Psychologie Heute - 09.2019

(coco) #1

Automat diese extralaute Siegesmusik, alles fängt an
zu blinken, das Spiel hört auf, die Leute in der Spiel-
halle drehen sich nach einem um – all das holt den
Spieler zurück in die Wirklichkeit. Diese Geschichte
habe ich in meinen Interviews wieder und wieder
gehört.
Stimmt es, dass die Maschinen inzwischen er-
kennen können, dass ein Spieler die Lust verliert?
Dass sie darauf reagieren, um einen bei der Stan-
ge zu halten?
Technisch kann man das schon lange. In den 1980er
und frühen 1990er Jahren hat man in Las Vegas an-
gefangen, den Spielern einen „Glücksbotschafter“
vorbeizuschicken. Das war ein Mitarbeiter, der zu
den Spielern gegangen ist, um ihnen einen kleinen
Bonus anzubieten. Man hat gehofft, sie dadurch zum
Weitermachen zu überreden.
Wie gut hat das funktioniert?
Die Sache ging ziemlich nach hinten los. Aus einem
einfachen Grund: Die Leute hatten keine Lust, von
irgendwem in ihrem Spiel unterbrochen zu werden.
Der Glücksbotschafter hat sie aus ihrer Trance geholt
und damit alles kaputtgemacht. Trotzdem ist der Ge-
danke dahinter natürlich interessant. Heute könnte
man diesen Glücksbotschafter einfach in die Ma-
schine einbauen. Das wirkt dann als zusätzliche Ver-
stärkung – ohne dass ein Mensch den Spieler aus
seiner Zone holt.
Wie wird aus der Trance eine Sucht?
Ich habe mit vielen Automatendesignern gesprochen.
Diese Leute wissen sehr genau, was sie tun. Sie haben
eine neue Währung entdeckt, die man im Englischen
als time on device bezeichnet – man will, dass der
einzelne Spieler möglichst lange am Automaten bleibt.
Davor waren die einarmigen Banditen darauf aus-
gelegt, den Leuten in möglichst kurzer Zeit möglichst
viel Kleingeld aus der Tasche zu ziehen, damit sie
endlich weiter nach hinten in die Casinos gehen. Zum
Roulette oder zum Blackjack. Die Automaten waren


sozusagen nur die Vorspeise. Heute aber sind die
Spielautomaten das Hauptgeschäft. Und man hat eben
herausgefunden: Je länger die Leute vor den Auto-
maten sitzen, desto mehr Geld werden sie dort ver-
spielen. Und vor allem: Sie werden am nächsten Tag
wiederkommen. Tatsächlich sind Automaten die
mächtigste und psychologisch einf lussreichste Form
des Glücksspiels überhaupt. Eine Studie aus Kanada
zeigt, dass eine Sucht sich an den Automaten drei-
bis viermal schneller einstellt als etwa beim Wetten
auf der Pferderennbahn.
Woran liegt das?
An einem Faktor, den man in der Psychologie als
„Ereignishäufigkeit“ bezeichnet. Beim Heroin ist das
„Ereignis“ der Moment, in dem man sich den Schuss
setzt. Auf der Trabrennbahn ist es das einzelne Ren-
nen, auf das man gewettet hat. Das passiert vielleicht
zwei- oder dreimal pro Stunde. Aber am Automaten,
etwa beim Videopoker, kann man bis zu 1200 Hän-
de pro Stunde spielen. Jedes einzelne Spiel ist eine
Chance für eine psychologische Verstärkung. Das
Tempo des Spiels ist wahnsinnig wichtig. Einsamkeit
ist auch ein Faktor, also die Tatsache, dass keine an-
deren Spieler da sind, dass einen keiner unterbricht
und dadurch aus seiner Trance reißt. Und im Gegen-
satz zum Pferderennen gibt es bei den Automaten
auch kein definitives Ende. Das Gerät spielt immer
weiter. Zusammenfassend gibt es also drei haupt-
sächliche Suchtfaktoren: Kontinuität, Einsamkeit
und Tempo.
Was empfehlen Sie, um nicht von Spielautoma-
ten süchtig zu werden?
Ich bin keine Therapeutin. Ich kann Ihnen also nur
das raten, was der gesunde Menschenverstand emp-
fiehlt: Lassen Sie die Finger von solchen Geräten!
Und wenn Sie spielen, dann nur gemeinsam mit
Freunden, damit es ein soziales Erlebnis bleibt und
Sie nicht völlig in die Zone abgleiten.
Sollte man solche Automaten verbieten?
Das würde mir zu weit gehen. Aber man könnte die
Industrie per Gesetz zwingen, an den Automaten
ein paar Dinge zu verändern. Mein Kollege Robert
Williams hat dazu eine Liste erarbeitet mit allen
Maßnahmen, die sich in wissenschaftlichen Tests
bewährt haben. Man könnte die Spiele etwa langsa-
mer machen. Oder die Anzahl der Symbolreihen re-
duzieren, das Bezahlen per Kreditkarte oder per
Banknote verbieten oder die Sitze vor den Automa-
ten ein bisschen unbequemer gestalten. All das sind
Kleinigkeiten – die aber einen enormen Effekt haben
können. PH
INTERVIEW: JOCHEN METZGER

Wenn Sie schon spielen,


dann nur mit Freunden:


damit Sie nicht völlig in die


Zone abgleiten

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