Bild - 31.08.2019

(vip2019) #1
SPATZEN-WITZ
Zwei Spatzen hocken
auf einem Ast. Fliegt
ein Eurofighter vorbei.
Sagt der eine Spatz:
„Booaahrr, ist der
schnell!“ Darauf der
andere: „Kein Wunder,
dem brennt ja auch der
Hintern!“
BOXER-WITZ
In der Pause nimmt
sich der Boxtrainer
seinen Schützling vor.
„Hör mal zu, Pau-
le“, sagt er. „Wir müs-
sen uns jetzt über ei-
nes klar werden. Was
willst du gewinnen?
Den Meistertitel oder

den Frie-
densnobel-
preis?“

AUTO-WITZ
Fritzchen fährt mit
seinem Auto beim TÜV
vor. Sagt der Mann
vom TÜV: „Sie ha

vor. Sagt der Mann
vom TÜV: „Sie ha

vor. Sagt der Mann


  • ben ja gar keinen Ta-
    cho!“ Darauf Fritz-
    chen: „Wozu? Wenn ich
    40 km/h fahre, klap-
    pert die Fahrertür.
    Wenn ich 60 km/h fah-
    re, klappert der Aus-
    puff hinten. Und wenn
    ich 80 km/h fahre,
    klappert meine Oma
    auf dem Beifahrersitz
    mit ihren Zähnen!“


Boitzenburg/Dresden –
Sonntag sind Wahlen im Sonntag sind Wahlen im
Osten – und der Wes-
ten ist schier fassungsten ist schier fassungs-
los: Warum ist die AfD
so stark? Woher kom-
men Wut und Frust? Wie
ticken die Menschen im
Osten?
Spurensuche an den
Orten meiner Kindheit.
In Brandenburg und in
Sachsen.
★★★
Großgemeinde Boit-
zenburger Land in der
Uckermark. Ein win-
ziger Ortsteil, Ge-
burtsort meiner Mut-
ter. 46 Einwohner,
endloses Land. Zur
Wendezeit fiel hier
der Putz von den Fas-
saden, heute sind viele
Häuser neu gebaut oder
gut gedämmt. Frisch ge-
deckte Dächer glänzen
in der Sonne.
Aber nein, nein, nein. Aber nein, nein, nein.
Keiner will reden, auch Keiner will reden, auch
alte Bekannte nicht. „Es alte Bekannte nicht. „Es
gibt schon genug Ärgibt schon genug Ärgibt schon genug Är

alte Bekannte nicht. „Es
gibt schon genug Är

alte Bekannte nicht. „Es alte Bekannte nicht. „Es
gibt schon genug Är

alte Bekannte nicht. „Es


  • ger“, sagt ein Bauer.ger“, sagt ein Bauer. Sein
    Nachbar, auch Bauer,
    packt dann doch aus: sin-
    kende Milchpreise, Dürre,
    miese Versorgung: Der
    nächste Einkaufsladen
    ist 12 Kilometer entfernt.
    Und immer wieder
    gebe es Stress mit Mi-


granten: Die kämen mit
Übersetzer und Betreu

granten: Die kämen mit
Übersetzer und Betreu

granten: Die kämen mit


  • er zum ersten Arbeits-
    tag, erzählt der Bauer.
    Und dann nie wieder. Mit
    neun von zwölf Praktikan-
    ten bei Handwerkern lief
    es auch so. „80 Prozent
    der Leute, die ich kenne,
    wählen hier AfD“, sagt er.
    ★★★
    Flüchtlinge leben keine
    im Ort. Im nahen Tem-
    plin, 16000 Einwoh-
    ner, sind 178 Mi-
    granten im alten
    Schwesternheim
    oder in eigenen
    Wohnungen un-
    tergebracht. Im
    Flüchtlingsjahr
    2015 kamen mehr
    als 28000 Asylsuchende
    nach Brandenburg (2,
    Mio. Einwohner). 2018
    waren es gerade noch



  1. Trotzdem: Migrati-
    on spaltet den Osten.
    Die einen pflegen alte
    Rechtsaußen-Ressenti-
    ments, die es in der DDR
    auch schon gab. Oder
    sie fürchten einen neu-
    en großen Umbruch ih-
    rer (kleinen) Welt.
    ★★★
    Und es gibt die anderen, Und es gibt die anderen,
    die sich ihre Weltoffen-
    heit nicht nehmen lassen
    wollen und ihre eigenen wollen und ihre eigenen


Kreise haben. „Über die
AfD spricht man nicht“,
sagt Sybille Eckhorn im
Nachbarort Rosenow. Sie
ist Künstlerin (Malerei/
Plastiken) aus Berlin. „Es
gibt kaum jemanden, der
ausgegrenzt wird. Es gibt
gemeinsame Aktionen,
gemeinsame Feste wergemeinsame Feste wergemeinsame Feste wer--
den gefeiert.“ Die Stim-
mung sei schlechter als
die Lage.
★★★
Und ja, die Zahlen spre-
chen diese Sprache. Die
Arbeitslosigkeit in Bran-
denburg und Sachsen
ist auf historischem Tief,
kaum noch über Bundes-
schnitt. Die Wirtschaft
wächst, die Löhne stei-
gen, die Renten auch. Für
Frauen liegen sie über
West-Niveau.
★★★
Auch Eberhard Burchardt
(88) ist zufrieden. Er kam
als Kind im Krieg hier-
her, als in Berlin die Bom-
ben fielen, arbeitete ein
Leben lang, wo immer
er gebraucht wurde: als
Maschinenschlosser, Be-
rufsschullehrer, Werkleh-
rer. Vor einem Jahr ist sei-
ne Frau gestorben. Nach
mehr als 60 Jahren Ehe.
Da wird er plötzlich still.
Was zählen Politik und
Wahlen?

★★★
Szenenwechsel: Dres-
den, Stadtviertel Wilder den, Stadtviertel Wilder
Mann, wo ich als Kind so Mann, wo ich als Kind so
oft bei der Familie mei-
nes Vaters war.Unsere
alte Wohnung mit dem
Badeofen und der Koch-
maschine mit Kohlefeue-
rung ist hell und licht, hat
längst ein großes Bad.
Die meisten Stadtvillen
sind saniert, stuckverziert.
Die alte Gaslaterne, die
wir früher hochkletterten,
um die Flamme zu ent-
zünden, ist liebevoll re-
stauriert.
„Wir sind von Leip-
zig nach Dresden ge-
zogen. Die Stimmung
hier ist schon anders“,
sagt ein junger Famili-
envater im Hausflur. In-
wiefern anders, erklärt
Hans-Joachim Lehmann
(66) ein Stockwerk unter
unserer alten Wohnung.

Dem ehemaligen ElekDem ehemaligen ElekDem ehemaligen Elek--
troinstallateur geht es
gut, er sammelt Uhren
und bastelt an ihnen he-
rum. Aber er ist wütend:
„Die haben das in Ber„Die haben das in Ber„Die haben das in Ber--
lin durchgezogen“, sagt
er und meint: die Auf-
nahme von weit mehr
als einer Million Flücht-
linge 2015/16. „Egal,
ob Mann oder Frau,
abends traut man sich
allein nicht mehr in die
Stadt“, schimpft er.
★★★
1000 neue Polizisten ver1000 neue Polizisten ver1000 neue Polizisten ver--
spricht Sachsens Minis-
terpräsident Michael
Kretschmer (44, CDU).
Der Staat soll wieder
stark sein und für jeden
sichtbar. Denn gerade
in Sachsen gilt: Wo der
Staat sich mit Polizei,
Nahverkehr, Kranken-
häusern zurückgezogen
hat, da ziehen auch die

Bürger weg. Da wird die
AfD besonders stark. Es
ist fast wie eine mathe-
matische Gleichung.
★★★
In Dresden waren die
„Pegida“-Fremdenhas„Pegida“-Fremdenhas-
ser so stark wie nirgendser so stark wie nirgend-
wo in Deutschland. In Tei-
len Sachsens gibt es eine
sichtbare Neonazi-Szene.
Viele Westdeutsche würViele Westdeutsche würViele Westdeutsche wür--
den dem Land ein hand-
festes Extremismus-Prob-
lem attestieren.
Und was sagt Herr
Lehmann dazu? „Jeder,
der mal den Mund auf-
macht, wird gleich als
Nazi abgestempelt.“ Das
werde am Sonntag eine
„Frust-Wahl“, sagt er. Ge-
gen den Westen. Und
gegen die alten, ewig
regierenden Parteien
wie CDU und SPD. „Die
müssen mal was druff-
kriegen.“

16,

31,9 %

23

18,

12,

6,

1,

2,

4,

14

21

14,

5

4

3

SPD^22 %

Umfrage Brandenburg


CDU

Linke

AfD

Grüne

FDP

Freie Wähler

Sonstige

14

39,4 %

CDU^32 %

Link

Umfrage Sachsen


16,

31,9 %

23

18,

12,

6,

1,

2,

4,

14

21

14,

5

4

3

SPD^22 %

Umfrage Brandenburg


CDU

Linke

AfD

Grüne

FDP

Freie Wähler

Sonstige

14

39,4 %

18,

12,

9,

5,

3,

8,

8,

24,

11

5

5

CDU^32 %

Ergebnis der Landtagswahl 2014

Linke

SPD

AfD

Grüne

FDP

Sonstige

Umfrage Sachsen


BILD auf Spurensuche vor den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen


plin, 16
ner, sind 178 Mi
granten im alten

VonRALF
SCHULER

SPD und CDU vor schweren Verlusten


Wissen Sie, wann Wissen Sie, wann
Gläser wie Glocken
klingen? Wann man klingen? Wann man
diesen Ton buchstäb-
lich wie schöne Mu-
sik vernimmt? Das
geschieht, wenn Sie geschieht, wenn Sie
fasten, so ab dem fasten, so ab dem
sechsten Tag.sechsten Tag.
Ich habe Heilfasten
mehrfach versucht,
weil es gesund sein soll.
Abgesehen davon, dass
es eine interessante
Erfahrung ist, ist mir
eines in Erinnerung
geblieben: Nie sonst
wird einem bewusst,
wie wichtig schönes
Essen und Trinken ei-
gentlich sind.
Der Mensch träumt
oft von Dingen, die
er nicht hat. Es war
nicht nagender Hun-
ger, an den ich bis heu-
te denke. Es ist das
Lebensgefühl, das
ich mit einer gepfleg-
ten Mahlzeit verbin-
de. Essen und Trin-
ken mit Freunden:
„Reich mir mal das
Brot rüber, noch ei-
nen Schluck Rosé,
wer will Nachtisch?“
Einmal in der Woche
mittags um eins gab es mittags um eins gab es
bei meiner Oma Sonn-
tagsbraten.tagsbraten. Es war (in
meiner Erinnerung) oft
Geflügel, zum Beispiel
ein gewaltiges Huhn
mit krosser Haut, da-
zu Kartoffeln mit viel
Soße. Abends wur-
de der Knochen zer-
pflückt und mit Stulle
gegessen. Kein Fitzel-
chen blieb am Gerip-
pe. Was für ein Fest-
schmaus für die ganze
Familie!
Warum ich das alles
erzähle? Es wird jetzt
viel über Fleisch-
konsum gesprochen.
Nützt weniger Fleisch
der Umwelt? Wie viel
darf ich essen, wenn
ich die Natur schützen
will? Muss ich ganz auf
Fleisch verzichten?
Ich erwähne meine
Großmutter deshalb,
weil sie aus einer Ge-
neration stammt, in

der man ein natür-
liches Gefühl dafür
hatte, was wann auf
den Tisch kam. Und
vor allem, wann man
Fleisch aß.
In der Woche gab In der Woche gab
es oft Suppe, abends es oft Suppe, abends
immer Stullen. Man
trank ein Glas Bier.
Am Sonntag aber, als
die Familie zusam-
menkam (Oma war
Witwe), wurde ge-
tafelt, was der Tisch
hielt. Und da stand
immer ein „ordentli-
ches Stück Fleisch“,
wie man sagte: Kass-
ler oder Schweinebra-
ten, Kalbsbrust, Ta-
felspitz. „Es wird mit
Recht ein guter Bra-
ten gerechnet zu den
guten Taten“, dichtete
Wilhelm Busch.
Es war beim Flei-
scher liebevoll aus-
gesucht. Man wusste
genau, welches Stück
man für welchen Bra-
ten brauchte und wie
viel. Weggeworfen
wurde nichts. Fleisch
war etwas Besonderes,
und man behandelte
es auch so.
Wenn Großmutter
mir in ihrer Schür-
ze die Tür öffnete, ze die Tür öffnete,
gab es ein flüchtiges gab es ein flüchtiges
Küsschen: keine Zeit, Küsschen: keine Zeit,
komm rein! Es dufte-
te in diesem Haus wie
heute zu Weihnach-
ten. So haben wir es
auch empfunden – das
besondere Essen zur
besonderen Gelegen-
heit.
Und vielleicht ist das
auch die Botschaft von
Generation zu Gene-
ration: Genießt und
achtet das Besonde-
re. Fleisch ist etwas
Besonderes. Kauft und
esst mit Bedacht.
Ich glaube, das
könnte mir meine
Großmutter hinüber-
rufen in unsere Zeit.
Manchmal braucht
man keinen Wissen-
schaftler. Es genügt
der gesunde Men-
schenverstand.

Die


Kolumne


fürs


Leben


Von LOUIS HAGEN
Foto: WOLF LUX

Das Geheimnis


meiner


Großmutter


Louis Hagen (72) war 13 Jahre Mitglied der BILD-
Chefredaktion, ist heute Berater bei der Kommuni-
kationsagentur WMP und Gastdozent für Medien-
wissenschaften an der Technischen Universität Berlin.
Er lehrt Boulevardjournalismus am Beispiel von BILD.

Woher kommen Wut


und Frust


im Osten?


„Über die AfD spricht man
nicht“: Sybille Eckhorn lebt in
Rosenow, ist Künstlerin
aus Berlin

Ex-Elektroinstallateur
Lehmann ist wütend auf
„die da in Berlin“. Grund:
die Flüchtlingspolitik

Quelle Fotos: THOMAS SPIKERMANN

: ZDF VOM DONNERSTAG

Eberhard
Burchardt, hier
im Gespräch mit
BILD-Reporter
Ralf Schuler (l.),
lebt gern im
kleinen Örtchen
Rosenow

BILD DEUTSCHLAND • 31. AUGUST 2019 ● SEITE 3


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