Die Welt - 27.08.2019

(Michael S) #1

J


etzt soll also wieder verhan-
delt werden. Die chinesische
Seite habe am Sonntag ange-
rufen, sagte US-Präsident
Donald Trump am Rande des
G-7-Gipfels in Biarritz. Sie wolle im
Handelsstreit erneut verhandeln. „Wir
werden sehen, was passiert“, fuhr er
fort. „Aber ich glaube, wir werden eine
Vereinbarung schließen.“ Und er fügte
hinzu: „Es ist sehr wichtig für sie.“

VON FRANK STOCKER

WWWas Trump verschwieg: Es ist auchas Trump verschwieg: Es ist auch
sehr wichtig für ihn. Denn die jüngste
Eskalation des Handelskriegs am Frei-
tag hatte an den Finanzmärkten für Er-
schrecken gesorgt. Aktienkurse und
Anleihenrenditen fielen, doch viel
wichtiger: Der Dollar wertete weiter
auf. Er notiert handelsgewichtet in-
zwischen auf einem neuen Allzeithoch.
Das jedoch ist Trump ein Dorn im Au-
ge. Er drängt die US-Notenbank mit
immer heftigeren Angriffen zu Zins-
senkungen, vor allem um den Dollar zu
schwächen. Und je länger diese sich
weigert, desto schärfer werden seine
Attacken. Am Ende könnte die Fed tat-
sächlich radikal umschwenken – mit
verheerenden Auswirkungen, nicht
nur für die USA.
Am augenfälligsten ist die Dollar-
Stärke im Verhältnis zur chinesischen
WWWährung. Über 7,15 Yuan mussten amährung. Über 7,15 Yuan mussten am
Montagmorgen für einen Dollar be-
zahlt werden, so viel wie seit elf Jah-
ren nicht mehr. Im April 2018, bevor
Trump erstmals Strafzölle auf chinesi-
sche Exporte im Wert von 50 Milliar-
den Dollar ankündigte, lag der Kurs
noch bei 6,30 Yuan. Seither hat Chinas
Devise fast 15 Prozent verloren – das
gleicht einen Großteil der verhängten
Zölle wieder aus.
Doch nicht nur gegenüber dem Yu-
an steigt der Dollar immer weiter.
ÄÄÄhnliches gilt für diverse andere asia-hnliches gilt für diverse andere asia-
tische Währungen wie den koreani-
schen Won, die Indonesische Rupiah
oder den philippinischen Peso, für di-
verse südamerikanische Währungen
wie den brasilianischen Real und na-
türlich auch für den Euro: Im April
2 018 lag sein Wert noch bei 1,23 Dollar,
inzwischen kratzt er an der Marke von
1 ,10 Dollar. Und die Devisenexperten
von Bank of America/Merrill Lynch
prognostizieren bis Jahresende ein
AAAbrutschen auf 1,08 Dollar.brutschen auf 1,08 Dollar.
„Der Dollar ist stark, stärker als Prä-
sident Trump ihn haben möchte“, sagt
Kit Juckes, Devisenexperte bei der So-
ciété Générale. Das zeigt auch der soge-
nannte handelsgewichtete Dollar. Die-
sen berechnet die US-Notenbankau-
ßenstelle von St. Louis seit 1998, um
den Wert des Dollar über alle Wäh-
rungspaare hinweg zu messen. Sie fasst
dazu die Entwicklung von 26 Devisen
zusammen, und jede erhält dabei ein
Gewicht, das dem Handelsvolumen des
jeweiligen Landes mit den USA ent-
spricht. Dieser Index des handelsge-
wichteten Dollar hat nun gerade mit
129,91 Punkten ein neues Allzeithoch
erreicht. Der bisherige Rekord war im
Januar 2002 mit 129,83 Zählern ver-
zeichnet worden.
Nicht zuletzt deshalb drängt Trump
den Chef der US-Notenbank Jerome
Powell zu drastischen Zinssenkungen.
Doch dieser ziert sich bislang, erkennt
die Notwendigkeit nicht angesichts ei-
ner nach wie vor starken Wirtschaft.
Erst am Freitag hatte er bei der Noten-

bankkonferenz in Jackson Hole in sei-
ner Rede keine klaren Signale gegeben,
dass er Trumps Wunsch entsprechen
werde. Der US-Präsident fragte darauf-
hin per Twitter, wer eigentlich sein grö-
ßerer Feind sei, der chinesische Präsi-
dent Xi Jinping oder Powell.
Doch Powell hat gute Gründe für
seine Position. „Dem US-Präsidenten
zu folgen und den Märkten mehr zu
geben, als sie wollen, würde nicht nur
der Integrität seiner Institution scha-
den, sondern auch seine Möglichkei-
ten einschränken, einem veritablen
AAAbschwung effektiv entgegentreten zubschwung effektiv entgegentreten zu
können“, sagt Christian Scherrmann,
als Volkswirt bei der Fondsgesell-
schaft DWS für die USA zuständig.
Das aber wäre vielleicht noch das ge-
ringere Problem. Viel wichtiger sind
die Folgen, die drohen, wenn die Fed
nun die Zinsen massiv senkt und expli-
zit auf eine Politik des schwächeren
Dollar umschwenkt. Zum einen würde
damit die Kreditvergabe in den USA
wieder kräftig steigen. Die Verschul-
dung ist jedoch bereits hoch, insbeson-
dere bei den Unternehmen. „In diesem
Jahr ist aber auch die Verschuldung der
Konsumenten stark gewachsen, und
auch bei langlaufenden Schulden, vor
allem am Hypothekenmarkt, geht es
wieder deutlich nach oben“, sagt An-
dreas Feldmann, Investmentexperte
bei der B&K Vermögen in Köln. „Selbst
das Defizit des Bundeshaushalts über-
trifft erneut die Prognosen.“
Gleichzeitig hat jedoch das Interesse
ausländischer Investoren an US-
Schuldscheinen in den vergangenen
Jahren spürbar nachgelassen. Ihr Anteil

am Bestand amerikanischer Staatsanlei-
hen ist seit 2016 von über 40 auf rund 35
Prozent gesunken – und dies bei einer
rasant steigenden Gesamtverschul-
dung. In die Bresche gesprungen sind
offenbar heimische Anleger und hier of-
fensichtlich eine ganz spezielle Gruppe.
„Es ist unseres Erachtens kein Zufall,
dass dies mit einer deutlichen Zunahme
von US-Repatriierungen einherging“,
sagt Sonja Marten, Devisenexpertin bei

der DZ-Bank. Sprich: US-Firmen, die
Kapital aus dem Ausland nach Hause
holten, weil die Trump-Regierung ihnen
dafür besonders günstige Steuersätze
einräumte, legten das Geld vermehrt in
US-Anleihen an.
Das klingt zwar auf den ersten Blick
positiv, macht es die USA doch weniger
abhängig von ausländischen Kapitalzu-
flüssen. Doch die Repatriierungen im
großen Stil waren ein einmaliges Ereig-

nis. Aus dieser Quelle kommt nicht
mehr viel nach. Zudem befindet sich
eben nach wie vor ein großer Teil der
US-Schulden in ausländischer Hand.
Sollte die Notenbank daher angesichts
des Trommelfeuers aus dem Weißen
Haus am Ende doch radikal umschwen-
ken und einen Dollar-Verfall aktiv her-
beizuführen versuchen – sei es durch
massive Zinssenkungen oder gar durch
ein direktes Eingreifen am Devisen-
markt – dann dürften viele dieser Inves-
toren ihre Papiere verkaufen, um ihre
Verluste zu begrenzen.
Das jedoch würde zu heftigen Tur-
bulenzen führen. „Ein Vertrauensver-
lust in die USA und/oder den Dollar
würde unvermeidlich auch verheeren-
de Auswirkungen auf den Finanz-
markt haben“, warnt Marten. Ein
Kursverfall bei US-Anleihen wäre die
Folge, der sich wie bei einem Domino-
Spiel selbst verstärken würde und
auch auf andere Märkte übergreifen
könnte. „Trump, der damit beschäftigt
ist, ein Ende der starken Dollarpolitik
einzuläuten und massiven politischen
Druck auf die Fed auszuüben, die Zin-
sen aggressiver zu senken, ist sich die-
ser Risiken eindeutig nicht bewusst“,
fffürchtet Devisenexpertin Marten.ürchtet Devisenexpertin Marten.
Dabei gäbe es eine andere, weit einfa-
chere Möglichkeit die Aufwertung des
Dollar zu stoppen: die Beilegung der
Handelskonflikte. Das würde die Unsi-
cherheiten in der Finanzwelt beseitigen
und die Flucht der Anleger in den siche-
ren Hafen US-Dollar begrenzen. Nach
der jüngsten Volte des US-Präsidenten
gibt es dafür immerhin wieder ein we-
nig Hoffnung.

Starker Dollar


wwwird zurird zur


Zeitbombe


Die US-Währung erreicht im globalen Vergleich


einen Rekord. Für Präsident Donald Trump


ist das ein Ärgernis – er verlangt immer


vehementer drastische Zinssenkungen


GETTY IMAGES

/ KTSFOTOS

Wertvoller Dollar


Quelle: St. Louis Fed

Index des Werts des handelsgewichteten Dollar





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DER DOLLAR IST


STARK, STÄRKER


ALS PRÄSIDENT


TRUMP IHN HABEN


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KIT JUCKES,
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27.08.19 Dienstag, 27. August 2019DWBE-HP



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10 WIRTSCHAFT DIE WELT DIENSTAG,27.AUGUST


gegen den Brexit und vor allem gegen
May. Doch als die Regierungschefin in
diesem Sommer zurücktrat, unterstütz-
te der „Evening Standard“ plötzlich
ausgerechnet den ungnädigsten Brexit-
Vorkämpfer bei seiner Bewerbung um
ihre Nachfolge. Nun zeigt sich Boris
Johnson offenbar erkenntlich.
Für die Bulgarin Georgiewa, die
schon eine nervenaufreibende Kandida-
ten-Kür in der EU hinter sich hat, geht
daher das Bangen weiter, ob sie tatsäch-
lich Christine Lagarde beerben darf. Die
Französin wird neue Präsidentin der
Europäischen Zentralbank (EZB), wenn
Mario Draghi am 31. Oktober sein Büro
in Frankfurt räumt. Sie tritt offiziell am


  1. September beim IWF ab. Ihre Nach-
    folge soll bis spätestens zum 4. Oktober
    geregelt sein.
    Noch ist Osborne allerdings nicht of-
    fiziell im Rennen. Johnson wollte wohl
    erst einmal die Gewässer testen,
    schließlich hätte sein Kandidat ohne
    Rückendeckung der USA sowie China
    oder Russland keine Chancen. Doch da-
    rum geht es dem Regierungschef wo-
    möglich auch gar nicht. Viel mehr dürf-
    te ihn reizen, im ohnehin angespannten


Washington eingereicht werden. Beim
G-7-Treffen in Biarritz soll sich Johnson
nun für George Osborne ins Zeug gelegt
haben. Das Erstaunliche daran: Osbor-
ne ist ein überzeugter Brexit-Gegner.
Der Sohn eines reichen, adeligen Un-
ternehmers war von 2010 bis 2016 unter
David Cameron Schatzkanzler und hat-
te das Referendum wie auch den EU-
Austritt stets scharf kritisiert. Mit Ca-
merons Rücktritt endete auch Osbornes
politische Fortune, obwohl der 48-Jähri-
ge zuvor zeitweise sogar selbst als po-
tenzieller Premier gegolten hatte. Doch
Theresa May entließ den Finanzminis-
ter umgehend, als sie 2016 ins Amt kam.
Der Vorstoß von Johnson mag daher
auf den ersten Blick verblüffen. Doch
Oxford-Absolvent Osborne ist seit 2017
Chefredakteur des „London Evening
Standard“, einer Gratiszeitung mit ei-
ner Auflage von fast 900.000 Exempla-
ren, die in London täglich über zwei
Millionen Menschen erreichen. Zudem
übernahm der Konservative eine hoch
dotierte Berater-Position bei der US-In-
vestmentfirma Blackrock. In den Leitar-
tikeln und der Blattlinie seiner Zeitung
schoss Osborne zunächst weiter scharf

I


hren 66. Geburtstag dürfte Kristalina
Georgiewa kürzlich in einiger An-
spannung gefeiert haben. Denn am


  1. August war noch unsicher, ob der In-
    ternationale Währungsfonds (IWF),
    dessen Chefin die Bulgarin werden will,
    die Altersobergrenze von 65 Jahren an-
    heben würde. Zehn Tage danach kam
    aber die erlösende Nachricht für die
    promovierte Ökonomin und konservati-
    ve Politikerin: Der IWF-Vorstand emp-
    fahl, nicht länger an den Regularien
    festzuhalten. Über die Änderung sollen
    die 189 Mitgliedsstaaten Anfang Sep-
    tember im Gouverneursrat abstimmen.


VON HANNELORE CROLLY
AUS BRÜSSEL

Der Weg für Georgiewa, die Kandida-
tin der EU27 für die IWF-Spitze, wäre
damit also frei – wäre da nicht Großbri-
tanniens Premier Boris Johnson. Der
Tory-Politiker versucht plötzlich kurz
vor Toresschluss, den Amerikanern und
besonders Präsident Donald Trump ei-
nen eigenen, britischen Kandidaten
schmackhaft zu machen. Noch bis zum


  1. September können Bewerbungen in


Verhältnis zwischen der EU und den
USA weiter zu zündeln. Bisher ist es üb-
lich, dass Europa die IWF-Spitze be-
setzt, die Weltbank ist stets in der Hand
der USA. Doch niemand weiß, wie viel
diese informelle Absprache in Zeiten
von Trump noch zählt.
Zwar halten die EU27 allein über 25
Prozent im IWF, in dem Stimmrechte
im Verhältnis zur Wirtschaftskraft der
Mitglieder verteilt werden. Aber in den
Schwellenländern gibt es ebenso wie in
China, Japan oder Russland schon län-
ger Unmut gegen den Usus von Ameri-
kanern und Europäern, die wichtigen
Posten untereinander aufzuteilen. Sie
verlangen endlich einen IWF-Chef aus
den eigenen Reihen. Stimmen für Os-
borne könnten daher Georgiewa in ei-
ner Kampfabstimmung gegen andere
Kandidaten fehlen.
Hinzu kommt, dass auch in der EU
mitnichten alle glücklich über die Kan-
didatenkür von Georgiewa sind. Der Är-
ger richtet sich weniger gegen die 66-
Jährige, die derzeit bei der Weltbank
Geschäftsführerin ist. Unmut herrscht
über Frankreich, das bei der Nominie-
rung großen Zeitdruck aufgebaut hatte.

Paris wollte unbedingt die Osteuropäe-
rin durchbringen, während beispiels-
weise Deutschland den Ex-Euro-Grup-
penchef Jeroen Dijsselbloem aus den
Niederlanden favorisiert hatte. Bewusst
habe Frankreich Zwietracht zwischen
Nord- und Südeuropa gesät, um ans Ziel
zu kommen, monieren die Niederlande.
Auch Großbritannien kritisierte, dass
Frankreich der EU bei der Kandidaten-
kür eine „unnötige Eile“ aufgezwungen
habe. Darum weigerte sich die Londo-
ner Regierung, mitzustimmen. Am En-
de lag Georgiewa denkbar knapp gegen
Dijsselbloem vorn.
Als ein mögliches Motiv gilt, dass
Frankreich ein Auge auf die bei der
Weltbank freiwerdende Geschäftsfüh-
rer-Position von Georgiewa geworfen
haben könnte. Zudem wollte Paris wo-
möglich verhindern, dass mit Dijssel-
bloem ein Garant für einen strikten Sta-
bilitätskurs an die IWF-Spitze gelangt.
Was Osborne angeht, der sich auch
schon als möglicher britischer Botschaf-
ter in den USA ins Spiel gebracht hatte,
gab es in Großbritannien teils entsetzte
Reaktionen. Denn als Schatzkanzler
hatte er einen rigiden, um nicht zu sa-

gen brutalen Spar- und Sanierungskurs
eingeschlagen. Damit hatte er zwar die
wirtschaftliche Erholung Großbritan-
niens eingeleitet. Die „Times“ wählte
ihn 2013 zum „Briten des Jahres“. Doch
der Spross einer anglo-irischen Adelsfa-
milie, aufgewachsen im Londoner No-
belstadtteil Notting Hill, zog auch viel
Hass auf sich. 2016, als er Hunderttau-
senden von Schwerbehinderten die Un-
terstützung kürzte und zugleich Besser-
verdienenden und Unternehmen Steu-
ererleichterungen versprach, sackten
seine Popularitätswerte ins Bodenlose.
Zu seinen IWF-Ambitionen sagte der
Ökonom David Blanchflower, ehemals
Mitglied im geldpolitischen Ausschuss
der Bank of England: „Ich würde statt
seiner jede Person vorziehen, die ich zu-
fällig draußen auf der Oxford Street auf-
lese.“ Osborne sei der „schlechteste
Schatzkanzler aller Zeiten“ gewesen,
sagte Blanchflower im „Guardian“. Sei-
ne missglückten und rücksichtslosen
Sparmaßnahmen hätten den Lebens-
standard der Briten abgesenkt und das
Wachstum zerstört. „Das war letztend-
lich ein wesentlicher Faktor für den
Brexit.“

Boris Johnson will EU beim IWF-Chefposten Konkurrenz machen


Der britische Premier bringt bei Trump einen eigenen Kandidaten ins Spiel. Um zwischen Brüssel und den USA zu zündeln, ist ihm sogar ein Brexit-Gegner recht


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