ernstes Gespräch bitten. Können Sie die Finanzie-
rung nicht mehr bedienen, droht schlimmstenfalls
die Zwangsversteigerung. Zwar will Berlin auch bei
Vermietern Härtefälle anerkennen. Was dabei be-
rücksichtigt wird, ist aber noch unklar.
Was ist bei Anschlussfinanzierungen? Läuft Ihre
Zinsbindung während der Zeit des Mietendeckels
aus, kann es teuer werden. Ob es tatsächlich teurer
wird, als Ihre bisherige Finanzierung, hängt zwar
von den bisherigen Konditionen ab. Zumindest aber
dürften die Kosten deutlich höher ausfallen, als sich
viele im Niedrigzinsumfeld erhofft hatten. Denn der
Immobilienwert, den die Banken für die Konditi-
onsberechnung zugrunde legen, hängt maßgeblich
an den zu erwartenden Einkünften. Sinken die zu
erwartenden Mieten, fällt auch der im sogenannten
Ertragswertverfahren ermittelte Immobilienwert.
Weil das Risiko steigt, das die Bank mit der Finan-
zierung eingeht, könnte sie Sicherheiten nachfor-
dern. Im Zweifel müssen Sie Kapital nachschießen.
Klar ist, dass Sie bei reduzierten Mieten mit höhe-
ren Zinskosten rechnen müssen als bei der heute
üblichen Marktmiete. Wird Ihre Miete nur gedeckelt
- müssen Sie also keine Einbußen hinnehmen –,
könnte es glimpflich für Sie ausgehen. „Banken ge-
hen bei der Finanzierung von der Ist-Miete aus und
rechnen nicht mit etwaigen Mieterhöhungspoten-
zialen“, erklärt die Immobilienfinanzierungsexper-
tin einer Bank, die nicht genannt werden möchte.
Lohnt es sich zu verkaufen? Wer an andere Anle-
ger verkauft, muss mit harten Verhandlungen rech-
nen, da diese die niedrigen Mieten beim Gebot ein-
preisen. Bei relativ neuen Immobilien wirke sich
die geringere Miete fast eins zu eins auf den Wert
aus, sagt Birger Ehrenberg, Vorstandsvorsitzender
des Verbands der Immobilien-Investment-Sachver-
ständigen BIIS. Zehn Prozent weniger Miete bedeu-
ten nach dieser Faustregel also zehn Prozent weni-
ger Wert. Doch damit nicht genug: Die Unklarheit
darüber, ob der Mietendeckel nach fünf Jahren aus-
läuft und wie es danach weitergeht, belastet zusätz-
lich die Preise.
Der Immobilienökonom Michael Voigtländer
vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln rechnet
damit, dass künftig mehr Miet- in Eigentumswoh-
nungen umgewandelt werden. Derartige Tenden-
zen seien etwa bei Mietendeckeln in Spanien oder
Großbritannien in den 1960er- und 1970er-Jahren
zu erkennen gewesen. Obwohl der Immobilienwert
laut Ertragswertverfahren zwar sinkt, sei in diesem
Fall nicht unbedingt mit fallenden Preisen zu rech-
nen, da bei Immobilien für Selbstnutzer in Berlin
heute schon eine Knappheit herrscht. Da zudem
nicht genug neu gebaut wird, rechnet auch Jochen
Möbert, Ökonom bei der Deutschen Bank, künftig
mit weiter steigenden Immobilienpreisen in Berlin.
Allerdings wird es für viele wohl schwierig werden,
ihre Mietwohnung an Selbstnutzer zu verkaufen. In
den Milieuschutzgebieten in Berlin, wo die Stadt
strenge Vorgaben an Immobilienbesitzer erlassen
hat, sind Umwandlungen von Miet- in Eigentums-
wohnungen genehmigungspflichtig.
Was ist mit Eigenbedarf? Wer eine Wohnung ge-
kauft hat, hat laut BGB Anrecht darauf, Eigenbedarf
anzumelden. Das betrifft neben dem Käufer selbst
auch die Familie bis hin zum Pflegepersonal, so-
fern dieses für den Besitzer notwendig ist. Doch
auch die Eigenbedarfskündigung will der Berliner
Senat erschweren. Im Eckpunktepapier heißt es
konkret: „Eine Eigenbedarfskündigung bedarf der
vorherigen Genehmigung durch das zuständige Be-
zirksamt und kann nur erteilt werden, wenn im
Einzelfall das berechtigte Interesse des Vermieters
das öffentliche Interesse an der Erhaltung ange-
messenen Wohnraums überwiegt.“
Drohen auch in anderen Städten Mietendeckel?
Konkrete Vorhaben gibt es zwar nicht, aber Über-
legungen. So erwägt die neue rot-rot-grüne Regie-
rung in Bremen einen Mietendeckel. In Bayern be-
reitet der Münchener Mieterverein ein Volksbegeh-
ren vor, das für zahlreiche Kommunen in dem
Bundesland einen Mietenstopp vorsieht.
Westend61 / Ingram Image
Immobilienkonzerne
Investments
gestoppt
F
ür Vonovia, den größten pri-
vaten Wohnungskonzern
Deutschlands, ist die Sache
klar: „Sollte der Gesetzentwurf so
kommen, dann könnte ein großer
Teil der für Berlin geplanten Investi-
tionen in andere Standorte umgelei-
tet werden“, erklärt eine Sprecherin
auf Handelsblatt-Anfrage. Man wer-
de die Wohnungen, die sich im Bau
befänden, fertigstellen. Über neue
Projekte müsste dann gesondert
diskutiert werden. Der Konzern be-
sitzt rund 40 000 Wohnungen in
der Hauptstadt.
Mit der Absicht, Investitionen in
Berlin zu senken oder gar zu stop-
pen, steht Vonovia nicht allein da.
Laut einer Umfrage unter den Mit-
gliedsunternehmen des Landesver-
bandes Freier Immobilien- und
Wohnungsunternehmen Berlin-
Brandenburg (BFW) wollen 72 Pro-
zent der Unternehmen geplante
Investitionen stoppen oder ganz
aufgeben. Der BFW vertritt die Inte-
ressen der Bau- und Immobilienun-
ternehmen. Fast zwei Drittel der be-
fragten Firmen (61 Prozent) verzich-
ten auf „dringend erforderliche
Sanierungen“. Die Hälfte hat ge-
plante Modernisierungen gestoppt.
„Der Berlin-Motor kommt ins
Stottern. Fehlende Investitionen be-
deuten: Es werden keine neuen
Wohnungen gebaut. Die Mieterin-
nen und Mieter werden keine neue
Wohnung mehr finden“, sagt Susan-
ne Klabe, Geschäftsführerin des
BFW Landesverbandes Berlin/Bran-
denburg. Das sei verheerend für die
Berliner Wirtschaft und ein kata-
strophales Signal für den Berliner
Wohnungsmarkt. Statt in der
Hauptstadt in den Wohnungsneu-
bau zu investieren, verlagerten
schon jetzt 41 Prozent der befragten
Unternehmen ihre Bauaktivitäten
ins Nachbarland Brandenburg. Vie-
le Unternehmen entwickeln zudem
keine Mietwohnungen mehr, son-
dern Eigentumswohnungen.
Investoren weichen aus
Auf dem Berliner Mietmarkt könnte
der Deckel zu Strukturveränderun-
gen führen, glaubt Jochen Möbert,
Ökonom von der Deutschen Bank.
Die strenge Regulierung könnte da-
zu führen, dass viele Kleinvermieter
ihre Wohnungen verkaufen. Einer-
seits könnten dadurch zwar die
Eigentümerzahlen steigen. Anderer-
seits verlöre der Markt die kleinteili-
ge Struktur. Große Vermieter könn-
ten davon profitieren.
Daniel Kerbach, Chief Investment
Officer von Merck Finck Privatban-
kiers, hält Ausweichtendenzen von
Investoren für wahrscheinlich.
„Der Mietendeckel in Berlin wird
zu einer Sonderkonjunktur der Im-
mobilienpreise in anderen deut-
schen Metropolen führen“, sagt er.
Auch Standorte der zweiten Reihe
hätten noch „Luft nach oben“. Es
gebe nach wie vor Kaufgelegenhei-
ten im Immobilienmarkt – sie seien
nur besser versteckt, sagt Kerbach.
Matthias Streit
Teures Wohnen in Berlin
Mietpreisentwicklung in Berlin*
Index 2010 = 100
174,5
HANDELSBLATT
*Neuvertragsmieten in Mehrfamilienhäusern
2010 2018
Quelle: VdP
180
160
140
10
100
Das Land
Berlin handelt
in Notwehr
für die
Mieterinnen
und Mieter,
die Angst haben,
sich ihr Dach
über dem Kopf
künftig nicht
mehr leisten zu
können.
Katrin Lompscher
Senatorin für
Stadtentwicklung und
Wohnen in Berlin
Am Wochenende sickerte
ein Papier mit ersten Details
zum geplanten Berliner
Mietendeckel durch. Die
Obergrenzen wurden in 17
Kategorien eingeteilt.
Unterschieden wird ledig-
lich nach dem Alter der
Gebäude, ob es eine Sam-
melheizung gibt und ob
die Wohnung ein eigenes
Bad besitzt.
Die Obergrenzen liegen
zwischen 3,42 Euro und
7,97 Euro pro Quadratmeter.
Damit wird sogar der aktu-
elle Mietspiegel unterboten,
der Durchschnittsmieten
von bis zu 12,89 Euro nennt.
Ausgenommen vom Deckel
sind Wohnungen, die nach
2013 gebaut wurden.
Modernisierungszuschläge
sind zulässig für Wohnun-
gen, die in den letzten acht
Jahren vor Inkrafttreten des
Gesetzes modernisiert wur-
den. Die Mietobergrenze
darf aber um nicht mehr als
20 Prozent überschritten
werden.
Mietendeckel Die Eckpunkte
ullstein bild - Lengemann/WELT
Finanzen & Börsen
MITTWOCH, 28. AUGUST 2019, NR. 165
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