SEITE 28·MONTAG, 2. SEPTEMBER 2019·NR. 203 Sport FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
LUHMÜHLEN. Erfahrung ist Gold
wert: Ingrid Klimke, die mit ihrem be-
währten Wallach Hale Bob schon alle
möglichen Situationen gemeistert, Ent-
täuschungen weggesteckt und Glücksmo-
mente zelebriert hat, konnte in Luhmüh-
len ihren Europameistertitel im Vielsei-
tigkeitsreiten erfolgreich verteidigen. Mi-
chael Jung, ihr schärfster Gegenspieler,
der den elfjährigen Wallach Chipmunk
erst seit Februar unter dem Sattel hat,
war zwar als Führender nach Dressur
und Gelände ins abschließende Spezial-
springen gegangen, doch das Verständ-
nis zwischen Reiter und Pferd war wo-
möglich noch nicht so blind, wie der drei-
malige Olympiasieger das gewohnt ist.
Im Parcours fiel in der zweifachen Kom-
bination eine Stange – und schon rutsch-
te er auf Platz zwei hinter die 51 Jahre
alte Teamkollegin zurück. „Ob der Feh-
ler daran gelegen hat? Vielleicht, viel-
leicht auch nicht“, sagte Jung. Doch ob-
wohl er ein bisschen schlucken musste,
hatte auch er Grund zum Feiern. Mit ei-
nem fast astronomischen Vorsprung von
22,5 Punkten gewann die deutsche
Equipe den Titel vor Großbritannien
und Schweden. Das bedeutet, dass die
Mannschaft sich im Springen fünf zusätz-
liche Abwürfe hätte leisten können. Und
das im vorolympischen Jahr.
Im vergangenen Jahr, bei den Welt-
meisterschaften in Tryon, hatte ein Ab-
wurf am letzten Hindernis Ingrid Klimke
mit ihrem 15 Jahre alten Bobby den Titel
gekostet. Diesmal blieb sie fehlerfrei.
„Am letzten Sprung habe ich tief Luft ge-
holt in Erinnerung an letztes Jahr“, sagte
sie. Der knappe Rückstand hinter Jung
stammte bereits aus der Dressur, ausge-
rechnet der Disziplin, in der Klimke häu-
fig in Spezial-Wettbewerben startet.
Jung verlor das Gold im Springen, das
sein besonderes Spezialgebiet ist; in die-
sem Jahr gewann er schon das Haupt-
springen beim Hallenturnier in Dort-
mund. Am Samstag hatten beide perfek-
te Ritte durchs Gelände gezeigt. Die
Bronzemedaille ging an den Iren Cathan
Daniels auf Rioghan Rua. Andreas Di-
bowski (Döhle) steuerte mit Corrida auf
Rang 16 eine solide Leistung zum Team-
Ergebnis bei. Kai Rüder (Fehmarn) liefer-
te trotz Platz vier in der Dressur wegen ei-
ner Krise am Start ins Gelände das
Streichresultat. Das Ergebnis: Rang 24.
Trotz des Abwurfs zum Schluss war
Jung glücklich darüber, wie sich seine
Verbindung mit Chipmunk entwickelt.
Doch er wurde ziemlich scharf im Ton,
als er über eine unheimliche Begegnung
auf der Geländestrecke berichtete. Die
direkt vor ihm gestartete Spanierin Ma-
ria Pinedo Sendagorta war in den zwei-
ten Wasserkomplex gefallen und badete
noch eine Weile im kühlen Nass. Das
brachte die Jury in Not, die sich aller-
dings nicht dazu entschließen konnte,
Jung, der sich dem Wasser näherte, auf-
zuhalten. Auch der Hindernisrichter am
davor liegenden Sprung, einem kapita-
len Tisch, hatte keine klare Anweisung.
Also wedelte er warnend mit den Ar-
men, die zum Anhalten vorgeschriebene
Flagge benutzte er aber nicht. Jung sah
das vom Pferd aus und war verwirrt. „Ich
wusste nicht, muss ich anhalten oder wei-
terreiten“, sagte Jung. „Ich war kurz
durcheinander, der Rhythmus war weg,
die Konzentration war weg, der
Schwung war weg, ich machte einen
Shit-Sprung.“ Auch in der Wasserkombi-
nation – die Spanierin war inzwischen
fort – musste er noch kämpfen. Ein ganz
untypisches Bild des Schwaben, der
schon oft mit fast geisterhafter Sicher-
heit durchs Gelände huschte. „Sowas ist
gefährlich“, sagte er. Aber er wäre nicht
Jung, würde er einen solchen Zwischen-
fall nicht einfach wegstecken.
Wie wild die Pferde im entscheiden-
den Moment auf das Gelände sind, konn-
te man bei Kai Rüder und seinem 13 Jah-
re alten Oldenburger Wallach Colani
Sunrise sehen. Das Pferd weigerte sich,
die enge Startbox zu betreten. „Er hatte
nur noch Sprung eins im Kopf“, sagte Rü-
der. Sein Pferd stellte sich auf die Hinter-
beine, und es dauerte 40 Sekunden, bis
ein vernünftiger Start zustande kam. Ge-
nau so viel, wie Rüder im Ziel die Ideal-
zeit überschritten hatte. Er wäre ohne
den Zwischenfall fehlerfrei in der Zeit ge-
blieben. Ärgerlich, zumal im Spezial-
springen wieder alles klappte. „Das war
gut fürs eigene Ego“, sagte Rüder hinter-
her. EVI SIMEONI
Zweimal Gold:Ingrid Klimke
siegt in Luhmühlen als Solistin
und mit dem Team. Foto dpa
L
ässt sich der Tod so einfach überfah-
ren? Anthoine Hubert, ums Leben
gekommen mit 22 Jahren, mag der Welt
außerhalb des Fahrerlagers nicht beson-
ders bekannt gewesen sein. Aber er ge-
hört der Generation Leclerc an, die peu à
peu die alte Garde ablöst. Junge Männer,
die sich in einem gnadenlosen Auswahl-
prozess über die Jahre immer wieder be-
gegnet sind, haben sich über die vielen
Wettbewerbe von Kindesbeinen an mit
Freude und mitunter auch Frust hineinge-
fahren in einen Kreis, den sie selbst als
Rennfahrerfamilie bezeichnen. Hubert
gehörte dazu. Nun starb er in einem Un-
fall, der zeigt, dass dieser Sport trotz al-
ler Verbesserungen an Chassis, Radauf-
hängung, Helm und Streckenbegrenzung
weiterhin lebensgefährlich ist. Kettenre-
aktionen wie am Samstag kamen zuletzt
im Formelsport zwar immer wieder vor,
aber ohne fatale Konsequenzen. Todes-
fälle hatten zuletzt kaum vorhersehbare
Gründe. Der junge Henry Surtees etwa
starb in einer Nachwuchsserie vor zehn
Jahren, weil ihm ein Rad an den Helm
flog. Ein Bügel vor dem Cockpit mini-
miert inzwischen dieses Risiko. Jules Bi-
anchi wurde vor fünf Jahren in der For-
mel 1 Opfer eines Krans, der zur Ber-
gung eines Boliden an den Streckenrand
gefahren war. Diese Gefahr lässt sich na-
hezu ausschließen. Das Risiko, gefangen
in einem Unfallwrack, von einem mit
mehr als Tempo 200 heranschießenden
Auto getroffen zu werden, bleibt dage-
gen präsent. In jedem Autorennen, da-
mals, heute und in Zukunft. Dass zuletzt
so wenig passierte, war schieres Glück.
Auch deshalb schrieb Formel-1-Welt-
meister Lewis Hamilton am Samstag-
abend, die Gefahren des Sports würden
nicht ernst genug genommen – „nicht
von den Fans und nicht von manchen
Leuten, die in diesem Sport arbeiten“.
Die Entwicklung der vergangenen Jah-
re hat das Risikobewusstsein reduziert.
Inzwischen sind Auslaufzonen asphal-
tiert worden, angeblich steigert das die
Sicherheit. Sie geben aber auch Raum,
auszuweichen und weiter zu beschleuni-
gen, wie es Juan Manuel Correa tat am
Samstag. Als er bremste, war es zu spät.
Huberts Tod hat im Fahrerlager tiefes
Mitgefühl hervor gerufen. Moderne Kom-
munikationsplattformen bieten Dutzen-
de Möglichkeiten, das zu dokumentie-
ren. Sie führen auch dazu, dass sich Mit-
glieder dieser „Motorsportfamilie“ mit
ihrer binnen Stunden getroffenen Ent-
scheidung, das Formel-1-Rennen laufen
zu lassen, ständig rückversichern, das
Richtige zu tun. Der Wertschätzung des
Risikos und des Glücks, am Leben zu
sein, wäre eine kurze Pause zuträglicher
gewesen. Es ist kein Zufall, dass Fahrer
ihre Gefühle für sich behalten, symbo-
lisch geschützt durch den Helm. Sie sol-
len harte Typen sein. Die Zukunft des
Nachwuchses hängt mitunter von einem
einzigen Überholmanöver ab. Diese jun-
gen Männer sind verantwortlich am
Lenkrad, aber doch nur Rädchen. Auch
vor diesem Hintergrund wäre es klug ge-
wesen, einmal innezuhalten, die Moto-
ren schweigen zu lassen, ein Zeichen zu
setzen. Nicht nach außen, des billigen Ef-
fektes wegen, sondern nach innen. chwb.
D
as Qualifying der Formel 1
hatte das Formel-2-Rennen
auf dem Circuit de Spa-Fran-
corchamps ein wenig verzö-
gert, aber am Samstagnach-
mittag um 17 Uhr starten 19 junge Män-
ner und eine junge Frau in die Einfüh-
rungsrunde über den längsten Kurs im
Rennkalender: sieben Kilometer, vier
Zentimeter. Sieben Minuten später wird
das Rennen abgebrochen, in der zweiten
Runde. Anthoine Hubert, 22 Jahre alt,
aus Lyon, ist mit dem in Quito, Ecuador,
geborenen Amerikaner Juan Manuel Cor-
rea kollidiert. Correa, 20 Jahre alt, bre-
chen dabei beide Beine mehrfach, er erlei-
det eine leichte Verletzung an der Wirbel-
säule, wie sein Team am Sonntag mitteilt.
Sein Zustand im Universitätskranken-
haus Lüttich sei stabil. Anthoine Hubert
überlebt den Unfall nicht. Um kurz vor
sieben teilt der Internationale Automobil-
verband Fia mit, dass er um 18.35 Uhr in
der Ambulanz an der Rennstrecke seinen
Verletzungen erlegen sei. Das für den
Sonntag geplante Formel-2-Rennen wird
abgesagt.
Noch abends um neun stehen am Un-
glücksort, an einer ansteigenden Passage
hinter der Raidillon-Kurve Bergungsfahr-
zeuge, flackern Blaulichter in den Wald
des Hohen Venn. Um kurz nach halb
zehn am Abend sendet die Nachrichten-
agentur Belga das Kommuniquédes Stre-
ckenbetreibers Spa Grand Prix SA. Das
sonstige Programm des Grand Prix von
Belgien finde wie geplant statt.
Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton
spricht Huberts Familie auf Instagram
sein Beileid aus und fügt an, dass jeder
völlig falsch liege, der „glaubt, dass das,
was wir tun, sicher ist. Alle Fahrer riskie-
ren ihr Leben, wenn sie auf die Strecke
fahren“. Er beklagt, dass weder Fans
noch einige der Leute, die „in diesem
Sport arbeiten“, das Risiko ernst genug
nähmen. Wie Hamilton drücken nahezu
alle in Spa anwesenden Teams und Fahrer
ihr Mitgefühl aus. Mick Schumacher,
Sohn des Rekordweltmeisters Michael
Schumacher, der im Formel-2-Rennen
vor den Verunglückten fuhr, schreibt auf
Twitter: „Das Schicksal ist brutal, der Ver-
lust endlos. Anthoine, wir vermissen dich
jetzt schon.“
Das Unglück ist der folgenreichste Un-
fall in einer europäischen Formel-Serie
seit Jahren. Er wird von der Fia unter ih-
rem Präsidenten Jean Todt untersucht
werden. Die Fia bestätigt am Sonntag ge-
genüber dieser Zeitung, dass die belgi-
sche Polizei den Unfallhergang ermittele.
Man werde alle damit befassten Behör-
den unterstützen. Fest steht einstweilen,
dass die Kollision zwischen Hubert und
Correa am Ende einer Kettenreaktion
stand, die ihren Ausgangspunkt im be-
rühmten Streckenabschnitt Eau Rouge
hatte. Das Fachmagazin „Auto Motor und
Sport“ berichtet unter Berufung auf Auf-
nahmen, die der Fia vorliegen, aber nicht
im Fernsehen gesendet wurden, dass der
Franzose Giuliano Alesi sich hier auf-
grund eines Reifenschadens drehte. Nach
der Senke von Eau Rouge steigt der Kurs,
in den Ardennen gelegen, steil an. Auf
der Kuppe schlug Alesis Wagen, wie der
seiner Konkurrenten mit Benzin und Fah-
rer 755 Kilogramm schwer und 620 PS
stark, demnach in die Streckenbegren-
zung ein und drehte sich um die eigene
Achse. Den nachfolgenden Fahrern nahm
die Kuppe die Sicht auf Alesi. Als sie ihn
wahrnahmen, wichen sie aus. Teilweise
nach links, zum Teil aber auch nach
rechts, weil die Auslaufzone rechts des
Randsteins asphaltiert ist. Hier kamen
einst die Autos aus der Boxengasse.
Anthoine Hubert konnte Alesi eben-
falls erst hinter der Kuppe sehen. Er tou-
chierte Alesis Fahrzeug, verlor die Kon-
trolle über sein Auto, schlug in die Stre-
ckenbegrenzung ein und kreiselte Rich-
tung Strecke zurück, quer zur Fahrtrich-
tung. Hier wurde er von Correa getroffen,
der ebenfalls auf den Asphalt neben der
Strecke ausgewichen war und mit einem
Tempo von 250 bis 270 Kilometern pro
Stunde herangeschossen kam. Er bremste
offenbar erst im letzten Moment, als er
des kreiselnden Wracks gewahr wurde.
Durch die Kollision wurde Huberts Wa-
gen nach vorne katapultiert, in die Stre-
ckenbegrenzung, die das Ende der alten
Boxengasse markiert. Dort schlug Hubert
in stumpfem Winkel ein weiteres Mal ein,
sein Wagen wurde weiter zerrissen. Corre-
as Wagen überschlug sich und rutschte
auf dem Überrollbügel weiter. Weil die
Frontpartie des Autos abgerissen war, rag-
ten seine Beine aus dem Monocoque.
Am Morgen nach dem Unfall starten
zunächst die Piloten der Formel 3 in ihr
Rennen. Zuvor hatten sich die Fahrer zu
einer Schweigeminute aufgestellt, gemein-
sam mit den Formel-1-Piloten und Team-
chefs. In ihrer Mitte stehen Huberts Mut-
ter und sein Bruder. Beide halten einen
Helm des Gestorbenen. Hubert hatte die
Serie im vergangenen Jahr gewonnen und
war in die Formel 2 aufgestiegen, in der
er Rennen in Monaco und Le Castellet ge-
wann. Er war Mitglied des Nachwuchspro-
gramms von Renault und mit den in den
vergangenen Jahren in die Formel 1 aufge-
rückten Franzosen Pierre Gasly und Este-
ban Ocon sowie dem Monegassen
Charles Leclerc seit Kindertagen be-
kannt. Ocon und Leclerc hatten am Sams-
tag Fotos veröffentlicht, die sie mit Hu-
bert zeigen: Milchgesichter in Rennanzü-
gen. Vor dem Formel-1-Rennen am Nach-
mittag folgt eine weitere Schweigeminu-
te. Zwischen den Rennfahrern stehen wie-
der Anthoine Huberts Mutter Nathalie
und sein Bruder Victor.
chwb.FRANCORCHAMPS.Es hat 315
Tage gedauert, vom 21. Oktober 2018, als
Kimi Räikkönen in Austin gewonnen hat-
te, bis zum ersten Tag des Septembers
- Aber die Scuderia Ferrari ist wieder
ein Siegerteam und Charles Leclerc Ge-
winner des Großen Preises von Belgien.
Der 21 Jahre alte Monegasse raste am
Sonntag unter dem Eindruck des Unfall-
tods des Formel-2-Piloten Anthoine Hu-
bert (siehe Bericht auf dieser Seite) auf
dem Circuit de Spa-Francorchamps vor Le-
wis Hamilton im Mercedes und dessen
Teamkollegen Valtteri Bottas zum Sieg.
Leclerc widmete ihn umgehend Hubert.
„Es ist auf der einen Seite ein Traum seit
Kindertagen, der wahr geworden ist: ein
Formel-1-Sieg. Aber wir haben gestern ei-
nen Freund verloren“, sagte Leclerc. „Wir
sind zusammen groß geworden.“
Eindeutiger Verlierer des Rennens war
einerseits Sebastian Vettel, Leclercs Team-
kollege. Er hatte 2018 in Spa gewonnen
und seither nicht mehr, am Sonntag wur-
de er Vierter. In der Weltmeisterschaft
liegt er nun 99 Punkte hinter Hamilton.
Auch Max Verstappen, der seine Landsleu-
te zu Zehntausenden in die Ardennen ge-
lockt hatte, zog mit saurer Miene von dan-
nen. Er hatte in La Source, der ersten Kur-
ve, den Alfa Romeo von Kimi Räikkönen
angestoßen, konnte seine Fahrt aber noch
fortsetzen. Bis er in der Senke von Eau
Rouge die Steigung in Angriff nehmen
wollte – und die Vorderradaufhängung
knickte. In diesem Moment zog Räikkö-
nen mit hohem Tempo vorbei – haar-
scharf. Verstappen, dessen neuer Teamkol-
lege Alex Albon auf Platz fünf fuhr, hatte
Glück, dass daraus keine schwere Kollisi-
on wurde. Er rutschte aber in die Reifen-
stapel der Streckenbegrenzung, sehr zur
Enttäuschung der niederländischen Fans,
die Teile der Strecke schon während der
Fahrerparade in Oranje-Nebel getaucht
hatten. Wenn die Veranstalter einen Mei-
nungsbeitrag wollten, was die Fans von
der Entscheidung hielten, das Rennen
trotz des tödlichen Unfalls von Anthoine
Hubert am Vortag zu starten: Hier war er.
Fehlendes Mitgefühl? Eher nicht. In Run-
de 19 erhoben sich die Fans von ihren Sit-
zen und applaudierten, Hubert zu Ehren,
der am Samstagnachmittag in seinem For-
mel-2-Wagen mit der Startnummer 19 ver-
unglückt war. Fahrer und Teams hatten
mit Beileidsbekundungen und zwei
Schweigeminuten reagiert, alle trugen
Trauerflor, die Formel-1-Autos zierten
am Sonntag Aufkleber mit Huberts Start-
nummer und dem Schriftzug „Racing for
Anthoine“ – vor dem Start überflog gleich-
wohl wie geplant ein Jet der belgischen Ar-
mee die Startaufstellung.
Verstappens Unfall zum Rennstart
machte den umgehenden Einsatz des
Safety Car nötig. Danach bestimmte Le-
clerc das Tempo. Vettel kam nur mühsam
hinterher, Hamilton funkte an die Box,
der Deutsche wirke nicht sonderlich
schnell auf ihn. Ferrari sah das ähnlich.
Die Scuderia bestellte Vettel als ersten der
Spitzenkräfte zum Service, nach der 14.
Runde. Das änderte die Aussichten
prompt, wie sich zeigte, als Leclerc acht
Runden später die Reifen mittlerer Härte
aufziehen ließ. Vettel zog am Monegassen
vorbei, rückte auf Platz zwei auf, als Hamil-
ton an die Box kam, und erbte die Füh-
rung, als dessen Teamkollege Bottas in
Runde 24 hielt.
Nun schien Vettel der Gejagte. Von we-
gen. „Lass Charles diese Runde vorbei“,
bekam der viermalige Weltmeister bald
darauf zu hören. Die Strategieabteilung
lenkte das Geschehen. Also: er möge mit
dem Reifensatz durchfahren, war die Ansa-
ge an Vettel. „Die machen es nicht bis zum
Ende“, antwortete der. Das zeigte sich als-
bald: Hamilton kam näher und schließlich
vorbei, und bevor Bottas Vettel auf der
Strecke passieren konnte, fuhr dieser zehn
Runden vor Rennende zu einem weiteren
Wechsel an die Box. Er belohnte sich mit
der schnellsten Rennrunde. Sein junger
Teamkollege aber kommt als Grand-Prix-
Sieger zum Gran Premio d’Italia in Monza
am nächsten Sonntag. Hamilton jagte Le-
clerc zwar am Ende, nun war es eine offe-
ne Hatz, aber nach 44 Runden war der
Große Preis von Belgien beendet. Leclerc
rettete eine knappe Sekunde Vorsprung
ins Ziel. „Charles’ Sieg hat sich das ganze
Jahr angekündigt“, sagte Hamilton an-
schließend. „Er verdient das.“ Vettel übte
sich in Selbstkritik: „Ich habe mich heute
einfach schwer getan und nicht das Gefühl
gefunden.“ Den Schlusspunkt dieses au-
ßergewöhnlichen Tages setzte – ein Un-
fall. Antonio Giovinazzi im Alfa Romeo
flog in der Pouhon-Kurve in der letzten
Runde ab. Er blieb unverletzt.
Großer Preis von Belgien in Francorchamps,
(44 Runden à 7,004 km/308,052 km):1. Le-
clerc (Monaco) – Ferrari 1:23:45,710 Std., 2. Ha-
milton (Großbritannien) – Mercedes +0,981
Sek., 3. Bottas (Finnland) – Mercedes +12,585,
- Vettel (Heppenheim) – Ferrari +26,422, 5. Al-
bon (Thailand) – Red Bull +1:21,325 Min., 6. Pe-
rez (Mexiko) – Racing Point +1:24,448, 7. Kwjat
(Russland) – Toro Rosso +1:29,657, 8. Hülken-
berg (Emmerich) – Renault +1:46,639, 9. Gasly
(Frankreich) – Toro Rosso +1:49,168, 10. Stroll
(Kanada) – Racing Point +1:49,838, 11. Norris
(Großbritannien) – McLaren + 1 Rd., 12. Ma-
gnussen (Dänemark) – Haas + 1 Rd., 13. Gros-
jean (Frankreich) – Haas + 1 Rd., 14. Ricciardo
(Australien) – Renault + 1 Rd., 15. Russell (Groß-
britannien) – Williams + 1 Rd., 16. Räikkönen
(Finnland) – Alfa Romeo + 1 Rd., 17. Kubica (Po-
len) – Williams + 1 Rd., 18. Giovinazzi (Italien) –
Alfa Romeo + 2 Rd.
Ausfälle:Verstappen (Niederlande) – Red Bull
(2. Rd.), Sainz Jr. (Spanien) – McLaren (3. Rd.).
Pole Position:Leclerc 1:42,519 Min.
Schnellste Rennrunde:Vettel 1:46,409 Min.
Fahrerwertung:1. Hamilton 268 Pkt, 2. Bottas
203, 3. Verstappen 181, 4. Vettel 169, 5. Leclerc
157, 6. Gasly 65, 7. Sainz jr. 58, 8. Kwjat 33, 9.
Räikkönen 31, 10. Albon 26, 11. Norris 24, 12.
Ricciardo 22, 13. Perez 21, 14. Hülkenberg 21,
- Stroll 19, 16. Magnussen 18, 17. Grosjean 8,
- Giovinazzi 1, 19. Kubica 1.
Teamwertung:1. Mercedes 471, 2. Ferrari 326,
- Red Bull–Honda 254, 4. McLaren–Renault
82, 5. Toro Rosso–Honda 51, 6. Renault 43, 7.
Racing Point–Mercedes 40, 8. Alfa Romeo Ra-
cing–Ferrari 32, 9. Haas–Ferrari 26, 10. Wil-
liams–Mercedes 1.
DerWertschätzung des
Risikos wäre eine Pause
zuträglicher gewesen.
Ferrari kann doch noch gewinnen
315 Tage des Wartens sind vorbei: Leclerc siegt in Francorchamps vor Hamilton, Bottas und Vettel
Formel-1-Ergebnisse
EineMinute Schweigen
Ingrid Klimke bleibt cool
Vielseitigkeits-EM: Jungs unheimliche Begegnung
Tödliches Ende einer Kettenreaktion
Charles Leclercwidmet seinen Sieg dem
verunglückten Hubert. Foto Reuters
Der Unfall, den Formel-2-Pilot Anthoine Hubert
nicht überlebt, ist der folgenreichste in einer
europäischen Formel-Serie seit Jahren.
Von Christoph Becker, Francorchamps
Aus dem Leben gerissen:Anthoine Hubert Foto AFP
Zerrissen:Streckenposten bergen die Vorderachse von Correas Auto. Foto dpa