Der Tagesspiegel - 31.08.2019

(Sean Pound) #1

ven Rückgang des Mietwohnungsneu-
baus in Berlin kommen.“


Altersvorsorge von Eigentümern leidet
Rund ein Viertel aller Berliner Mietwoh-
nungen gehört Privatpersonen, die sie
sich als private Altersvorsorge zum Teil
mühsam monatlich absparen. Bislang ist
hier offensichtlich eine Folgenabschät-
zung überhaupt nicht erfolgt. Denn In-
standsetzungen und Renovierungen wer-
denzurückgefahren.VermieteteWohnun-
gen sind üblicherweise über Bankkredite
finanziert. Die Miete wird nahezu voll-
ständig von Zins und Tilgung aufge-
braucht. „Wenn sich der Mietertrag mit
dem Mietendeckel signifikant reduziert,
können Eigentümer schlicht und ergrei-
fend ihre Kredite nicht mehr bedienen
undhabeneinmassivesProblem,wennan-
dere Rücklagen fehlen“, sagt auf Anfrage
Esfandiar Khorrami, Rechtsanwalt und
Partner beiBottermannKhorramiLLP.


Mietern drohen Nachzahlungen
DerersteLompscher-EntwurfdesMieten-
deckels galt für viele als verfassungswid-
rig, so jedenfalls Reaktionen nach dessen
EnthüllungimTagesspiegel.FallsdieVer-
fassungswidrigkeit festgestellt worden
wäre,hättenMieterdie zuweniggezahlte
Miete nachzahlen müssen. Bei einer Er-
sparnis von drei Euro pro Quadratmeter
und Monat hätten das mehrere tausend
Euro werden können. Das hätte bedeutet,
dassvieleHaushaltemiteinemSchlagvor
finanziellenProblemengestandenhätten.


Gleichheitsgrundsatz ausgehebelt
Das Lompscher-Papier hätte nach Ein-
schätzung von Juristen gegen den Gleich-
heitsgrundsatz ausdem Grundgesetzver-
stoßen. Es behandelt offensichtlich Un-
gleiches gleich. Kritiker sagen, Lomp-
schers Aufschlag breche mit der beste-
henden Systemlogik. Berlin hat seit vie-
len Jahren einen funktionierenden Miet-
spiegel, der unterschiedliche Merkmale
einer Wohnung wie Alter, Ausstattung
oder Größeberücksichtigt. Mit dem Mie-
tendeckelsoll dasalles nichtmehr gelten.
Lage und Ausstattung der Wohnung vor
Ort sollen keine Rolle mehr spielen.


Landesrecht bricht nicht das Bundesrecht
Auch ohne Mietendeckel sieht das Bun-
desrecht (§ 558 BGB, Mieterhöhung bis
zur ortsüblichen Vergleichsmiete) ver-
schiedene Schutzmechanismen für Mie-
ter vor, es gestattet jedoch auch Vermie-
tern unter bestimmten Voraussetzungen,
den Mietzins anzuheben. Mieterhöhung
sind bis zur ortsüblichen Vergleichs-
miete zulässig – dies kann durch Landes-
recht nicht ausgehebelt werden: Artikel
31des Grundgesetzes enthälteineKollisi-
onsnorm in der föderalen deutschen
Rechtsordnung. Danach bricht Bundes-
recht das Landesrecht.


Besserverdiener werden bevorzugt
Durch den Mietpreisdeckel könnten
mehr Eigentumswohnungen auf den
Markt kommen: Die, die nun nur noch
wenig Rendite versprechen, und die, de-
ren Eigentümer in finanzielle Schieflage
gekommen sind. Leisten können sich
diese Wohnungen Besserverdienende,
denn attraktive Modelle für den Erwerb
von Eigentum werden Gering- und Nor-
malverdienern nicht angeboten. Die Mit-
tel- und Oberschicht profitiert zudem
von sinkendenMieten, kann besser Rück-
lagen und Eigenkapital für den Erwerb
von Eigentum bilden. Gewollt oder nicht
fördert ein Mietendeckel so den Erwerb
von Wohneigentum.


S


ie blieb nur vier Jahre, die Familie
des argentinischen Historikers und
Journalisten Iso Brante Schweide,
die 1929 nach Berlin kam und, die Zei-
chen der Zeit erkennend, das Land 1933
wieder verließ. Zurück blieb ihr neues
Haus, das sie in Zehlendorf in der Nähe
desSchlachtenseeshattebauenlassen.Ar-
chitektwarJohannesNiemeyer,nichtver-
wandtmitseinemberühmtenNamensvet-
terOscarNiemeyerausBrasilien.1889in
Halle/Saalegeboren,hatteerinMünchen
studiert und war später Professor an der
Kunstgewerbeschule Burg Giebichen-
stein. Nach kriegsbedingten Schicksals-
schlägen zog er sich zurück und lebte in
Berlin als Maler, wo er 1980 starb.
EristeinerderzahlreichenArchitekten
des Neuen Bauens, die nie direkt mit den
Bauhaus-ProtagonisteninKontaktgekom-
men waren, deren Oeuvre aber im Zuge
desBauhausjubiläumsals„Bauhausarchi-
tektur“ gleich mit vereinnahmt wird. So
auch das zu Unrecht nie bekannt gewor-
deneHausSchweideinZehlendorf.Dabei
gehört es eigentlich in eine Kategorie mit
den Villen, die berühmtere Kollegen wie
die Gebrüder Luckhardt, Richard Neutra
oder Peter Behrens in jener Zeit in Berlin
bauten. Erst 1985 wurde es unter Denk-
malschutz gestellt. 1990 erinnerte eine
Ausstellung der Berlinischen Galerie an
denArchitekten und Maler Niemeyer.
Heute steht das Haus etwas versteckt
in zweiter Reihe, da die vordere Hälfte
des Grundstücks mit einem (zu) großvo-
lumigen Wohnbau besetztwurde. Mit sei-
nen weißen, kubischen Formen bildet es
einen reizvollen
Kontrastzu denKie-
fern auf den Grund-
stücken des Quar-
tiers.Mit seinenaus-
ladenden Terrassen
und Umgängen
könnte es auchan ei-
nem oberitalieni-
schen See stehen.
Charakteristisch ist
ein wie eine Apsis
halbrund hervortre-
tender Bauteil, an
dem ein außenlie-
gender Schornstein
den architektoni-
schen Akzent setzt.
Wie häufig in jener
Zeit und vor allem
von Le Corbusier
propagiert, setzte der Architekt Formele-
mente der Schiffsarchitektur ein, gestaf-
felte Baukörper, Relings, Schornstein.
Betritt man durchden feinsinnig gestal-
teten Eingang das Erdgeschoss, fallen so-
fort die originellen Details ins Auge, die
Einbaumöbel, der Geschirrschrank mit
Durchreiche in die Küche, die originalen
TürenundStahlfenster mitihrenBeschlä-
gen, die Stahl-Glastüren zum Wintergar-
ten, auf einer Schiene rollend wie die Tür
einesGüterwaggons, dieTürklinken(Ent-
wurf Walter Gropius), die Heizungsven-
tile im Maschinistenlook. Bis hinab in die
Waschküche ist alles noch vorhanden.
Bis auf die Bäder und die Küche ist das
Haus in einem selten anzutreffenden Ur-
zustand,der Staunen machtundArchitek-
turfreunde begeistert.
Dieaus Argentinien gekommenen Bau-
herren wollten es hell, deshalb die gro-
ßen Fensterflächen, die zum Teil um die
Ecken greifen. Sie wollten im Freien le-

ben,deshalbdie Terrassen(mit Außendu-
schen), deren untere sich mit Vorhängen
zum Sonnen und Sommerschlafzimmer
gegen Einblicke schützen ließ. Und sie
verstanden es wohl zu feiern, deshalb auf
der Dachterrasse der Cateringplatz mit
Eiswasserwanne zum Kühlen des Cham-
pagners.
Man wünschte sich, dass dieses Haus
nunsorgfältig denkmalpflegerischrestau-
riert wird – der Denkmalschutz wird oh-
nehin ein waches Auge darauf haben.
Wenn es ein Objekt für Liebhaber gibt,
dann dieses, denn als neuer Eigentümer
kommt wohlnureinengagierterArchitek-
turfreund infrage, der bereit ist, viel Auf-
wand zu betreiben und hier und da Kom-
promisse und Abstriche am Komfort zu
machen. Der Wohnwert jedenfalls ist
hoch, der Zuschnitt der Räume – großzü-
gig offen im Erdgeschoss, intimer im
Obergeschoss, großartig das Studio im
Dachpavillon – ist durchaus zeitgemäß.
Allerdings legt die Garage im Keller mit
2,50 Meter Breite den Verzicht auf einen
SUV und die Anschaffung eines kleinen,
umweltfreundlichen Elektroautos nahe.
Ein akzeptables Wärmedämmkonzept
will wohlüberlegt sein. Immerhin sind
die Außenwände 45 Zentimeter stark
und zweischalig ausgeführt, mit einer
zwischenliegenden Dämmschicht aus
Torfoleum. Obman dieDämmung ertüch-
tigen oder, besser noch, austauschen
kann, wird zu prüfen sein. Problemati-
scher sind die Fenster mit ihren Stahlrah-
men ohne thermische Trennung. Wohl
können Zweischeiben-Isoliergläsereinge-
setztunddieFensterüberarbeitet undab-
gedichtet werden, doch mit kalten Rah-
men muss man leben. Ein besonderer
Clou sind die vollständig versenkbaren
Fenster des Wintergartens, deren Mecha-
nik wieder gangbar gemacht werden
kann. Die sorgsame Grundsanierung des
Hauses mit Restaurierung der originalen
Ausstattungsteile, Erneuerung der Hei-
zung und der Installationen, Bäder und
Küche schlagen jedenfalls ordentlich zu
Buche. Dafür kann der neue Eigentümer,
eine stilsicher passende Möblierung vo-

rausgesetzt, in einem authentischen Bau-
haus-Ambiente leben, je nach Wunsch
bis zur letzten Untertasse museumsartig
diszipliniert, oder mehr nonchalant, wie
es dem Charakter des Hauses eher ent-
spricht. Vielleicht lässt sich das Haus

auch als Ferienwohnung an Bauhausfans
vermieten, die einmal das
20er-Jahre-Wohngefühl hautnah erleben
wollen. Ein ähnliches Angebot, „Tautes
Heim“ in Bruno Tauts Hufeisensiedlung,
läuft ja durchaus erfolgreich.

— Wer mehr über die Bauhaustradition in
der Gropiusstadt in Berlin erfahren
möchte, kann dort ab heute (31.8.) bis zum


  1. September Veranstaltungen besuchen:


http://www.brandschrift.de

Einige Details
in dem Haus

sind original –
wie dieser

Türbeschlag


Tausende Denkmale in Städten und Dör-
fern in ganz Deutschland öffnen am 8.
September ihre Türen. Anlässlich des
100-jährigen Jubiläums des Bauhauses
steht der „Tag des offenen Denkmals“
in diesem Jahr unter dem Motto
„Modern(e): Umbrüche in Kunst und
Architektur“. Thematisiert werden
revolutionäre Ideen und technische Fort-
schritte der vergangenen Jahrhunderte.
Das Bauhaus stehe dabei mit seiner
ideellen und ästhetischen Ausrichtung
als Paradebeispiel für das „Moderne“,
wie es auf der Internetseite der Deut-
schen Stiftung Denkmalschutz heißt,
die den Tag seit 1993 koordiniert.
Gegründet wurde das Bauhaus 1919
vonWalter Gropius(1883–1969) in
Weimar. 1933 musste es auf Druck des
NS-Regimes schließen. Trotz ihrer kur-
zenExistenz wurde die Kunstschule
prägend für Architektur und Design im
20.Jahrhundert.
Eröffnungsstadt für den diesjährigen Tag
desoffenen Denkmals ist Ulm mit sei-
nem Münster, historischen Bürger- und
Patrizierhäusern und Überresten der al-
ten Stadtbefestigung.
In Berlin können Interessierte unter an-
derem das ehemaligeStaatsratsge-
bäude der DDRbesuchen, in dem die
internationale Wirtschaftshochschule
ESMT Berlin ihren Sitz hat. Wie sieht
Erich Honeckers Arbeitszimmer aus?
Warum wählte Ex-Bundeskanzler Ger-
hard Schröder sein Büro im Staatsrats-
gebäude? Fragen wie diese sollen be-
antwortet werden. Tsp

Das Programm finden Sie online:
http://www.tag-des-offenen-denkmals.de

Bauhaus im Wald


In Zehlendorf


steht noch ein Original:


Johannes Niemeyers Villa


aus den Zwanzigern


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Die Bauherren des Hauseslebten hier von
1929 bis 1933. Architekt Johannes Niemeyer
spielte mit Formelementen aus dem Schiff-
bau (links). Fotos: Daniel Freytag

Foto: Daniel Freytag

Fortsetzung von Seite I1


TAGDESOFFENENDENKMALS D


VonFalkJaeger

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