Psychologie Heute - 09.2019

(coco) #1
Herr Professor Worseg, viele Menschen entschei-
den sich für eine Schönheitsoperation aus der
Hoffnung heraus, mit einer kleineren Nase oder
einem größeren Busen selbstbewusster und zu-
friedener zu werden. Klappt das in der Regel?
Die Studienlage zeigt, dass nach Schönheitsoperati-
onen zumindest kurzfristig Selbstbewusstsein,
Selbstwertgefühl und Zufriedenheit steigen. Lang-
fristig stellen sich durch die Operation allerdings nur
dann echte Lebensveränderungen ein, wenn von Haus
aus ein gefestigter Charakter vorliegt.
Welche Persönlichkeitstypen finden sich Ihrer
Erfahrung zufolge besonders häufig in den War-
tezimmern der Schönheitschirurgen?
Menschen mit narzisstischen Persönlichkeitsstörun-
gen und Borderlinestörungen sind häufig; auch ver-
schiedene Formen von Dysmorphophobie, bei denen
die Betroffenen sich hässlich oder sogar entstellt füh-
len, obwohl sie objektiv gar keine auffälligen Schön-
heitsmakel haben, sind oft vertreten in den Praxen
von Schönheitschirurgen.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen der psy-
chischen Stabilität eines Menschen und dem
Wunsch eines plastisch-chirurgischen Eingriffs?
Erfahrungsgemäß haben psychisch stabile Menschen
weniger Probleme mit ihrem Körperbild. Wer durch
eine persönliche Lebenskrise aus der Bahn geworfen
wurde, beginnt häufig, an seinem Körper zu zwei-
feln. Wer die Krise überstanden hat, hadert meist
auch nicht mehr mit seinem Körper.
Wäre es dann nicht sinnvoll, bei jeder Anfrage
eines Schönheitsoperation-Interessierten rou-
tinemäßig einen Psychologen hinzuzuziehen?
Viele Menschen, die sich an uns wenden, befinden
sich in Krisensituationen, etwa nach Trennungen
oder beruf lichen Schwierigkeiten. In diesen Fällen
wäre es sinnvoll, bereits im Erstgespräch einen Psy-

chologen hinzuzuziehen. Das gilt auch für extern
motivierte Patienten, die dem durch die Medien ver-
mittelten Schönheitsideal entsprechen wollen. Intern
motivierte Menschen, die körperliche Veränderungen
verbessern wollen, die etwa durch eine Schwanger-
schaft oder den natürlichen Alterungsprozess ver-
ursacht werden, und diesen Eingriff wohlüberlegt
durchführen, scheinen zumindest aus meiner Sicht
in der Regel keine psychologische Unterstützung zu
benötigen.
In Ihrem Buch schreiben Sie: „Die häufigsten
Morde an Schönheitschirurgen verüben unzu-
friedene junge männliche Nasenpatienten. Sagt
zumindest die Statistik.“ Haben Sie eine Vermu-
tung, warum Nasenpatienten häufiger als ande-
re zum Mörder werden?
Statistisch ist der junge männliche Nasenpatient ei-
ner der schwierigsten Patienten, der auch am häu-
figsten Probleme bereitet. Grundsätzlich tendieren
männliche Patienten bei nicht erfüllten Erwartungen
nach einer Schönheitsoperation eher zur Aggression
als Frauen. Gerade Nasenpatienten, die sich oft über
Jahre oder Jahrzehnte mit ihrer Nase auseinander-
gesetzt haben und ihre gesamte, sie unzufrieden ma-
chende Lebenssituation in die Nase hineinprojizieren,
haben oft Erwartungen, die weit über die Änderung
der Nasenform hinausgehen – und können daher oft
auch nicht zufriedengestellt werden.
INTERVIEW: KATRIN BRENNER

Artur Worsegs
Buch Deine Nase
kann nichts dafür.
Wie wir uns vor dem
Schönheitswahn
retten ist in der
Edition a erschienen
(160 S., € 22,–)

Sagen Sie mal,


Herr Worseg:


Macht eine


Schönheitsoperation


zufriedener?


ILLUSTRATION: JAN RIECKHOFF


Dr. Artur Worseg ist Facharzt für plastische Chirurgie in
Wien. Er studierte Medizin und habilitierte zum Universitäts-
dozenten, hält wissenschaftliche Vorträge und ist Autor zahl-
reicher wissenschaftlicher Publikationen
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