Handelsblatt - 28.09.2019

(Axel Boer) #1

Matthias Streit Erfurt


D


ie öffentliche Mietdebatte mag von
privaten Wohnkonzernen geprägt
sein. Aber in Großstädten mit mehr
als einer halben Million Einwohnern
gehört knapp die Hälfte der Miet-
wohnungen privaten Vermietern, hat erst vor Kur-
zem das Institut der deutschen Wirtschaft Köln
festgestellt.
Viele von ihnen haben sich eine Immobilie zur
Altersvorsorge gekauft. Wer in Berlin zugeschlagen
hat, steht nun vor einem Dilemma: Der Mietende-
ckel könnte einen Strich durch die Anlage- und Fi-
nanzierungsrechnung machen. Die Senatorin für
Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher,
hat diesen Mietendeckel ins Gespräch gebracht.
Aber noch gibt es keinen Gesetzentwurf dazu.

Wer profitiert vom Mietendeckel? Mieter mit ho-
her Miete. Denn laut dem Papier der Berliner Sena-
torin soll die Höchstmiete künftig 7,97 Euro pro
Quadratmeter betragen. Zum Vergleich: Nach Ana-
lysen von vdp Research betrug die durchschnittli-
che Neuvertragsmiete im vergangenen Jahr 11,20
Euro. In Bezirken wie Prenzlauer Berg, Charlotten-
burg oder Moabit lag sie jenseits von 13 Euro. Mieter

haben laut dem Papier ein Recht darauf, ihre Miete
auf Antrag auf den zulässigen Höchstbetrag senken
zu lassen. Die Immobilienbranche kritisiert das Vor-
haben und stellt infrage, dass es mit dem Grundge-
setz vereinbar ist. Lukas Siebenkotten, Präsident
des Deutschen Mieterbundes, sagt dagegen, der
Berliner Mietendeckel sei eine Notwehrreaktion, so-
lange es keine bundesweiten Regelungen gebe.

Was heißt das für Vermieter? Vermieter müssen
mit geringeren Einnahmen rechnen. Wer mit stei-
genden Mieten gerechnet hat, muss diese, sofern
der Mietendeckel umgesetzt wird und juristisch
standhält, mindestens fünf Jahre aufschieben. Noch
ist unklar, ob der Mietendeckel auf fünf Jahre befris-
tet bleibt. Selbst wenn das so kommt, stellt sich im-
mer noch die Frage, wie frei Mieten dem Marktni-
veau danach wieder angepasst werden dürfen.

Droht die Finanzierung zu platzen? Das kann pas-
sieren. Üblicherweise finanzieren kleine Immobi-
lienanleger vermietete Wohnungen oder Mehrfami-
lienhäuser mit viel Fremdkapital. Der Anteil sei
ähnlich hoch wie bei Selbstnutzern, sagt Michael
Neumann, Vorstand des Baufinanzierungsvermitt-

lers Dr. Klein. Sie finanzieren also ungefähr 80 Pro-
zent der Immobilie per Darlehen. Bei der Kalkula-
tion der Banken, ob der Kunde den Kredit bedie-
nen kann, spielt die Miete eine wesentliche Rolle.
Sie wird zwar üblicherweise nicht komplett für die
Finanzierung berücksichtigt, sondern nur zu etwa
75 bis 80 Prozent. Auf diese Weise soll ein Puffer
für Mietausfälle eingerechnet werden. Aber eine er-
zwungene Mietsenkung ist dabei nicht vorgesehen.

Darf die Bank die Konditionen meiner Finanzie-
rung nachträglich ändern? Solange Sie die Beträge
für die Finanzierung regelmäßig zahlen, müssen
Sie keine Nachforderungen fürchten. Steht einmal
der Finanzierungsvertrag, ist er für beide Seiten
bindend. „Das gilt auch dann, wenn sich mit den
Mieteinnahmen eine wesentliche Grundlage für die
Gewährung der Finanzierung geändert hat“, sagt
Neumann von Dr. Klein. Wer in Berlin in extremen
Fällen aber eine Wohnungsmiete von 13 auf knapp
acht Euro pro Quadratmeter senken muss, büßt
rund 40 Prozent der Miete ein. Wer hohe Zins- und
Tilgungskosten hat, muss dann möglicherweise aus
anderen Quellen zubuttern. Geraten Sie mit den
Zahlungen in Rückstand, wird die Bank um ein

Fatale Folgen für

private Vermieter

Berlin will per Gesetz den Anstieg der Wohnkosten stoppen. Das trifft


auch Anleger, die für den Ruhestand gespart haben.


Blick auf Berlin:
Der Senat will den
Mietendeckel
schon ab 2020
einführen.

Finanzen


& Börsen


MITTWOCH, 28. AUGUST 2019, NR. 165


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