Handelsblatt - 02.09.2019

(lu) #1
die Symbolkraft. Der Konzern ist zuverlässig genug
für öffentliche Auftraggeber, trotz der schwierigen
Dieselzeiten“, hieß es dazu in Wolfsburg.
Für eine Sparte aus dem großen VW-Konzern-
reich ist die Bedeutung amerikanischer öffentlicher
Aufträge allerdings doch etwas größer: für die
Augsburger MAN Energy Solutions (MAN ES). Die
bayerische Volkswagen-Tochter produziert große
Dieselmotoren, die vor allem auch in der Schiff-
fahrt Verwendung finden. Ein wichtiger Abnehmer
dieser Aggregate aus Deutschland ist unter ande-
rem auch die US-Marine, die sie in vielen ihrer
Schiffe verwendet.

Schiffmotoren von MAN


Zumindest für MAN ES hätte es spürbare Konse-
quenzen geben können, wenn das Unternehmen
als Folge der Abgasaffäre mit Diesel-Pkw von öf-
fentlichen Aufträgen aus den USA ausgeschlossen
worden wäre. MAN ES kommt mit rund 14 000 Mit-
arbeitern auf einen Jahresumsatz von etwa drei
Milliarden Euro.
Von der neuen Einigung mit der US-
Umweltbehörde EPA verspricht sich h
Volkswagen auch positive Auswir-
kungen außerhalb der Vereinig-
ten Staaten. Denn in anderen n
Ländern rund um den Globus s
sei das Verfahren mit Volks-
wagen sehr genau beobach-
tet worden, sagte ein Kon-
zernmanager. Wäre VW in n
den USA künftig von öffentli-
chen Aufträgen ausgeschlos-
sen worden, hätte den Kon-
zern dasselbe Schicksal in ande-
ren Ländern ereilen können. Dann
wären die wirtschaftlichen Konse-
quenzen womöglich doch etwas größer ge-
worden.
Dass Volkswagen als Gegenleistung jetzt zusätz-
lich einen zweiten US-Monitor akzeptieren muss,
wird in Wolfsburg als vergleichsweise kleines Ein-
geständnis gesehen. Das neue Kontrollverfahren
sei nicht vergleichbar mit dem bereits seit zwei
Jahren laufenden Haupt-Monitorprozess im VW-
Konzern.
Seit dem Sommer 2017 soll der vom Washing-
toner Justizministerium eingesetzte US-Jurist Larry
Thompson vor allem dafür sorgen, dass sich die
Dieselaffäre kein zweites Mal in Wolfsburg wieder-
holt. Dafür sind beispielsweise umfangreiche Com-
pliance- und Whistleblower-Verfahren mit Millio-
nenaufwand auf vielen Konzernebenen eingerich-
tet worden. Zusätzliche Kontrollinstanzen sollen
dafür sorgen, dass der VW-Konzern künftig wirk-
lich alle Gesetze einhält. In der Spitze hatte US-Mo-
nitor Larry Thompson bis zu 100 Mitarbeiter in sei-
nem Team, die allesamt von Volkswagen bezahlt
werden mussten.
Das zweite Monitorverfahren, das voraussicht-
lich in diesem Herbst beginnen soll und das zu-
nächst ebenfalls auf eine Dauer von drei Jahren an-
gelegt ist, soll wesentlich kleiner und weniger um-

fangreich ausfallen. Bei Volkswagen wird damit
gerechnet, dass der Stab des zweiten Monitors ma-
ximal fünf Mitarbeiter bekommen wird. Eine zwei-
te grundlegende Prüfung wie im ersten Monitor-
verfahren werde es nicht mehr geben. Bei entspre-
chend positivem Verlauf kann die Amtszeit des
neuen Monitors sogar von drei auf zwei Jahre ge-
kürzt werden.
Der zweite Monitor werde sich vor allem um Re-
gelungen im Zusammenhang mit öffentlichen Auf-
trägen kümmern. Dazu gehören Vorgaben, die der
Wolfsburger Autokonzern jetzt in der neuen Über-
einkunft mit der US-Umweltbehörde EPA entspre-
chend dafür getroffen hat. „Der Aufwand wird sich
in klaren Grenzen halten“, berichten Konzernkreise.
„Die neue Vereinbarung verlangt in erster Linie
die weitere Einhaltung der Bedingungen unserer
schon bestehenden Vergleiche in den USA sowie
Schritte, die sich größtenteils mit unseren bereits
bestehenden Aktivitäten decken“, heißt es in der
VW-internen Mitteilung an das eigene Manage-
ment. Dazu gehörten die Fortsetzung der Mitarbei-
terschulungen zum VW-Verhaltenskodex te
und die Verwendung des Hinweisge-u
bersystems („Whistleblower“).b
Der neue zweite und von der
EPA eingesetzte Monitor E
kommt vom US-Unternehmen k
„Artifice Forensic Financial
Services“. John Hanson gilt S
als erfahrener Firmenkon-
trolleur, der schon bei ver-t
schiedenen amerikanischen
Unternehmen in ähnlicher U
Funktion tätig war. Hanson ist F
ausgebildeter Ökonom, hat aber
eine ganz besondere Periode in sei-
nem Lebenslauf vorzuweisen: Zehn
Jahre lang war er Agent bei der US-Bundes-J
polizei, dem FBI, wo er sich auf komplizierte Be-
trugsfälle spezialisiert hatte.

Kooperation in vollem Umfang
Volkswagen werde mit dem neuen EPA-Prüfer in
vollem Umfang kooperieren, heißt es weiter in der
Mitteilung. Alle dafür notwendigen Schritte wür-
den unternommen. Wie bei allen anderen regula-
torischen Verpflichtungen, die der VW-Konzern
eingehe, sei jeder Mitarbeiter dazu verpflichtet,
die neue Vereinbarung mit den US-Behörden ein-
zuhalten.
Das „Administrative Agreement“ sieht Volkswa-
gen als wichtigen Schritt in Richtung Normalisie-
rung. Die Vereinbarung werde zur „Bereinigung
der Verfehlungen aus der Vergangenheit“ beitra-
gen, wobei bereits in vielen Bereichen deutliche
Fortschritte erreicht worden seien. „Diese und
weitere wichtige Veränderungen müssen wir vo-
rantreiben auf unserem Weg, Volkswagen zu ei-
nem Beispiel dafür zu machen, wie ein sozial ver-
antwortliches Unternehmen in den kommenden
Jahren handeln und führen sollte“, schließt die
vertrauliche interne Management-Mitteilung von
Volkswagen.

Volkswagen und US-Justiz


Millionen für


den Monitor


V


olkswagen hat gegenüber der US-Justiz
Anfang 2017 ein umfassendes Schuldaner-
kenntnis abgegeben. Im „Statement of
Facts“ bekennt sich VW ausdrücklich dazu, ge-
gen amerikanische Gesetze verstoßen zu haben.
Auch der heutige VW-Vorstandschef Herbert
Diess spricht immer wieder davon, dass der Au-
tohersteller betrogen habe. Allerdings nur in den
USA. In Deutschland und Europa gibt es ein sol-
ches Schuldanerkenntnis nicht. Volkswagen be-
tont regelmäßig, dass die Dieselfahrzeuge hierzu-
lande den gesetzlichen Bestimmungen genügen.
Zu der Einigung mit der US-Justiz gehört auch,
dass sich der VW-Konzern für einen Zeitraum
von mindestens drei Jahren durch einen vom
amerikanischen Justizministerium eingesetzten
Monitor überwachen lassen muss. Im Sommer
2017 hatte Larry Thompson, ein früherer stellver-
tretender US-Justizminister und anerkannter Ex-
perte für Betrugsverfahren von Unternehmen,
den neuen Posten in Wolfsburg übernommen.
Thompson soll dafür sorgen, dass sich ein Fall
wie die Dieselaffäre kein zweites Mal in Wolfs-
burg wiederholen kann. Der US-Monitor wacht
darüber, dass konzernintern neue Compliance-
und Kontrollinstanzen
eingerichtet werden.
Sie sollen garantieren,
dass sich alle 650 000
VW-Mitarbeiter geset-
zeskonform verhalten.
Das Haupt-Monitor-
verfahren durchläuft
gerade sein drittes
Jahr und ist damit in
der Schlussphase an-
gekommen. Volkswa-
gen hofft darauf, dass
US-Jurist Thompson
dem Konzern in weni-
gen Monaten beschei-
nigt, ein wirklich an-
deres Unternehmen geworden zu sein. Stellt der
Monitor dieses abschließende Zertifikat aus, wür-
de er den Wolfsburger Konzern im nächsten
Sommer wieder verlassen.
Bekommt VW diesen Freibrief nicht, müsste
Thompson seinen Aufenthalt um ein viertes Jahr
verlängern. Im Unternehmen ist das Interesse
groß, dass genau das nicht passiert und dass der
Monitor planmäßig nächstes Jahr wieder geht.
Die Belastungen des Konzerns aus der Affäre
summieren sich auf 30 Milliarden Euro. Allein
die Kosten des Monitors belaufen sich auf einen
dreistelligen Millionenbetrag. Stefan Menzel

Das Nordamerikageschäft von Volkswagen
Zahl der ausgelieferten Pkws in Nordamerika,
davon in den USA

956 695


638 274

318 421

549 578


360 287

189 291

HANDELSBLATT

2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018


Quellen: Unternehmen, Bloomberg

1 000 000


800 000

600 000

400 000

00 000

0

Für Volkswagen ist


diese Einigung mit der


US-Umweltbehörde ein


wichtiges Signal.


VW-Manager, der nicht namentlich
genannt werden will.

Larry Thompson:
Der Amerikaner
überwacht VW im
Auftrag des US-
Justizministeriums
seit drei Jahren.

Holger Hollemann

Der unbekannte Sohn von


Ferdinand Piëch


BERLIN Knapp eine Woche nach dem Tod des
früheren VW-Chefs Ferdinand Piëch hat sich sei-
ne frühere Lebensgefährtin Marlene Porsche zur
Identität seines bislang unbekannten 13. Kindes
geäußert. „Es ist zutreffend, dass es sich beim 13.
Kind um meinen Sohn Hans Porsche handelt.
Diese Tatsache wurde durch einen gerichtlich an-
erkannten Vaterschaftstest bestätigt“, ließ Marle-
ne Porsche mitteilen. Bis zu Piëchs Tod waren
nur zwölf Kinder öffentlich bekannt gewesen.
Piëchs Ehefrau Ursula Piëch hatte am Montag-
abend mitgeteilt, der am Sonntag gestorbene Ex-
Manager hinterlasse 13 Kinder. Hans Porsche war
bisher als Sohn von Marlene und Gerhard Por-
sche bekannt gewesen. Marlene Porsche verließ
ihren Mann für Ferdinand Piëch, das Paar lebte
mehrere Jahre zusammen, bevor es sich trennte,
und hatte nach bisherigen Angaben zwei gemein-
same Kinder. dpa

Unternehmen & Märkte


MONTAG, 2. SEPTEMBER 2019, NR. 168


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