Die Welt - 27.08.2019

(Michael S) #1
Dänemark
Schweden

USA
Deutschland
Luxemburg
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Einkommenssteuer in ausgewählten Staaten


* ���� Quelle: OECD, ����

Anteil am Bruttoinlandsprodukt ����, in Prozent


OECD-Durchschnitt �,��*

D


a ist sie wieder: die 1996
zum bislang letzten Mal
in Deutschland erhobene
Vermögensteuer. Geht es
nach dem Präsidium der
SPD und dem Interimsvorsitzenden
der Partei, Thorsten Schäfer-Gümbel,
sollen möglichst bald „besonders rei-
che Teile der Bevölkerung“ ein Prozent
Steuern auf Vermögenswerte wie
Grundstücke, Immobilien, Unterneh-
mensanteile und Bargeld zahlen. Bei
besonders hohen Summen seien auch
1,5 Prozent denkbar, so Schäfer-Güm-
bel. Jährlich sollen auf diese Weise
rund zehn Milliarden Euro in die Haus-
halte der Bundesländer fließen, es han-
delt sich um eine Ländersteuer.

VON KARSTEN SEIBEL

Damit wärmt die SPD kurz vor den
Landtagswahlen in Sachsen und Bran-
denburg ein Thema wieder auf, das seit
Jahrzehnten regelmäßig den Wählern
präsentiert wird. „Wir wollen Vertei-
lungs- und Gerechtigkeitsfragen wie-
der stärker in den Mittelpunkt stellen“,
sagte Schäfer-Gümbel. Doch wie ge-
recht ist eine Vermögensteuer? Zahlen
vermögende Privatpersonen und Un-
ternehmen in Deutschland tatsächlich
zu wenig Steuern?
Um den Eindruck zu vermeiden, mit
den Plänen nur Neid gegenüber vermö-
genden Bürgern und Unternehmen
schüren zu wollen, hat die SPD die
Schweiz als Vorbild auserkoren. Im
Nachbarland, das wahrlich nicht den
Ruf hat, besonders kritisch gegenüber
wohlhabenden Menschen zu sein, gibt
es tatsächlich noch eine Vermögen-
steuer. Wobei der Satz in den meisten
Kantonen weit unter dem einen Pro-
zent liegt, das die SPD in die politische
Diskussion schickt. Wer beispielsweise
400.000 Franken (umgerechnet
370.000 Euro) Vermögen hat, muss
nicht einmal 0,5 Prozent an den Fiskus
abführen.
Die Sätze sind in der Schweiz niedri-
ger, dafür soll die Steuer hierzulande
erst bei sehr viel höheren Beträgen
greifen. Von üppigen Freibeträgen ist
die Rede, auf genaue Summen wolle
sich die SPD erst festlegen, wenn die
Delegierten des SPD-Parteitags im De-
zember grundsätzlich einer Rückkehr
zur Vermögensteuer zugestimmt ha-
ben. „Wir sprechen von Multimillionä-
ren, also geht es mindestens um zwei
Millionen Euro“, sagte Schäfer-Güm-
bel lediglich. Die zwei Millionen Euro
Freibetrag sind genau die Zahl, die von
einigen SPD-geführten Bundesländern
bereits im Jahr 2012 in einem Entwurf
eingebracht wurde.
Der Verweis der SPD auf die Schweiz
ändert nichts daran, dass eine Vermö-
gensteuer in den vergangenen Jahren
in den meisten Ländern verschwunden
ist. Laut OECD hatten 2017 von rund 35
verhältnismäßigen wohlhabenden
Staaten nur noch vier eine allgemeine
Vermögensteuer – neben der Schweiz
gehörten dazu Spanien, Norwegen und
Frankreich. Wobei Frankreich im ver-
gangenen Jahr auch noch die Gruppe
verließ.
Ein direkter Vergleich mit anderen
Ländern ist deshalb schwierig gewor-
den. Die Organisation für wirtschaftli-
che Zusammenarbeit und Entwicklung
(OECD) behilft sich damit, dass sie alle
vermögensbezogenen Steuern, etwa

Grundsteuer, Erbschaftsteuer und
Steuer auf Kapitalgewinne, zusammen-
fasst. In dieser Statistik lag die Belas-
tung 2017 in Deutschland bei 1,0 Pro-
zent. Womit das Land nicht nur unter
dem OECD-Schnitt der 36 Mitglieds-
länder von 1,9 Prozent liegt, sondern
auch weit hinter Luxemburg (3,7 Pro-
zent) oder eben der Schweiz (2,0 Pro-
zent). Das zeigt, dass Vermögen in
Deutschland in der Tat vergleichsweise
niedrig besteuert werden. In den ge-
nannten Vergleichsländern ist aller-

dings die Einkommensteuer deutlich
niedriger. Bei dieser Steuer langt
Deutschland deutlich stärker zu.
Die Vermögensteuer wird von der
SPD mit dem Gerechtigkeitsargument
begründet. In der Tat sind die Vermö-
gen in Deutschland – genauso wie in
vielen anderen Ländern – ungleicher
als die Einkommen verteilt. Die SPD
verweist dabei auf Zahlen des Deut-
schen Instituts für Wirtschaftsfor-
schung (DIW), nach denen die 45 ver-
mögendsten Haushalte so viel besitzen

wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung.
Allerdings wiesen die DIW-Forscher
im Vorjahr auch darauf hin, dass die
Auswirkungen dieser Ungleichheit in
Deutschland weniger negativ sind als
in anderen Ländern. Denn zu den Su-
perreichen gehören hierzulande viele
Unternehmerfamilien, die typischen
Vertreter des deutschen Mittelstands.
Sie würden hohe Investitionen aus ei-
genem Kapital stemmen und Arbeits-
plätze schaffen – so komme das Vermö-
gen schlussendlich durchaus der Allge-
meinheit zugute.
Gegen eine Vermögensteuer wenden
Kritiker zudem ein, dass gerade die
Wohlhabenden dieses Landes sie leicht
durch Verlagerung der Vermögenswer-
te umgehen könnten. „Aufgrund der
sehr geringen Verbreitung von Vermö-
gensteuern im internationalen Ver-
gleich bestehen zahlreiche Gestal-
tungsmöglichkeiten zur Reduzierung
einer Vermögensbesteuerung in
Deutschland“, schrieb der Wissen-
schaftliche Beirat des Bundesfinanzmi-
nisteriums bereits vor sechs Jahren in
einer finanzwissenschaftlichen Analy-
se. Sie könnten beispielsweise Vermö-
gen ins Ausland verlagern. Dies gelte
vor allem für große Vermögen, wo-
durch das „mit der Vermögensteuer
verfolgte Umverteilungsziel“ infrage
gestellt werde.
Und dann ist da noch die Sache mit
der Bewertung. Das Barvermögen zu
beziffern ist leicht, auch die Verkehrs-
werte von Immobilien lassen sich er-
mitteln, doch schwieriger wird dies et-
wa bei Kunstsammlungen. Die Kosten
der Erhebung seien verschiedenen Un-
tersuchungen zufolge die höchsten un-
ter allen Einzelsteuern, stellte der Wis-
senschaftliche Beirat fest.
Schäfer-Gümbel wies die Kritik zu-
rück, wonach die Steuer zu bürokra-
tisch sei und die Wirtschaft zu stark
belaste. Der bürokratische Aufwand sei
„beherrschbar“, sagte er. Zu rechnen
sei mit einem Verwaltungsaufwand von
fünf bis acht Prozent des Steuerauf-
kommens. Zur Seite springt dem Inte-
rimschef der SPD dabei die Deutsche
Steuergewerkschaft. „Bis zu zehn Pro-
zent Verwaltungskosten sind tolera-
bel“, sagte Gewerkschaftschef Thomas
Eigenthaler.
Die meisten Vermögenswerte ließen
sich leicht ermitteln, bei Kunstgegen-
ständen könne man beispielsweise den
Versicherungswert zugrunde legen.
Zudem komme es darauf an, in welchen
Intervallen die Vermögen bewertet
würden. Bis 1996 sei dies in Deutsch-
land alle drei Jahre vorgeschrieben ge-
wesen, er könne sich auch alle fünf Jah-
re vorstellen – es sei denn, es komme
zu „gravierenden Wertsprüngen“ nach
oben oder unten. Auch einen anderen
Kritikpunkt der Wirtschaft will die
SPD entkräften – dass die Besteuerung
von Unternehmensvermögen die hei-
mische Wirtschaft schwäche.
WWWettbewerbsfähigkeit und Arbeits-ettbewerbsfähigkeit und Arbeits-
plätze würden „überhaupt nicht“ ge-
fffährdet, so Schäfer-Gümbel. Es sollährdet, so Schäfer-Gümbel. Es soll
VVVerschonungsregeln geben. Kein Un-erschonungsregeln geben. Kein Un-
ternehmen soll durch die Vermögen-
steuer in wirtschaftliche Probleme
kommen. Das richtige Maß ist aber
schwierig zu finden: Denn die Regeln
dürfen nicht zu streng, aber auch
nicht zu lax sein, sonst kommt kein
Geld rein – und der Staat kann die
Steuer gleich lassen.

USA

Luxemburg
Schweiz
Dänemark
Chile

Deutschland
Schweden
Tschechien
Estland

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Vermögensbezogene Steuern in ausgewählten Staaten


* ���� Quelle: OECD, ����

Anteil am Bruttoinlandsprodukt ����, in Prozent


OECD-Durchschnitt �,��*

Werden die


Reichen


tatsächlich


geschont?


Die SPD sieht in einer Vermögensteuer


einen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit.


Doch eine isolierte Betrachtung hilft


bei dem Thema nicht weiter


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27.08.19 Dienstag, 27. August 2019DWBE-HP



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DIE WELT DIENSTAG,27.AUGUST2019* WIRTSCHAFT 11


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laubt man dem selbst ernann-
ten Fußgängerlobbyverein
FUSS, ist die Situation in der
Hauptstadt dramatisch: „Nie seit der
ersten Nachkriegszeit waren Berlins
Gehwege so unbrauchbar wie heute“,
teilt der Verein mit. „Aber wir haben
Hoffnung, dass in diesem Sommer mit
den E-Rollern der Gipfel der Verwilde-
rung erreicht ist. Bürger nehmen das
nicht mehr hin, die Städte beginnen
zaghaft zu handeln.“ Der Verein ruft
deshalb nicht nur in Berlin zur Anti-E-
Scooter-Demonstration auf, sondern
begrüßt auch eine Absichtserklärung,
die der Deutsche Städtetag und der
Deutsche Städte- und Gemeindebund
mit den vier großen Betreibern von
Leih-Elektrorollern abgeschlossen hat.

VON PHILIPP VETTER

Doch ob sich mit dem sechsseitigen
Papier wirklich die früher angeblich
idyllischen Gehsteigzustände wieder
herstellen lassen, darf bezweifelt wer-
den. Denn konkrete und verbindliche
Veränderungen in der Praxis der E-
Scooter-Verleiher finden sich in der Ab-
sichtserklärung nicht. Im Gegenteil:
Städte und Gemeinden begrüßen die

Elektro-Tretroller sogar ausdrücklich
noch einmal als eine weitere Alternative
zum Auto. „Für die Kommunen besteht
hierbei das Ziel, die Verkehrssicherheit
für alle Verkehrsteilnehmer jederzeit zu
gewährleisten“, heißt es in dem Papier.
„Hierfür muss die Nutzung der öffent-
lichen Flächen geordnet erfolgen.“ Da-
für müsse man unter anderem sicher-
stellen, dass „öffentliche Flächen, wie
beispielsweise denkmalgeschützte Be-
reiche, nicht durch abgestellte oder zu-
rückgelassene E-Tretroller blockiert
werden und das Stadtbild nicht beein-
trächtigt wird“.
Doch statt echter Regeln wimmelt es
in der Erklärung vor unverbindlichen
Appellen. So werden die Betreiber Li-
me, Voi, Circ und Tier beispielsweise
aufgerufen, sich am Erhalt und Ausbau
des Radwegnetzes zu beteiligen, das ih-
re Scooter ja auch benutzen. Verpflich-
tungen gibt es nicht. Ansonsten wird
vieles in diesem Papier noch einmal
festgeschrieben, das in den meisten
Scooter-Städten längst gilt. So heißt es
beispielsweise, dass die Städte den Be-
darf an Scootern ermitteln und gegebe-
nenfalls Obergrenzen für die Zahl der
Tretroller einführen – doch das passiert
in den meisten Städten längst.

Andere Vorgaben klingen gut, aller-
dings gibt es keine Regeln, wie sie um-
gesetzt werden sollen. „Die Anbieter
stellen sicher, dass die E-Tretroller
nicht ungeordnet auf Gehwegen, in
Fußgängerzonen, auf öffentlichen Plät-
zen oder vor Denkmälern etc. aufge-
stellt werden“, heißt es in dem Papier.
„Beim Aufstellen ist zu gewährleisten,
dass keine anderen Verkehrsteilnehme-
rinnen und Verkehrsteilnehmer behin-
dert werden und insbesondere mobili-
tätseingeschränkte Perso-
nen keine Einschränkun-
gen erfahren.“ So könnten
die Betreiber von den Nut-
zern beispielsweise über
die App eine Bestätigung
fordern, dass derjenige
den Roller vernünftig ab-
gestellt hat, oder der Nut-
zer muss ein Foto vom ab-
gestellten Scooter machen
und einschicken. Doch
solche Systeme gibt es bei
einigen Anbietern längst,
ließe sich so der freie Geh-
steig garantieren, gäbe es
schon jetzt kein Problem.
Eine Vorgabe, dass die
Roller nur noch an be-

stimmten Orten abgestellt werden dür-
fen, gibt es nicht. Stattdessen wird das
nur als Möglichkeit erwähnt: „Zur Ord-
nung der E-Tretroller in Städten und
Gemeinden können zudem gekenn-
zeichnete Bereiche oder Verleihstatio-
nen etwa an Verkehrsknotenpunkten
oder beispielsweise Parkplätzen einge-
richtet werden, die den Übergang zum
ÖPNV erleichtern und es den Anbietern
zugleich ermöglichen, die E-Tretroller
leichter aufzufinden, um sie über Nacht

wieder aufzuladen und zu warten.“ In
bestimmten Gebieten könnte zudem
das Beenden der Miete der E-Scooter
verboten werden, heißt es. Doch auch
diese Vorgabe gibt es längst in der Pra-
xis, so dürfen die Tretroller beispiels-
weise in München nicht im Englischen
Garten abgestellt werden. Die App ver-
hindert, dass die Miete in diesem Ge-
biet beendet wird. Auch hier also nichts
neues in der Absichtserklärung.
Als unverbindliche Idee schafft es
noch ein Anreizsystem in
das Papier, bei dem Nut-
zer belohnt werden sol-
len, wenn sie ihren Roller
in besonders bevorzug-
ten Gebieten abstellen,
indem sie zum Beispiel
einen niedrigeren Preis
zahlen. Wer häufiger ge-
gen die Regeln beim Ab-
stellen verstößt, soll von
den Anbietern gesperrt
werden. Eine Pflicht dazu
sieht das Papier aber
ebenfalls nicht vor.
Ansonsten reihen sich
Selbstverständlichkeiten
aneinander: Wird ein
falsch abgestellter Roller

angezeigt, muss der Betreiber ihn inner-
halb einer nicht näher festgelegten Frist
umparken, die Scooter sollen gewartet
und repariert werden. Kaputte Roller
sollen ebenfalls vom Betreiber einge-
sammelt und entsorgt werden – auf eige-
ne Kosten. Revolutionär ist das nicht.
„Ebenso sollten die Anbieter sich ver-
pflichten, im Falle eines Rückzugs seines
Geschäftsgebietes aus der Kommune die
Rücknahme sämtlicher Fahrzeuge zu
übernehmen beziehungsweise die Kos-
ten hierfür zu tragen“, heißt es. Nicht
einmal hier hat es zu einer Verpflichtung
gereicht, sondern lediglich zu einer
„Soll“-Bestimmung.
Dass die Absichtserklärung keines-
wegs neue strenge Regeln für die E-
Scooter-Betreiber vorsieht, kann man
auch an den Reaktionen der Anbieter
ablesen. Nicht nur haben Lime, Circ,
Tier und Voi anstandslos unterschrie-
ben. „Diese Vereinbarung ist ein wichti-
ger erster Schritt, geht uns aber noch
nicht weit genug“, beklagt beispielswei-
se selbst Circ. „Als Verfechter einer ver-
antwortungsvollen Mikromobilität
übertreffen wir bereits die Standards
der getroffenen Vereinbarung.“ Ändern
müssen die Anbieter demnach wegen
des neuen Papiers nichts.

E-Scooter-Regeln der Städte und Gemeinden sind nutzlos


Viele ärgern sich über achtlos abgestellte E-Tretroller. Nun gibt es eine Absichtserklärung von Kommunen und Betreibern. Doch ändern wird das Papier wohl nur wenig


E-Scooter auf einem Fußweg vor dem Bundestag in Berlin. Auch jetzt
schon gibt es genug Regeln – an die sich viele allerdings nicht halten

DPA

/BERND VON JUTRCZENKA

verhasst und wurde abge-
schafft. Die Bewertung al-
ler Vermögensgegenstän-
de ist fraglos aufwendig
und streitanfällig. Wie
komplex sich allein die
Bewertung des Grundver-
mögens gestaltet, hat Olaf Scholzkürz-
lich bei Vorlage seiner völlig verkorks-
ten Grundsteuerpläne bemerkt.
Der dritte und letzte Punkt ist ethi-
scher Natur und betrifft den Vermö-
gensbegriff. Wirtschaftlich ist alles
VVVermögen, was Einkommen schafft.ermögen, was Einkommen schafft.
Hierzu gehört auch die Arbeitskraft,
von Ökonomen oft Humankapital ge-
nannt, da ihre Nutzung Lohneinkom-
men und Versorgungsansprüche ein-
bringt. Die von der SPD geplante Ver-
mögensteuer nimmt das Humankapi-
talgezielt aus und erweist sich damit
als Klientelmaßnahme: Wer als Politi-
ker oder Arbeitnehmer Ansprüche auf
Altersversorgung erworben hat, bleibt
insoweit steuerfrei.
Im Gegensatz hierzu haben Hand-
werker und Unternehmer, deren Al-
tersvorsorge meist im Betrieb steckt,
VVVermögensteuer zu zahlen, und zwarermögensteuer zu zahlen, und zwar
auch dann, wenn sie insgesamt nicht
leistungsfähiger sind. Ein Ex-Minister
mit 100.000 Euro Pension im Jahr
zahlt keine Vermögensteuer, ein Ex-
Unternehmer, der 100.000 Euro im
Jahr entnimmt, aber sehr wohl.
WWWer wird getroffen werden? Umer wird getroffen werden? Um
dies abzuschätzen, sei an die alte Ver-
mögensteuer erinnert, die bis 1996 er-
hoben wurde. Sie sah einen Freibetrag
von umgerechnet 60.000 Euro vor und
brachte den Ländern rund 4,5 Millar-
den Euro jährlich ein. Die neue Vermö-
gensteuer soll mehr als doppelt so viel
einbringen, gleichwohl aber nur „Rei-
che und Superreiche“ treffen. Wer ge-
neigt ist, das zu glauben, überlege zu-
vor, dass viele Vermögende, insbeson-
dere bekannte Sportler und Künstler,
ihren Wohnsitz bereits längst ins Aus-
land verlegt haben.
Bei ihnen ist nichts zu holen. Ande-
re Vermögende werden ihnen folgen
und dabei auch ihre bisherigen Ein-
kommensteuerzahlungenmitnehmen.
Die Hauptbelastung dürfte einmal
mehr bei der Mittelschicht hängen
bleiben, die nicht ausweichen kann.
Für diese rührt Olaf Scholz einen fa-
talen Mix an, bestehend aus eben der
VVVermögensteuer, einer reformiertenermögensteuer, einer reformierten
Grundsteuer, die mit Sicherheit erheb-
liche Mehrbelastungen mit sich brin-
gen wird, einer Finanzmarkttransakti-
onsteuer, die entgegen der ursprüngli-
chen Idee nicht Banken trifft, sondern
hauptsächlich Altersvorsorgeprodukte,
und schließlich dem „Scholz-Buckel“
beim Solidaritätszuschlag. Der Ver-
gleich dieser Pläne mit der Schweiz,
wo die Abgabenbelastung meilenweit
unterhalb der deutschen liegt, ist un-
angemessen und zynisch.

TProfessor Dr. Stefan Homburg ist
Direktor des Instituts für Öffentliche
Finanzen an der Universität Hannover
und Steuerberater.

D


ie SPD und ihr
Finanzminister
Olaf Scholz wol-
len in Deutschland eine
allgemeine Vermögen-
steuer einführen. Was ist
davon zu halten? Auf den
ersten Blick klingt das Vorhaben ver-
ffführerisch: Nur „Reiche und Superrei-ührerisch: Nur „Reiche und Superrei-
che“ sollen besteuert werden, und
man will sich am Vorbild der Schweiz
orientieren.
Bei näherem Hinsehen hat eine all-
gemeine Vermögensteuer jedoch
schwere Mängel, und das ist der
Grund, warum sie international kaum
noch erhoben wird und selbst in Staa-
ten wie Schweden und Frankreich ab-
geschafft wurde. Nur einige Punkte
seien hier genannt.
Erstens beruht die Vermögensteuer
im Vergleich zur Einkommensteuer
auf einer aggressiveren Philosophie:
WWWährend die Einkommensteuer nur ei-ährend die Einkommensteuer nur ei-
nen Teil des neu Erworbenen weg-
nimmt, schneidet die Vermögensteuer
in die Substanz ein. Im heutigen Nied-
rigzinsumfeldwiegt dieser Umstand
schwer.
Hat jemand sein Vermögen relativ
sicher zu beispielsweise ein Prozent
Zinsen angelegt, konfisziert die von
der SPD vorgeschlagene Vermögen-
steuer, deren Satz ebenfalls ein Pro-
zent betragen soll, die gesamte Zins-
einnahme. Zusätzlich sind die Zinsen
einkommensteuerpflichtig. Die Dop-
pelbelastung durch Vermögensteuer
und Einkommensteuer mindert folg-
lich den Vermögensstamm, und hinzu
kommt die Geldentwertung.
Für Unternehmer ist es selbst mit
der Doppelbelastung nicht getan, da
Betriebe ihrerseits vermögensteuer-
pflichtig werden. Somit zahlt der Un-
ternehmer zunächst Vermögensteuer
fffür seinen Betrieb und hernach fürür seinen Betrieb und hernach für
sein Privatvermögen, zu dem der Be-
trieb gehört.
Zweitens ist die Erhebung einer all-
gemeinen Vermögensteuer technisch
ungemein schwierig und teuer. Schät-
zungen zufolge verschlang die bis 1996
erhobene Vermögensteuer ein Drittel
ihres Ertrags in Form von Verwal-
tungskosten. Der Grund hierfür be-
steht in Folgendem: Entweder fasst
der Staat die Bemessungsgrundlage
schmal, indem er zum Beispiel Kunst-
werke, Yachten usw. von der Vermö-
gensbesteuerung ausnimmt.
In diesem Fall setzt natürlich eine
Flucht in die begünstigten Anlagen
ein. Alternativ kann der Staat die Be-
messungsgrundlage weit definieren
und darin auch den Picasso im Wohn-
zimmer und den Perserteppich im
Schlafzimmer einschließen. Unter die-
ser Bedingung vermag niemand auszu-
weichen, doch muss der Fiskus jetzt
das Bild und den Teppich bewerten
und die Zimmer zur Kontrolle inspi-
zieren.
Unter allen Steuern ist die Vermö-
gensteuer jene, die am stärksten in die
Privatsphäre der Menschen eingreift;
genau deshalb war sie in vielen Staaten

GASTBEITRAG


FFFataler Mix für die Mittelschichtataler Mix für die Mittelschicht


STEFAN HOMBURG

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