Psychologie Heute - 09.2019

(coco) #1

Ambivalentes Anfassen


Elisabeth von Thadden warnt vor der


„berührungs losen“ Gesellschaft


Der gesamte Körper ist „tastsinnessensi-
bel“. Jedes seiner kleinsten, feinsten Här-
chen, rund fünf Millionen an der Zahl,
wächst in einem Haarfolikel. Hier sitzen
die Rezeptoren, 50 Stück pro Folikel. So
ergibt sich eine Zahl von 250 Millionen
berührungsintensiven Rezeptoren, die al-
lein an die Haare gekoppelt sind. Dazu
kommen freie Nervenendigungen direkt
unter der Haut, mikroskopisch kleine Äs-
te von Nervenfasern ohne speziellen Re-
zeptor. Davon zählt jeder menschliche
Körper zwei Billionen.
All das erfuhr man 2017 aus Homo hap­
ticus , dem Buch Martin Grunwalds (siehe
Heft 4/2018) – in Österreich zum Wissen-
schaftsbuch des Jahres gekürt. Grunwald
leitet das Haptik-Labor am Paul-Flechsig-
Institut für Hirnforschung der Universi-
tät Leipzig. Er ist einer von gerade einmal
einigen hundert Wissenschaftlern welt-
weit, die zum Thema Berührung forschen.
Die Journalistin Elisabeth von Thad-
den, Permanent Fellow des Kollegs „Post-
wachstumsgesellschaften“ der Deutschen
Forschungsgemeinschaft an der Univer-
sität Jena, hat Grunwald besucht. In ihrem
Buch Die berührungslose Gesellschaft
zeichnet sie ein atmosphärisch dichtes Bild
des Gesprächs mit dem nachdenklichen
Forscher. Auch weitere Begegnungen sind
in das Buch eingef lossen. Von Thadden
sprach in Berlin mit einem Architekten,
der Kleinsthäuser entwirft, in Heidelberg
mit dem Neurologen Thomas Fuchs, und
sie telefonierte mit Vera King, der Leiterin
des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt
am Main. Es geht Elisabeth von Thadden,
wie sie gleich zu Anfang schreibt, um die
„menschliche Verletzbarkeit“, um die Ent-
faltung des Selbst und um das über Jahr-
hunderte erkämpfte Recht auf körperliche
Unversehrtheit.


In vier Kapiteln, sacht hochtrabend als
die „vier Sphären des epochalen Wandels,
deren Schauplatz der Körper ist“ bezeich-
net, beugt sie sich über die Materie. Sie
beginnt mit dem menschlichen Tastsinn
und dem Fingerspitzengefühl, das bei wei-
tem nicht nur sprichwörtlich oder meta-
phorisch ist. Darauf folgen Kapitel über
Recht und Politik, die Würde des Men-
schen und den Berührungsnotstand in der
Pf lege. Im Schlusskapitel geht von Thad-
den dann ausführlich auf Körperlichkeit,
Optimierung und Arbeitsmarkt ein.
Das liest sich alles gekonnt, klug und
ist überaus versiert auf bereitet. Wenn es
jedoch um das Konzept der Gemeinschaft
geht, hätte man den Namen Erich Fromm
erwartet – ausgelassen wird auch die In-
dividualpsychologie von Alfred Adler.
Wäre von Thadden psychologisch wie
psychologiehistorisch mehr in die Tiefe
gegangen und hätte Passagen etwa über
Marc-Uwe Klings Roman QualityLand
oder die Diskussionen von Zeitungsbei-
trägen um ein Beträchtliches gekürzt, wä-
re ihre Darstellung mehr geworden als ein
langes, interessantes und lesenswertes Zei-
tungsdossier. So will sich die unbedingte
Notwendigkeit dieses Buches nicht recht
einstellen, sind doch beispielsweise die
Bände Martin Grunwalds und Hartmut
Rosas problemlos greif bar.
ALEXANDER KLUY

Elisabeth von
Thadden: Die
berührungslose
Gesellschaft.
C. H. Beck,
München 2018,
206 S., € 16,95

So gestalten Sie


Ihr Glück!


Von Glück kann man ja bekanntlich
nie genug kriegen. Und warum auch
nicht? Es macht ja nicht dick!
Trotzdem machen wir häufig bittere
Erfahrungen auf der Suche danach.
Der Grund dafür ist denkbar simpel:
Das Glück der anderen ist eben nicht
unseres!

Die Autorin nimmt uns mit in ihre
kleine Selbstcoaching-Manufaktur.


  • Sie zeigt uns die sechs Hauptzuta-
    ten des Glücks: Leidenschaft,
    Selbstwert, Klarheit, Beziehungen,
    Gesundheit und Handeln.

  • Sie verrät, wie wir unsere perfekte
    Mischung finden und zum krönen-
    den Abschluss unseren Lieblingsge-
    schmack hinzufügen.


Cordula Nussbaums 6-Stufen-Pro-
gramm für Ihre Extraportion Glück!


  1. 222 Seiten
    18,95 €. ISBN 978-3-593-51070-5
    Auch als E-Book erhältlich

Free download pdf