Psychologie Heute - 09.2019

(coco) #1

34 PSYCHOLOGIE HEUTE 09/2019


Hausaufgaben, Noten, Digitalisierung oder finanzi-
elle Ausstattung der Schule sind wesentlich für den
Lernerfolg eines Schülers. Entscheidend ist die Hal-
tung jedes einzelnen Lehrers. Die Qualitätskriterien,
die Hattie herausarbeitet, erinnern durchaus an das,
was sich Schüler von Lehrpersonen wünschen – und
was Markus Becker und Ursula Sturm an ihren Vor-
bildern schätzten.
Ein erfolgreicher Lehrer brennt nicht nur für sein
Fach. Er kennt sich darüber hinaus aus in Didaktik.
Von Schulstunde zu Schulstunde verschafft er sich
ein Bild, wo die Schüler innerhalb eines Lernprozes-
ses stehen. Und obwohl er weiß, was er warum tut
und welchen Werten er dabei folgt, besitzt er zugleich
eine außergewöhnliche Fähigkeit zur Selbstref lexion.
Er ist ein selbstbewusster Zweif ler, immer im Dialog
mit seinen Schülern. „Lehrer zu sein verlangt die
ständige Selbsthinterfragung“, so der Augsburger
Schulpädagoge und Übersetzer Hatties, Klaus Zierer.
Ein Lehramtsstudent mag angesichts solch im-
menser Erwartungen in die Knie gehen. Aber die
Hattie-Studie weist durchaus Wege, ein überdurch-
schnittlich guter Lehrer zu werden:


  • Gute Lehrer erlauben ihren Schülern und sich
    selbst Fehler – um aus ihnen zu lernen. Im Klassen-
    zimmer fördern sie eine Fehlerkultur. Das ist nicht
    selbstverständlich. Gerade in der Schule ist es oft
    noch Usus, Fehler zu vermeiden, zu verdrängen und
    zu verbergen. „Fehler sind angstbesetzt“, sagt Zierer.
    Er weiß nicht nur aus der Forschung, wovon er spricht.
    Er hat selbst ein Grundschulkind. Vier Wochen nach
    der Einschulung saß seine Tochter weinend über ih-
    ren Hausaufgaben. Sie hatte einen Fehler gemacht.
    Zierer empört das. In Schulklassen, sagt er, solle ei-
    ne Atmosphäre herrschen, in der es völlig unprob-
    lematisch sei, Fehler zu machen.

  • Gute Lehrer suchen Feedback. Natürlich: Kritik
    hört keiner gern – auch wenn sie fair und differen-
    ziert vorgebracht wird. „Aber sollten wir wirklich
    das meiden, was schwierig ist, aber hochwirksam? “,
    fragt Zierer. Wer mithilfe knapper Fragebögen re-
    gelmäßig das Feedback der Klasse einholt oder die
    Kollegen zur Kritik einlädt, ist auf dem besten Weg,
    sich als Lehrer weiterzuentwickeln.

  • Gute Lehrer kooperieren mit ihren Kollegen.
    Man teilt Unterrichtsmaterialien, lernt vom anderen,
    diskutiert Maßstäbe, an denen sich erfolgreicher Un-
    terricht bemisst, und entwickelt sich gemeinsam wei-
    ter. Eine Kultur, von der die meisten Lehrerzimmer
    des Landes weit entfernt sind.


Emotionen im Klassenzimmer
Fehlerkultur, Feedback und Kooperation: All das und
vieles mehr lässt sich durchaus lernen. Wenn es denn
gelehrt wird. Vereinzelt, so Zierer, geschehe das zwar
bereits in der Lehrerausbildung, „systemisch imple-
mentiert“ sei es aber nicht.
Auch Diana Raufelder beklagt Missstände in der
Ausbildung von Lehrern: „Die Lehrerbildung kon-
zentriert sich viel zu sehr auf die Didaktik. Dabei
wird der Alltag im Klassenzimmer von Emotionen
geprägt. Die Vermittlung sozioemotionaler Kompe-
tenz, nach der die Studierenden verlangen, kommt
in der Ausbildung zu kurz.“
Dabei hat gerade diese Kompetenz von Lehrern
hohe Bedeutung dafür, ob sich Kinder in der Schule
wohlfühlen und erfolgreich lernen. In einer dreijäh-
rigen Studie evaluierte die Amerikanerin Sara Rimm-
Kaufman Lernerfolge von Schülern der zweiten bis
fünften Klassen. Ein Teil der Lehrer hatte an dem
sogenannten Responsive Classroom-Programm teil-
genommen, ein anderer nicht. Das Programm legt
großen Wert auf eine geordnete Lernatmosphäre in
den Klassen. Die Schüler sollen sich in einer ruhigen,
sicheren, fröhlichen Gemeinschaft geborgen und auf-
gehoben fühlen. Sie lernen, ihre Gefühle zu kontrol-
lieren und über das eigene Lernen zu ref lektieren.
Das Ergebnis: Kinder, deren Lehrer nach den Me-
thoden des Programms arbeiteten, waren signifikant
erfolgreicher in Mathematik und Lesen als Schüler
von Lehrern, die herkömmliche Unterrichtsformen
praktizierten. Verbessern sich die sozioemotionalen
Fertigkeiten, wirkt sich das auch auf den schulischen
Erfolg aus.
Allerdings: Nicht für alle Schüler ist der Lehrer
gleich wichtig. Die Motivationsforschung zeigt, dass
bei manchen Schülern die Leistung konstant bleibt,
unabhängig davon, wer sie wie unterrichtet. Für die
interdisziplinäre SELF-Studie (Sozio-Emotionale
Lern-Faktoren) der Freien Universität und der
Charité Berlin wurden unter der Leitung von Diana
Raufelder mehr als 1000 Mädchen und Jungen an
Oberschulen und Gymnasien in Brandenburg wie-
derholt befragt. Eines der Ergebnisse, so Raufelder:
„Für die meisten Achtklässler sind Peers wichtiger
a l s L eh rer.“

Gute Lehrer sind selbst-


bewusste Zweifler, immer


im Dialog mit ihrer Klasse


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