Der Tagesspiegel - 31.08.2019

(Sean Pound) #1
Zutaten(für 6 Personen)
2 Forellen, 1 kl. Wassermelone, 24 Minigurken,
3 Gartengurken, 0,5l Buttermilch, 100g Butter,
1 Glas Forellenkaviar à 250g, 2 Passionsfrüchte,
200ml Molke, 10g geräuchertes Maldonsalz, Agar Agar,
Glukosepulver, Pro Sorbet (Eispulver), Gelatine, Champa-
gneressig

Equipment
Pacojet, Thermomix, Räucherofen, Bunsenbrenner

Zubereitung
Forelle
Fische schuppen, filetieren, Gräten mit einer Pinzette zie-
hen. Dünne Filet-Enden abtrennen, Mittelstücke in 6 gleich
große Stücke schneiden, kalt stellen. Enden und Abschnitte
häuten und 10 Minuten räuchern, danach im Thermomix mi-
xen, in einen Pacojetbecher füllen, frieren und im Pacojet
durchlassen (zweimal wiederholen). Ohne Pacojet: Ab-
schnitte in feine Würfel schneiden und mit etwas Zitronenöl
und Salz abschmecken. Portionierte Filets 8 Minuten in der
Molke beizen, trocken tupfen und mit dem Bunsenbrenner
leicht über die Haut flämmen, bis sie sich abziehen lässt.
Mit brauner Butter bestreichen und bis zum Servieren kalt
stellen.

Buttermilchgel
100mlButtermilch mit 5g Salz und 3g Agar Agar aufko-
chen, in eine Schale füllen und durchkühlen, bis die Butter-
milch komplett fest ist. Anschließend gekühlte Buttermilch
mit 100ml Buttermilch mixen, bis die Masse glatt ist.

Buttermilchgranitée
300ml Buttermilch in ein flaches Gefäß füllen und einfrie-
ren, ab und zu mit einem Schneebesen durchrühren, damit
Eiskristalle entstehen. Vorgang wiederholen, bis die Masse
einen feinen Schnee ergibt.

Melone
Halbieren und pro Person acht Kugeln ausstechen (oder
feine Würfel schneiden). Reste und Abschnitte fein mixen,
auf ein Sieb geben, Flüssigkeit auffangen und für den Sud
beiseitestellen.

Gurken
Minigurken halbieren und mit Zitronenöl marinieren. Salat-
gurke in feine Streifen schneiden. Restliche Gurkenab-
schnitte und Gurken mixen, auf ein Sieb geben und den Sud
auffangen. Die Hälfte des Gurkensuds beiseitestellen, mit
der anderen Hälfte die Gurkenstreifen marinieren.

Gurken-Melonen-Sud
Gurkensaft mit etwas Melonensaft mischen. Mit Cham-
pagneressig und Salz abschmecken.

Gurkeneis
200ml Gurkensaft, Glukosepulver, 5ml Läuterzu-
cker, 5ml Passionsfruchtsaft mit etwas Salz aufko-
chen, dann 1 Blatt vorher eingeweichte Gelatine und
das Pro Sorbet einmixen. Abfüllen, (im Pacojet) frie-
ren lassen und damit anschließend durchmixen.

Anrichten
Portionierte Forellen auf den Teller legen, mit Räucher-
salz würzen, Melonen und Gurken auf dem Fisch verteilen,
auch die Forellencreme (bzw. -tatar) und das Buttermilchgel.
Gurkeneisnocke neben der Forelle platzieren. Granitée mit ei-
nem Löffel auf der Forelle verteilen. Zum Schluss alles mit
dem Gurken-Melonen-Sud begießen und evtl. mit Bohnenblü-
ten garnieren.

DAS PROGRAMM
Das stylische junge Restaurant
ist vielen unserer Kochakade-
mie-Teilnehmer gut bekannt;
einmal waren wir mit der Serie
hier schon zu Gast. Nun ge-
schieht dies unter anderen
Vorzeichen. Unsere Hobbykö-
che und Genießer sollen den
neuen Küchenchef kennenler-
nen und seinen geerde-
ten Stil, der großen Genuss in
vier Gängen verspricht. Zwei
Workshops wird der vielver-
sprechende Newcomer Silvio
Pfeufer mit seinem Team für
Tagesspiegel-Leserinnen und
-Leser halten: an den Sonnta-
gen 15. und 22. September.
Start für die Kochseminare ist
jeweils um 13 Uhr, rund fünf
Stunden dauert jeder Work-
shop – denn es wird für die
vier Gänge filigran gearbeitet,
und es gibt eine Menge zu
lernen. Zum Dinner treffen
sich die Teilnehmer, die gern
Gäste dazu einladen dürfen,
um 18 Uhr. Gastgeber ist, wie
schon damals, Ivo Ebert, der
für die Weinbegleitung sorgt.

DAS MENÜ

Vorspeise
Forelle – Gurke – Wasserme-
lone – Buttermilch

Ein Gang, der perfekt zum aus-
klingenden Sommer passt. Die
frische Forelle (von den Müritzfi-
schern) wird filetiert und kombi-
niert zu im eigenen Saft mari-
nierter Gurke und Gurkensor-
bet. Dazu kommen geräu-
cherte Forellencreme, Forellen-
kaviar, Buttermilchgranitée und
Buttermilchgel. „Frisch undkna-
ckig und fruchtig“, sagt Silvio
Pfeufer. Wer’s nicht in den Kur-
sus geschafft hat, findet den
Gang noch bis Ende September
auf der Karte des „Einsunter-
null“.

Zwischengang
Makrele – Tomate –
Petersilie – Calamares

Noch einmal Fisch, aber völlig
anders. Die gebeizte Makrele
erinnert an mediterrane Ur-
laube, denn sie bekommt Ge-
sellschaft von in Knoblauchöl
gebratenen Calamares. Oben-
auf liegt Focaccia mit Petersi-
liengremolata, fein gewürzt mit
Zitronenabrieb, Salz und Pfef-
fer. Als sei das Ganze ein sehr
feines italienisches Kräuter-
brot. Die abgeflämmte Makrele
erhält zusätzliches Aroma aus
einer Basis von Zitronenöl, ei-
nem Pulver, das aus den Fisch-
abschnitten gewonnen wird
und Tomatensalatsud. Auch
dieser Gang greift Silvio Pfeu-
fers Linie auf, das komplette
Produkt zu verwerten.

Hauptgang
Schweinerücken – Sauerkraut


  • Schinken – Zwiebel


Zu seinem Hauptgang sagt Sil-
vio Pfeufer: „Der ist so ein Ber-
lin-Ding. Mit dieser Idee spielen
wir zumindest.“ Hört sich ja zu-
nächst einmal ziemlich boden-
ständig an, ist in Wirklichkeit
von den Aromen her zwar def-
tig, aber dennoch leicht. Der Rü-
cken wird in Schweinefett bei
niedriger Temperatur gegart
und danach scharf angebraten.

Dazu muss Kartoffelpüree
sein. Pfeufer wählt die Sorte
Bintje und bereitet es klassisch
französisch zu. „Mit viel But-
ter.“ Aus Zwiebeln macht er in
Butter eine Schmelze, die so
zart sein muss, dass das Ge-
müse auf der Zunge zergeht.
Aus dem Knochen des Räucher-
schinkens bereitet der Küchen-
chef zusammen mit den Kurs-
teilnehmern einen Sud. Zerklei-
nerter Räucherschinken hilft
dann, die Brühe zu klären. Aus
aufgekochtem und aufgebutter-
tem Sauerkraut wird eine
Beurre blanc. „Leicht und
sexy“, findet Pfeufer. Zum zar-
ten Schweinefleisch kommen
außer gepuffter Schwarte als
Topping junger, leicht gedünste-
ter Weißkohl und frischer Kori-
ander. Und schon hat der „Berli-
ner Gang“ eine ganz neue Aro-
matik.

Dessert
Kirsche – Pumpernickel –
Malz – Langpfeffer

Am Dessert wird noch getüftelt
in der „Einsunternull“-Küche.
Aber Silvio Pfeufer kündigt
schon mal an: eingelegte Kir-
schen, dazu eine Mousse oder
ein Parfait. Pumpernickel lie-
fert zur dunklen Kirsche ein
leicht erdiges Aroma. Dazu
passt wunderbar mit Malz aro-
matisierter frittierter Teig. Alles
zusammen betont die säuerli-
che Fruchtigkeit der Kirsche –
und begrüßt den nahenden
Herbst auf die wohlschme-
ckendste Art.

ANMELDEN
12 Plätze hat jeder Workshop.
Der Preis beträgt 150 Euro für
den Tageskursus und das Es-
sen inklusive Weinbegleitung
(pro Gang ein Glas; zusätzli-
cher Wein auf eigene Rech-
nung). Fürs Essen hinzuge-
buchte Gäste zahlen 85 Euro
pro Person (bitte unbedingt an-
melden). Buchung abDiens-
tag, 3. September, 10 Uhrun-
terTel. 29021-520.
Susanne Leimstoll

TÖPFE VON ALL-CLAD,
MESSER VON CHROMA
All-Clad, Hersteller von Pre-
mium-Kochgeschirr, spendiert
monatlich Produkte im Wert
von 500 Euro zur Verlosung in
unserer Serie (all-clad.de).
Diesmal: eine konische Sau-
teuse der Serie „d5“ (fünflagi-
ger Aufbau, Fassungsvermö-
gen 2 Liter) – optimal zum Kurz-
braten von Fleisch oder Ge-
müse. Außerdem eine Stielkas-
serolle (3 Liter) aus der glei-
chen Herstellerserie für Sup-
pen, Saucen und Gemüse.
Zudem verlosen wir in Koopera-
tion mit dem Premium-Koch-
messer-Hersteller Chroma wie-
der ein Messerset (Santoku,
Säge- und Schälmesser) der Se-
rie „ChromaTurbo – Design by F.
A. Porsche“ im Wert von 500
Euro.
Bitte je eine E-Mail mit
Adresse und Telefon an: verlo-
[email protected] – für
All-Clad Kennwort „Kochakade-
mie“, für Chroma Kennwort
„Messer“ nennen. Einsende-
schluss ist Samstag, 7. Sep-
tember. Viel Glück!

DAS REZEPT


D


er eigene Stil eines Küchenchefs wird im-
mer wichtiger angesichts der Tatsache, dass
gutes Kochen keine Geheimwissenschaft
mehr ist. Wer sich abheben will, der muss
auf Originalität und Wiedererkennbarkeit
seiner Gerichte achten, ohne den Gast aus den Augen
zu verlieren, der allzu verkopften Konstruktionen
nur ungern folgt.
Diese Vorrede ist deshalb wichtig, um unseren
nächsten Workshop richtig einzuordnen. Denn
das „Einsunternull“ war ja als eine Zitadelle der
neuen deutschen Regionalküche gestartet, die
ihre Produkte aus der nächsten Umgebung be-
zieht und sie entweder streng saisonbezogen
verwendet oder nach alten Methoden konser-
viert. Raps- statt Olivenöl, Molke statt Zitrone,
keine Tomate, keine Schokolade – darauf lief es
hinaus und wurde in Hochglanzblättern als
hochinnovativ gefeiert, gewürdigt mit einem Mi-
chelin-Stern und 17 Gault-&-Millau-Punkten.
Aber der Gast... Patron Ivo Ebert, der schon zu
den Gründern des „Reinstoff“ gehörte, sah sich ge-
zwungen, eine ziemlich drastische Wende einzulei-
ten. „Ich wollte nur noch verkaufen, was mir selbst
gefällt“, sagte er zur Begründung – aber es ist eben auch
so, dass derlei avantgardistische Konzepte selbst in Ber-
lin nur eine kleine Fangemeinde anziehen, die im „No-
belhart“ oder „Ernst“ hoch qualifiziert versorgt wird.
Ebert hatte Glück. Er fand in dem gebürtigen Berliner
Silvio Pfeufer einen Küchenchef, der ohne vorgefertig-
tesKonzept einstieg undden Gästenvon Beginnaneher
das naive Lob „lecker!“ als das skeptische „interessant!“
entlockte – es ist eine Küche nicht zum Studieren, son-
dern zum Wiederkommen.
Nicht, dass hier nun simpel oder rückwärtsgewandt
gekocht würde: Pfeufer kam aus dem „Facil“, hatte vor-
herals Junior-Souschefimberühmten Münchener „Ate-
lier“ und bei Jens Rittmeyer in Sylt gekocht – durch-
schnittlich zwei Michelin-Sterne und erstklassige Ta-
lentproben allemal, die auf eine solide handwerkliche
Basis schließen lassen.
Die aktuelle Karte lässt in ihren schlichten Formulie-
rungen wenig davon durchblicken, was dann tatsächlich
auf den Tisch kommt. „Makrele, Calamares, Tomate, Pe-
tersilie“ oder „Kaninchen, Pfifferlinge, Gemüse“ klingt
bescheiden normal und sagt nichts über die bestechend
differenzierte, komplexe Ausarbeitung dieser Zutaten.
Pfeufer richtetinstagramable, aber nicht überkomplex an
auf den Tellern, die dann von Ivo Ebert und seinen Leu-
ten mit Stolz an den Tisch gebracht werden.
Da gibt es also für Amateure allerhand zu lernen. Wir
freuen uns, dass dieses schöne Restaurant unsere Leser
daran teilhaben lässt. Bernd Matthies


— Einsunternull, Hannoversche Str. 1, Mitte, Tel.
27 57 78 10. Geöffnet Do bis Mo 19 bis 22.30 Uhr, restau-
rant-einsunternull.de


DasEINSUNTERNULLmüssten wir nicht erst vorstellen,


aber nun gibt es dort einen neuen Küchenstil zu entdecken.


Küchenchef Silvio Pfeufer kocht zum Wiederkommen gut –


und lässt sich in zwei Workshops in die Töpfe schauen


Große Wende


Union Jack
Wer mag da noch mitzählen: Sind
es nun 900 oder doch schon 1000
Whisky-Sorten? Der englische Pub
in Charlottenburg (Foto) punktet mit
sorgfältig gezapften Bieren, kleinen
Speisen und einer herausragenden
Whisky-Beratung. Dazu kompetente Veran-
staltungen rund ums Thema.
Charlottenburg, Schlüterstr. 15

Offside
Ob Einsteiger oder Experte, bei rund 1000 Whis-
kys wird wohl jeder fündig, gute Beratung garan-
tiert. Schöne Auswahl an Bier und Cider. Rau-
chen ist gestattet und oft steigt die Stimmung
bei Sportübertragungen. Der versierte Betreiber
veranstaltet jeden Mai das „Spreeside
Whisky“-Festival.
Wedding, Jülicher Str. 4

Madonna
Whisky und Rockmusik. Kreuzberg
oldschool (Foto). Die großartige
Whisky-Auswahl fällt meist erst auf
den zweiten Blick auf. Gleich um die
Ecke sitzt mit Jack Wiebers einer der re-
nommiertesten deutschen Whisky-Abfüller
mit seinem Laden „Tabac & Whisky Center“
und hält spannende Raritäten bereit.
Kreuzberg, Wiener Str. 22

Loch Ness Pub
Regelmäßig reist das Betreiberehepaar nach
Schottland, um vor Ort Spezialitäten zu ergat-
tern, die ihre Gäste überraschen. Insbesondere
rare Biere, die vortrefflich zu den 700 Whiskys
passen. Dazu Burger, Fish & Chips und Schott-
lands Nationalgericht Haggis.
Lichterfelde, Roonstr. 31a

Hackendahl
Im Stile einer zeitgemäßen Berliner Kneipe zwi-
schen Patina und Moderne lässt sich unverhofft
an der nördlichen Friedrichstraße Whisky aus al-
ler Welt probieren. Urgemütlich, sympathisch
und mit Spirituosen bis zur Decke getürmt.
Mitte, Friedrichstr. 128

Forelle, Wassermelone,


Gurke, Buttermilch


Unsere Serie ermöglicht Hobbyköchen und Genießern einen exklusiven Blick hinter


die Kulissen von Spitzenrestaurants – in Kochseminaren mit den besten Küchenchefs.


Und mit anschließendem Dinner in den spannendsten Locations Berlins


Der Geist im Glas


Whisky gab es


auch in der DDR–


die Mitgründerin


des Festivals


„Whiskyherbst“,


Ursula Kierzek,


erinnert sich


WHISKYHERBST IN DER MALZFABRIK
Berlins wichtigste Whisky-Veranstaltung. Vor 20
Jahren in Köpenick gegründet, zog der Whisky-
herbst in eine zentralere Lage um. Ra-
ritäten und Neuheiten werden angebo-
ten, genau wie Vorträge und Verkos-
tungen. Die historische Schult-
heiss-Malzfabrik sorgt für einen stim-
mungsvollen Rahmen.
Tempelhof, Bessemerstr. 2–14, 6.9.
15–22 Uhr, 7.9. 13–22 Uhr, Eintritt:
Tageskarte 13, Kombiticket 23
Euro, im VVK: whiskey-herbst.de

KÖPENICKER WHISKYFEST
Zeitgleich findet in der in der Köpe-
nicker Altstadt, wo die Ursprünge
des Whiskyherbstes liegen, ein
Stadtteilfest mit Livemusik, Tanz
und Budenzauber statt, dazu div.
Whisky-Tastings an den Ständen
der Aussteller.
Köpenick, Freiheit 15, 6.9. ab 16
Uhr, 7.9. ab 14 Uhr, koepeni-
cker-whiskyfest.de

KOCHAKADEMIE


M


alt Whisky ist ein Rätsel, verpackt in
ein Mysterium und verhüllt von Ge-
heimnissen“, sagte Sir Winston Chur-
chill. Wer diesem Rätsel auf den Grund
gehen möchte, sollte am 6. und 7. Sep-
temberden „Whiskyherbst“ inder Schöneberger Malz-
fabrik besuchen. Zahlreiche Aussteller laden zum Pro-
bieren und Informieren aufdas ehemalige Schultheiss-
Gelände. Seminare, Musik, eine Whiskyauktion für
den guten Zweck und ein umfangreiches Speisenange-
bot ergänzen das Festival. Lohnt für Einsteiger wie
Fortgeschrittene, zumal der „Whiskyherbst“ dieses
Jahr seinen 20. Geburtstag feiert.
Ursula Kierzek warvon Anfangan Teildes Organisa-
tionsteams. Sie betreibt am Bahnhof Lichtenberg ein
Spirituosenfachgeschäft, das seit 1910 von ihrer Fami-
lie geführt wird. Damals gründet der Bruder ihres
Großvaters inderWeitlingstraße 17einenKolonialwa-
renladen. Später übernimmt der Großvater, dann sein
SohnAlbert.Bereits abEnde der1950erJahrespeziali-
siertensie sich aufWeineund SpirituosenalsFamilien-
unternehmen – eine Geschäftsform, die in der DDR
nicht selbstverständlich war. „Obwohl wir natürlich
Kommissionshändler derstaatlichen Handelsorganisa-
tion waren, waren wir nie ein reiner HO-Laden“, sagt
Ursula Kierzek. „Papa war immer sehr quirlig und er-
finderisch, um an besondere Ware zu kommen.“
Sie selbst lernte das Geschäft zunächst bei der HO
kennen: im„Delikat“in der Leipziger Straße. Die„Deli-
kat“-Läden boten in der DDR rare Genussmittel an wie
das Kakaopulver „Trinkfix“ und Dosenmandarinen.
Teilweisekamen sie ausder sogenannten„Gestattungs-
produktion“, die für den Export in das westliche Aus-
land bestimmt war. Aber es gab dort auch Westim-
porte. Und anders als im Intershop wurde in
DDR-Mark bezahlt. „1986 bin ich ins Geschäft der Fa-
milie eingestiegen, zunächst als Verkäuferin“, sagt die
51-Jährige. „Damals hatten wir neben dem HO-Sorti-
mentauch dasDelikat-Programm und dank meinesVa-
ters auch einige internationale Besonderheiten, wie
die Jack Daniel’s Pin Bottle oder Glenfiddich.“
Die Nachfrage war groß, in der DDR wurde reich-
lich getrunken. Und mit „Kumpeltod“, „Goldi“,
„Pfeffi“ oder „Blauer Würger“ gab es ebenso liebevolle
wie fragwürdige Kosenamen für die Spirituosen. Tho-
mas Kochan, Betreiber des Fachgeschäfts „Dr. Ko-
chans Schnapskultur“ in Prenzlauer Berg, schrieb in
seiner Dissertation „Blauer Würger – So trank die
DDR“: „Wenn zwei, drei Sorten Bier in den Sommer-
monaten knapp und mangels moderner Brautechnik
schnellflockig und schalwurden, wenndasWeinsorti-
ment schmal, ungenießbar und für viele Konsumenten
zu teuer war, wenn sich die Sorten an Limonaden und
Säften an einer Hand abzählen ließen und es bei Obst
und Gemüse mager aussah – Weiße, Braune und Li-
köre gab es immer. Die volkseigene Alkoholwirtschaft
war frappierend agil, produktionsstark und nah dran
an den Wünschen der Konsumenten.“
Auch Cocktails kommen in der DDR in Mode. Wo-
bei auf dem Titel von „Wir mixen!“, dem DDR-Buch
über Drinks mit vielen Rezepturen, der englische Be-
griff „Cocktail“ vermieden und auch im Inneren durch
„Mischgetränke“ ersetzt wird – der „Shaker“ heißt
dort folgerichtig „Schüttelbecher“.
1958 erschien die erste Auflage der Autoren Udo
Henseler und Bernhard Weichsel. Zunächst heiter und
unpolitisch und sogar mit Werbung. Sauberes Arbei-
ten wird betont, die Milchbar genießt hohes Ansehen,
ebenso die Fruchtsäfte der VEB Kelterei Lockwitz-
grund. Zuletzt wird die Verwendung des Standmixers
„Mixette“ empfohlen.Inden 1960erJahren verschwin-
det die Werbung aus dem Buch. Der Kalte Krieg sorgt
für eine Politisierung auch des Barbetriebs und das
„Wir mixen“ erscheint mit zwei neuen Kapiteln: „Die

Entwicklung und das Wesen der Bars unter kapitalisti-
schen Verhältnissen“ und „Die Bars unter sozialisti-
schen Verhältnissen“. Darin heißt es: „Unter kapitalis-
tischen Verhältnissen dienen die Bars dazu, den Ange-
hörigen der herrschenden Klasse und bevorzugten
Schichten (...) ihre Langeweile zu vertreiben.“ In den
Bars des Westens kämen „ganz offensichtliche Deka-
denzerscheinungen der kapitalistischen Gesellschaft
zum Ausdruck“. Denn „Unmoral, Ausschweifung und
dergleichen sind unausbleibliche Begleiterscheinun-
gen kapitalistischer Verhältnisse“. Doch Rezepturen
für Drinks wie Manhattan, Jersey-Cocktail, Englischer
Punsch oder New Orleans Fizz sind trotz Eisernem
Vorhang im Buch versammelt.
Ende der 1960er Jahre verschwinden die gesin-
nungspolitischen Kapitel wieder, dafür steigt die Zahl
der Cocktailrezepte von 480 auf 500. Einige Drinks
werden umbenannt: „Harem“ wird zum „Pfir-
sich-Sour“, der „Cocktail für Damen“ zum „Cocktail
für Frauen“ und der „Feuerkugel-Cocktail“ nennt sich
fortan „Sputnik Cocktail“. Nur Tequila kommt nie als
Zutat vor. Und selbst in den späten Ausgaben der
1980er Jahre existieren keine Daiquiris, Negronis
oder Coladas.
Whisky scheint hingegen immer vorrätig gewesen
zu sein, wofür insbesondere die Falckenthaler Brenne-
rei von 1759 im Rahmen der „VEB Edelbrände und
Spirituosen Luckenwalde“ sorgte. „Der Falckner“ und
der „Edel Falcke“ waren dem schottischen Stil nach-
empfunden und der „Oldmaster“ sollte sogar Devisen
aus dem Exportgeschäft erwirtschaften. Nach der
Wende erwarb die Familie Falckenthal die Brennerei
von der Treuhand zurück, verkaufte Mitte der 1990er
aber an die Berentzen-Gruppe, die die Marke wenig
später aus dem Sortiment strich.
„Schade, dass ich damals nicht einige Falckner-Fla-
schen aufbewahrt habe“, sagt Ursula Kierzek, deren
Familienunternehmen in der Zeit nach der Wende auf
Whisky setzte: „Mein Vater hatte vor dem Mauerbau
in Kreuzberg gearbeitet und bereits die Marktwirt-
schaft kennengelernt, was nach dem Mauerfall sehr
nützlich war. Er erkannte rasch, dass es keinen Sinn
ergab, ein Sortiment zusammenzustellen, bei dem Su-
permärkte und Discounter die Konkurrenz wären. Gu-
ter Whisky schien eine Nische im Markt zu sein.“
Heute kümmert sich Ursula Kierzek um den 96-jäh-
rigenVater undum dasThemaWhiskyinBerlin. Insbe-
sondere mit dem „Whiskyherbst“. Sie schmunzelt,
wenn sie an das Gründungsjahr 1999 zurückdenkt:
„Den Mitstreiter Frank Ewald aus Köpenick kannte ich
schon aus DDR-Zeiten und Werner Hertwig aus Schö-
neberg lernte ich später auch durch die Berliner
Whisky-Szene kennen. 99 fuhren wir gemeinsam auf
die ,Interwhisky‘-Messe nach Frankfurt. Danach

brachte uns Whisky-Legende Jim McEwan auf die Idee
einer eigenen Messe und machte uns klar, dass Berlin
so etwas auch braucht.“
Was dann im gleichen Jahr ganz klein in Köpenick
begann, blickt heute auf eine 20-jährige Tradition zu-
rück und gilt als das wichtigstes Whisky-Event im Jah-
reskalender Berlins. Das Gründungstrio organisiert
noch immer die Veranstaltung. Doch dank des stetig
wachsenden Erfolgs findet der Whiskyherbst mittler-
weile in der geräumigeren Malzfabrik statt und mit
Uwe Wagmüller, der den Laden „Finest Whisky“ und
den Whisky-Pub „Union Jack“ betreibt, stößt in die-
sem Jahr eine weitere Berliner Whisky-Koryphäe zum
Organisationsteam hinzu.
Gemeinsam tüftelten sie ein feines Jubiläumspro-
gramm aus und es gibt exklusive Sonderabfüllungen,
wie einen 20-jährigen Glendronach, einen 20-jährigen
Arran (Foto u.) und einen zehnjährigen Glenallachie.
Erstmals präsentiert der Whiskyherbst eine histori-
sche Ausstellung zum Thema „Deutscher Whisky aus
Ost und West vor 1989“, kuratiert vom Whisky-Histo-
riker Markus Rosanowski, der in Steglitz das Fachge-
schäft „Whisky Kabinett“ führt.
Ursula Kierzek, die Dame in der Männerdomäne,
freut sich: „Whisky in Berlin kommt immer mehr in
Schwung, die Leute hören besser zu, wenn es um aus-
gefallene Spezialitäten geht, und im Fachhandel inte-
ressieren sich die Kunden mehr für spezielle Produkte
als für Standardware. Aber der beste Verkäufer ist im-
mereinProbierschluck!“ Davon wirdes auf dem Whis-
kyherbst reichlich geben.

Die besten


Whisky-Bars


in Berlin


Whiskey erleben


§§§ §§§


§§§ §§§


Workshops


im September


Ein bisschen bye-bye Sommer,


ein wenig mediterranes Ferien-Fernweh,


ein frecher Klacks Berliner Heimat


und eine Ahnung vom nahenden Herbst:


So ist Silvio Pfeufers Viergangmenü


Von Peter Eichhorn


§§§ §§§


Zwei überraschende Gänge.Schweine-
rücken, Sauerkraut, Schinken, Zwiebel – ganz
anders als erwartet (o.) – und die Forelle aus
dem Rezept, leicht und sommerlich.

Fotos: Mike Wolff (4)

TIPP

Familienbetrieb. Seit
1910 betreiben die
Kierzeks den Laden in
Lichtenberg. Zuerst als
Kolonialwarenladen,
später als „Kommissi-
onsgeschäft der HOLe-
bensmittel“, heute als
„Ihr Spezialist“.

Expertin.Ursula Kierzek hat
die Leidenschaft für Whisky
von ihrem Vater übernommen.
Albert Kierzek machte aus
dem Ladengeschäft nach der
Wende einen Spirituosenfach-
handel. Sie organisiert den
„Whiskyherbst“ nun schon
zum 20. Mal mit.

Hochprozentig. Neben
reichlich Schnaps wurde
in der DDR auch Whisky
hergestellt: Im VEB Edel-
brände und Spirituosen Lu-
ckenwalde produzierte die
Falckenthaler Brennerei
den „Falckner“ nach
schottischem Vorbild (die
abgebildete Flasche
wurde nach 1989 abge-
füllt).

Trinkkultur.
Gern und viel
wurde in der
DDR getrunken,
die Schnapspro-
duktion funktio-
nierte nach Plan.
Bereits Ende der
1950erJahre
erschien das
Cocktailbuch
„Wir mixen“.

Kai-Uwe Heinrich (6); Union Jack/promo; Madonna/promo

Neue Konstellation.Pa-
tron Ivo Ebert (u. l.) hat
Silvio Pfeufer als neuen
Küchenchef (r.) an seine
Seite geholt. Das „Eins-
unternull“ geht kulina-
risch jetzt neue Wege.

MG 2 DER TAGESSPIEGEL MEHR GENUSS NR. 23 931 / SONNABEND, 31. AUGUST 2019 MG 3


GEWINNEN

Goldi, Kumpeltod und Blauer Würger –
die Alkoholproduktion der DDR war nah

dran an den Wünschen des Volkes

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