Solarindustrie
Aus dem
Schatten
E
s ist kein Geheimnis, dass
deutsche Solarpioniere dem
Traum vom Sonnenstrom
zum Durchbruch verholfen haben.
Viel ist von der einstigen Boom-
branche heute allerdings nicht
mehr übrig. Ganz tot ist die Son-
nenindustrie hierzulande aber noch
nicht. Damit das auch so bleibt,
müssen die Hersteller neue Wege
einschlagen und muss die Techno-
logie weiter gefördert werden.
Die verbliebenen Modulhersteller
können nicht darauf setzen, sich als
Nischenanbieter irgendwie über
Wasser zu halten. Es gibt Beispiele
für den nötigen Wandel: Solarwatt
versucht, sein zweites Standbein im
Heimspeichermarkt aufzubauen,
wo es noch reelle Wachstumschan-
cen gibt. SMA Solar aus Kassel will
vom Wechselrichterfabrikanten
zum Energiedienstleister werden.
Die Hersteller brauchen darüber
hinaus einen heimischen Markt, der
groß genug ist. Noch profitieren
Handwerker, Dienstleister und Zu-
lieferer von der steigenden Nachfra-
ge hierzulande. Die könnte aber
schnell schrumpfen, wenn im Laufe
des nächsten Jahres der Ausbaude-
ckel für Solarenergie greift.
Aktuell sind in Deutschland 48 Gi-
gawatt an Sonnenenergie installiert,
bei 52 Gigawatt soll allerdings
Schluss sein mit den staatlichen
Fördergeldern. Unterstützung nach
dem Erneuerbare-Energien-Gesetz
soll es dann nur noch für große So-
larparks auf freien Flächen geben.
Kleinanlagen auf Haus- oder Gewer-
bedächern bekommen ab einer
Größe von 750 Kilowatt dann keine
Förderung mehr.
Dabei müsste es umgekehrt sein.
Denn anders als bei großen Freiflä-
chenanlagen, die sich ab 2020 auch
ohne Unterstützung rechnen, sind
Photovoltaik-Anlagen auf Hausdä-
chern noch nicht in der Wirtschaft-
lichkeit angekommen. Zumindest
ein paar Jahre bräuchte es den fi-
nanziellen Anreiz von staatlicher
Seite noch, aber das Bundeswirt-
schaftsministerium ziert sich. Dabei
wäre es fatal, das ungenutzte Poten-
zial auf deutschen Dächern nicht zu
nutzen. Schließlich will Deutsch-
land seine Klimaziele nicht noch
einmal verfehlen.
Wenn der Rest der deutschen
Solarindustrie erhalten werden soll,
sind Fördergelder weiter nötig,
fordert Kathrin Witsch.
„Der Kessel kocht weiter, und das
Überschwappen auf das ländliche
Umland hat schon begonnen.“
Carolin Wandzik, Geschäftsführerin des Gewos Instituts,
über die Folgen des geplanten Berliner Mietendeckels, der zu
einem Investitionsrun auf die Nachbargemeinden führten wird
Worte des Tages
Die Autorin ist Redakteurin im
Ressort Unternehmen & Märkte.
Sie erreichen sie unter:
T
esla-Chef Elon Musk hat ein unvergleich-
liches Talent: Großspurig kündigt er in
regelmäßigen Abständen Visionäres an
und schafft es, dass sehr viele Menschen
daran glauben, obwohl er seine Visio-
nen nicht realisiert. Sein neuester Traum: Roboter-
Taxis. Tesla-Besitzer sollen bereits im kommenden
Jahr ihre Fahrzeuge per Softwareupdate zu vollauto-
nomen Roboterautos aufrüsten können. Die Robo-
ter-Teslas könnten ihre Besitzer dann zum Beispiel
zur Arbeit bringen, während der Arbeitszeit als Taxi
für andere Menschen fungieren und den Autobesit-
zer nach der Arbeit wieder abholen.
Das allerdings wird nicht passieren – nicht im
nächsten Jahr, nicht in fünf Jahren und auch nicht in
zehn. Es ist sogar möglich, dass es nie passieren
wird. Denn vollautonome Autos des Levels 5 – die
höchste Autonomiestufe – scheitern an regulatori-
schen, technischen und wirtschaftlichen Hürden,
die auf lange Sicht unüberwindbar sind.
Zuletzt musste dies General Motors feststellen.
Dessen Roboterautomarke Cruise sollte eigentlich in
diesem Jahr erste Taxifahrten für Kunden anbieten.
Doch nun hat GM den Start des Taxidienstes auf un-
bestimmte Zeit verschoben. Googles Roboterauto-
tochter Waymo wiederum bietet seinen Taxidienst
zwar bereits an. Doch nach wie vor dürfen die Fahr-
zeuge nicht ohne Sicherheitsfahrer bewegt werden.
Die Hoffnungen der deutschen Autobauer haben
ebenfalls einen Dämpfer bekommen. Sie rechnen
nicht mehr mit einer zeitnahen Kommerzialisierung
des autonomen Fahrens, weil allein die Kosten für
die Komponenten eines Fahrzeugs auf Level-4-Ni-
veau sechsstellige Summen erreichen. Zum Ver-
gleich: Das teuerste optionale Fahrerassistenzsystem
in einem VW Passat kostet aktuell 2 750 Euro. Das
autonome Fahren wird sich für Privatendkunden auf
absehbare Zeit einfach nicht lohnen.
Natürlich werden die Kosten sinken, wenn in ho-
hen Stückzahlen produziert werden kann. Doch von
einer Massenproduktion ist die Technologie für das
autonome Fahren weit entfernt. Radar, Kamera, op-
tische Abstands- und Geschwindigkeitsmessung (Li-
dar), Ultraschallsensoren und Prozessoren haben
nicht annähernd ein Entwicklungsstadium erreicht,
das ausreicht, um Level-5-Fahrzeuge auf die Straßen
zu bringen, ohne Menschenleben zu gefährden.
Radar und Lidar haben eine Reichweite von 200
bis 300 Metern, weniger als halb so viel wie benö-
tigt. Bei schlechten Licht- und Witterungsverhältnis-
sen kommen Kamerasysteme an ihre Grenzen. Dazu
kommt: Künstliche Intelligenz muss erst einmal die
Fahrqualität eines Menschen erreichen. Über 730
Milliarden Kilometer werden in Deutschland jedes
Jahr mit dem Pkw zurückgelegt. Dabei sterben etwa
3 300 Menschen, also alle 220 Millionen Kilometer
einer. Von einem so hohen Niveau ist Künstliche In-
telligenz weit entfernt. Das beweisen die zwei Todes-
fälle, in denen Autofahrer dem Autopiloten von Tes-
la vertraut hatten, sowie ein Verkehrsunfall durch
ein Roboterfahrzeug von Uber, bei dem eine Passan-
tin ums Leben gekommen war.
Die Tech-Unternehmen haben Milliarden in die
Entwicklung ihrer Robotertaxis gepumpt, doch die
Experimentalfahrzeuge befinden sich bestenfalls auf
Level-4-Niveau – und damit lässt sich kein Geld ver-
dienen. Denn bei Level 4 muss weiterhin ein Fahrer
im Fahrzeug sein, der in Situationen eingreift, in de-
nen das Fahrzeug an seine Grenzen stößt. Und ob
nun ein Sicherheitsfahrer an Bord ist, der die Fahrt
überwacht, oder ein Taxifahrer, der die Fahrt ein-
fach komplett übernimmt, macht wirtschaftlich be-
trachtet keinen Unterschied. Erst ab Level 5 wird ein
Sicherheitsfahrer überflüssig, und erst dann können
Personalkosten gespart und kann mit einem Taxi-
dienst wirklich Geld verdient werden.
Die Milliardenbeträge, die finanzkräftige Investo-
ren in Unternehmen und Start-ups pumpen, sind
dennoch nicht verloren. Auch wenn Level 5 auf ab-
sehbare Zeit nicht erreicht werden wird: Mit der Ent-
wicklung des autonomen Fahrens entsteht techni-
scher Fortschritt, der Menschenleben schützt. So
werden Privatkunden in Zukunft Autos mit deutlich
besseren Fahrerassistenzsystemen kaufen können,
die Unfälle vermeiden. Ab Level 3 können die Fahr-
zeuge auf der Autobahn immerhin mit dem Verkehr
„mitschwimmen“ und so übermüdete Fahrer auf
langen Strecken entlasten.
Dazu kommt: Der bisherige Weg hat Technologien
hervorgebracht, die auch in anderen Bereichen ihre
Anwendung finden. Mithilfe von Lidar-Sensoren
können Gabelstapler autonom durch Fabriken fah-
ren. In Städten können sie den Verkehrsfluss über-
wachen und Stauvorhersagen präzisieren.
Es wird aber ein Traum bleiben, dass Kunden ir-
gendwann ein Fahrzeug besitzen, mit dem sie
durch die Stadt fahren und währenddessen Filme
gucken, lesen oder schlafen. Der Mensch bleibt am
Steuer. 2017 hatte Elon Musk übrigens angekündigt,
einen Tesla selbstständig von der Ost- zur Westküste
der USA fahren zu lassen. Das ist bis heute nicht
passiert.
Leitartikel
Der Mensch
bleibt am Steuer
Die Vision eines
vollständig
autonom
fahrenden Autos
ist kaum
realisierbar, meint
Roman Tyborski.
Künstliche
Intelligenz
muss erst
einmal
die Fahrqualität
eines Menschen
erreichen.
Der Autor ist Redakteur im Ressort Unternehmen
& Märkte. Sie erreichen ihn unter:
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Meinung
& Analyse
MITTWOCH, 28. AUGUST 2019, NR. 165
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