Die Welt - 27.08.2019

(Michael S) #1

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27.08.19 Dienstag, 27. August 2019DWBE-HP



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DIE WELT DIENSTAG,27.AUGUST2019 POLITIK 5


dass die Union „Teile der Bundeswehr
an die AfD“ verliere. In einem „Akt der
Verzweiflung“ würden Soldaten, „die
sich im Stich gelassen fühlen“, auf „die
einfachen Antworten einer selbst er-
nannten Alternative setzen“. Für die
Behauptung gibt es zwar kein valides
Zahlenmaterial, aber es gibt Indizien.
So kann die AfD im Vergleich mit ande-
ren Parteien auf überdurchschnittlich
viele Mandatsträger verweisen, die frü-
her als Zeit- oder Berufssoldaten ge-
dient haben. Mit Joachim Wundrak kan-
didiert nun sogar erstmals ein pensio-
nierter Drei-Sterne-General für die AfD,
als Oberbürgermeister von Hannover.
Merz’ Äußerungen jedenfalls waren
für Generalmajor Reinhardt Zudrop,
den Kommandeur des Zentrums Innere
Führung der Bundeswehr, der Anlass,
sich zu Wort zu melden. Die Schlagzeile
habe ihn verärgert, sagte er nach Teil-
nehmerangaben bei einer Dienstver-
sammlung am 24. Juni vor mehreren
Dutzend Zuhörern in Koblenz. Was er
danach weiter sagte, ist umstritten.
In einer Beschwerde an Hans-Peter
Bartels (SPD), den Wehrbeauftragten
des Bundestags, ist nachzulesen, Zu-
drop habe „eine Wahlentscheidung von
Soldaten zugunsten der AfD scharf ver-

W


elchem ihrer beiden Jobs An-
negret Kramp-Karrenbauer
auch nachgeht, überall wird
sie von der AfD geplagt. Als CDU-Vor-
sitzende ringt sie um den richtigen Um-
gang mit Ex-Verfassungsschutzchef
Hans-Georg Maaßen. Der ist zwar Mit-
glied der CDU; seine Wahlkampfauftrit-
te in Sachsen aber werden von der AfD
geschickt vereinnahmt – und die Union
steht dem ratlos gegenüber.

VON THORSTEN JUNGHOLT

Auf der Suche nach einem Konzept,
sich Maaßens Rufe nach einem wehrhaf-
ten Rechtsstaat zu eigen zu machen, oh-
ne dabei in nationalistische Abschot-
tungsrhetorik zu verfallen, ist Kramp-
Karrenbauer noch nicht sonderlich weit
vorangekommen. Zu Buche steht bis-
lang nur eine missverständliche Formu-
lierung zu einem möglichen Parteiaus-
schluss Maaßens, mit dem die Partei-
vorsitzende die Wahlkämpfer in Ost-
deutschland gegen sich aufbrachte.
Und auch in ihrem Amt als Verteidi-
gungsministerin spielt das Thema AfD
eine Rolle. Kramp-Karrenbauers Partei-
freund Friedrich Merz hatte in einem
Interview im Juni die These aufgestellt,

urteilt“ und sinngemäß geäußert, dass
die Partei keine „von Soldaten wählbare
Partei“ sei – insbesondere deshalb
nicht, da es „in der AfD Rechtsextremis-
ten“ gebe. Der AfD-Bundestagsabgeord-
nete Rüdiger Lucassen verlangte in ei-
nem Schreiben an Kramp-Karrenbauer
deshalb die „sofortige Suspendierung
von Generalmajor Zudrop“. Grund: Der
Offizier habe seine „Kommandogewalt
zum Zwecke der parteipolitischen Aus-
einandersetzung missbraucht“.
In einer Stellungnahme des Zen-
trums Innere Führung heißt es dagegen
laut „Spiegel“, Zudrop habe seine Äuße-
rungen „ausdrücklich als seine persönli-
che Auffassung gekennzeichnet“. Zwar
sei die AfD demokratisch gewählt wor-
den. Er persönlich aber könne die Partei
nicht wählen, da sie im sogenannten
Flügel „eindeutig extremistische Posi-
tionen“ vertrete. Weiter habe der Gene-
ral eine „kritische Auseinandersetzung
mit allen Parteiprogrammen, so auch
dem der AfD“ empfohlen.
Für Kramp-Karrenbauer ist der Fall
heikel. Inhaltlich mag sie die Positionen
Zudrops gutheißen. Als Ministerin aber
hat sie auf die Einhaltung des Dienst-
rechts zu pochen – und dagegen könnte
der Generalmajor verstoßen haben. So

heißt es in Paragraf 15 Absatz 4 des Sol-
datengesetzes unmissverständlich: „Ein
Soldat darf als Vorgesetzter seine Un-
tergebenen nicht für oder gegen eine
politische Meinung beeinflussen.“ Hin-
zu kommt, dass Zudrop die neben der
Führungsakademie wichtigste Bil-
dungseinrichtung der Bundeswehr lei-
tet. Das Zentrum für Innere Führung
unterrichtet jährlich rund 12.000 Lehr-
gangsteilnehmer, ist verantwortlich für
Hunderte Seminare, Veranstaltungen
und Ausstellungen. Es soll Soldaten al-
ler Ränge das Leitbild des Staatsbürgers
in Uniform vermitteln. Parteipolitische
Neutralität ist dabei selbstverständlich.
Wie also geht Kramp-Karrenbauer mit
dem Fall um? Das Verteidigungsministe-
rium übte sich bislang in Zurückhaltung.

Man werde den Sachverhalt nach den
Regeln der Geschäftsordnung prüfen,
hieß es lediglich. Zudrop selbst dagegen
ist mitteilsamer. Nach WELT-Informa-
tionen ließ er im Rahmen einer Mitarbei-
terversammlung in Koblenz am Montag
voriger Woche wissen, der Rechtsberater
von Generalinspekteur Eberhard Zorn
habe Ermittlungen aufgenommen und
befrage die Teilnehmer der Veranstal-
tung vom 24. Juni als Zeugen. Das Zen-
trum für Innere Führung ist dem Gene-
ralinspekteur direkt unterstellt.
Ein solcher Zeuge meldete sich auch
bei WELT. Der Mann, ein erfahrener
Offizier, legt Wert darauf, kein Partei-
mitglied der AfD zu sein und auch den
Verfasser der Beschwerde beim Wehr-
beauftragten nicht zu kennen. Seine Er-
innerung an Zudrops Auftritt im Ko-
blenzer Forum vor Zuhörern „vom
Mannschaftsdienstgrad bis zum stell-
vertretenden Kommandeur“ aber ist
eindeutig: Der Generalmajor habe „fünf
bis zehn Minuten über die AfD gewet-
tert, richtig abgeledert und seine Empö-
rung über diese Partei mehr als deutlich
zum Ausdruck gebracht. Ich war fas-
sungslos, das habe ich in meinen vielen
Dienstjahren noch nie erlebt“. Nach sei-
ner Auffassung handele es sich um ein

„veritables Dienstvergehen. Da kann
der Generalmajor zehnmal sagen, dass
es eine persönliche Meinungsäußerung
ist. Er spricht als Kommandeur vor ver-
sammelter Mannschaft, und damit ist es
eine Stellungnahme, die mit dem Solda-
tengesetz nicht vereinbar ist“.
Abzuwarten bleibt nun, was die Be-
fragungen des Generalinspekteurs erge-
ben. Das Wehrressort mochte auf An-
frage nicht mitteilen, ob es sich dabei
bereits um ein Disziplinarverfahren
oder um vorgeschaltete Verwaltungser-
mittlungen handelt. Die AfD will den
Gang des Verfahrens jedenfalls genau
beobachten. Wobei sich nicht alle in der
Partei über Zudrop empören sollten.
Uwe Junge zum Beispiel, früher Oberst-
leutnant und heute Partei- sowie Frakti-
onschef der AfD in Rheinland-Pfalz,
hatte die Generäle nach Kramp-Karren-
bauers Amtsübernahme zu einem „Auf-
stand“ aufgerufen: „Ab einer bestimm-
ten Ebene scheint das Duckmäusertum
die wesentliche Eigenschaft von Gene-
ralität zu sein“, sagte Junge. „Unsere
Generalität wird erst dann laut, wenn
sie in Pension ist oder keine Perspektive
mehr hat.“ Zudrop hat ihm nun das Ge-
genteil bewiesen – allerdings anders, als
der AfD-Mann sich das vorgestellt hat.

WWWegen Warnung vor der AfD: Ministerium nimmt Ermittlungen aufegen Warnung vor der AfD: Ministerium nimmt Ermittlungen auf


Ein weiterer Zeuge belastet den Kommandeur des Zentrums Innere Führung, Generalmajor Reinhardt Zudrop. Generalinspekteur prüft Verstoß gegen Soldatengesetz


Generalmajor Reinhardt Zudrop, Kom-
mandeur des Zentrums Innere Führung

DPA

/ THOMAS FREY

bildung. Und die bekommen sie nicht
allein auf der Straße, sondern vor allem
in der Schule. Natürlich kann man Kli-
maschutz und die Demonstrationen in
den Unterricht, als außerschulischen
Lernort, einbetten. Aber das geht nicht
jede Woche, und es soll eine einmalige
Aktion bleiben, die vor- und nachberei-
tet werden muss. Bei Verletzung der
Schulpflicht können Zwangsmaßnah-
men wie Bußgelder zur Anwendung
kommen.

Wie gehen Sie in Schleswig-Holstein
damit um?
BUCHHOLZ: In einem Rechtsstaat gibt es
Regeln. Schulpflicht gehört dazu, daran
haben sich alle zu halten. Wer das nicht
tut, hat die Konsequenzen zu tragen.

Die Schüler erhalten teils Unterstüt-
zung aus der Wissenschaft und von
Lehrern. An einer Gesamtschule in
Dortmund werden Fehlstunden nicht
mehr geahndet, wenn die Schüler an
der Demonstration teilnehmen. Was
macht man da?
GEBAUER: Diesem Fall sind wir nachge-
gangen. Die Schulleitung hat deutlich
gemacht, dass es auch an dieser Schule

Z


um Schulanfang in Nord-
rhein-Westfalen erwartet
die Gymnasiasten ein neues
Schulfach: Wirtschaft. Beim
Interview mit WELT in ei-
ner Kieler Berufsschule erklären die
Düsseldorfer Bildungsministerin
Yvonne Gebauer (53, FDP) und Schles-
wig-Holsteins Wirtschaftsminister
Bernd Buchholz (57, FDP), warum öko-
nomische Zusammenhänge in die Lehr-
bücher gehören und wie sie künftig mit
der Verletzung der Schulpflicht durch
die Demonstranten der „Fridays for Fu-
ture“ umgehen wollen.

VON THORSTEN JUNGHOLT
UND MARTIN NIEWENDICK

WELT:Herr Buchholz, wie alt sind Ih-
re Kinder?
BERND BUCHHOLZ: 2 5 und 22 Jahre.

Was sagen die beiden zur Bedeutung
von Klimaschutz?
BERND BUCHHOLZ:Dass es wichtig ist.
Und dass das eine oder andere in den
letzten Jahren nicht mit dem genügen-
den Nachdruck verfolgt worden ist. Sie
sagen aber auch, dass es nicht einseitig
nur um Klimaschutz gehen darf, weil
andere Dinge auch eine Rolle spielen.
Meine Söhne sind eben etwas älter als
die Schüler von „Fridays for Future“
und bereiten sich auf ein Berufsleben
vor. Sie sehen das etwas ausgewogener.
Ich sage aber auch: Es ist das Recht jun-
ger Schüler, auch einseitig in eine be-
stimmte Richtung Forderungen aufzu-
stellen. Und es ist die Pflicht von Politi-
kern, ihnen nicht nur nach dem Mund
zu reden und für einen vernünftigen In-
teressensausgleich zu sorgen.

Und Ihr Sohn, Frau Gebauer?
YVONNE GEBAUER: Mein Sohn ist auch
schon bald 23 und hat seine berufliche
Ausbildung abgeschlossen. Als Mutter
würde ich ihm sagen: Es ist richtig, sich
zu engagieren, aber wäre er noch Schü-
ler, sollte er am Nachmittag und am
Wochenende demonstrieren. Das De-
monstrationsrecht kann problemlos
auch außerhalb der Schulzeit ausgeübt
werden. Vorsätzliche Schulpflichtver-
letzungen sind also überhaupt nicht
notwendig

Die „Fridays for Future“-Bewegung
ist ausdauernder, als viele gedacht ha-
ben. Auch während der Sommerferien
wurde demonstriert, in Dortmund
gab es einen großen Kongress. Wenn
es so bleibt – wie gehen Ihre Landes-
regierungen damit um, wenn weiter
die Schulpflicht verletzt wird?
GEBAUER: Wir haben gleich zu Beginn
gesagt, dass wir das gesellschaftliche
Engagement der Schülerinnen und
Schüler sehr zu schätzen wissen und es
unterstützen. Aber als zuständige
Schulministerin muss ich auf die Ein-
haltung der Schulpflicht bestehen. Sie
ist ein hohes Gut, das vielen Kindern
auf dieser Welt leider nicht zur Verfü-
gung steht. Die Schulpflicht sorgt dafür,
dass jedes Kind in Deutschland völlig
unabhängig von seiner Herkunft in den
Genuss einer guten Schulbildung
kommt. Das ist ein Privileg. Um sich
mit den vielen Aspekten des Klima-
schutzes sachgerecht auseinanderset-
zen zu können, braucht es ausgewoge-
ne Informationen und eine solide Ur-
teilskompetenz auch durch gute Schul-

keinen Freibrief für Schülerinnen und
Schüler gibt, an Demonstrationen teil-
zunehmen, die während der Schulzeit
stattfinden. Es ist die Pflicht von Leh-
rern, Schüler zu unterrichten – und
zwar in der Schule. Der Klimaschutz ge-
hört zum Unterricht selbstverständlich
mit dazu.
BUCHHOLZ: WWWas eine einzelne Lehr-as eine einzelne Lehr-
kraft für gut und richtig hält, darf kein
Maßstab dafür sein, ob Schüler zum Un-
terricht erscheinen müssen oder nicht.
Das wird auf anderer Ebene geregelt.
Und daran haben sich auch Lehrer zu
halten.

War der Umgang der FDP mit der Be-
wegung bisher klug?
BUCHHOLZ: Sie spielen auf die Äuße-

wegung bisher klug?
ie spielen auf die Äuße-

wegung bisher klug?


rung von Christian Lindner an, Klima-
schutz sei eine Sache für Profis. Er hat
mehrfach selbst klargestellt, dass dies
nicht grade glücklich formuliert war. Es
wäre sinnvoller, eine inhaltliche Ausei-
nandersetzung mit den Schülern zu
führen, die bisher nur begrenzt geführt
wird. Da muss man sich mit den inhalt-
lichen Positionen der Bewegung auch
auseinandersetzen und über die Folgen
reden. Davon ist vieles nicht realisier-

bar. Wir alle wollen CO 2 vermeiden.
Aber wir müssen einen sinnvollen Weg
dahin finden, der ökologische Verant-
wortung mit ökonomischer Vernunft
verbindet.
GEBAUER: Die FDP hat sich mit dem
Thema Klimaschutz sehr intensiv auf
dem letzten Bundesparteitag befasst.
Wir haben unter anderem die „Fridays
for Future“-Demonstrationen und die
Debatte um Greta Thunbergzum An-
lass genommen, um uns inhaltlich kla-
rer aufzustellen und alle Facetten zu be-
leuchten ...
BUCHHOLZ:...im Übrigen mit einer in-
haltlichen Positionierung zum Thema
CO 2 -Bepreisung zu einem Zeitpunkt,
wo andere noch ganz am Anfang der
Diskussion waren. Mit einem Punkt,
den heute Sachverständigenrat, Wirt-
schaftsweise und andere aufgreifen und
sagen: Das wäre der richtige Weg. Das
findet auch der ein oder andere Kollege
bei mir am Jamaika-Kabinettstisch.

Jeder Schritt von Greta Thunberg
wird minutiös dokumentiert. Sie hat
den Papst getroffen und bringt Politi-
ker in Bedrängnis. Hat die Bewegung
zu viel Macht?

BUCHHOLZ: Das sehe ich nicht. Es gibt
zurzeit einen interessanten Medien-
Hype. Aber man muss die Kirche im
Dorf lassen. Es geht um ein ernstes An-
liegen – die „Fridays for Future“-Bewe-
gung hat mehr Sensibilität dafür gene-
riert, als vorher vorhanden war. Das
kann man ihr nicht absprechen. Jetzt
geht es darum, vernünftige Lösungen
zu finden.

Frau Gebauer, hatten Sie bei Ihren
Gesprächen mit den jungen Leuten
den Eindruck, dass sie über wirt-
schaftliche Zusammenhänge infor-
miert sind?
GEBAUER:Ja, durchaus. Worüber sie
sich aber keine Gedanken gemacht ha-
ben, ist sich zu überlegen, wann ihr Ziel
erreicht ist. Wie lange wollen Sie de-
monstrieren, ohne konstruktiv und im
Konsens mit anderen Akteuren auf Lö-
sungen hinzuwirken? Maximalpositio-
nen können in einer Demokratie nie
umgesetzt werden, sondern es zählt
der Ausgleich, der Kompromiss zwi-
schen vielen berechtigten Interessen.
Das ursprüngliche Ziel der Schülerde-
monstrationen war, Aufmerksamkeit
zu erregen. Das ist seit Monaten er-
reicht. Bewusste Schulpflichtverletzun-
gen braucht es dazu nicht mehr. Eine
Protestbewegung, die zu wenig auf Dis-
kussion und Lösungssuche ausgerich-
tet ist, verliert auf absehbare Zeit auch
an gesellschaftlicher Akzeptanz. Das
habe ich den jungen Menschen als
Denkanstoß mitgegeben.

Dass Sie in NRW nun ein Schulfach
Wirtschaft einführen, hat nichts mit
der Klimabewegung zu tun?
GEBAUER:Nein, die Idee ist schon be-
deutend älter und eine politische Forde-
rung der FDP seit vielen Jahren, der
sich mittlerweile viele angeschlossen
haben. Sie stand auch in unserem Wahl-
programm. Es gab in NRW bereits zu-
vor einen Modellversuch mit 70 Real-
schulen über drei Jahre. Schüler, Eltern
und Lehrer fanden mehr ökonomische
Kompetenzen im Unterricht gut. Des-
halb wollte die FDP damals mit den Er-
gebnissen und Erkenntnissen aus dem
Modellversuch in die Fläche gehen, die
rot-grüne Vorgängerregierung hat das
aber blockiert. Jetzt wird das Fach Wirt-
schaft-Politik zum kommenden Schul-
jahr in NRW Realität, und ich freue
mich sehr darüber.

Sie sind in den 70er-Jahren in Berlin
zur Schule gegangen, Herr Buchholz.
Haben Sie da etwas über Wirtschaft
gelernt?
BUCHHOLZ:Es gab politische Welt-
und Sozialkunde. Wirtschaft hat auch
eine Rolle gespielt, aber sicher nicht in
dem Maße, wie man es hätte tun kön-
nen. Was Wirtschaft in Gänze aus-
macht, bekommt man an der Schule nur
begrenzt vermittelt. Hinzu kommt, dass
mittlerweile ein Bild vom Unterneh-
mertum entstanden ist, das uns daran
hindert, junge Leute in Unternehmen,
Start-ups und Gründungen zu bringen.
Im medial verbreiteten Bild steht der
Unternehmer schlecht da. Im Krimi et-
wa spielt er entweder den Schurken
oder die weinerliche Geisel. Eine andere
Rolle – etwa der coole, smarte Typ, der
Arbeitsplätze schafft – findet in der Re-
gel nicht statt. Zu meiner Zeit war das
tatsächlich etwas anders. Ich will mich
darüber nicht beschweren. Aber für das,

was Unternehmer leisten, ist ihr Bild
einfach zu schlecht.

Nicht nur in Krimis, auch in Lehrbü-
chern kommen Unternehmer und
Wirtschaft oft nicht gut weg. Es wim-
mele von „monoperspektivischen,
stereotypen Bildern“, hat Ihr Staats-
sekretär in der „Wirtschaftswoche“
gesagt. Ist das so, Frau Gebauer?
GEBAUER: Das ist leider viel zu oft so,
ja. Es gibt Schulbücher, die nicht ausge-
wogen sind. Da erkennt man schon, wie
teils einseitig dargestellt und abgebildet
wird, auch beim Thema Wirtschaft,
Energieerzeugung, Mobilität oder Kli-
maschutz. Da gibt es viel Schwarzmale-
rei. Die notwendigen neuen Kernlehr-
pläne durch die Umstellung der Gymna-
sien auf G9 bieten jetzt die Gelegenheit
für die Schulbuchverlage, neue, ausge-
wogenere Lernmittel zu erarbeiten. Das
erhoffen wir uns.

Wie kommen die Verlage zu ihrer Dar-
stellung?
GEBAUER:Die Schulbücher folgen na-
türlich den Kernlehrplänen, und da gab
es zum Beispiel das Schulfach Wirt-
schaft bisher nicht. In NRW gab es sie-
ben Jahre lang eine rot-grüne Regierung,
die andere Schwerpunkte in den Lehr-
plänen gesetzt hat als Schwarz-Gelb
heute. Das sieht man dann eben auch an
den vorhandenen Schulbüchern.

Heinz-Peter Meidinger, Chef des
Deutschen Philologenverbandes, plä-
diert für eine parteiübergreifende Lö-
sung. Ist in NRW Konsens möglich?
GEBAUER: Ich habe immer gesagt:
Schulpolitik muss ideologiefrei im Sin-
ne der Schülerinnen und Schüler gestal-
tet werden. Das habe ich bei Rot-Grün
immer kritisiert, und das ist auch jetzt
mein Anspruch, den ich in NRW so um-
setze.

Herr Buchholz, Sie sind auch ohne ein
Schulfach Wirtschaft erst Vorstands-
vorsitzender von Gruner & Jahr ge-
worden, dann Wirtschaftsminister.
Denkt Schleswig-Holstein trotzdem
über eine Einführung nach?
BUCHHOLZ: Das steht nicht im aktuel-
len Koalitionsvertrag, also wird es in die-
ser Legislaturperiode nicht so sein. Aber
das ist durchaus ein sinnvolles Thema,
auch für Schleswig-Holstein. Da geht es
auch um Berufsvorbereitung. Das halte
ich für sinnvoll. Mit Jamaika werden wir
das wohl nicht realisieren. Aber als eine
liberale Forderung kann man das sicher
für die Zukunft mitnehmen.

Woher sollen dafür in NRW eigentlich
die Lehrer kommen, Frau Gebauer?
GEBAUER:Momentan wird dieses Fach
vor allem von Lehrkräften für das Fach
Sozialwissenschaften unterrichtet,
denn eine konkret auf das neue Schul-
fach ausgerichtete Lehrerausbildung
gibt es in NRW noch nicht. Ab dem neu-
en Schuljahr arbeiten wir erstmals mit
Zertifikatskursen zur Qualifizierung
vorhandener Lehrkräfte. Zudem berei-
ten wir in Abstimmung mit dem Wis-
senschaftsministerium und interessier-
ten Hochschulen die Lehrerausbildung
für das Schulfach Wirtschaft vor. Hät-
ten wir zuerst die Lehrerausbildung
umgestellt, wären noch einmal sieben
Jahre ins Land gegangen ohne aus-
kömmliche ökonomische Kenntnisse
für unsere Schülerinnen und Schüler.

„Bußgelder bei Verletzung


der Schulpflicht“


Die FDP-Landesminister Yvonne Gebauer und Bernd Buchholz über


Sanktionen für die Klimademonstranten der „Fridays for Future“, das


Schulfach Wirtschaft und einseitige Lehrmittel


Ortstermin an einer Kieler Berufs-
schule: NRW-Bildungsministerin
YYYvonne Gebauer und Schleswig-vonne Gebauer und Schleswig-
Holsteins Wirtschaftsminister Bernd
Buchholz (beide FDP)
JOHANNES ARLT

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