Die Welt - 27.08.2019

(Michael S) #1

O


stdeutsche Frauen sind
die Erfolgsmodelle des
Berliner Politikbetriebs.
In nahezu allen Parteien,
Fraktionen und nicht
zuletzt im Kanzleramt
halten sie wichtige Macht-
positionen besetzt – und sind deutlich über-
repräsentiert. Mit dem angekündigten Rück-
zug von Angela Merkel und Sahra Wagen-
knecht scheint der Höhepunkt dieser bemer-
kenswerten Entwicklung jedoch überschritten.
Vor einer gefühlten Ewigkeit galt Hannover
als wichtigste politische Talentschmiede der
Bundesrepublik. Christian Wulff empfahl sich
als freundlich-besonnener Ministerpräsident
zu Beginn der 2000er-Jahre für höchste politi-
sche Ämter im Staat. In seiner Landesregie-
rung sorgte damals eine aufstrebende Sozial-
ministerin für Aufsehen: Ursula von der Leyen.
Oppositionsführer war der Sozialdemokrat
Sigmar Gabriel, der zuvor auch schon Mi-
nisterpräsident Niedersachsens war – als
Nachnachfolger von Gerhard Schröder. Dessen
Europaminister wiederum war der Grüne Jür-
gen Trittin. Und auch der einstige FDP-Hoff-
nungsträger Philipp Rösler erlebte seinen Kar-
rierebeginn in Hannover.
Derart auffällige Rudelbildungen sind al-
lerdings dem politischen Zufall geschuldet.
Dass derzeit mit Annegret Kramp-Karrenbau-
er, Peter Altmaier und Heiko Maas gleich drei
zentrale Figuren der Regierungskoalition aus
dem kleinen Saarland stammen, ist jedenfalls
kaum Ergebnis einer politischen Gesetzmäßig-
keit. Mindestens bemerkenswert ist allerdings
eine Konstellation, die in etwa zeitgleich mit
der Niedersachsen-Connection ihren Anfang
nahm: die Hegemonie der ostdeutschen Frau
im politischen Hauptstadtbetrieb. Alles begann
am 22. Dezember 1999 mit einem offenen Brief
der damals noch unterschätzten CDU-Ge-
neralsekretärin in der „FAZ“. Ihr Name: Ange-
la Merkel.
Die CDU befand sich zu jener Zeit, nach der
an Gerhard Schröder verlorenen Bundestags-
wahl 1998, in einer tiefen Krise. Helmut Kohl
stand im Zentrum einer Parteispendenaffäre.
Er weigerte sich, die Namen der Spender zu
nennen. Weder der damalige Parteichef Wolf-
gang Schäuble noch die anderen Parteigranden
wagten den offenen Bruch mit dem störrischen
Altkanzler. Mut bewies allein die 45-jährige
Angela Merkel. Unmittelbar vor einer Präsidi-
umssitzung der CDU dekretierte sie in der
„FAZ“, Kohl habe der Partei mit seinem Ver-
halten Schaden zugefügt. Die Partei müsse
„laufen lernen“, und zwar „ohne ihr altes
Schlachtross Helmut Kohl“. Der Brief war ein
kaum kaschiertes Bewerbungsschreiben für
den CDU-Vorsitz. Dreieinhalb Monate später
wurde sie auf einem Parteitag in Essen ge-
wählt.
Ihre steile politische Karriere war Merkel
nicht in die Wiege gelegt worden. Mehrfach
hat sie erzählt, wie sie sich in der DDR ihr
Leben eingerichtet hatte: privat geborgen in
einem intakten sozialen Umfeld, beruflich
erfolgreich in einer Atmosphäre voller Ein-
schränkungen, politisch passiv in einem als
einengend empfundenen System. Das änderte
sich 1990 schlagartig. Angela Merkel hängte
ihren Job bei der Akademie der Wissenschaf-
ten an den Nagel, um stellvertretende Re-
gierungssprecherin der Nachwende-DDR zu
werden. Noch im gleichen Jahr kandidierte sie
für den Deutschen Bundestag. Der „Bild“-
Zeitung erzählte sie, dass sie damals noch
keine langen Reden halten konnte – nach spä-
testens zehn Minuten hatte sie ihr Pulver re-
gelmäßig verschossen.
Etwa zur gleichen Zeit betrat eine junge
Thüringerin die bundespolitische Bühne. Sahra
Wagenknecht wurde 1991 mit gerade mal 21
Jahren in den Vorstand der PDS gewählt. Von
Beginn an war sie eine der schillerndsten Figu-
ren der politischen Linken und ist es bis heute
geblieben. Vor allem ihre anfangs unverhohle-
nen Sympathie für die reine kommunistische
Lehre kostete sie schon bald innerparteilichen
Kredit. Zwischenzeitlich musste sie sogar aus
dem Parteivorstand ausscheiden, weil ansons-
ten der damals unverzichtbare Gregor Gysi
hingeschmissen hätte. Dabei hatte die rote
Sahra in der DDR keinesfalls paradiesische
Zustände erlebt. Der Gruppenkult, sinnstiften-
des Ritual der kommunistischen Gemein-
schaft, war ihr immer ein Gräuel. Diese Aver-
sion kostete sie sogar den Studienplatz: Sie
scheiterte an der für Abiturienten obligatori-
schen vormilitärischen Ausbildung. „Nicht
kollektivfähig“ stand in ihrem Zeugnis – das
härteste aller möglichen Verdikte. Bis heute
fremdelt sie sichtbar bei Gruppenaufläufen;
umso erstaunlicher ist ihre politische Karriere.
Aus ganz anderem Holz ist Katja Kipping
geschnitzt, die gruppenaffine Parteivorsitzen-
de der Linken. Kipping ist mit einem Netzwerk
nach oben gelangt, von Spöttern in der Partei
„Jugendbrigade“ genannt. Im Wendeherbst
1989 ist sie gerade elf Jahre alt. DDR, FDJ und

Gruppenritual sind für sie nur blasse Kind-
heitserinnerung; prägend für die politische
Laufbahn sind sie nicht. In einem Jugendlager
im sächsischen Löbau wird ihr Interesse für
die politische Linke geweckt. Mit 21 Jahren
wird sie Abgeordnete im Sächsischen Landtag,
mit 25 stellvertretende Parteivorsitzende. Eine
Blitzkarriere wie bei Wagenknecht, nur gerad-
liniger, ohne große Brüche. Bei „Markus Lanz“
erzählte sie, dass ihr Teenie-Herz für Milli
Vanilli schlug. Frank Farian statt Frank Schö-
bel. Ostalgie ist für sie definitiv keine Katego-
rie.
Im thüringischen Friedrichroda wurde 1966
Katrin Göring-Eckardt geboren, als Tochter
eines Tanzlehrer-Ehepaares. Die Fraktions-
chefin der Grünen gehört wie Angela Merkel
zum Inventar der Berliner Republik. Die „FAZ“

nannte sie vor einigen Jahren in einer Titelzei-
le „Die grüne Angela“. Gelassen, besonnen,
pragmatisch, zugleich aber machtbewusst,
instinktsicher, geschmeidig. Geprägt wurde sie
in ihrer Jugend durch die evangelische „Junge
Gemeinde“, den Gegenentwurf zur sozialisti-
schen FDJ. In der Jungen Gemeinde trafen
sich systemkritische Jugendliche. Der miss-
trauische Blick der Stasi war allgegenwärtig.
Später wollte sie Lehrerin werden, ging aber
dem vorgezeichneten Konflikt mit dem Re-
gime aus dem Weg und schrieb sich an der
theologischen Fakultät in Leipzig ein; auch
dies ein Hotspot der Opposition.
Die Sozialdemokratin Manuela Schwesig
kann es sich inzwischen sogar leisten, den
vakanten Vorsitz ihrer Partei nicht anzustre-
ben. Sie ist die unbestrittene weibliche Emi-

nenz im Machtzentrum der SPD. Dass sich
hier eine große Karriere anbahnen könnte,
wurde spätestens bei den schwarz-roten Ko-
alitionsverhandlungen 2013 deutlich. Zwölf
Arbeitsgruppen und vier Unterarbeitsgruppen
rangen wochenlang um Kompromisse zu Min-
destlohn, Maut und Rente mit 63. Und natür-
lich um Personalien. Alles schien offen. Bis auf
das Amt der Familienministerin – hierfür war
frühzeitig Manuela Schwesig gesetzt. Dass sie
2017 auf Wunsch des erkrankten Minister-
präsidenten Erwin Sellering dessen Nach-
folgerin in Schwerin wurde, hat ihre Position
in der Bundespartei noch einmal entscheidend
gestärkt.
Einen weiteren ostdeutschen Rohdiamanten
zauberte die SPD fünf Jahre später aus dem
Hut. Die Brandenburgerin Franziska Giffey,
zuvor knapp vier Jahre lang Bezirksbürger-
meisterin von Berlin-Neukölln und damit
Nachfolgerin des legendären Heinz Buschkow-
sky, wurde innerparteilich schon länger als
Kandidatin für höhere Weihen gehandelt. Nach
der verlorenen Bundestagswahl kursierte ihr
Name zunächst für das Amt der Generalsekre-
tärin. Als Familienministerin erwies sich Giffey
dann schnell als sozialdemokratischer Voll-
treffer. Sie ist eine der Sympathieträgerinnen
im aktuellen Kabinett Merkel, gilt als ziel-
strebig und effizient und ersetzt den zuweilen
hölzernen Paragrafen-Sprech deutscher Ge-
setzestexte durch signalklares Marketing-
deutsch; bahnbrechend ihr „Gute-Kita-Ge-
setz“. Dass die Inhalte der Gesetze von Fach-
leuten zum Teil vernichtend kritisiert werden,
tut dem hohen Ansehen der Ministerin keinen
Abbruch. Auch der dringende Plagiatsverdacht
bei ihrer Doktorarbeit wird von Freund und
Feind weitgehend ignoriert. In Ermangelung
der sonst üblichen Rücktrittsforderungen hat
Giffey für den Fall der Fälle nun selbst ihren
Abschied vom Ministeramt angekündigt. Ein
Comeback nach kurzzeitiger Quarantäne ist
nicht ausgeschlossen.
Frauke Petry hat ihre politische Zukunft
schon hinter sich – aber auch sie war als Ost-
deutsche an die Spitze gelangt. Geboren in
Dresden, Generation Kipping, eine multiple
Begabung. Abitur in Bergkamen bei Dortmund,
wohin sie kurz vor dem Mauerfall mit ihrer
Mutter gezogen war. Auslandsstudium, Stipen-
diatin der Studienstiftung des Deutschen Vol-
kes. Später lässt sie sich nebenberuflich zur
Chorleiterin und Organistin ausbilden. Sie
gründet ein Unternehmen, um ein eigenes
Patent für ein Reifendichtmittel zu vermark-
ten, erhält hoch dotierte Auszeichnungen und
muss doch Insolvenz anmelden. Schließlich die
kurze, rauschhafte Karriere an der Spitze der
AfD.
Sieben Frauen, sieben unterschiedliche Le-
bensentwürfe, sieben beeindruckende Karrie-
ren. Aber gibt es auch ein gemeinsames Mus-
ter? Liefert der ostdeutsche Hintergrund tat-
sächlich eine mögliche Erklärung? Ist speziell
die ostdeutsche Frau der Nachwendezeit ein
bundespolitisches Erfolgsmodell? Ein Teil der
Erklärung liegt möglicherweise im einzig-
artigen Polit-Biotop der Jahre 1990/91. Der
Typus des DDR-Politikers hatte abgewirt-
schaftet. Frisches Personal wurde dringend
gesucht, sämtliche politischen Mandate und
Funktionen mussten neu besetzt werden. Die
Soziologin Cornelia Hippmann beschreibt die
Zeit in ihrer Doktorarbeit als Machtvakuum.
Die alten – männlichen – Netzwerke waren
vollständig implodiert. Deshalb hatten für
einen kurzen Zeitraum männliche und weibli-
che Anwärter tatsächlich die gleichen Start-
bedingungen, niemand wurde aus Seilschaften
heraus protegiert oder behindert. Hinzu kam,
dass sich zahlreiche kluge Köpfe ohnehin einen
neuen Job suchen wollten – oder mussten.
Und die Politik stand bei vielen demokratie-
hungrigen Ostdeutschen in hohem Ansehen,
auch bei der Arbeitsplatzsuche.
Nur: Wie konnten die Ostfrauen die er-
staunliche Machtfülle bis heute konservieren
und ausbauen? Zweifellos hat Angela Merkel
Pionierarbeit geleistet. Wenn eine (Ost)frau
Kanzlerin kann und CDU-Chefin, sollte das
auch in anderen Parteien möglich sein – dieses
Argument hat dem Talente-Geschwader Ost
sicher nicht geschadet. Auch an Nachwuchs
hat es lange Zeit nicht gemangelt. Politik als
Karrierebooster entfaltete im strukturschwa-
chen Osten bis weit in die 2000er-Jahre eine
starke Anziehungskraft; Talente im Westen
bevorzugten da schon längst Wirtschaft oder
Justiz. Der zuletzt rapide Ansehensverlust der
etablierten Politik könnte jedoch das einst so
üppige Nachwuchsreservoir veröden lassen.
Zumindest eine weitere Kanzlerin made in
Ostdeutschland ist weit und breit nicht in
Sicht.

TDer Autor ist Redaktionsleiter für Politik und
Zeitgeschehen beim Nachrichtenradio MDR
AKTUELL. 2013 erhielt er mit Andreas Herrler
den Deutschen Radiopreis für die Reportage
„Typisch Polen“.

ESSAY


MICHAEL KASTE

Auffällige Rudelbildungen gab es in der Politik


bisher nur in Niedersachsen und dem


Saarland. Dass in den neuen Ländern nach der


Wende die Frauen reüssierten, ist beispiellos.


Mit dem Abgang von Angela Merkel


und Sahra Wagenknecht scheint


der Zenit jedoch überschritten


Der


Aufstieg


der Ostfrau


GETTY IMAGES (5), PA, BEARBEITUNG: DIE WELT

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27.08.19 Dienstag, 27. August 2019DWBE-HP



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2 FORUM *DIE WELT DIENSTAG,27.AUGUST


Die größte


Gefahr für die


Demokratie


SABINE LEUTHEUSSER-
SCHNARRENBERGER

Z


urück aus der Sommerpause scheint
sich das Innenministerium endlich dem
dringenden Problem des rechtsextre-
mistischen Terrorismus zuwenden zu wollen.
Es gibt konkrete Reformpläne. Aktuellen Me-
dienberichten zufolge soll zunächst das Bun-
deskriminalamt in diesem Bereich neu auf-
gestellt und personell gestärkt werden. End-
lich, möchte man sagen, denn die Selbstenttar-
nung des Nationalsozialistischen Untergrund
im November 2011 ist bereits acht Jahre her.
Der NSU-Fall hat damals massive Defizite der
staatlichen Ermittlungen und eine fatale Fixie-
rung der Behörden auf das Opferumfeld an-
statt auf den aggressiven, gewalttätigen
Rechtsextremismus offenbart. Die wachsende
rechte Hetze und steigende Gewaltbereitschaft
wwwurde im Zuge der Flüchtlingsdebatte unüber-urde im Zuge der Flüchtlingsdebatte unüber-
sehbar. Schließlich der Schock: die brutale
Ermordung des Kassler Regierungspräsidenten
WWWalter Lübcke. Viel zu spät wird der Rechts-alter Lübcke. Viel zu spät wird der Rechts-
extremismus als die derzeit größte Gefahr für
unsere Demokratie wahrgenommen.
VVVon den umfangreichen sicherheitspoliti-on den umfangreichen sicherheitspoliti-
schen Vorhaben stechen drei Aspekte bereits
hervor: So soll vor allem Hasskriminalität im
Netz bekämpft werden und eine „nationale
Stelle zur konsequenten Bekämpfung“ im BKA
entstehen. Diese neue Einheit soll verstärkt
das Internet beobachten und eng mit den
Providern und sozialen Netzwerken koope-
rieren. Allerdings soll es in diesem Zusammen-
hang offenbar auch zur Rückkehr der Vorrats-
datenspeicherung (VDS) „durch die Hintertür“
kommen. Es sollen wohl sämtliche IP-Adressen
der Nutzer, etwa auf sozialen Netzwerken, im
Rahmen der VDS gespeichert werden. BKA-
Chef Holger Münch verstieg sich in einem
Interview zu einem Vergleich mit dem Stra-
ßenverkehr: Was dort das Kfz-Kennzeichen sei,
wäre im Netz die IP-Adresse. Diese Pläne sind
selbstverständlich zurückzuweisen, denn die
anlasslose Vorratsdatenspeicherung wurde
durch entsprechende deutsche und europäi-
sche Gerichtsentscheidungen bereits aus-
gesetzt. Die Bundesregierung zeigt sich hier
leider uneinsichtig.
Zudem sollen im Rahmen der geplanten
Reformen die Netzwerk- und Plattformbetrei-
ber Hass und Hetze künftig nicht mehr einfach
löschen können, sondern dazu verpflichtet
werden, diese an das BKA weiterzuleiten.
Grundsätzlich geht dieser Schritt in die richti-
ge Richtung. Das eigentliche Problem, dass
staatliche Strafverfolgungs- und Rechtsdurch-
setzungsaufgaben den Netzwerkbetreibern
üüüberlassen werden, wird dabei jedoch nichtberlassen werden, wird dabei jedoch nicht
gelöst. Stattdessen muss bei den Staatsanwalt-
schaften angesetzt werden: Vorbildlich sind die
Sonderdezernate gegen Hasskriminalität wie
die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime
des Landes Nordrhein-Westfalen.
Der Präventionsarbeit muss endlich höchste
Priorität bei der Bekämpfung rechter Gewalt
zugemessen werden. Dazu planen die Sicher-
heitsbehörden, endlich entsprechende Instru-
mente aus der Bekämpfung islamistischen
Terrors, wie das RADAR-System, auf Rechts-
extremisten zu übertragen. Unverständlich ist,
dass dies erst jetzt geschieht. Insbesondere vor
dem Hintergrund, dass die meisten rechts-
extremen Attentäter den Behörden bekannt
waren. Wir brauchen endlich gezielte Gefähr-
deransprachen von Rechtsextremen, wie sie
zum Beispiel bei IS-Kämpfern eingesetzt wer-
den, die nach Deutschland zurückkehren. Aber
aaauch eine effektive Milieuarbeit und Szene-uch eine effektive Milieuarbeit und Szene-
beobachtung ist wichtig. Rechtsextreme beken-
nen sich öffentlich viel seltener zu ihren Taten
und Ideologien als etwa islamistische Extre-
misten und agieren oft im Untergrund.
Die sich abzeichnenden Reformpläne greifen
damit zwar endlich eines der dringendsten
sicherheitspolitischen Themen unserer Zeit
aaauf, setzen aber teilweise auf die falschen Mit-uf, setzen aber teilweise auf die falschen Mit-
tel, kommen zu spät und greifen zu kurz. Die
steigende Gewaltbereitschaft, die ihren Aus-
druck auch in Todes- und Feindeslisten findet,
bedroht mehr als Leib und Leben. Wir sind
AAAugenzeugen eines bislang unbekannten An-ugenzeugen eines bislang unbekannten An-
griffs von rechts.riffs von rechts.

TSabine Leutheusser-Schnarrenberger ist
stellvertretende Vorstandsvorsitzende der
Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
und Bundesjustizministerin a. D.

GASTKOMMENTAR


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