Neue Zürcher Zeitung - 22.08.2019

(Greg DeLong) #1

38 REFLEXE Samstag, 24. August 2019


Glänzende Geschäftebei Lonza & Co.


Pharmazulieferer


schwelgen imGlück


DominikFeldges·In vielen Schweizer Industrie-
betrieben hat sich jüngst im Zuge der globalen
Konjunkturverlangsamung und nicht enden wol-
lender Handelsstreitigkeiten die Stimmung deut-
lichverschlechtert. Ganz anders präsentiert sich
die Atmosphäre bei den meisten Pharmaunterneh-
men und ihren Zulieferern. In diesemWirtschafts-
zweig herrschen noch immerrosige Wachstumsaus-
sichten.Beflügelt von einer unerwartet starken Um-
satzzunahme im ersten Semester sowie vollenAuf-
trag sbüchern, hat das Management desBaselbieter
PeptidherstellersBachem dieAusgangslage für die
zweiteJahreshälfte als «ausgezeichnet» bezeichnet.
Man erwarte für das Gesamtjahr «erneut sehr gute
Resultate».Auch beim Zofinger Pharmazulieferer
Siegfried ist man voller Zuversicht:«Wir sind auf
Kurs für ein erfolgreiches Geschäftsjahr 2019», hatte
die Konzernführung am Mittwoch verkündet.
Sowohl beiBachem als auch bei Siegfried fällt
au f, dass besonders die Geschäfte mit Generika-
firmen gut laufen. Der Preisdruck, der dieser Bran-
che seit längerem schwer zu schaffen macht, scheint
den beidenAuftragsfertigern nichts anzuhaben.
Bachem und Siegfried profitieren im Gegenteil da-
von, dass auch grosse Pharmafirmen ausKosten-
gründenTeile ihrer Produktion verstärkt an spe-
zialisierte Drittfirmen auslagern. DieserTrend be-
günstigt auch den Branchenriesen Lonza, der von
Wirkstoffen überTabletten und Kapseln bis hin zu
fertigen injizierbaren Medikamenten vielfältige
Wünsche seinerKundschaft befriedigt.
Die glänzenden Geschäfte haben seit Anfang
Jahr auch den Aktienkursen dieser dreiFirmen
kräf tig Schub verliehen. Am stärksten sind mit
einem Gewinn von 40% dieValoren von Lonza
gestiegen, doch auch fürBachem und Siegfried
ging es um je ungefähr 20% aufwärts. EineKurs-
korrektur ist vorläufig nicht in Sicht. Solange es in
der Branche weiter so gut läuft, dürften die Aktien
von Pharmazulieferern gefragt bleiben.


Markt fürBreitbandinternet


Der Spätzünder Salt


mischtden Laden auf


Stefan Häberli·Das Geheimnis ist gelüftet. Doch
zunächst zurVorgeschichte:Reichlich spät lancierte
Salt,die Nummer drei im Schweizer Mobilfunk, im
Frühling 2018 ein Festnetzangebot. Zu spät, um im
gesättigten Markt auf einen grünen Zweig zukom-
men, monierten Beobachter damals. Entsprechend
gelassen gaben sichSwisscom und Co. Doch so kalt,
wie diese behaupteten, dürfte der Markteintritt sie
kaum gelassen haben. Erstens verzichtete Saltauf
die gängige Praxis, das Tempo bei den Glasfaser-
anschlüssen künstlich zu drosseln. Zumindest theo-
retischkommen dieKunden des Unternehmens
seither in den Genuss von 10 GBit/s. Zweitens ging
Salt mit einem Kampfpreis an den Start.
Lange war unklar, ob das Angebot bei den
«wechselfaulen» SchweizerKonsumenten über-
haupt auf Anklang stösst.Wie viele Haushalte es
nutzen, war das Geheimnis von Salt. AmFreitag
hat dieFirma nun die Karten auf denTisch gelegt:
50 000 Glasfaserkunden zählte sie per EndeJuli.
Ist das viel oder wenig? ImVergleich zuSwisscom
mit 2Mio. und Sunrise mit knapp 500000 Inte rnet-
Kunden sind es Brosamen.Trotzdemist Salt-Chef
Pascal Grieder zufrieden: «Für ein neu lanciertes
Produkt ist das eine sehr gute Zahl.» Berücksichtigt
man, dass das Angebot nur in 1,4 Mio.Haushalten
mit Glasfaseranschluss verfügbar ist, lässt sich diese
Anzahl der gewonnenenKunden in derTat sehen.
Die entscheidendeFrage ist allerdings, ob sich
mit einer solch aggressiven Preispolitik auch Geld
verdienen lässt. In der Branche sind viele über-
zeugt, dass Salt hoheVerluste in Kauf nimmt, um
sich am Markt zu etablieren. Zumindest vor Ab-
schreibungen (Stufe Ebitda) schreibt dasFestnetz-
Geschäft laut Grieder allerdings bereits schwarze
Zahlen. Mittelfristig müssenaber auch dieKosten
für die Nutzung der Glasfasernetze derEnergiever-
sorger –Dutzende Mio. Fr. – wieder hereingeholt
werden.Damit dies gelingt, muss dieKundenzahl
wohl mindestens verdoppelt werden.

Streiksbei Ryanair


Crew und Kunden


haben genug


BenjaminTriebe, London·Streiks sind beiRyanair
zu einem Problem geworden. Seit Europas grösste
Billigfluggesellschaft Ende 2017 Gewerkschaften
anerkannte, pochen Piloten und Kabinenperso-
nal immer wieder auf ihrRecht. Vor einemJahr
sorgte eine europaweite Streikwelle für zahlreiche
Flugausfälle. Kein Wunder, dass jetzt in Grossbri-
tannien wieder mit dem Schlimmsten gerechnet
wurde: BritischeRyanair-Piloten traten am Don-
nerstag undFreitag in denAusstand – ausgerech-
net vor einem verlängerten undreiseintensiven
Wochenende. Doch überraschend lief alles nach
Flugplan: DenAusfall jener 30% der Piloten, die
in der streikenden Gewerkschaft organisiert sind,
konnteRyanairauffangen. Piloteneinsätze wurden
umgeplant und demVernehmen nach auch sol-
che herangezogen, die in anderenLändern sta-
tioniert sind.
Das ist nichtohne Ironie. Im Juli hatte sichRyan-
air-Chef Michael O’Leary über einen Überschuss
von 900 Mitarbeitern beklagt – davon 500 Piloten.
Unter anderem wegen der Stilllegung undgestopp-
ten Auslieferung von Boeing-737-Max-Flugzeugen
könnten sich diese Mitarbeiter auf ihre Entlassung
einstellen, sagte er. Jetzt halfen ausgerechnet die
überzähligen PilotenRyanair aus derPatsche.
Arbeitskämpfe gibt es bei der Airline auch in
Irland, Spanien undPortugal. Im September soll
wieder in Grossbritanniengest reikt werden.Ryan-
air sollte dieLage nicht eskalieren lassen:Wegen
Überkapazitäten erwartetdie Firma in diesem Ge-
schäftsjahr ohnehin einen um 25% tieferen Ge-
winn. Die Unruhe des vergangenenJahres hat die
Briten in einer amFreitag veröffentlichten Um-
frage dazu veranlasst, Ryanair unter hundertFir-
men zu jener mit dem schlechtestenKundenservice
zuwählen. Zugegeben:Auf dem letzten Platz war
Ryanair auch in den vorausgegangenen fünfJahren
gelandet.Aber das zeigt erstrecht, dass es so nicht
weitergehen kann.

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