Kursbewegungen: Während
die Aktien von Philip Morris mit deut-
lichen Verlusten reagierten und mit gut
vier Prozent ins Minus gerieten, legten
die Papiere von Altria um mehr als 10 Pro-
zent zu. Schon vor der offiziellen Bestäti-
gung der Unternehmen hatten Gerüchte
über angebliche Gespräche über eine Fu-
sion Anleger in Aufregung versetzt.

cag.HAMBURG,27. August. Die welt-
weite Konjunkturabkühlung hat auch in
der Jahresbilanz des Hausgeräteherstel-
lersMieleSpuren hinterlassen. Der Um-
satz des Gütersloher Familienunterneh-
mens stieg im Ende Juni abgelaufenen Ge-
schäftsjahr 2018/19 lediglich um 1,5 Pro-
zent auf knapp 4,2 Milliarden Euro, teilte
Miele am Dienstag mit. Ohne das Ge-
schäft des koreanischen Tochterunterneh-
mens Yujin Robot, das erstmals in die Kon-
zernrechnung einbezogen wurde, hätte
das Plus im 120. Jahr der Firmengeschich-
te sogar nur bei 0,2 Prozent gelegen.
Zum Vergleich: Vor zwölf Monaten mel-
dete Miele noch ein Umsatzplus von 4,
Prozent. Zur Höhe des Gewinns macht
das Familienunternehmen traditionell kei-


ne Angaben. In Anbetracht der durch-
wachsenen Rahmenbedingungen bewerte-
te die Miele-Geschäftsleitung den modera-
ten Zuwachs beim Konzernumsatz in ih-
rer Mitteilung als ein „positives und viel-
versprechendes Signal“. Zwar habe sich
das Wettbewerbsumfeld unter anderem
durch einen „preisaggressiveren Auftritt“
asiatischer Konzerne nachhaltig verän-
dert, dennoch habe Miele das Ziel, im lau-
fenden Geschäftsjahr und darüber hinaus
wieder stärker zu wachsen. Wachstum er-
hofft sich das Miele Management dabei
vor allem durch den Ausbau des Bereichs
Smart Home mit vernetzten Haushaltsge-
räten und durch die Aktivitäten der Beteili-
gungstochter Miele Venture. Rund 180 Mil-
lionen Euro hat Miele allein in die Ent-

wicklung neuer Geräte investiert, wichti-
ge Posten waren dabei die Geschirrspüler
und Kochgeräte der sogenannten Genera-
tion 7000, die neu auf den Markt gebracht
wurden und der Staubsauger Triflex HX1.
Insgesamt investierte Miele im abgelaufe-
nen Geschäftsjahr 256 Millionen Euro –
den zweithöchsten Jahreswert überhaupt.
Im wettbewerbsintensiven deutschen
Markt musste Miele im abgelaufenen Ge-
schäftsjahr einen leichten Umsatzrück-
gang um 0,3 Prozent auf 1,2 Milliarden
Euro hinnehmen. Spürbare Rückgänge
gab es aufgrund staatlicher Restriktionen
in China. Sehr gut entwickelten sich die
Verkaufszahlen dagegen in den Vereinig-
ten Staaten, in Österreich, der Schweiz, Ja-
pan und Korea. Und auch Länder wie Ita-

lien, Griechenland und Spanien zeigten
sich nach zum Teil längerer Durststrecke
wieder robust.
Zu Waschmaschinen und Trocknern
kündigte Miele zur Messe IFA Anfang
September neue Modelle mit neuem De-
sign und kürzeren Programmlaufzeiten
an. Auch Klimaschutz wird ein Thema,
denn in den Trocknern soll ein deutlich
klimafreundlicheres Kältemittel einge-
setzt werden. Überdurchschnittlich ge-
wachsen ist das Geschäft mit Medizin-
technik. Die italienische Medizintechnik-
Tochtergesellschaft Steelco steigerte den
Umsatz um 5,2 Prozent auf 621 Millionen
Euro. „Insgesamt gewinnt die Miele-
Gruppe in der Medizin- und Labortech-
nik überproportional hinzu“, hieß es.

csc.KÖLN, 27. August. Es sind längst
nicht mehr nur die Wohnaccessoires und
Kleinmöbel, die per Mausklick geordert
werden. Auch Sofas, Kleiderschränke und
Esstische bestellen die Deutschen immer
öfter über das Internet. Der Möbel-On-
line-Handel nehme aktuell „deutlich an
Fahrt auf“, berichtete Jan Kurth, Ge-
schäftsführer des Verbands der Deutschen
Möbelindustrie (VDM), in Köln. In den
kommenden fünf Jahren werde sich der
Online-Anteil voraussichtlich auf 25 Pro-
zent verdoppeln. Tonangebend in dem Ge-
schäft sind seiner Einschätzung zufolge
die reinen Online-Anbieter wie Otto,
Home 24 und Wayfair. Als Verlierer gelten
die großen Möbelhäuser, die laut VDM un-
ter sinkenden Besucherzahlen leiden.
Die mit Umsatzrückgängen kämpfen-
de deutsche Möbelindustrie sieht Kurth
gefordert, sich besser auf den wachsen-
den Internetvertrieb einzustellen. „Der
gesamte Prozess von der Produktentwick-
lung bis hin zur Vermarktung muss digi-
tal gedacht werden“, forderte Kurth. Die
Hersteller müssten sich in die Lage ver-
setzen, den Online-Händlern digitale Pro-
duktdaten zu liefern, die etwa für On-
line-Konfiguratoren benötigt werden.
„Hier besteht im Moment viel Investiti-
onsbedarf.“ Ihr schwächelndes Inlandsge-
schäft wollen die deutschen Hersteller


mit dem Label „Made in Germany“ an-
kurbeln, das im zweiten Halbjahr einge-
führt werden soll und eine Produktent-
wicklung, Herstellung und Qualitätskon-
trolle in Deutschland garantiert. „Die
Verbraucher sehnen sich nach Orientie-
rung“, sagte Kurth. Vor allem die Frage
nach der Herkunft der Möbel werde im-
mer öfter gestellt. Um die heimischen

Produkte insbesondere bei Jüngeren be-
kannter zu machen, hat der Branchenver-
band zudem eine Werbeinitiative auf
Facebook, Twitter und Instagram begon-
nen. Die deutsche Möbelindustrie sieht
sich großer Konkurrenz aus dem Aus-
land gegenüber. Zwei von drei in Deutsch-
land verkauften Möbeln sind Importwa-
re. Wichtigstes Lieferland ist Polen, ge-

folgt von China. Zuletzt legten vor allem
die Einfuhren aus Vietnam, Indonesien
und Taiwan stark zu.
Die Lage der Branche ist angespannt.
Im ersten Halbjahr setzten die 477 deut-
schen Möbelhersteller 8,9 Milliarden
Euro und damit 1,8 Prozent weniger um
als im Vorjahr. Einbußen verzeichneten
die Hersteller von Polster- und Kastenmö-
beln sowie Matratzen. Dagegen konnten
Küchen- und Büromöbelproduzenten
leicht zulegen.
Während der Inlandsumsatz um 1,
Prozent sank, zogen die Lieferungen ins
Ausland um 2,4 Prozent an. Erfreulich
entwickelte sich das Geschäft unter ande-
rem in Frankreich, Belgien, Italien, den
Vereinigten Staaten und Russland. In Chi-
na dagegen brach der Umsatz um ein
Fünftel ein, was Kurth auf Auswirkun-
gen des Handelsstreits mit den Vereinig-
ten Staaten zurückführte. In Großbritan-
nien bekam die deutsche Möbelindustrie
die negativen Folgen der Brexit-Diskus-
sionen zu spüren. Die Ausfuhren in das
Land gingen um weitere 2 Prozent zu-
rück. Mit großer Sorge betrachtet die
Branche das Risiko eines ungeordneten
Austritts Großbritanniens aus der EU.
Die Aussichten für die zweite Jahreshälf-
te sind verhalten. Der Branchenverband
rechnet im Gesamtjahr mit einem Um-
satzrückgang von 1,5 bis 2 Prozent.

sdie.FRANKFURT, 27. August. Selten
habe es ein Produkt gegeben, das sich so
schnell, so gut verkauft habe. Hubert Stü-
cke muss es wissen, denn er arbeitet seit
35 Jahren für Nestlé, den größten Lebens-
mittelhersteller der Welt. Er ist Vorstand
von Nestlé Deutschland und verantwortet
die Marke Garden Gourmet. Bekannt ist
sie vor allem wegen des sogenannten „In-
credible Burger“, der seit diesem Jahr auf
dem Markt ist. Der Incredible Burger
schmeckt wie Fleisch, sieht auch so aus
und fühlt sich so an – nur eben besteht er
nicht aus Fleisch. „Eine solche Dynamik
bei einem einzelnen Produkt habe ich in
all den Jahren nur sehr selten erlebt“, sag-
te Stücke jüngst auf dem Medientag von
Nestlé in Frankfurt.
Der Markt der Fleischersatzprodukte
ist in den vergangenen Jahren stark ge-


wachsen. Er soll es auch in der Zukunft:
Die neuen Ersatzprodukte könnten im
Jahr 2030 einen Anteil von 28 Prozent am
gesamten Fleischmarkt ausmachen, heißt
es in einer Studie der Berater von A.T.
Kearney. Zehn Jahre später könnte sich
dieser Wert sogar auf 60 Prozent verdop-
peln. Die Konkurrenz ist groß: Am Mon-
tag verkündete das kalifornische Start-up
Beyond Meat, gemeinsam mit der Fast-
food-Kette Kentucky Fried Chicken
(KFC) ein Hühnerfleisch-Imitat mit dem
Namen „Beyond Fried Chicken“ auf den
Markt zu bringen. Der Incredible Burger
von Nestlé wird schon beim Konkurren-
ten McDonald’s verkauft. Auch andere
Fleischalternativen stehen schon heute
im Regal der Supermärkte: So ist der In-
credible Burger beispielsweiße im Super-
markt Rewe gelistet, während Beyond
Meat beim Discounter Lidl verkauft wird.

Die Nachfrage nach vegetarischen oder
veganen Produkte ist noch größer:
Deutschland ist der größte Markt für vega-
ne Produkte auf der Welt, gefolgt von
Großbritannien und den Vereinigten Staa-
ten. Nach einer Allensbach-Studie ernäh-
ren sich rund sechs Millionen Menschen
vegetarisch, rund eine Million Menschen
sind Veganer. Dazu kommen Menschen,
die nur selten Fleisch essen oder nur ein-
zelne Produkte vegan kaufen, wie es oft-
mals bei Milchalternativen der Fall ist.
Lange haben vor allem Start-ups den
Ernährungstrend dominiert. Jetzt wollen
die großen Konzerne davon profitieren.
„Vegane Produkte waren früher nur etwas
für Wollsockenträger“, sagt Nestlé-
Deutschland-Chef Marc-Aurel Boersch.
Heute sei es eine Bewegung. In einer Um-
frage gaben über 84 Prozent der Deut-
schen an, sich für eine gesunde Ernäh-
rung zu interessieren. Davon profitieren
die Hersteller: Denn vegane Produkte sol-
len besser für die Umwelt, das Klima und
die Gesundheit sein.
Wie man diese Bewegung nutzt, zeigte
kürzlich Veganz. Das Berliner Unterneh-
men stellt ausschließlich vegane Produk-
te her, die auch bei konventionellen Le-
bensmittelhändlern wie Rewe verkauft
werden. Eigene Läden betreibt das Unter-
nehmen in Berlin. Im vergangenen Jahr
machte Veganz einen Umsatz von über 23
Millionen Euro. „Wir wachsen sehr stark,
2019 um 50 Prozent“, sagte Firmengrün-
der Jan Bredack der „Augsburger Allge-

meinen“. Jetzt peilt der Gründer einen
Börsengang an. „Das kann ich mir in zwei
bis drei Jahren gut vorstellen.“
Der Trend zu Alternativen im Lebens-
mittelhandel zeigt, in welche Richtung
sich die Konzerne entwickeln. So waren
Unternehmen wie McDonald’s oder Nest-
lé in den vergangenen Jahren nicht gera-
de für gesunde Produkte bekannt. Das
soll sich jetzt ändern. So bringt Nestlé in
diesem Jahr neue vegetarische und vega-
ne Produkte in die Läden – etwa einen
Fruchtriegel ohne künstlichen Zucker
und in recycelbarer Verpackung. „Die
Menschen wollen heute mehr Verantwor-
tung übernehmen“, sagt Boersch. „Sie er-
warten das auch von Nestlé.“
Neben den Kundenerwartungen wird
das große Potential für neue Kunden
eine Rolle spielen. Mit einem Produkt
hat sich Nestlé auf dem Markt etabliert:
Das Burger-Patty verkaufte sich in den
vergangenen drei Monaten rund fünf Mil-
lionen Mal in Deutschland – damit ist es
das umsatzstärkste vegetarische Burger-
Patty im Lebensmittelhandel. Bei Nestlé
spricht man von einem „Hype“, den es
vorher nur bei der 5-Minuten-Terrine
oder beim Nescafé Cappuccino gegeben
habe. Damit das so bleibt, bringt Nestlé
das Patty mit neuer Rezeptur auf den
Markt. Doch vor allem eine Idee soll Nest-
lé zum Markführer machen: fleischloses
Hack. Denn der Markt für Hackfleisch
sei zwanzigmal größer als der für Burger-
Patties. (Kommentar Seite 22.)

Strafe nach BASF-Explosion


Schlosser erhält ein Jahr Haft auf Bewährung


Herkunft wird wichtiger: Produktion von COR in Deutschland Foto Edgar Schoepal


Vossloh stößt Kieler Lok-Werk


an Chinesen ab


Verkauf der Transportsparte ist damit abgeschlossen


Kurze Meldungen


Auf einmal essen


alle fleischlos Marlboro wieder aus einer Hand?


Tabakriesen Philip Morris und Altria sprechen über Fusion


Schwächere Konjunktur hinterlässt Spuren bei Miele


Der Haushaltsgerätehersteller erreicht nur einen geringen Umsatzanstieg / „Aggressive asiatische Konkurrenz“


Möbel werden immer öfter per Mausklick geordert


Verlierer sind die großen Einrichtungshäuser / Verbraucher legen mehr Wert auf „Made in Germany“


Jahrelang seien vegane Produkte nur etwas für Wollsockenträger


gewesen, sagt der Deutschland-Chef von Nestlé. Jetzt will der


Konzern auf dem Markt mitmischen – auf dem sich einige


prominente Wettbewerber tummeln.


Zum Reinbeißen: Fleischersatz aus Weizen, Kokosnussöl und Kartoffeln überträgt die Essgewohnheiten in das vegane Zeitalter. Foto Laif

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